In der Ballade „Der Ring des Polykrates“ von Friedrich Schiller warnt ein Freund den griechischen Tyrannen mit den Worten: „Mir grauet vor der Götter Neide“. Der Potentat wirft darauf seinen kostbarsten Ring ins Meer, um die neidischen Götter durch Verzicht zu besänftigen. Im modernen Sozialstaat könnte die Warnung lauten: Mir grauet vor der Linken Neide. Diese urmenschliche Neigung, die im christlichen Mittelalter zu den sieben Todsünden zählte, ist nämlich besonders den Parteien eigen, die die Umverteilung durch Steuern zu ihrem Markenkern erkoren haben. Soziologen vertreten die Ansicht, dass der Neid der Armen und ihrer politischen Fürsprecher ein wichtiges Motiv sei, um die Besitzenden aus Angst, bei anderen Neid zu erregen und dafür geächtet zu werden, zur sozialen Konformität zwinge. Die linken Neidapostel wissen um die scharfe Waffe, die ihnen durch die Weckung von Neid in die Hand gegeben ist. Und sie zücken sie besonders gerne in Wahlkampfzeiten. Weiterlesen
Rainer Werner
Mit Erdogan den Strauß wagen
Die jüngste Entwicklung in der Türkei wird auch dem größten Türkei-Freund die Augen darüber geöffnet haben, dass dieses Land in der EU nichts verloren hat. Erdogan arbeitet zielstrebig darauf hin, ein autoritäres Präsidialsystem nach dem Vorbild Wladimir Putins zu errichten. Alle Maßnahmen, die er in den Monaten seit dem Militärputsch im Sommer unternommen hat, dienen diesem Ziel: „Säuberung“ aller gesellschaftlichen Bereiche (Justiz, Armee, Schule, Hochschule, Verwaltung, Wirtschaft) von „Feinden“, denen die Regierung entweder Sympathie für die Gülen-Bewegung oder für die PKK unterstellt. Alle unabhängigen Zeitungen und Fernsehkanäle wurden entweder geschlossen oder durch dubiose Eigentumsübertragungen gefügig gemacht. Um seine Gegner auch physisch ausschalten zu können, plant Erdogan die Wiedereinführung der Todesstrafe. Die Partei der kurdischen Minderheit HDP wird von der Regierung als politischer Arm der PKK stigmatisiert. Ihre ganze Führungsspitze wurde inhaftiert, ihr droht ein Prozess wegen Terrorunterstützung. Zuvor war allen Abgeordneten der HDP von einem inzwischen Erdogan-hörigen Parlament die Immunität aberkannt worden. Weiterlesen
Bella Italia
Seit der Renaissance gilt Italien als das gelobte Land der Deutschen, deren Sehnsucht ein prominenter Italienreisender einst in berühmte Verse gefasst hat: „Kennst du das Land wo die Zitronen blühen? … Dahin, dahin / Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!“ (Johann Wolfgang von Goethe). Fast alle Kavaliers- und Bildungsreisen führten nach Italien, wo sich Maler, Musiker und Dichter Anregungen aus dem historischen Fundus der Antike und aus dem Flair malerischer Landschaften holten. Unzählige Schlager haben den Weg über die Alpen zu uns gefunden oder wurden im italienischen Stil komponiert („Wenn in Capri die rote Sonne im Meer versinkt…“). In der Politik gab es die Toskana-Fraktion (Fischer, Schily), die das harte Geschäft der Realpolitik mit mediterraner Lebensfreude würzen wollte. Weiterlesen
Afrika – Kontinent mit Potential
Anfang Oktober besuchte Kanzlerin Angela Merkel die drei afrikanischen Staaten Mali, Niger und Äthiopien. Ihre Wahl war auf diese Staaten gefallen, weil durch sie die Hauptfluchtlinie derer verläuft, die sich auf den gefährlichen Weg nach Europa machen. Unter dem Motto „Fluchtursachen bekämpfen“ versprach Merkel den drei Ländern finanzielle Hilfe beim Aufbau einer Infrastruktur zur Bekämpfung der Schleuserbanden, vor allem technisches Gerät und Expertise für eine effektive Polizeiarbeit.
Diese Schwerpunktsetzung der Kanzlerin kann man nachvollziehen, wenn man weiß, wie sie innenpolitisch unter Druck geraten ist, seit deutlich wurde, dass die Zustimmung für ihre Flüchtlingspolitik in der Bevölkerung deutlich zurückgeht. Bis zum Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs im Frühsommer 2017 muss sie sicherstellen, dass die Zuwanderung gegen Null geht, weil sonst ihre vierte Kanzlerschaft gefährdet wäre. Hätte sie wirklich etwas Nachhaltiges für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents bewirken wollen, hätte sie einen anderen Schwerpunkt setzen und vor allem andere Reiseziele wählen müssen. Weiterlesen
Putins Jünger
Die Liste der Putin-Verehrer ist lang und bunt. Alle politischen Lager sind darin vertreten. Donald Trump sieht in ihm einen Bruder im Geiste, ein Raubein, das sich nimmt, was es will. Wie der TV-Star Trump nach Frauen griff, greift Putin nach Territorien. Er tut es, weil er es kann und weil er keine Gegenwehr zu befürchten hat. Weiterlesen
Verteidigung der Gesamtschule
Das deutsche Erbrecht kennt die Regelung, dass man ein Erbe ausschlagen kann. Dies ist vor allem dann ratsam, wenn man von dem Verstorbenen Schulden erbt, die man mit dem eigenen Vermögen nicht begleichen kann. In der Politik kommt es selten vor, dass man das politische oder moralische Erbe negiert, das von einem früheren Heros der Partei überkommen ist. So sonnt sich die CDU heute noch im Glanze Konrad Adenauers. In der SPD ist Willy Brandt fast zur Heiligenfigur aufgestiegen. Mit der Sachpolitik früherer Parteiführer geht man schon etwas vorsichtiger um. Manches Erbteil wird auch schlicht verweigert. So distanzieren sich heute große Teile der SPD von der Agenda 2010 von Gerhard Schröder, obwohl diese Reform die Grundlage für unser heutiges Wirtschaftswachstum gelegt und den Sozialstaat vor dem Kollaps bewahrt hat. Schändlich geht die SPD heute mit einer Schulform um, die sie einst erfunden hat und die auf eine lange, ehrwürdige Geschichte zurückblicken kann: die Gesamtschule. Weiterlesen
Die Irrfahrten des Sigmar Gabriel
Irgendwie hat Sigmar Gabriel mit seinen Russland-Besuchen kein Glück. Als er vor genau einem Jahr Putin aufsuchte, um mit ihm über die Weltlage zu plaudern, hatte dieser sich gerade als Kriegspartei in den Syrienkrieg eingemischt und begonnen, die Stellungen der Freien Syrischen Armee zu bombardieren, was er in der Öffentlichkeit als „Krieg gegen den Terror“ ausgab. Gabriel bedankte sich bei Putin, dass er Zeit für ihn gefunden habe, obwohl er „gerade mit dem Konflikt in Syrien viel zu tun“ habe. Es klang so, als habe ein ungebetener Gast einen pflichtbewussten Beamten vom Aktenstudium abgehalten. Ein Jahr später – September 2016 – die gleiche Situation. Putins Luftwaffe hatte gerade einen Hilfskonvoi, der von der Türkei aus nach Aleppo gestartet war, bombardiert und weitgehend zerstört. Dabei waren 20 Weißhelme (so heißen die freiwilligen Helfer in Syrien) getötet worden. Gabriel bedankte sich artig, dass er den Angriff auf den humanitären Konvoi mit Putin „erörtern“ könne. „Unbedingt“, antwortete Putin, „man habe viele Freunde in Deutschland.“ Gabriel gehört bestimmt zu ihnen, Frank Walter Steinmeier auch. Gerhard Schröder sowieso. Weiterlesen
Christliche Scheidung
In Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden. Auch christliche Ehen sind nicht davor gefeit, dass sie zerbrechen, weil sich die Ehepartner auseinander gelebt haben. Der Schwur vor dem Altar „Bis dass der Tod uns scheidet…“ hat eben auch nur eine gewisse Halbwertszeit. Paartherapeuten wissen um die Fragilität von Partnerbeziehungen – mit und ohne Trauschein. Sie versuchen in der Regel den Zerstrittenen dabei zu helfen, emotional wieder zusammen zu finden. Manchmal erkennen sie aber, dass es für die seelische Gesundheit beider ratsam ist, getrennte Wege zu gehen. Es soll freilich vorgekommen sein, dass Geschiedene wieder zusammenfinden, nachdem sie die raue Luft der Freiheit und der Einsamkeit geschnuppert haben. Weiterlesen
Antidemokratische Alternative
Von Kommentatoren, die sich mit der Programmatik der Alternative für Deutschland auseinandersetzen, wird immer wieder ihr völkischer Zug hervorgehoben, der antimoderne Gestus, der ein homogen-deutsches Volkstum herbei träumt. Als Beleg für solche völkischen Anwandlungen wird auf die Reden des ehemaligen Geschichtslehrers Björn Höcke verwiesen, aber auch auf die Nähe zu rechten Ideologen wie Götz Kubitschek („Junge Freiheit“, „Sezession“) und zur „Identitären Bewegung“, die in den letzten Jahren von Frankreich nach Deutschland herüber geschwappt ist. All diese Zuweisungen sind richtig und wichtig. Was bei der Kritik an der AfD allerdings häufig zu kurz kommt, ist der Hinweis auf die antidemokratische Haltung, die die ganze Programmatik, aber noch mehr die tagesaktuellen Verlautbarungen durchzieht. Diese antidemokratischen Affekte sollte man ernst nehmen, weil sie für viele Menschen, die sich durch gesellschaftliche Entwicklungen (Stichwort: Globalisierung) abgehängt fühlen, anschlussfähig sind. Der diffuse Frust der Zukurzgekommenen verachtet nämlich unsere Demokratie, weil sie ihnen kein besseres Leben schenkt. Vor allem im deutschen Osten ist die Sehnsucht nach dem starken Staat, der für alle sorgt, noch virulent. Weiterlesen
Wir schaffen das!
Wenn von der langjährigen Kanzlerschaft Angela Merkels ein geflügeltes Wort im kollektiven Gedächtnis haften bleibt, ist es der Satz „Wir schaffen das!“. Das Zitat ist jetzt genau ein Jahr alt. Auf ihrer Sommerpressekonferenz am 31. August 2016 hatte die Kanzlerin zur Flüchtlingskrise gesagt: „Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden.“
Kaum ein Satz der Kanzlerin hat die politische Landschaft so polarisiert und durcheinandergewirbelt wie dieser. Linke und grüne Politiker stimmten dem Diktum euphorisch zu, Winfried Kretschmann wollte sogar für die Kanzlerin beten. Weiterlesen
Vom Segen des Säkularismus
Als Wilhelm von Humboldt im Jahre 1810 in Preußen das humanistische Gymnasium gründete, verbannte er gleichzeitig die Geistlichkeit aus dem staatlichen Lehrberuf und begründete eine rein weltliche Lehrerausbildung. Diese Reform ist bis heute die Grundlage unserer staatlichen Lehrerausbildung geblieben.
Im sog. Kulturkampf zu Ende des 19. Jahrhunderts ersetzte Otto von Bismarck per Gesetz die geistliche Schulaufsicht durch eine staatliche. Auch die obligatorische Zivilehe wurde von ihm gegen den Widerstand aus Rom durchgesetzt. Weiterlesen