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Darf Satire wirklich alles?

Selten gehe ich mit der Meinung  konform, die Jakob Augstein in seiner Kolumne „Im Zweifel links“ auf SPIEGEL-online   äußert. Mit seinem letzten Kommentar „Witz, komm raus!“ (18. 04. 2016) bin ich allerdings  voll und ganz einverstanden. Die Botschaft ist so einfach wie treffend: Bei Jan Böhmermanns Machwerk handele es  sich weder um Kunst noch um Satire, sondern um eine Beleidigung. Und eine Beleidigung sei nach unserer Rechtsordnung strafbar – Kanzlerin-Ermächtigung hin oder her.

Mich hat in der öffentlichen Debatte  gewundert, wie sehr  die feinsinnigen Feuilletonisten der liberalen Blätter bemüht waren, das beleidigende Potential des anstößigen „Gedichts“  hinter dem Pathos der Verteidigung von Meinungsfreiheit und  Kunstprivileg  zu verstecken. Man stelle sich einmal folgendes vor: Ein Pegida-Anhänger hätte ein solches Schmähgedicht gegen die Ausländerbeauftrage der Bundesregierung (eine Deutsche mit türkischem Hintergrund) oder gegen Cem Özdemir von den  Grünen oder – noch schlimmer – gegen einen homosexuellen Politiker verfasst. Dann wären die Wogen der Empörung hochgeschlagen und die  wackeren Verteidiger der Meinungsfreiheit hätten nach dem Kadi gerufen. Weiterlesen

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Billiges Geld und die Folgen

Unter Kollateralschäden versteht man im Militärischen die Begleitschäden, die unbeabsichtigt erfolgen, die aber um der  eigentlichen Waffenwirkung willen in Kauf genommen werden. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik gibt es auch Kollateralschäden. Nur sind sie weniger offensichtlich als die militärischen, weil es die Opfer nur allmählich merken, dass sie durch etwas in Mitleidenschaft gezogen werden, das sie nicht beeinflussen können.

Am 10. März 2016  hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 0,05 % abgesenkt. Das Volumen der monatlichen Anleihekäufe wurde auf 80 Milliarden Euro angehoben. Der Strafzins, den Banken für Einlagen bei der EZB zahlen müssen, wurde auf minus 0,4% abgesenkt. Gleichzeitig wurde signalisiert, dass  dies noch nicht das Ende der Fahnenstange bedeute. Im Jahre 2012 hat  Notenbankchef Mario Draghi  mit seiner geldpolitischen Bazooka die Politik des billigen Geldes eingeläutet. Draghi wollte damit einerseits das Abgleiten in eine Deflation verhindern, andererseits die Unternehmen dazu veranlassen, mit Hilfe von billigen  Krediten  Investitionen vorzunehmen, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln sollten. Damit glaubte er die Wachstumsschwäche in der Europäischen Union überwinden zu können. Nach vier Jahren ist es an der Zeit zu fragen, ob  sich diese Voraussagen erfüllt haben. Weiterlesen

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Neue Arbeiterpartei AfD

Bemerkenswert  bei  den drei Landtagswahlen am 13. März 2016 war die Tatsache, dass die  AfD  in allen drei Bundesländern massiv Arbeiter und Arbeitslose  angezogen hat. Beide Wählergruppen stellten mit Anteilen  von 23% / 25% in Rheinland-Pfalz, 30% / 32% in Baden-Württemberg und 35% / 36% in Sachsen-Anhalt die größten Stimmenanteile. Danach folgten erst Selbständige, Angestellte  und als Schlusslicht Rentner. Die Wählerwanderung hin zur AfD aus den anderen Parteien bestätigt diesen Befund. Nach der CDU verlor die SPD am stärksten an die AfD. In Sachsen-Anhalt war es die Linke, die nach der CDU am heftigsten zur Ader gelassen wurde. Die Linke stürzte in dem Land, in dem sie vor der Wahl  sogar Regierungsambitionen gehegt hatte, regelrecht ab. Beide linke Parteien zusammen (SPD / Linke) verloren in diesem Land  18,3% an Stimmen. Ein beispielloser Absturz zweier Arbeiterparteien. Weiterlesen

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Plädoyer für das Mehrheitswahlrecht

Die Kommunalwahlen in Hessen vom 6. 3. 2016 waren das erste  Menetekel. Die beiden  ehemals großen Volksparteien CDU und SPD sind landesweit  in der Wählergunst unter die 30%-Marke gefallen. In einigen hessischen Städten, wie z.B. in Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden,  gibt es keine Partei mehr, die wenigstens ein Viertel der Stimmen errungen hätte. Von Volksparteien kann man wohl kaum noch sprechen, wenn man unter die  magischen Marke von einem Drittel  der Stimmen abrutscht. Es versteht sich von selbst, dass die Bildung der Stadtregierungen unter diesen Umständen schwieriger geworden ist, zumal mit der AfD eine Partei Einzug in die Stadtparlamente gehalten hat, mit der niemand koalieren will. Bei den drei  Landtagswahlen am 13. März 2016 hat sich dieser Trend zur Zersplitterung fortgesetzt. Die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD können in den Bundesländern Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt mangels Masse nicht mehr miteinander koalieren. In Baden-Württemberg hingegen ist die neue Volkspartei grün. In allen Landtagen, die am 13. März gewählt wurden, sind jetzt mindestens fünf Parteien vertreten, was die Koalitionsbildung erschwert, da nicht alle miteinander koalieren wollen. Weiterlesen

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Die Kurden sind nicht die Guten

Das Volk der Kurden hat bei den Deutschen seit jeher viel Sympathie und Unterstützung genossen. Es galt als verfolgte Minderheit in einem türkischen Staat, der sich schon vor Erdogan durch die Autonomiewünsche der Kurden in seiner staatlichen Einheit so bedroht sah, dass er solche Bestrebungen mit aller Härte unterdrückte. Da die autoritären Regime, die in der Türkei abwechselten, in Deutschland wenig Kredit hatten, fiel es den Kurden leicht, die moralische Unterstützung der Deutschen zu gewinnen. Die große Diaspora der Kurden in unserem Land tat ein Übriges. Sie pflegte eine sanfte Diplomatie mit viel kurdischer Folklore, so dass der Eindruck entstehen musste, bei den Kurden in der Türkei handele es sich um das friedliebendste Volk der Welt, dessen Wunsch nach kultureller Selbstbestimmung zu unterdrücken ein Verbrechen sei. Als im Jahre 1984 die kurdische Arbeiterpartei PKK, eine militante marxistisch-leninistische Organisation, den bewaffneten Kampf gegen die türkische Regierung aufnahm, wurde das Liebesverhältnis der Deutschen zu den Kurden allerdings getrübt. Die PKK verübte nämlich auch Sprengstoffattentate in den Orten, die von deutschen Urlaubern gerne besucht wurden, z.B. in Antalya. Um ihren kulturellen Hegemonieanspruch zu behaupten, entführten und ermordeten PKK-Kämpfer über 100 türkische Lehrer, denen sie vorwarfen, die Türkisierung der Kurdengebiete vorantreiben zu wollen. Die PKK dehnte ihren militärischen Aktionsradius auch auf europäische Länder aus, indem sie gezielt türkische Botschaften und andere türkische Einrichtungen angriff. Um diesem Export des Terrors zu wehren, setzte die Europäische Union die PKK auf die Liste der terroristischen Organisationen, auf der sie noch heute steht. Weiterlesen

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Die Grünen und die Frauen

Nach den Ereignissen in der Silvesternacht 2015 in Köln verschlug es den Grünen für Tage die Sprache. Als sich dann schließlich einzelne Sprecher(innen) zu Wort meldeten, waren die Stellungnahmen seltsam gewunden: Verurteilung der Täter ja, aber immer versehen mit der Warnung, die Flüchtlinge ja nicht pauschal zu verurteilen. Besonders peinlich waren Hinweise – etwa von Claudia Roth – , wenn Deutsche massenhaft zum Feiern zusammen kämen, wie z.B. beim Karneval oder beim Münchener Oktoberfest, komme es auch zu Übergriffen gegenüber Frauen. Den Frauen, die in Köln Opfer massenhafter sexueller Belästigung geworden waren, mussten solche Relativierungen der schlimmen Taten wie Hohn in den Ohren klingen.

Im Januar 2013 wurde durch einen Bericht im „Stern“ bekannt, dass der damals 67-jährige FDP-Politiker Rainer Brüderle in einer Stuttgarter Hotelbar gegenüber einer 29-jährigen Journalistin die nötige Distanz habe vermissen lassen. Er soll nach der Musterung ihres Dekolletés zu ihr gesagt haben: Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“ Als dieses Zitat bekannt wurde, gab es nicht nur einen Shit-Storm in feministischen Kreisen. Nein, vor allem die Grünen gaben sich empört und forderten vehement Brüderles Rücktritt vom Amt des Fraktionsvorsitzenden der FDP im Bundestag. Weiterlesen

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Krieg und Frieden

 Bei der Bewertung internationaler militärischer Konflikte gehört es zur Standardformulierung deutscher Politiker, zu sagen, der Konflikt sei militärisch nicht zu lösen. Sozialdemokraten benutzen diese Formel genauso gerne wie Christdemokraten, von den Grünen ganz zu schweigen, die ein pazifistische Gründungsgen in sich tragen. Mit dieser beschwichtigenden Redeweise treffen die Politiker den Nerv der deutschen Bevölkerung, die sich in den 60 Jahren seit Kriegsende in der lang andauernden Friedensperiode kuschelig eingerichtet hat. Den Parteien gelang es nur mit viel Mühe, den Deutschen eine Zustimmung zu den Auslandseinsätzen abzuringen, die seit der Wiedervereinigung von der internationalen Gemeinschaft auch von Deutschland gefordert wurden. Populär wurden die Einsätze in Bosnien, am Hindukusch   und in Mali beileibe nicht. Allenfalls die Piratenbekämpfung am Horn von Afrika erfreute sich einer gewissen Popularität, weil der Einsatz als polizeiliche Mission durchgehen konnte. Und die Piraten hatten ja schließlich  das Urlaubsvergnügen deutscher Segler und Kreuzfahrtschiff-Urlauber gestört. Weiterlesen

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Menschlichkeit oder Verteidigung einer Steppe

 Berlin ist immer wieder für eine Skurrilität gut. Einige davon schaffen es auch in die überregionalen Medien. So das Trauerspiel um den Görlitzer Park in Kreuzberg (Berlinisch: „Görli“), wo sich Drogendealer weitgehend unbehelligt von der Staatsmacht das Verkaufsareal friedlich teilen. Oder die Gerhart-Hauptmann-Schule, wo 18 Flüchtlinge das ganze Gebäude blockieren, weil sie vom grünen Bezirksamt Hausausweise bekommen haben, die ein Gericht als Garantie für ein Dauerwohnrecht eingestuft hat. Eine selten dumme und teure Fehlleistung einer Behörde. Unterhaltskosten pro Monat: 100.000,- Euro.

Der größte Schildbürgerstreich spielt sich in bester städtischer Lage ab: am Tempelhofer Feld. Seine Fläche ist so groß wie der Kleinstaat Andorra. Im Juni 2014 entschieden die Berliner in einem Volksentscheid mit über 60 % Zustimmung, dass das Feld nicht bebaut werden darf. Das Gesetz, das das Parlament danach verabschiedete, „gehorchte“ dem Volkswillen aufs Wort. Weiterlesen

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Von Israel lernen

Seit seiner Gründung im Mai 1948 ist Israel  in seiner Existenz bedroht. Der Krieg der arabischen Staaten mit dem Ziel seiner Vernichtung begann schon am Tage nach der Staatsgründung. Mehrere existenzbedrohende Vernichtungsfeldzüge sollten noch folgen. Seit Israel so stark geworden ist, dass die wirtschaftlich schwachen arabischen Staaten und auch die beiden palästinensischen Autonomie-Behörden einen erneuten Krieg für aussichtslos halten mussten, verlegten sie sich auf Terrorattacken, deren jüngste Variante zur Zeit zu beobachten ist: Kinder und Teenager greifen Juden mit Messern an, meistens werden sie von Sicherheitskräften getötet. Eine weit raffiniertere Angriffsform wäre weitgehend unbeachtet geblieben, hätte nicht die gegenwärtige konservative Regierung Netanjahu durch ein Gesetz zu deren Enthüllung beigetragen. Was ist der Inhalt des Gesetzes? Nichtregierungsorganisationen, die in Israel arbeiten, müssen ihre ausländischen Geldquellen offenlegen. Diese Pflicht zur Transparenz gilt nur für Zuwendungen von Staaten, nicht von Privatpersonen. Weiterlesen

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Vom Maoisten zum Hasenfuß

 Politiker von SPD und Grünen sind eigentlich dafür bekannt, dass sie überall für die Demokratie in die Bresche springen, wo sie eine akute Gefährdung wittern. Die Grundrechte verteidigen sie selbst dort noch, wo sie von radikalen Kräften missbraucht werden, z.B. von militanten Demonstranten, die eine Guillotine mit einer Gabriel-Puppe mit sich führten (Anti-TTIP-Demonstration in Berlin am 12. 10. 2015). Umso verwunderlicher ist es, dass sich die Spitzenpolitiker beider Parteien in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz weigern, die Demokratie öffentlich zu verteidigen, weil sie nicht mit Vertretern der AfD im Fernsehen diskutieren wollen. Sowohl Winfried Kretschmann (Die Grünen) als auch Nils Schmid und Malu Dreyer (beide SDP) haben ihre Teilnahme an der Elefantenrunde des Regionalfernsehens abgesagt, um – wie sie sagten – die AfD nicht aufzuwerten. Ich möchte hier nicht wiederholen, was in der Presse alles über „Feigheit vor dem Feind“, „Schönwetterdemokraten“ und „Erpressung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ geschrieben worden ist. Ich möchte mich nur mit einem der Diskussionsverweigerer auseinandersetzen, mit Winfried Kretschmann, dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Weiterlesen

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Russland und der Westen

Die Flüchtlingsproblematik hat einen Konflikt fast völlig in den Hintergrund treten lassen, der zuvor die internationale Politik und die öffentliche Debatte beherrscht hatte: den Konflikt mit Russland wegen seiner Aggression gegen die Ukraine. Nur beim militärischen Eingreifen Russlands zugunsten des syrischen Herrschers Assad im Herbst 2015 flammte die Diskussion über Putins geopolitische Ambitionen für kurze Zeit wieder auf.

Vor kurzem äußerte sich Putin in einem Interview mit der BILD-Zeitung zu der Isolierung, in die Russland durch seine aggressive Außenpolitik geraten ist. Einige Sätze ließen aufhorchen. So sagte er, er würde gerne wieder mit der NATO verhandeln und auch gerne wieder in die Gemeinschaft der G 8-Staaten zurückkehren. Russland wolle keine Supermacht sein, da dies „zu teuer“ sei. Bisher war Putin nichts zu teuer. Er hat das Militär massiv aufgerüstet, zahlreiche moderne Waffensysteme eingeführt, um mit der NATO „auf Augenhöhe“ agieren zu können. Die Annektierung der Krim und die Unterstützung der „Separatisten“ im Donbass verschlingen Milliarden. Die Sanktionen des Westens, die im Gefolge der Aggression verhängt wurden, haben Russlands Wirtschaft massiv geschadet. Nein: Kosten hat Putin bisher nie gescheut, wenn es galt, Machtpolitik zu demonstrieren. Weiterlesen

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