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Heute, 11 Uhr, eröffnet er die erste Sitzung des 21. Bundestages …

„Könnten Sie uns noch ein paar dieser Karikaturen signieren, Herr Gysi?“

Es ist fünfunddreißig Jahre her.

Es ist im November im Jahr 1990 und Gregor Gysi ist in Tübingen zu Gast. Die Fachschaftsräte-Vollversammlung hat ihn eingeladen. Und der größte Hörsaal der Universität, das Auditorium Maximum, fasst die Zuhörer nicht. Die Veranstaltung wird per Bildschirm in einen weiteren Hörsaal übertragen.

Ich bin Kreisvorsitzender der Jungen Union und wir haben Flugblätter verteilt (Bild oben).

Jetzt dürfen an den Herrn Gysi noch Fragen gestellt werden. Ja, ich habe eine Frage:

„Könnten Sie uns noch ein paar dieser Karikaturen signieren, Herr Gysi?“

Jetzt legt er aber los. Die DDR sei jedenfalls nicht das Dritte Reich gewesen. Seine halbe Familie sei in Auschwitz umgekommen. Das sei alles NS-Verharmlosung.

„Als harmlos habe ich Bautzen nicht erlebt.“ Rufe ich.

„Dafür“ ruft Gregor Gysi zurück , „Dafür sehen Sie aber noch ganz gut aus!“

„Ein grandioser Auftritt Gysis“, wird in den nächsten Tagen in der Südwest-Presse stehen.

„Leider nur immer wieder gestört von rechtsradikalen Brüllern.“

Jetzt habe ich in meinem Bücherschrank noch Gysis Umschulungslehrgang für DDR-Diplomjuristen  gefunden. Von 1990. Uralt. Ist schließlich von einem Alterspräsidenten des Bundestages verfasst.

Vielleicht signiert Gregor Gysi mir das (Bild unten).

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Psychedelic Rock gegen Erdosultan

Ulf Kubanke nutzt den Fall Imamoglu, um auf mutige Künstler aufmerksam zu machen, die dem Regime des türkischen Unterdrückers seit Dekaden die Stirn bieten.

„Der Anlass ist immer ‚Faschismus‘.“ – Woody Allen („Anything Else“)

„Ich will Kalif sein anstelle des Kalifen!“ – Isnogud

Im Südosten nichts Neues. Erdolf dreht mal wieder durch und pendelt sich wie aktuell in der Causa Ekrem İmamoğlu einmal mehr dort ein, wo sich das politische Kroppzeug Hannah Arendtschen Grauens dieser Tage ohnehin zum fröhlichen Mobster-Stelldichein gesellt. Weiterlesen

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Osnabrücker Unfrieden – Giftpfeile aus Liliput

Weniger Mauern, auch im Kopf! Grafik: Frank Vollmer, www.frank-vollmer.de

Ich mag die taz! Gäbe es sie nicht, müsste man sie erfinden. Das meine ich ernst: Ich lese die Artikel der Redaktion und ihrer freien Mitarbeiter gern. Nicht, weil ich ihre Positionen teile – im Gegenteil –, sondern weil ich gute Argumentationen und andere Sichtweisen schätze. Schließlich gibt es nichts Schlimmeres, als nur in der eigenen Blase zu bleiben. Das macht träge und blind.

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Panzerkleber statt Klimakleber: Die „Erste Generation“ macht Deutschland kriegsresilient

Klimawandel oder Geopolitik – was wird uns zuerst töten? Dieser Text ist ein Aufruf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich geistig der „Ersten Generation“ anzuschließen: für mehr Vorsorge, Wehrhaftigkeit und Resilienz in einer neuen Realität des Hybriden Krieges.

Was wird uns Europäer töten? Die Geopolitik oder der Klimawandel? Meine Antwort: Beides, wenn wir jetzt nicht sehr schnell handeln. Die für mich persönlich allerdings wichtigere Frage ist: Was wird uns zuerst töten? Und da ist meine Antwort sehr eindeutig: Die Geopolitik.

Wir befinden uns schon nicht mehr im Frieden, aber auch noch nicht in einem heißen Krieg, bei dem Truppen mit Panzern und Artillerie unser Land malträtieren, wie wir es im Fernsehen jeden Tag in der Ukraine sehen. Russland hat seine imperialen Ambitionen längst als Hybriden Krieg in unser Land getragen. Täglich werden wir auf unserem eigenen Territorium angegriffen: durch Cyberattacken gegen unsere Unternehmen, durch Delegitimierungsangriffe auf unsere Behörden, durch Desinformationsoffensiven gegen unsere Zivilgesellschaft.

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Von Riten, Liedern und Symbolen

„Schokoladenpapier einsammeln, Jungs und Mädels. Sonst geht’s nicht weiter.“

Das gebiete ich nach Ende der Rast mit möglichst fester Stimme in jenem Herbst des Jahres 1986.

Ich bin Jura-Student in Tübingen und mit der 4. Klasse einer schwäbischen Waldorfschule per Fahrrad unterwegs. Ins Schullandheim. Das Gepäck der Kinder und auch meinen Koffer hat einer der Väter schon hingefahren.

Ich bewege mich sicher hier. Schließlich bin ich in einer anthroposophischen Kirche in der DDR aufgewachsen. Ich kenne fast alle Lieder, die an Waldorfschulen gesungen werden. Die, welche ich noch nicht kenne, bringe ich mir bei auf der Gitarre.

Und Kinder sind überall gleich. Weiterlesen

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Dublin Story I & das Altern

„In a bar Johnny drinks
Johnny drinks Johnny Walker
Runs up a bill the Pope couldn’t pay
He’s drinking to the memory
Of a prince in a paupers grave“ 
(Carter USM 1991)

Nun ist das mit dem Altern nicht leicht, klar. Das ist eine Sache, die passiert eben. In Dublin ist es ebenso. Einmal dort angekommen, lass alle Hoffnung fahren, die nächsten Stunden, Tage, Wochen zu planen. Alles passiert dort und nimmt womöglich jedem Besucher das ohnehin nur eingebildete Steuerrad des Lebens aus den Händen. Weiterlesen

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In der Thüringer Kleinstaaterei (6) – Greiz

Nirgendwo in Deutschland währte die Kleinstaaterei so lange wie in Thüringen. Die Grafik unten (aus Wikipedia) zeigt die politischen Grenzen von 1910 auf. Erst mit dem (Reichs-)Gesetz vom 30. April 1920 wurde zum Folgetag das Land Thüringen aus 7 Einzelstaaten gebildet. Als „kleinthüringer Lösung“. Preußen war nicht bereit gewesen, auch nur einen Quadratzentimenter beizusteuern. Das geschah erst nach 1945. 7 plus 1 Sterne zieren deshalb heute das Thüringer Landeswappen. Thüringen – das Land mit den vielen Residenzen.

Greiz

Sie haben noch nie etwas gehört von der Residenzstadt des Fürstentums Reuß ältere Linie?

Kein Wunder, der Zwergstaat Greiz im Staatenbund Kaiser Wilhelms II. hatte 1910 stolze 70.603 Einwohner. Und sollten Sie bei „Greiz“ an einen Ort mit Motor-Rennen gedacht haben: Das wäre Schleiz.

1564 bis 1768 war die Herrschaft, damals noch nicht reichsunmittelbar, sondern der Prager Krone zugehörig, zu allem Überfluss auch noch zerteilt Weiterlesen

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Songs von Leonard Cohen (1): Suzanne

Vor einigen Wochen passierte mir etwas Schreckliches: Ich fing an. Leonard Cohen zu mögen. Immerhin ist es nicht Neil Diamond. Oder Reinhard May. Aber trotzdem. Natürlich wusste der Cohen, dass es so kommen würde:

You never liked to get
The letters that I sent
But now you’ve got the gist
Of what my letters meant

„Meine Briefe hast du nie gern empfangen, aber jetzt verstehst du ungefähr, was ich sagen wollte.“ So heißt es in „The Letters“ auf dem schönen Album „Dear Heather“ aus dem Jahr 2004. Und aus diesem Hinweis mag man ersehen, dass ich, wie ich so bin, systematisch herangehe, und beim samstäglichen Hausputz ein Cohen-Album nach dem anderen anhöre, nachdem ich so um 1969 herum das letzte Mal ein Album von ihm durchhörte.

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Pazifismus? Naja, geht so. Erinnerungen an die eigene Kriegstüchtigkeit

Das Foto ist 50 Jahre alt, mein jüngeres ich leistet widerwillig seinen Grundwehrdienst ab. Schütze Zimmer dient in der Nachschubkompanie. Bringt es mit Eifer zum per Zeugnis dokumentierten Lochkartenprüfer (!) – ein schöner Beruf mit guten Zukunftsperspektiven. Trifft beim Schießen immer genau zwischen die Augen des Pappkameraden und denkt dabei aber nicht an Krieg, sondern an die Mittagspause und die anschliessende Wochenend-Heimreise.

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Von Freiheitskämpfern und Friedenswällen

Sie haben sich wieder zu Wort gemeldet. Vor zwei Wochen. Mit ihrem Aufruf, einen Freiheitskampf der Ukraine zu unterstützen. Die, welche bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betonen, schon hinter der Mauer für die Freiheit gekämpft zu haben. Anscheinend befürchten sie, es würde ihnen sonst keiner glauben.

Und ich erinnere mich:

„Hier, die habe ich eingebüßt in Ihrem faschistischen Kriege!“

Zornig ist der Hauptmann der Volkspolizei vor mir in jenem Herbst 1983. Er hält mir seine rechte Hand vor mein Gesicht. Der Mittel- und der Zeigefinger fehlen ihm.

Ich bin 23 in jenem Jahr und er mag etwa 50 Jahre alt sein. Dann war der Hauptmann vielleicht 16 oder 17 im Jahr 1945. Flakhelfer oder doch noch Soldat der letzten Stunde.

Ich habe ihn erzürnt. Nicht nur, weil ich zu ihm aufs Meldeamt gekommen bin, weil ich meinen „PM 12“ verloren hätte, eine Abkürzung für Paß- und Meldewesen, Dokumentyp 12 (Bild unten).

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Ein Clown im Weißen Haus

Wenn Trump wenigstens ein erfolgreicher brutaler Machtpolitiker wäre. Aber er kann den Krieg gegen die Ukraine nicht einmal für eine halbe Stunde stoppen. Deutschland und Europa erstarren trotzdem vor ihm. Warum?

Ich wäre schon immer gerne Mäuschen gewesen, wenn Große miteinander verhandeln. Worüber haben Trump und Putin bei ihrem zweiten Telefonat seit Trumps Wiederamtsantritt zwei Stunden gesprochen? Über dessen Sieg beim Golfturnier im eigenen Golfclub am Wochenende? Über Putins neueste Geliebte? Über den „Diktator“ Selenskyi, der nach beider Ansicht weg muss? Über die Aufteilung der Beute in der Ukraine und im restlichen Ost- und Mitteleuropa wie einst Hitler und Stalin? Putin jedenfalls hat die von Trump geforderte 30tägige Waffenruhe trotz dessen Liebedienerei und Drohgebärden abgelehnt – eine Niederlage für den selbstverliebten US-Präsidenten, aber immerhin, hieß es, ein Aussetzen der Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur zugesagt. Doch selbst das hielt er nicht ein. Weiterlesen

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