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Die Kurden sind nicht die Guten

Das Volk der Kurden hat bei den Deutschen seit jeher viel Sympathie und Unterstützung genossen. Es galt als verfolgte Minderheit in einem türkischen Staat, der sich schon vor Erdogan durch die Autonomiewünsche der Kurden in seiner staatlichen Einheit so bedroht sah, dass er solche Bestrebungen mit aller Härte unterdrückte. Da die autoritären Regime, die in der Türkei abwechselten, in Deutschland wenig Kredit hatten, fiel es den Kurden leicht, die moralische Unterstützung der Deutschen zu gewinnen. Die große Diaspora der Kurden in unserem Land tat ein Übriges. Sie pflegte eine sanfte Diplomatie mit viel kurdischer Folklore, so dass der Eindruck entstehen musste, bei den Kurden in der Türkei handele es sich um das friedliebendste Volk der Welt, dessen Wunsch nach kultureller Selbstbestimmung zu unterdrücken ein Verbrechen sei. Als im Jahre 1984 die kurdische Arbeiterpartei PKK, eine militante marxistisch-leninistische Organisation, den bewaffneten Kampf gegen die türkische Regierung aufnahm, wurde das Liebesverhältnis der Deutschen zu den Kurden allerdings getrübt. Die PKK verübte nämlich auch Sprengstoffattentate in den Orten, die von deutschen Urlaubern gerne besucht wurden, z.B. in Antalya. Um ihren kulturellen Hegemonieanspruch zu behaupten, entführten und ermordeten PKK-Kämpfer über 100 türkische Lehrer, denen sie vorwarfen, die Türkisierung der Kurdengebiete vorantreiben zu wollen. Die PKK dehnte ihren militärischen Aktionsradius auch auf europäische Länder aus, indem sie gezielt türkische Botschaften und andere türkische Einrichtungen angriff. Um diesem Export des Terrors zu wehren, setzte die Europäische Union die PKK auf die Liste der terroristischen Organisationen, auf der sie noch heute steht. Weiterlesen

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Was tun? Den Protest entzaubern!

Der medial zum „Supersonntag“ erhobene Wahltag – realiter Landtagswahlen in drei (von sechzehn) Bundesländern – ist so ausgegangen, wie es zuletzt zu erwarten gewesen und von den Demoskopen prognostiziert worden war. Überraschend ist eigentlich nur die (zum Teil wohl gespielte) Blödheit des Erstaunens und der Empörung im medialen und politischen Betrieb über den Wahlerfolg der Alternative für Deutschland. Mit durchweg zweistelligem Stimmenanteil in drei Länderparlamente eingezogen, scheint sie sich vorerst als feste Größe in der deutschen Parteienlandschaft zu etablieren. Doch weder haben wir „Weimarer Verhältnisse“ – nicht einmal in der Nationalversammlung von 1919 vereinte die „Weimarer Koalition“ auch nur annähernd einen so hohen Stimmenanteil wie jene Parteien, die von der AfD und ihren Anhängern zum „System“ gerechnet werden – noch können wir einfach so weitermachen. Mehr als 80 Prozent der Wähler haben diese Partei nicht gewählt. Die Vertreter dieser Wähler stehen nun vor der Aufgabe, gemeinsam eine Politik gegen die Unanständigkeit zu organisieren. Das wird in den jeweiligen Bundesländern zu ganz unterschiedlichen, zum Teil neuartigen Konstellationen führen. Für die politischen Grundlinien lassen sich jedoch gemeinsame Muster entwickeln. Weiterlesen

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Die Grünen und die Frauen

Nach den Ereignissen in der Silvesternacht 2015 in Köln verschlug es den Grünen für Tage die Sprache. Als sich dann schließlich einzelne Sprecher(innen) zu Wort meldeten, waren die Stellungnahmen seltsam gewunden: Verurteilung der Täter ja, aber immer versehen mit der Warnung, die Flüchtlinge ja nicht pauschal zu verurteilen. Besonders peinlich waren Hinweise – etwa von Claudia Roth – , wenn Deutsche massenhaft zum Feiern zusammen kämen, wie z.B. beim Karneval oder beim Münchener Oktoberfest, komme es auch zu Übergriffen gegenüber Frauen. Den Frauen, die in Köln Opfer massenhafter sexueller Belästigung geworden waren, mussten solche Relativierungen der schlimmen Taten wie Hohn in den Ohren klingen.

Im Januar 2013 wurde durch einen Bericht im „Stern“ bekannt, dass der damals 67-jährige FDP-Politiker Rainer Brüderle in einer Stuttgarter Hotelbar gegenüber einer 29-jährigen Journalistin die nötige Distanz habe vermissen lassen. Er soll nach der Musterung ihres Dekolletés zu ihr gesagt haben: Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“ Als dieses Zitat bekannt wurde, gab es nicht nur einen Shit-Storm in feministischen Kreisen. Nein, vor allem die Grünen gaben sich empört und forderten vehement Brüderles Rücktritt vom Amt des Fraktionsvorsitzenden der FDP im Bundestag. Weiterlesen

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Sloterdijk, Kissler und die deutsche Debattenkultur

Dem „Cicero“ vom März 2016 entnehme ich, dass es einen „Streit um Peter Sloterdijk“ gebe, und dass dieser Streit zeige, „warum die deutsche Debattenkultur am Boden liegt“. So jedenfalls Alexander Kissler. Nun gibt es, so weit ich weiß, keinen Streit um den Philosophen, dessen „löwenbemähntes Gesicht“ und „reich bevölkerte Gedanken“ Kissler so hymnisch besingt; wohl aber über einige Sätze, die Sloterdijk in einem Interview mit Kissler und „Cicero“-Chef Christoph Schwennicke zum Besten gab.

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Das Schwein des Anstoßes. Über die Kulturalisierung von Ressentiments und Hass

Man könnte es kurz machen und fragen, wie armselig es um eine Kultur bestellt sein muss, wenn der Verzehr von Schweinefleisch zu einem ihrer identitätsbildenden Kerne erklärt wird. Doch kennen alle Kulturen Speisetabus und alle Religionen Speisegesetze, die mehr oder minder strikt eingehalten werden. Also möchte ich versuchen, die aktuelle Diskussion um Schweinefleischgebote und -verbote ernst zu nehmen. Aus hygienisch-gesundheitlichen, sozio-ökonomischen oder anderen zutiefst profanen Gründen einmal erlassen, wurden Speisegesetze kulturell bzw. theologisch veredelt und schließlich zu einem verbindlichen Teil der kulturellen Eigenart bzw. des religiösen Bekenntnisses erhoben. Hier reden wir nicht über das Fleisch von Babyrobben oder Pferden, von Hunden oder Katzen. Wir reden über das Fleisch von Schweinen, dessen Verzehrverbot der Islam vom Judentum übernommen hat, so wie umgekehrt der Hellenismus die Verachtung und Verhöhnung schweinefleischfreier Ernährungsweisen dem Christentum vererbte, das es wiederum an den radikalen Säkularismus unserer Tage weiterreichte. Weiterlesen

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Neuer Nationalismus in Europa

von Marcus Felsner

Die Wirtschaft bangt um das Projekt Europa. Die Unternehmer stehen angesichts ihrer eige­nen existenziellen Abhängigkeit von dem Funk­tio­nieren europäischer Verflech­tung hilflos vor dem Phä­nomen des neu erstarkenden Nationalismus. Ungeachtet der Er­folge popu­listischer Phänomene auch in den USA und andernorts be­steht offen­bar eine besondere Beziehung zwischen dem Wiederaufstieg des Natio­nalis­mus in Europa und der Krise der Europäischen Integration selbst. Besser als andere müssen geschichtsbewusste Euro­päer verstehen, dass die Regel vom qualitativen Um­schlags­­punkt (tipping point) nicht nur auf klimatische Phä­no­mene, bei de­nen eine vorher gerad­linige Entwicklung plötzlich ab­bricht und mit hoher Ge­schwin­digkeit in die entgegen­gesetzte Richtung führt, sondern auch auf wirtschaftliche und politische Prozesse Anwen­dung findet: Von dem Um­schlagspunkt zu­rück zu dem Europa vor 1945 sind wir immer nur einen Wimpernschlag entfernt. Weiterlesen

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Der reaktionäre Herr Posener und der fortschrittliche Herr Augstein

Fünfzig Prozent der Europäer fühlen sich wegen der Zuwanderung gelegentlich fremd im eigenen Land. In Deutschland sind es 53, in Italien erschreckende 70 Prozent. Nur 36 Prozent der Deutschen sind für eine „großzügige“ Vergabe von Asyl, zumal 58 Prozent Zuwanderer als „Belastung“ des Sozialsystems empfinden. In Polen, das bekanntlich keine Asylanten aufnehmen mag, aber kräftig Menschen exportiert, empfinden sogar 71 Prozent der Menschen Ausländer als Belastung. In ganz Europa sind es 54 Prozent, weshalb eine Mehrheit der Europäer gegen das großzügige Gewähren von Asyl ist. Die Westeuropäer sind mit überwältigender Mehrheit dafür, den Osteuropäern die EU-Fördermittel zu kappen, wenn sie ihnen nicht mehr Asylanten abnehmen, die Osteuropäer sind mit großer Mehrheit natürlich genauso dagegen wie sie dagegen sind, Asylbewerber aufzunehmen.

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Krieg und Frieden

 Bei der Bewertung internationaler militärischer Konflikte gehört es zur Standardformulierung deutscher Politiker, zu sagen, der Konflikt sei militärisch nicht zu lösen. Sozialdemokraten benutzen diese Formel genauso gerne wie Christdemokraten, von den Grünen ganz zu schweigen, die ein pazifistische Gründungsgen in sich tragen. Mit dieser beschwichtigenden Redeweise treffen die Politiker den Nerv der deutschen Bevölkerung, die sich in den 60 Jahren seit Kriegsende in der lang andauernden Friedensperiode kuschelig eingerichtet hat. Den Parteien gelang es nur mit viel Mühe, den Deutschen eine Zustimmung zu den Auslandseinsätzen abzuringen, die seit der Wiedervereinigung von der internationalen Gemeinschaft auch von Deutschland gefordert wurden. Populär wurden die Einsätze in Bosnien, am Hindukusch   und in Mali beileibe nicht. Allenfalls die Piratenbekämpfung am Horn von Afrika erfreute sich einer gewissen Popularität, weil der Einsatz als polizeiliche Mission durchgehen konnte. Und die Piraten hatten ja schließlich  das Urlaubsvergnügen deutscher Segler und Kreuzfahrtschiff-Urlauber gestört. Weiterlesen

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Die Infantilisierung der Kritik: Rüdiger Safranski

Mein langjähriger Freund und Ex-Genosse Rüdiger Safranski hat mit Interviews in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (vom 8. November 2015) und in der „Weltwoche“ (vom 19. Februar 2016)
für einiges Aufsehen gesorgt. Um es vorwegzunehmen: in Vielem stimme ich seinen Ausführungen zu. Doch macht oft der Ton die Musik. Manche seiner Formulierungen sind so kindisch, dass man sie – in aller Freundschaft – zurückweisen muss. Was hier geschehen soll.

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Clausnitz ist kein Zufall – Die gefährliche „Widerstands“-Saat der Neuen Rechten geht auf

Die schockierenden Ereignisse in Clausnitz dürfen nicht als isolierte Vorfälle betrachtet werden. Hier geht eine Strategie auf, welche die Neue Rechte schon länger propagiert. Auch Blockaden von Bussen mit Flüchtlingen gehören dazu. Im Herbst 2015 hat Götz Kubitschek, die Zentralfigur dieser Szene, seine Vorstellungen in einer achtteiligen Artikelserie namens „Widerstandsschritte“ zusammengefasst. Erschienen ist diese in seinem Magazin „Sezession“, welches Björn Höckes AfD-Freund Alexander Gauland verharmlosend „konservativ“ nennt.

Die Eskalationsspirale im deutschen Hass- und Wutbürgertum dreht sich weiter. Nach zahlreichen Anschlägen auf Asylbewerberheime und dem entfesselten Mob vor der Flüchtlingsunterkunft in Heidenau sind die „Wir sind das Volk“-Rufer nun auch physisch ganz nah an die von ihnen so verachteten Flüchtlinge, in der Szene meistens nur „Illegale“, „Invasoren“ oder „Barbaren“ genannt, herangerückt. Weiterlesen

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Die Flüchtlingstheologie der Kirchen ist zu einfach

Lieber Bischof Bedford- Strohm, natürlich bin ich in vielem auf Ihrer Seite seit Jahren, ich schätze ja Ihren hellen Geist, ihre Weltkenntnis, ihre Theologie in der Tradition von Karl Barth, Bonhoeffer, Moltmann und im Dialog mit den Kirchen gegen Apartheid in Südafrika sehr. Ich freue mich, dass Sie einen fröhlichen, heiteren Geist bei jeder Predigt und bei jedem talk- show Auftritt ausstrahlen. Doch Ihren Mut als Gegenposition zu Frau Kässmann und Frau Roth, bezogen auf Waffenlieferungen an die Kurden im Irak und Syrien im Juni 2014, um die Verfolgung und die Gräueltaten an Jesidinnen durch den IS -mafia Terror zu stoppen, fand ich größer als ihre zu einfache Zustimmung zur Flüchtlingspolitik von Frau Merkel und der GroKo und ihren Unterstützern aus Linkspartei und Grünen. Weiterlesen

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