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Vom Sinn des Soldatseins – Erinnerungen an den Wehrdienst in der DDR (Teil 2/9)

Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.

Kapitel 2

Neben meiner, der 20., gab es innerhalb der Kasernenmauern noch eine weitere, die 3. VP-Bereitschaft. Jede Bereitschaft besaß fünf Kompanien, welche wiederum in drei Züge und schließlich Gruppen sowie je einen Kompanietrupp unterteilt waren. In der Regel lebten die gut hun­dert Mann einer Kompanie in je einem separaten Block. Außerdem wurde meinem Fenster gegen­über ein Neubau hochgezogen, welcher demnächst eine strengstens geheime, extrem scharfe Elite-Einheit im Stile der bundesdeutschen Anti-Terror-Truppe GSG 9 beherbergen sollte. So war ich in den kommenden anderthalb Jahren / achtzehn Monaten / 545 Tagen fast ausschließ­lich von mehr als zwei­tausend uniformierten, überwiegend ein­gesperrten, einem engen Ver­hal­tens­kodex unter­worfenen Männern umgeben. Weiterlesen

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Wie funktioniert Diktatur?

Die Entrüstung kam heute wie bestellt: Zum ersten Mal in Deutschland sei ein ehemaliger Stasi-Mann Minister geworden, sagt Thüringens Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Einer, der beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ war. Etwas über zwei Jahre. Dann war die DDR bankrott. „Er verpflichtete sich freiwillig!“ Weiß die Bild-Zeitung. Weiterlesen

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Sie ist wieder da! Eine Einordnung von Angela Merkels Memoiren „Freiheit“

Die Raute ist das Markenzeichen der Alt-Kanzlerin Angela Merkel. Grafik: Frank Vollmer, frank-vollmer.de

War es Kalkül oder Zufall? Am 26. November 2024 wurde Angela Merkels Erinnerungsbuch „Freiheit“ – gleich auch in 30 Übersetzungen – veröffentlicht. Einen brisanteren Zeitpunkt hätte sich die Altkanzlerin wohl kaum aussuchen können: Die Ampel-Regierung, die ihren Amtszeiten nachfolgte, war gerade mit einem lauten Knall zerbrochen, und die ehemaligen Koalitionäre überhäuften sich gegenseitig mit Vorwürfen, wobei Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Retrospektive dieser Vorgänge wohl die schlechtesten Stilnoten eingefahren haben dürfte. Und während sich ihre Partei, die CDU, gerade für den Wahlkampf in Stellung bringt und dabei auch merklich versucht, inhaltlich eher wie die alte Union zu wirken und einige Entscheidungen und Entwicklungen der Merkel-Ära zu korrigieren, platzt eben diese mit ihren Memoiren auf den Markt. Weiterlesen

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10.000 km ostwärts – eine Reise durch das beginnende 1989 (6)

MOSKAU, 4. Februar 1989

Es ist Samstag.
Tanja und Sergej werden in Moskau auf dem Kiewer Bahnhof von Freunden erwartet. Schon haben sie mir angekündigt, dass sie mir Moskau zeigen werden.

Auch Kolja und Andrej, denen ich nun vorgestellt werde, sind dieser Meinung: Weiterlesen

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10.000 km ostwärts – eine Reise durch das beginnende 1989 (5)

BUDAPEST – MOSKAU 2. – 4. Februar 1989

„Guten Abend“ sage ich, als ich meine Taschen ins Abteil schleppe.
Auf Russisch natürlich.

Außer mir sind noch ein junger Mann und eine junge Frau in dem Abteil mit den vier Liegen. Die Taschen sind schnell verstaut. Wir wechseln ein paar Worte. Dann kann ich ihren Fragen auch schon nicht mehr folgen. „Ach, Sie sind kein Russe ?“ Weiterlesen

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Wenn schon politisch korrekt, dann bitte richtig

Die OECD hat ihren Bericht über die Lese- und Rechenfähigkeiten von Erwachsenen vorgelegt. Ernüchternd. Wir werden tendenziell dümmer, zum ersten Mal seit James R. Flynn 1984 anhand von IQ-Tests herausfand, dass wir von Generation zu Generation cleverer werden. Dazu schreibe ich an anderer Stelle. Hier geht es mir um etwas Anderes. Um das Foto auf dem Cover des Berichts.

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10.000 km ostwärts – eine Reise durch das beginnende 1989 (4)

BUDAPEST 30. Januar – 2. Februar 1989

Es ist 8 Uhr morgens, als ich aus dem Zug von Prag nach Budapest steige und ich bin todmüde. Aber erst einmal geht es zum Reisebüro „Ibusz“.
Das Ticket für die Fahrt nach Osten ist noch abzuholen. Ja , die Reservierung für die Transsibirische Eisenbahn ist O.K. . Auch die Rückfahrkarte kann ich schon jetzt kaufen.

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Schachspiele im Parlament

Minderheitsregierungen werden womöglich zur deutschen Normalität. Das muss nicht schlecht sein. Ungewöhnlich jedoch das Patt im Thüringer Landtag, weshalb unklar ist, ob Mario Voigt am Donnerstag eine Mehrheit als CDU-Ministerpräsident erhält – und vom wem. Eine ähnliche Konstellation gab es schon einmal: 1987 in Schleswig-Holstein. Weiterlesen

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Vom Sinn des Soldatseins – Erinnerungen an den Wehrdienst in der DDR (Teil 1/9)

Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.

Laut Einberufungsbefehl begann mein Grundwehrdienst am 3. November 1979. Doch hatte die­ser gefürchtete Tag X, hinter dessen Wirklichkeit sich das frühere zivile Leben abrupt zu einem unbeschwerten, irgendwie kindlichen Traum verwandelte, seine Schatten schon seit Längerem voraus­geworfen. Bei der Musterung vor anderthalb Jahren waren die jungen Männer meines Jahr­­gangs der Erweiterten Oberschule „Philipp Melanchthon“ in Wittenberg sämtlich erfasst, begut­achtet und einsortiert worden für den künftigen Dienst an der Waffe. Nur zwei von ihnen, und zwar Andreas S. aus der Parallelklasse sowie ich selbst, hatten uns nicht bereiterklärt, drei oder gar fünfundzwanzig Jahre als Unteroffizier bzw. Berufsoffizier zu dienen, sondern wirklich nur den Grundwehrdienst abzuleisten. Spatensoldaten oder gar Totalverweigerer gab es unter uns überhaupt keine. Weiterlesen

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