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Wunsch und Wirklichkeit

 Das zwanzigste Jahrhundert war das Jahrhundert der ideologischen Schlachten. Der Kapitalismus galt vielen, vor allem auch Intellektuellen, als unmenschliche Wirtschaftsordnung, der Kommunismus hingegen als Verheißung von Glück und Menschlichkeit. Der Faschismus suchte die Menschheitserrettung in der Wiedergeburt des Nationalen und rassisch Reinen, der Kommunismus versprach den neuen Menschen durch die Schaffung einer sozialen Ordnung, in der alle Widersprüche aufgehoben sind.

Als der Kommunismus  in Russland  Realität wurde, konnte man durch Augenschein überprüfen, ob sich die schönen Verheißungen erfüllt haben. Viele Geistesgröße aus dem Westen machten dieser Möglichkeit  Gebrauch. Weiterlesen

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Klammheimliche Freude

Nach der in gewalttätigen  Demonstration der linksautonomen Szene in Berlin-Friedrichshain vom 9. 7. 2016  gab es unterschiedliche politische Kommentare. Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach von einer „linken Gewaltorgie“, die Berliner Polizei von der „aggressivsten und gewalttätigsten Demonstration der zurückliegenden fünf Jahre“. Die Abgeordnete der Grünen Canan Bayram  erlebte die Demonstration dagegen als „relativ friedlich„. Die objektive Bilanz der Demonstration hingegen ist unbestritten: 123 Polizisten wurden verletzt, sechs Autos und drei  Bagger angezündet, zahlreiche Fassaden und Fensterscheiben von Geschäften der „gehobenen Klasse“ beschädigt oder zerstört. Weiterlesen

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Der Herr Kollhoff und der Genosse Ulbricht

Man muss nicht, wie ich, Autor eines „Springer-Blatts“ sein, um es befremdlich zu finden, wenn Walter Ulbricht als Autorität in Sachen Architektur zitiert wird. Doch das tat der für seinen kalten Formalismus berühmte – andere sagen: berüchtigte – Architekt Hans Kollhoff neulich im Berliner „Tagesspiegel“. Der Aufschrei blieb aus.
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Der Fall Bröckers

Man tritt dem Kollegen Mathias Bröckers, denke ich, nicht zu nahe, wenn man sagt, er gebe die Paranoia als investigativen Journalismus aus und hebe die Verdächtigung und die üble Nachrede in den Rang eines Kunsthandwerks . Dafür ist er, wie ich nun erfahren durfte, ziemlich empfindlich, wenn es ums Einstecken geht.

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Der fabelhafte Herr Schulz

Die Lieblingsvokabeln von Herrn Schulz  (SPD)  sind „leidenschaftlich“, „emotional berührt“ ,  „bewegt“ und „kämpferisch“. In seinen Stellungnahmen nach dem Brexit hat er diese Worte auch wieder benutzt. Auch in dem Essay, den die FAZ am 4. 7. 2016 von ihm andruckte, tauchen diese Zauberwörter wieder auf. In allen Lebenslagen und bei allen Anlässen, bei freudigen und traurigen, gibt sich Martin Schulz als passionierter Europäer, der seine Europabegeisterung mit Leidenschaft lebt. Auf Parteiversammlungen der SPD ist er der (neue) Star, der die Funktionäre zu Begeisterungsstürmen hinreißt, während das Berliner Spitzenpersonal, die Gabriels, Oppermanns und Steinmeiers, nur noch Pflichtbeifall ernten. Weiterlesen

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Boris Johnson und Nicolaus Fest

Bevor Boris Johnson in den Orkus der Geschichte verschwindet, wohin er gehört, möchte ich aus gegebenem Anlass an sein Urteil über die Europäische Union erinnern. Die EU, meinte Johnson im Interview mit der „Daily Telegraph“, wolle „wie Hitler einen Superstaat“ errichten. Zwar würden die „Bürokraten in Brüssel andere Methoden“ als Hitler verwenden, ihnen gehe es aber um das gleiche Ziel, die Vereinigung Europas unter einer „Autorität“. Dies habe dazu geführt, dass Deutschland mächtiger geworden sei, „die italienische Wirtschaft übernommen“ und „Griechenland zerstört“ habe. Laut Johnson seien die letzten 2000 Jahre von dem wiederholten Versuch geprägt worden. Europa unter einer Regierung zu vereinen, um das “goldene Zeitalter” Roms wiederherzustellen. “Napoleon, Hitler, verschiedene Leute haben das versucht, und es endet immer tragisch.”

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Was im „Cicero“ gesagt werden darf: „Kriegs- und Auschwitz-Komplex“

Sollten sich Historiker dereinst fragen, wo sich die immer rasanter verlaufende Rechtsdrift im Bürgertum besonders deutlich manifestierte, werden sie gewiss früher als später auf den „Cicero“ stoßen. Inzwischen wird dort sogar die These vom „Kriegs- und Auschwitzkomplex“ der Deutschen propagiert.

Das 2004 von Wolfram Weimer gegründete Magazin „Cicero“ genoss lange einen tadellosen Ruf, galt in liberal-konservativen Kreisen als eine Art Pflichtlektüre, stieß Debatten an und wurde ob seiner Qualität auch in eher linksliberalen Milieus geschätzt. Kurz: es war ein seriöses Blatt. Weiterlesen

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Ja, die Grünen sollten ein Konzept für EU reformen haben

Sehr schoen, Herr Werner, dass Sie solche Erwartungen an die Grünen hegen, die ja als Europapartei 1979 begonnen haben. Es  hätte vieles als alter grüner Europapolitikerin von mir sein können, was Sie besser als ich schreiben. Auch weil Sie gut erkennen, dass wie in vielen Parteien und auch beim Brexit und auch in der EU vieles innerparteilichen Kämpfen und dem Abwarten auf den Gewinn oder den Erhalt von Spitzenposten geschuldet ist. Siehe auch die exzentrische, unverantwortliche Spielerrolle von Boris Johnson, dem ehemaligen Journalisten und Dauerkonkurrenten zu Cameron, der mit den boulevardmedien wie sun und daily telegraph den Ausschlag für die drei Pozent mehr für den Brexit gab. Ja, es machen immer noch Männer und deren Hahnenkämpfe, Abenteurer und Opportunisten mit pokerface, nicht nur Stimmungen und Strukturen oder einige Machtfrauen Geschichte, auch in Europa.
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Wo bleiben die Grünen?

Nach dem Brexit-Referendum  haben sich die deutschen Parteien schnell positioniert. Die Kanzlerin ließ verlauten, man müsse den Briten jetzt Zeit geben, den Ausstieg aus der EU vorzubereiten. Sie warnte davor, aus Rache jetzt „garstig“ zu sein und die Briten demütigen zu wollen. Ihr Motiv ist klar: Sie  möchte auch nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königsreichs aus der EU-Familie das Land eng an die EU binden, weil sie den freien Geist der Briten und ihr Gespür für marktwirtschaftliches Handeln überaus schätzt. Die SPD  hingegen drängte auf sofortige Ausstiegsverhandlungen, als könne es ihr nicht schnell genug gehen, den Störenfried GB endlich loszuwerden. Gleichzeitig  forderten die beiden SPD-Granden Gabriel und Schulz eine neue sozialpolitische Ausrichtung der EU, eine „europäische Wachstumsunion“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das alte Konzept der SPD, das sie schon bei Machtantritt von Francoise Hollande als europäische Verheißung  lanciert hatte: höhere Staatsverschuldung zur Ankurbelung der Wirtschaft in den EU-Staaten und Vergemeinschaftung der Staatsschulden. Die Linke forderte das, was sie in jeder Lebenslage fordert: Abkehr von einem „Europa der Banken“ und Umverteilung des Reichtums zugunsten der Armen.  Sarah Wagenknecht forderte sogar eine Volksabstimmung über die EU-Verträge. Damit gibt sie ein weiteres Mal zu erkennen, wie groß die geistige Nähe der Linken zu den Rechtspopulisten der AfD tatsächlich ist.  Weiterlesen

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EU am Scheideweg

Die witzigste Überschrift zum Brexit war auf der Titelseite der britischen Boulevard- Zeitung „SUN“ zu lesen: „See EU later“. Diese Prophezeiung könnte eines Tages in Erfüllung gehen. Wenn sich das Vereinigte Königreich demnächst in seine Bestandteile auflöst, weil sich Schottland und Nordirland abspalten, hätten England und Wales die Nachteile des Austritts aus der EU alleine auszubaden. Die ökonomischen Erschütterungen am Tage nach der Wahl lassen nichts Gutes ahnen. Der wichtigste Einpeitscher des Leave-Lagers Nigel Farage (Ukip) musste schon am Tag nach der Abstimmung kleinlaut eingestehen, dass die eingesparten Mitgliedsbeiträge nicht in das britische Gesundheitssystem fließen werden. Der Beitrag für den Verbleib im Binnenmarkt wird nämlich nur unwesentlich kleiner sein als der ohnehin schon ermäßigte britische   Mitgliedsbeitrag. Bald wird sich im Königreich Katzenjammer breit machen und die Briten werden dieselbe Lehre lernen wie die Russen: Patriotismus kann man nicht essen. Es könnte also durchaus sein, dass die junge Generation in England, die beim Brexit von der Generation Rollator düpiert wurde, eines Tages das Blatt wendet, und einen Neu-Eintritt in die EU durchsetzt. „See you later EU“. Weiterlesen

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Klein-England siegt

Was tun? Die Aussichten in Großbritannien sind düster. Schottland und Nordirland könnten das Vereinigte Königreich verlassen. In England zeichnet sich ein Klassenkampf ab zwischen Jung und Alt, Groß- und Kleinstadt, Gewinnern und Verlieren der Globalisierung. Die Sieger der Volksabstimmung werden sich schnell verfeinden: die einen wollen ein modernes, dereguliertes Großbritannien, die anderen wollen zurück in die 1970er Jahre. Der Kampf wird nicht intellektuell ausgetragen werden.

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