Europaweit geben sich die Neuen Rechten große Mühe, die zum Teil antisemitischen Tendenzen innerhalb ihrer Anhängerschaft und in ihrem politischen Denken zu camouflieren. Weil mit dem politischen Antisemitismus aus dem Land und der Zeit der Väter und Vorväter kein Staat mehr zu machen ist, inszenieren Rechtspopulisten und Rechtsextremisten (allerdings anknüpfend an die Vorlagen der „politischen Mitte“) ein jüdisch-europäisches Abendland, das es so nie gegeben hat – man befrage hierzu nicht zuletzt die Nachkriegswerke gerade deutsch-jüdischer Denker wie Leo Baeck oder Gershom Scholem -, pilgern sie nach Israel, um dort ihre Judenfreundschaft in Szene zu setzen oder winken bei allen Gelegenheiten mit Israelfahnen, um Solidarität – ja, mit wem eigentlich? – zu demonstrieren. Doch manchmal fällt die Maske. Über den Zusammenhang von Antisemitismus und Proisraelismus nachzudenken, führt direkt in die Abgründe der Inkonsistenzen der Neuen Rechten.
Allgemein
Putin wird gewinnen
Am 9. Mai 2016 haben die sog. Separatisten in Donezk den zweiten Jahrestag des Bestehens ihrer „Volksrepublik“ gefeiert – mit einem Umzug von ca. 10.000 Menschen, die die Fahnen von „Neurussland“ mitgeführt haben. Das Datum fiel zusammen mit dem 71. Jahrestag des Sieges der Roten Armee über den Faschismus, was dem Jubiläum noch die Weihe historischer Größe verlieh. Einige Tage später fand in Berlin das „Normandie-Treffen“ statt, das Treffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine, zu dem Außenminister Steinmeier eingeladen hatte. Wie zu erwarten war, gab es bei den Verhandlungen keinerlei Fortschritte. Steinmeier verkaufte deshalb die erneute Versicherung der beiden Streitpartner Russland und Ukraine, künftig die Waffenruhe besser einhalten zu wollen, als Erfolg. Außer Spesen nichts gewesen. Weiterlesen
Entscheiden Sie sich, Frau Katrin Göring-Eckhart :NGO oder Fraktionsvorsitzende ?
Heute sollen die grünen Landesregierungen entscheiden, ob sie dem Vorschlag, die nordafrikanischen Herkunftsländer von zehntausenden Flüchtlingen und Migranten als sichere Herkunftsländer zu erklären, zustimmen oder das ablehnen, wie es schon zwei grünen Landesregierungen, amnesty international und pro Asyl das mit grossem Medienaufwand fordern. Die beiden führenden Frauen der Grünen ,die Parteivorsitzende und die Fraktionsvorsitzende haben sich in den letzten Tagen zu hundert Prozent auf die Seite von Pro Asyl und amnesty internationalund dem linken Parteiflügel der Grünen geschlagen und der grünen Jugend. Damit bringen sie nicht nurMinisterpräsidenten Kretschmann in ein schweres Dilemma ,sondern tun so , als könnten sie einfach direkt zu 100 Prozent NGO-politik in der Partei-Parlaments und Regierungsrolle machen. Weiterlesen
Brexit: the consequences
Last week, I was on the panel of a seminar on Brexit and its consequences for different EU countries, organized by University College London. Here are my initial thoughts, formulated in response to questions by Alan Renwick, Deputy Director of the Constitution Unit, Department of Political Science, UCL.
Rote Karte für die Türkei
Am 2. Juni 2016 hat der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit eine interfraktionelle Resolution verabschiedet, in der das Massaker des Osmanischen Reiches 1915/1916 gegen die christliche Minderheit der Armenier als Völkermord bezeichnet wird. In der Resolution bekennt sich der Bundestag zugleich zur Mitschuld des Deutschen Reiches, das in Waffenbrüderschaft mit dem Osmanischen Reich verbunden war und den Massenmord sehenden Auges geschehen ließ. Rechnet man die Toten hinzu, die die Verfolgung der Armenier durch die Jungtürken schon vor den „Todesmärschen“ gekostet hat, kommt man auf eine Gesamtzahl der Opfer von bis zu 1,5 Millionen Menschen. Hier nicht von Völkermord zu sprechen, ginge an den Tatsachen vorbei. Die Türkei hat bisher stets nur bedauert, dass es Opfer unter den Armeniern gegeben habe, das Ausmaß der Massaker, ihren systematischen und grausamen Charakter jedoch und vor allem die Bewertung der Gräuel als Völkermord stets bestritten, und sie tut es bis heute. Was in Deutschland heute weitgehend unumstritten ist (rechnet man die notorischen Leugner auf der extremen Rechten ab), nämlich die Verbrechen Deutschlands – Angriffskrieg und Holocaust – schonungslos und wahrheitsgemäß aufzuarbeiten und der Opfer würdig zu gedenken, ist in der Türkei noch nie möglich gewesen. Und heute ist es weniger möglicher denn je. Nationalistisches Denken hat die türkische Gesellschaft und das Parteiensystem so sehr infiziert, dass man es von links bis rechts als Beleidigung der türkischen Nation empfindet, wenn man auf die historische Wahrheit pocht. Das kluge Wort des früheren tschechischen Präsidenten Vlaclav Havel, dass ein Volk in der Wahrheit leben müsse, um seine Würde zu bewahren, hat in der Türkei bisher nicht die geringste Resonanz gefunden. Deshalb ist es nicht verkehrt, wenn demokratische Staaten bei der Aufarbeitung der Schattenseiten in der türkischen Vergangenheit etwas nachhelfen – auch mit solchen Resolutionen. In der Schweiz gilt es sogar als Straftatbestand, wenn man den Völkermord an den Armeniern leugnet. Weiterlesen
Die verlorene Ehre des Alexander Gauland
Keine Frage: Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hat journalistisch unsauber gearbeitet. Die Überschrift „Gauland beleidigt Boateng“ war nicht durch das gedeckt, was der stellvertretende Parteivorsitzende der AfD gesagt hat, und was er übrigens seit mindestens einem Jahr immer wieder in Hintergrundgesprächen von sich gibt; auch mir gegenüber hat er sich so oder so ähnlich geäußert.
Die Hälfte des Himmels
„Wo das Weib aufhört, fängt der schlechte Mann an.“ (Heinrich Heine)
„Frauen tragen die Hälfte des Himmels“ lautet ein chinesisches Sprichwort. Auch der Kommunist Mao Zedong ging damit hausieren. In der ganzen Welt ist die Verheißung, die in diesem Satz steckt, noch nicht zur Gänze eingelöst worden. Zu stark sind noch die Traditionen überkommenen Stammesdenkens oder die Vorurteile, die aus einer fragwürdigen, vormodernen Religionsauslegung resultieren. In China will es die konfuzianische Tradition, dass Mädchen, die heiraten, für immer aus der Herkunftsfamilie ausscheiden und sich der Familie des Bräutigams anschließen. Diese Reduktion eines Mädchens auf die künftige Funktion als Schwiegertochter erklärt ihren gegenüber einem Jungen niedrigeren Rang. Im Islam verhindert eine konservativ-orthodoxe Auslegung des Koran vielerorts die Gleichberechtigung der Geschlechter.
Wie sieht es in unserem westlichen, christlich geprägten Kulturkreis aus? Wo Demokratien herrschen, ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau immerhin rechtlich garantiert. Auf einem anderen Blatt steht die Benachteiligung im Alltag, in der beruflichen Entlohnung und in der Besetzung von Führungspositionen in Staat und Wirtschaft. Immerhin haben die Frauen hier kräftig aufgeholt. Unter den Abiturienten bilden Mädchen schon seit einigen Jahren die Mehrheit. Jetzt kommt es darauf an, diesen Vorsprung bis zum Ende des Studiums und darüber hinaus zu bewahren. Weiterlesen
TTIP: die letzte Schlacht der Achtundsechziger
Im Oktober 2015 fand in Berlin eine der größten Demonstrationen der letzten Jahrzehnte statt. 200.000 Menschen demonstrierten unter dem Motto „Für einen gerechten Welthandel“ gegen das Freihandelsabkommen der EU mit den USA, TTIP. Die Demonstranten waren dem Aufruf eines Bündnisses aus über 60 Organisationen gefolgt, deren wichtigste Greenpeace, Foodwatch, Compact, Oxfam und Attac sind. Auch die Gewerkschaft der Polizei (sic) und Brot für die Welt waren mit von der Partie. Schaute man sich die Berliner Demonstranten genauer an, fiel auf, dass neben vielen jungen Teilnehmern – vermutlich aus dem studentischen Milieu – viele Silberköpfe unterwegs waren, Menschen zwischen 60 und 75, die auch schon anderenorts durch Militanz und Renitenz aufgefallen waren (Beispiel: Stuttgart 21). Hätte man sie nach ihrer Protestbiografie gefragt, hätten sie sicher viel erzählen können: von den Schlachten um Brokdorf, Wackersdorf und Wyhl; von der Freien Republik Wendland, von der Rathausbesetzung in Bonn; von der Demo im Bonner Hofgarten gegen die NATO-Nachrüstung und vieles mehr. Vermutlich hat sie der antiamerikanische Unterton, der alle Proteste gegen TTIP begleitet, angezogen. Warum sollte man nicht noch im fortgeschrittenen Alter gegen den Staat auf die Straße gehen, den man schon als jugendlicher Rebell als „Feind der Menschheit“ bekämpft hat („Nieder mit dem US-Imperialismus!“; „USA: SA – SS“). In der Werbeindustrie gilt die Devise: „Sex sells“. In der deutschen Protestkultur gilt: „Gegen die USA geht immer.“ Weiterlesen
Quo vadis, SPD?
Auch für Parteien gibt es Konjunkturen, wie es Moden für Musik- und Kleidungsstile gibt. Die SPD hatte ihre starke Zeit mit Willy Brandt – also in den 1960er/1970er Jahren. Zum einen gab es damals einen Reformstau im Inneren („Mehr Demokratie wagen!“) und in der Außenpolitik („Neue Ostpolitik“). Für beides hatte die SDP das passende Konzept und die richtige Persönlichkeit („Willy wählen!“) parat. Außerdem hat ihr die Studentenbewegung von 1968 viele jungen Menschen zugeführt, die zwar stark theorielastig waren, die in der traditionsbewussten Arbeiterpartei aber wie ein Jungbrunnen wirkten. In den 1970er Jahren hatte die SPD über eine Million Mitglieder, heute weniger als die Hälfte. Nicht zu Unrecht spricht man von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als vom „sozialdemokratischen Zeitalter“. Das Konzept der „sozialen Gerechtigkeit“, das zum Markenkern der Sozialdemokratie gehört, war so erfolgreich, dass andere Parteien es zu kopieren versuchten. Die Grünen ergänzten ihr ökologisch ausgerichtetes Programm um sozialpolitische Forderungen (inklusive Umverteilung durch Steuern), die teilweise radikaler waren als die der SPD. Auch die CDU wollte beim Wettkampf um die sozial gerechte Gesellschaft nicht zurückstehen. Angela Merkel und Ursula von der Leyen standen für eine moderne Familien- und Sozialpolitik, die zuvor in der CDU undenkbar gewesen wäre. Weiterlesen
Cigdem Toprak: Folklore und Klischees statt Würdigung der Zuwanderung
Cigdem Toprak hat in der Berliner Lokalzeitung „Tagesspiegel“ die „Welt“ kritisiert. Das Blatt habe in einer Berlin-Sonderausgabe angeblich die Bedeutung von Migranten für die Stadt unterschlagen. Das ist erstens Unsinn. Zweitens aber ist Topraks Artikel im „Tagesspiegel“ selbst ein Beispiel für einen folkloristischen, ja fast rassistischen Blick auf Zuwanderung.
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Der Untergang des Abendlandes
„In der Stunde wilder Ausgelassenheit, wo jede Leidenschaft entflammt und jede Zügel entfernt war, […] wurde ein grausames Gemetzel unter den Römern angerichtet […], und die Straßen der Stadt waren mit Leichen bedeckt.“ Dies ist ein Zitat aus „History of the Decline and Fall of the Roman Empire“ von Edward Gibbon (1737-1794), dem bedeutendsten britischen Historiker der Aufklärung. Das sechsbändige Monumentalwerk umfasst den Zeitraum von der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus bis zur Einnahme Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453. Das Zitat beschreibt die Exzesse, die die Westgoten unter ihrem Heerkönig Alarich im Jahre 410 n. Chr. anrichteten, als sie Rom drei Tage lang plünderten. Gibbon begnügt sich nicht mit der Beschreibung der Massaker. Er will den Ursachen auf den Grund gehen, warum ein wildes Reitervolk ein bislang militärisch hocheffektives Imperium kläglich zu Fall bringen konnte. Er schildert ausführlich den Sittenverfall, der sich vor allem in der Hauptstadt des Reiches, in Rom, ausgebreitet habe. Brot und Spiele und ein üppiges Luxusleben hätten die Moral geschwächt und die Widerstandskraft vor allem der Eliten gelähmt. Weiterlesen