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Antisemitismus ohne Antisemiten

In einem ironischen Kommentar zum Abbruch der Jamaika-Verhandlungen hatte ich mich in der WELT mit den Positionen Wolfgang Kubickis auseinandergesetzt. Reaktionen ließen natürlich nicht auf sich warten. Eine solche Reaktion – und meine Antwort darauf – dokumentiere ich hier, weil sie mir Gelegenheit gibt, den Unterschied zwischen Antisemitismus als psychologischem Defekt und Antisemitismus als gesellschaftlichem Diskurs zu betonen – ein Unterschied, der wesentlich ist, wenn man den Antisemitismus bekämpfen will und nicht die angeblichen Antisemiten.

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Sanfte Korruption

Gewöhnliche Korruption vermutet man in Deutschland eigentlich nicht. Niemand kann sich vorstellen, dass z.B. der Wirtschaftsminister die Hand aufhält, um als Gegenleistung für die Subventionierung einer Firma einen braunen Umschlag mit netten Scheinen zu erhalten. Unserer protestantisch erzogenen Kanzlerin traut niemand zu, auch nur einen Euro zu veruntreuen. In korruptionsanfälligen Branchen wie der Bauindustrie werden die Mitarbeiter der Verwaltung, die Baugenehmigungen erteilt und  Bauaufträge vergibt, nach einer gewissen Zeit durch andere Beamte ausgetauscht, damit sich keine korruptionsanfälligen Strukturen verfestigen können. Firmen mit Korruptionserfahrung, wie z.B. Siemens, haben strenge Compliance-Regeln erlassen, um Korruption  im Keime zu ersticken. Alle dies trägt Früchte. Deutschland belegte 2015  im  Korruptionsindex von „Transparancy International“  von 190 Staaten den guten zehnten Platz. Da kann man wirklich nicht meckern. Weiterlesen

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Gegen ein Europa der Regionen

In einem leidenschaftlichen Plädoyer haben sich die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot (mit der ich seit Jahren befreundet bin) und der Schriftsteller Robert Menasse (mit dem ich in einer lauen Brüsseler Nacht ich nach einem Essen mit José Manuel Barroso ein paar Weine zu viel getrunken habe) für ein Europa der Regionen statt der Nationen ausgesprochen. Der Ansatz ist mir nicht völlig fremd, aber völlig unrealistisch. Und, wie ich zeigen werde: Das ist auch gut so.

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Auf braunen Pfaden

Beim sogenannten Kyffhäuser-Treffen der extrem rechts angesiedelten AfD-Gruppe „Der Flügel“ im September 2017 sagte der Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag Alexander Gauland  „[Wir] haben…das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“.   Gleichzeitig forderte er, einen Schlussstrich unter die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus zu ziehen. Für ihn sind die  Jahrhundertverbrechen der Nationalsozialisten eine „falsche Vergangenheit“, die man zwar zu bedauern habe, die man aber auch einmal hinter sich  lassen müsse.  Öffentlichkeit und Politik empörten sich kurz über diesen Tabubruch, dann ging man wieder zur Tagesordnung über: zum vor Spannung vibrierenden Wahlduell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz, das gerade  in die Zielgerade einbog. Inzwischen sind die skandalösen Sätze Gaulands schon wieder  Geschichte. Weiterlesen

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„Israelkritik“ und Antisemitismus. Ein Fallbeispiel

Es ist nicht immer leicht, legitime Kritik an der Politik der israelischen Regierung, ob richtig oder falsch  – so finde ich Netanyahus Verhalten gegenüber der antisemitischen Soris-Kampagne der ungarischen Regierung skandalös – von antisemitischer „Israelkritik“ zu unterscheiden. Ich sage bewusst, dass „Israelkritik“ antisemitisch ist, ich sage nicht, dass jeder, der Formulierungen aus dem Arsenal der „Israelkritik“ verwendet, Antisemit sei. Und das sagt übrigens keiner. 

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Ernst Nolte, Jürgen Zimmerer, Jakob Augstein: Relativierer des Holocausts

Lange Zeit galt die Relativierung und „Historisierung“ des Holocausts als Phänomen der Rechten. Dafür mag die Debatte um Ernst Nolte als Beispiel dienen. Innerhalb des „Kyffhäuser“-Flügels der AfD um Björn Höcke ist dieses Denken noch – oder wieder – virulent. Gleichzeitig aber ist seit Jahrzehnten innerhalb der „antiimperialistischen“ Linken eine ähnliche Historisierung und Relativierung im Gange. Dafür haben Jürgen Zimmerer – den ich hier wiederholt kritisiert habe – und Jakob Augstein wieder einmal ein Beispiel geliefert.

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Der Fluch der Steine

Als ich mich vor einigen Jahren an einer Führung durch die Altstadt von Warschau  beteiligte, fragte ich beiläufig  die gut Deutsch sprechende Historikerin, warum das arme Polen nach dem verheerenden Krieg so viel Mühe und Kosten aufgewendet habe, die völlig zerstörte Stadt wieder originalgetreu aufzubauen. Ihre Antwort war frappierend: „Hätten wir Hitler den Triumph gönnen sollen, unsere Städte vernichtet zu haben?“ – Dieser Satz hat sich mir tief eingeprägt. Er kommt mir immer  in den Sinn, wenn in Deutschland wieder einmal selbsternannte Kunst- und Architekturwächter auftreten und den originalgetreuen Wiederaufbau von im Krieg zerstörten Gebäuden zu verhindern versuchen. Das betrifft das Berliner Stadtschloss, die Potsdamer Garnisonkirche, das Schloss Herrenhausen in Hannover   und das Altstadtviertel am Frankfurter Römer. Weiterlesen

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Die Wahrheit über die AfD – von einem, der es wissen muss

Ich dokumentiere hier eine bemerkenswerte Erklärung, die in den Medien viel zu wenig Beachtung gefunden hat: Die Austrittserklärung von Dr. Matthias Manthei aus der AfD. Sie macht deutlich, dass der Versuch, innerhalb der AfD eine „Alternative Mitte“ zu etablieren, am Ende nur dazu dient, die Radikalität der Partei zu maskieren. Wie Manthei sagt:  „In der Partei haben sich zahlreiche frustrierte Menschen versammelt, die voller Hass gegen Andersdenkende sind, innerhalb und außerhalb der Partei. Sie hetzen auf eine Art, die keinen zivilisatorischen Umgangsformen mehr entspricht.“ Und: „Es gibt noch immer AfD-Mitglieder, die glauben, man könne innerhalb der Partei das Ruder herumreissen oder man müsse „beide Flügel“ integrieren. Sie unterliegen allerdings einem Denkfehler. Radikale kann man nicht integrieren. Dafür müssten sie ja vernünftig sein, dann wiederum wären es aber keine Radikalen.“ Jeder, der meint, in der AfD bloß die CDU von gestern zu sehen, oder eine „rechtskonservative“ Partei, deren Stimme gehört werden sollte, muss sich fragen lassen, ob er den Radikalen auf den Leim geht, denen Manthei jedenfalls nicht mehr dienen mag. A.P.

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Verwüstete Landschaften

Kein Wort hat so viel Häme nach sich gezogen wie die 1990  von Helmut Kohl ausgesprochene Prophezeiung, bald würden in den Ländern der ehemaligen DDR „blühende Landschaften“ entstehen. Heute ist man sich einig, dass diese Verheißung weitgehend wahr geworden ist – allerdings mit einer Verspätung  von über 20 Jahren. Ökonomie war nie die Stärke des Generalisten Helmut Kohl. Und seine Berater, die es besser wissen mussten, hielten mit  ihrer Skepsis hinter den Berg, um den Aufbruchsoptimismus, den Kohl versprühen wollte, nicht zu beschädigen. Weiterlesen

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„Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat“ (Friedrich Nietzsche)

Von der  Dichterin Bettina von Arnim gibt es ein Gedicht, das eindringlich  beschreibt, was für den Menschen Heimat bedeutet:

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Und könnt ich Paradiese überschauen,
Ich sehnte mich zurück nach jenen Auen,
Wo Deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt,
Denn der allein umgrenzet meine Welt.

Der Mensch braucht anscheinend eine eng umgrenzte Welt, in der er sich heimisch und aufgehoben fühlen kann. Dazu gehört vor allem die Sprache der Region, aber auch die  Landschaft, in der man sich von Kindesbeinen an bewegt hat. Auch der Duft der Bäume und Wiesen, das Geräusch eines Flusses prägen sich als Heimatgefühl ein. Heimat  ist auch der Ort, an dem  die ersten menschlichen Beziehungen gewachsen sind, vielleicht die erste Liebe gefunden wurde. Weiterlesen

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