War es Kalkül oder Zufall? Am 26. November 2024 wurde Angela Merkels Erinnerungsbuch „Freiheit“ – gleich auch in 30 Übersetzungen – veröffentlicht. Einen brisanteren Zeitpunkt hätte sich die Altkanzlerin wohl kaum aussuchen können: Die Ampel-Regierung, die ihren Amtszeiten nachfolgte, war gerade mit einem lauten Knall zerbrochen, und die ehemaligen Koalitionäre überhäuften sich gegenseitig mit Vorwürfen, wobei Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Retrospektive dieser Vorgänge wohl die schlechtesten Stilnoten eingefahren haben dürfte. Und während sich ihre Partei, die CDU, gerade für den Wahlkampf in Stellung bringt und dabei auch merklich versucht, inhaltlich eher wie die alte Union zu wirken und einige Entscheidungen und Entwicklungen der Merkel-Ära zu korrigieren, platzt eben diese mit ihren Memoiren auf den Markt. Weiterlesen
Die Grünen
Carolin Emckes selektive Aufklärung
Die Aufregung um die „Judenpassage“ in Carolin Emckes Rede auf dem Grünen-Parteitag hat die viel bedenklichere Seite der Rede überschattet, ja fast verschwinden lassen: Emckes Auffassung von Aufklärung.
Wie ich in einem Kommentar für WELT schrieb: „Natürlich wollte Emcke, das sei vorweggesagt, die Verfolgung der Juden im Dritten Reich nicht mit heutiger Kritik an Klimaforschern und Aktivistinnen gleichsetzen.“ Eine Klarstellung, die nicht verhinderte, dass mein Artikel im Zuge einer Massenempörung über den angeblichen Vorwurf des Antisemitismus an die Adresse Emckes seitens der „Springer-Presse“ umstandslos in die Ecke der „Diffamierung“ geschoben wurde. Dass ich dummerweise aus Zeitgründen die entsprechende Passage nach Anhörung der Rede aus meinen Notizen rekonstruierte, statt sie noch einmal Wort für Wort mitzuschreiben, und mich dadurch dem Vorwurf aussetzte, Emckes Rede zu verfälschen, ärgert mich fast genauso, wie es hoffentlich Emcke ärgert, dass sie nicht noch einmal über ihre Formulierung nachdachte, bevor sie die Rede hielt.
Von guten und von schlechten Tieren
Menschen, denen die Grünen nicht sympathisch sind, können aufatmen. Es wird nach der Bundestagswahl keine Koalition mit den Grünen geben. Sie haben sich selbst aus dem Rennen katapultiert, indem sie ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030 zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung machen. Darauf werden sich die beiden großen Parteien CDU/CSU und SPD nicht einlassen. Ihnen sind die Verbotsallüren der Grünen seit langem zuwider. Zudem wissen sie aus Erfahrung, dass Festlegungen über 13 Jahre hinweg in der Politik abwegig und unrealistisch sind. Gerade im Bereich der Technik verläuft die Entwicklung rasant und ist nie genau vorhersehbar. Als Volksparteien sehen CDU und SPD es zudem als ihre Pflicht an, die Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze zu bewahren. In der Automobilindustrie arbeiten immerhin 800.000 Menschen. Die Grünen haben als Partei der Besserverdienenden solche Sorgen nicht. Die Planstellen ihrer Klientel im Öffentlichen Dienst sind sicher und krisenfest. Weiterlesen
Wo bleiben die Grünen?
Nach dem Brexit-Referendum haben sich die deutschen Parteien schnell positioniert. Die Kanzlerin ließ verlauten, man müsse den Briten jetzt Zeit geben, den Ausstieg aus der EU vorzubereiten. Sie warnte davor, aus Rache jetzt „garstig“ zu sein und die Briten demütigen zu wollen. Ihr Motiv ist klar: Sie möchte auch nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königsreichs aus der EU-Familie das Land eng an die EU binden, weil sie den freien Geist der Briten und ihr Gespür für marktwirtschaftliches Handeln überaus schätzt. Die SPD hingegen drängte auf sofortige Ausstiegsverhandlungen, als könne es ihr nicht schnell genug gehen, den Störenfried GB endlich loszuwerden. Gleichzeitig forderten die beiden SPD-Granden Gabriel und Schulz eine neue sozialpolitische Ausrichtung der EU, eine „europäische Wachstumsunion“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das alte Konzept der SPD, das sie schon bei Machtantritt von Francoise Hollande als europäische Verheißung lanciert hatte: höhere Staatsverschuldung zur Ankurbelung der Wirtschaft in den EU-Staaten und Vergemeinschaftung der Staatsschulden. Die Linke forderte das, was sie in jeder Lebenslage fordert: Abkehr von einem „Europa der Banken“ und Umverteilung des Reichtums zugunsten der Armen. Sarah Wagenknecht forderte sogar eine Volksabstimmung über die EU-Verträge. Damit gibt sie ein weiteres Mal zu erkennen, wie groß die geistige Nähe der Linken zu den Rechtspopulisten der AfD tatsächlich ist. Weiterlesen
Darf Satire wirklich alles?
Selten gehe ich mit der Meinung konform, die Jakob Augstein in seiner Kolumne „Im Zweifel links“ auf SPIEGEL-online äußert. Mit seinem letzten Kommentar „Witz, komm raus!“ (18. 04. 2016) bin ich allerdings voll und ganz einverstanden. Die Botschaft ist so einfach wie treffend: Bei Jan Böhmermanns Machwerk handele es sich weder um Kunst noch um Satire, sondern um eine Beleidigung. Und eine Beleidigung sei nach unserer Rechtsordnung strafbar – Kanzlerin-Ermächtigung hin oder her.
Mich hat in der öffentlichen Debatte gewundert, wie sehr die feinsinnigen Feuilletonisten der liberalen Blätter bemüht waren, das beleidigende Potential des anstößigen „Gedichts“ hinter dem Pathos der Verteidigung von Meinungsfreiheit und Kunstprivileg zu verstecken. Man stelle sich einmal folgendes vor: Ein Pegida-Anhänger hätte ein solches Schmähgedicht gegen die Ausländerbeauftrage der Bundesregierung (eine Deutsche mit türkischem Hintergrund) oder gegen Cem Özdemir von den Grünen oder – noch schlimmer – gegen einen homosexuellen Politiker verfasst. Dann wären die Wogen der Empörung hochgeschlagen und die wackeren Verteidiger der Meinungsfreiheit hätten nach dem Kadi gerufen. Weiterlesen
Die Grünen und die Frauen
Nach den Ereignissen in der Silvesternacht 2015 in Köln verschlug es den Grünen für Tage die Sprache. Als sich dann schließlich einzelne Sprecher(innen) zu Wort meldeten, waren die Stellungnahmen seltsam gewunden: Verurteilung der Täter ja, aber immer versehen mit der Warnung, die Flüchtlinge ja nicht pauschal zu verurteilen. Besonders peinlich waren Hinweise – etwa von Claudia Roth – , wenn Deutsche massenhaft zum Feiern zusammen kämen, wie z.B. beim Karneval oder beim Münchener Oktoberfest, komme es auch zu Übergriffen gegenüber Frauen. Den Frauen, die in Köln Opfer massenhafter sexueller Belästigung geworden waren, mussten solche Relativierungen der schlimmen Taten wie Hohn in den Ohren klingen.
Im Januar 2013 wurde durch einen Bericht im „Stern“ bekannt, dass der damals 67-jährige FDP-Politiker Rainer Brüderle in einer Stuttgarter Hotelbar gegenüber einer 29-jährigen Journalistin die nötige Distanz habe vermissen lassen. Er soll nach der Musterung ihres Dekolletés zu ihr gesagt haben: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“ Als dieses Zitat bekannt wurde, gab es nicht nur einen Shit-Storm in feministischen Kreisen. Nein, vor allem die Grünen gaben sich empört und forderten vehement Brüderles Rücktritt vom Amt des Fraktionsvorsitzenden der FDP im Bundestag. Weiterlesen
Törichte Worte
Als die französische Nationalversammlung am 20. 11. 2015 über die Verschärfung der Sicherheitsgesetze und die Verlängerung des Ausnahmezustands abstimmte, gab es dafür eine überwältigende Mehrheit. Bei 551 Ja-Stimmen gab es nur sechs Nein-Stimmen. Eine davon gehörte dem grünen Abgeordneten Noêl Mamère. Bemerkenswert war seine Begründung: „Das Überangebot an Sicherheit passt nicht zur Situation.“ (FAZ vom 21. 11. 2015) – Dem grünen Herrn ist anscheinend entgangen, dass das „Unterangebot“ an Sicherheit in Paris zu 130 ermordeten Menschen geführt hat.
„Dann hätte der Terror gesiegt“
In Deutschland gibt es ähnliche konfuse Stimmen. Bei den Grünen werden schon wieder die alten Reflexe bemüht: Eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze sei unnötig, sogar schädlich, weil dies unsere Freiheitsrechte zerstöre. Wenn wir jetzt in diesem Sinne „aufrüsteten“, „hätte der Terror gesiegt“. Viele plappern dieses Wort nach, ohne zu merken, wie töricht es ist. Als ginge es den Terroristen vom Islamischen Staat darum, die europäischen Gesellschaften von Demokratien in autoritäre Staatsformen umzuwandeln. Weiterlesen
Stresstest für ein selbstzufriedenes Land
Angela Merkel hat auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise etwas geschafft, was ihr in ihrer zehnjährigen Regierungszeit bisher nicht beschieden war. Sie hat durch Worte geglänzt: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“. Diesem emotionalen Satz gingen noch andere bemerkenswerte Äußerungen voraus: „Deutschland braucht mehr Flexibilität.“/ „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze.“ Und: „Wir schaffen das!“ Weiterlesen