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Der anachronistische Zug (frei nach Bertolt Brecht)

Sommer wurd‘s in deutschem Land
An Unis und am Badestrand
Wurde wieder Haut gezeigt
Nebenbei Hamas geliked

Denn vom Süden, dem globalen
Bewegte sich von Postkolonialen
Ein modischer und schicker Zug
Der eine alte Losung trug

Miniröcke, Palli-Tücher
Gucci-Taschen, Butlers Bücher
Und man rief so etwas wie:
From the River to the Sea

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Das Jagger-Richards-Songbuch (15): Memory Motel

Songs mit Hotels spielen in der Rockmusik eine große Rolle, was nicht verwunderlich ist, weil Rockmusiker notgedrungen viel Zeit in Hotels verbringen. Wenn sie Glück haben. Ich erinnere mich an eine Tournee mit der „Berlin Blues Band“, wo wir – vermutlich aus Versehen – angeheuert wurden, in einem Sylter Puff zu spielen und anschließend in den vakanten Fickkabinen übernachten mussten … andere Geschichte.

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„Let It Be“: Ein Song gegen den Strom der Zeit

Es gehörte schon Chuzpe dazu, der aufgewühlten post-68er Jugend „Let It Be“ als Abschiedssingle zuzumuten. Ein Song, der allem Aufbegehren gegen „times of trouble“, und „darkness“ eine Absage erteilt und der Weisheit der „Mother Mary“ vertraut: Lass gut sein, es wird schon.

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„The Weight“ von The Band: Das Gewicht der Sünde und der Erlösung

Dies ist ein prätentiöser Song, geben wir es zu. Und trotzdem ziemlich gut. Die Musik sowieso, diese Mischung aus Country und Gospel, aber hier geht es um den Text. Der Komponist Robbie Robertson meinte, der sei von den Filmen Luis Bunuels inspiriert worden; es gehe um die Unmöglichkeit, ein Heiliger zu sein.

Womit ein weiteres Mal bewiesen ist, wenn es dieses Beweises noch bedürfte, dass die Dichter die Letzten sind, die man befragen soll, wenn man wissen will, was ein Gedicht „bedeutet“. Denn wo ein Gedicht „herkommt“ (wer zum Beispiel all die Leute sind, die im Song vorkommen, welche Bilder Robertson im Kopf hatte, als er frei assoziierend und vermutlich mit Hilfe diverser bewusstseinsverändernder Substanzen den Text festhielt), ist weniger wichtig als die Frage, wohin wir mit dem Song gehen können.

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Der Krieg gegen Israel ist die Fortsetzung des Holocausts

Vortrag, gehalten vor der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V., Sektion Bremen, 11. April 2024

Beginnen wir mit der humanitären Krise, die einem das Herz zerreißen muss. Allein im Flüchtlingslager Zamzam verhungern pro Stunde zwei Kinder. Hunderttausende Kinder werden, innerhalb des kommenden Jahres sterben. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen, die ihre Hilfsoperationen wegen der unsicheren Lage einstellen musste, sind 18 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht.

Moment: 18 Millionen? Dann kann nicht Gaza gemeint sein, wo überhaupt nur zwei Millionen Menschen leben. Nein. Wir reden vom Sudan. Das Massensterben dort ist Folge eines Machtkampfs und eines Bürgerkriegs, vor allem aber Folge einer Politik der ethnischen Säuberung und des Einsatzes von Hunger als Waffe in der Provinz Darfur. Und wie reagiert die internationale Gemeinschaft? Die Weltöffentlichkeit? Gibt es Beschlüsse des Sicherheitsrats? Anklagen vor dem Weltgerichtshof? Jetten die Außenminister der USA und der EU hin und her, um ein Ende der Gewalt zu vermitteln? Richten die USA eine humanitäre Luftbrücke ein? Ist die Bundeswehr vor Ort, um die Lebensmittelverteilung zu schützen? Vor allem aber: Gibt es an westlichen Universitäten täglich Demonstrationen? Organisieren Intellektuelle Petitionen, bekunden ihre Betroffenheit und Empörung? Schreiben sich Leitartikler die Finger wund?

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Neid und Missgunst

Ich habe bereits meinem Ärger über den plumpen Professoren-Humor in der Biografie des Kaisers Friedrich II von Olaf B. Rader Luft gemacht. Diese dröge Lebensbeschreibung, die aus unerfindlichen Gründen als Standardwerk gilt, verglich ich mit der funkelnden Biografie von Ernst Kantorowicz. Wie es scheint, ist sich Rader des Unterschieds in der schriftstellerischen Potenz bewusst und grenzt sich von Kantorowicz ab – in einer Art jedoch, die jede Fairness vermissen lässt.

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Hier lacht der deutsche Professor

Anlässlich eines Kurzurlaubs in Palermo wollte ich mich über den Stauferkaiser Friedrich II kundig machen. Leider gibt es das Standardwerk von Ernst Kantorowicz nicht als E-Book, jedenfalls nicht in deutscher Sprache, so dass ich mit Rücksicht auf die Gewichtsobergrenze meines Gepäcks mit einem Werk des Historikers Olaf B. Rader vorlieb nehmen musste.

Was ich bedauere. Es mag ja sein, dass Kantorowicz, beeinflusst durch die Ideen des George-Kreises, dem idealisierten Kaiser einiges andichtete, was einer sachlichen Überprüfung nicht standhält, aber er begriff immerhin, dass jede große Geschichtsschreibung eben auch Dichtung ist, Erzählung und  Verdichtung. Schon in der – schlechten – englischen Übersetzung, deren erstes Kapitel ich, an der Drögheit des Rader’schen Werks verzweifelnd, als Leseprobe auf mein Kindle herunterlud, sprüht es vor Ideen und Erzählungen. Aber, gewiss, Numismatiker und Dokumentenkundler kommen vermutlich bei Rader eher auf ihre Kosten.

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Berlin ist nicht Weimar

Ich danke Martin Jander für seinen Beitrag. Er zeigt beispielhaft, mit welchen Ausblendungen, Halbwahrheiten und sprachlichen Tricks selbst hoch gebildete und seriöse Menschen arbeiten müssen, um bestimmte Positionen von vornherein aus der Debatte um den Umgang mit der Neuen Rechten auszuschließen.

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Benedikt XVI, der Jerry Lee Lewis der Theologie

Demnächst werden die Predigten veröffentlicht, die der emeritierte Papst Benedikt XVI in seiner Privatkapelle hielt und die – angeblich ohne sein Wissen, wer’s glaubt, wird selig – mitgeschnitten wurden. Eine wurde bereits veröffentlicht: eine Predigt über Joseph, den Ziehvater des Jesus von Nazareth.

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Maurenbrecher 1: Litfaßsäule

Früher gab es – hach! Ich liebe es, wenn ein Text so anfängt, Opa erzählt vom Krieg – früher gab es eine Kabarett-Truppe in West-Berlin, sie nannte sich „Zwei Drittel“. Und das wirklich Besondere an dieser Truppe war, dass sie sich nicht die regierende SPD oder CDU (in West-Berlin: same difference) vornahm, sondern ihr eigenes Publikum, die Linke, Spontis und Revis, WGs und Kommunen, Ex-Maoisten und Noch-Trotzkisten. Ja, es gab eine Zeit, da konnten die Guten über sich selbst lachen.

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Das Jagger-Richards-Songbuch (14): Coming Down Again

Da es mir bei diesen Besprechungen in erster Linie um die Texte geht, mag es ein wenig verwundern, wenn ich zu Keith Richards‘ 80. Geburtstag einen Song auswähle, der im Wesentlichen aus einer Zeile besteht: „Coming down again“. Wie „Knockin‘ on heaven’s door“. Während mich aber das Pochpochpochen bei Dylan ärgert, ist dieses todtraurige Herunterkommen nach dem Drogen-Himmelssturm wunderbar, und Keith Richards zeigte hier zum ersten Mal, was für ein großartiger Sänger er ist. Nicht technisch, versteht sich, Virtuosität ist bei den Rolling Stones sowieso nie der Punkt gewesen, weshalb Mick Taylor da nicht reinpasste, sondern in dem, was bei einem Blues-Sänger am wichtigsten ist: Gefühl.

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