Ein Betrunkener sucht verzweifelt unter einer Laterne nach seinem Schlüssel und bittet einen Passanten um Mithilfe. Nach einer Weile fragt der Passant: „Sind Sie sicher, dass Sie ihn hier verloren haben?“ „Nein, da drüben“, lallt der Betrunkene, „aber hier ist das Licht besser.“
Der Betrunkene kommt mir ein wenig vor wie die Autoren der neuesten „Shell-Jugendstudie“.
Die Studie meint, „eine Generation im Aufbruch“ zu erkennen. Aber nur, weil sie sich auf diejenigen konzentriert, die im Licht stehen. Die im Dunkeln sieht die Studie nicht.
Antisemitismus
Islamisierung als Kampfbegriff
Zur „Pegida“ als Bewegung hat die Bundeskanzlerin in ihrer Neujahrsansprache das Nötige in der angemessenen Kürze gesagt. Interessanter scheinen mir die Reaktionen außerhalb Dresdens und des unmittelbaren ideologischen Einflussbereichs der Pegida. Auf sie, scheint mir, passt das Wort vom „hilflosen Antifaschismus“.
Wiedergutmachung
Wenn Sie das lesen, bin ich in Israel. Sie entschuldigen also, wenn ich keine aktuelle Betrachtung anstelle, etwa über die Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen, sondern ein Vorkommnis beschreibe, das länger zurückliegt: einen Brief dem Jahr 1963, um es genau zu sagen.
Unter den nachgelassenen Papieren meines Schwiegervaters fanden wir ein Schreiben der „Heimatauskunftstelle Polen I Bereich Lodz (Litzmannstadt)“ beim Landesausgleichsamt NRW.
Die Ohrfeige
Mein Kollege und Freund Harald Martenstein fühlt sich vom Zentralrat der Juden geohrfeigt. Angeblich habe dessen Vorsitzender Dieter Graumann der britischen Zeitung „The Guardian“ ein Interview gegeben, in dem er „über das heutige Deutschland“ gesagt habe, das sei „die schlimmste Zeit seit der Nazi-Ära“.
Die Freiheit, die Dinge beim Namen zu nennen
Ein mir bekannter – ich möchte fast sagen befreundeter – Publizist schrieb mir vor einigen Tagen einen langen Brief, in dem er sich über einen Leitartikel erregte, den ich vor einigen Wochen für die „Welt“ geschrieben hatte.
Herr Müller – nennen wir ihn so – schrieb unter anderem: „Mit Entsetzen und voller Unverständnis habe ich heute Ihren Kommentar gelesen, ausgerechnet von Ihnen, dessen englisches Freiheitsverständnis mir Ihre Kommentare immer so lesenswert (…) macht. (…) Ich mag Herrn Augstein nicht und halte fast alles für falsch, was er denkt und schreibt, aber ein Antisemit – ich bitte Sie! Weiterlesen
Wir Antisemiten
Ist Jakob Augstein, leiblicher Sohn des Schriftstellers Martin Walser und anerkannter Sohn des Spiegel-Begründers Rudolf Augstein, ein Antisemit? Dieser Auffassung ist das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles. Das Center hat Augstein kurz vor Weihnachten auf seine Top 10-Liste der antisemitischen und anti-israelischen Verleumder gesetzt.
Seitdem tobt unter deutschen Journalisten der Meinungskampf. Es geht um die klassische deutsche Frage, wo legitime Israel-Kritik endet und illegitimer Antisemitismus beginnt. Weiterlesen
Aufklärung und Antisemitismus
Grass und Israel: Die Altersweisheit eines selbst schuldig Gewordenen
Darf man in Deutschland die von den Christenparteien geführte Bundesregierung eigentlich kritisieren, ohne gleich als Antichrist zu gelten? Zugegeben, diese Frage ist polemisch und geht zunächst einmal am Problem vorbei, dass wir hierzulande nun zumindest schon seit unserer Staatsgründung haben.
Aber um auf die Protestantin Angela Merkel anzuspielen, die die längst erfolgte Versöhnung mit Israel mal so eben zur Staatsräson erklärt hat, das Christentum ist allemal die verfassungsgemässe Geschäftsgrundlage der deutschen Politik.
Wozu also die ganze Aufregung um das von Günter Grass publizierte Gedicht, das literarisch gesehen, sicher nicht zu seinen Bestleistungen zu zählen ist. Doch darum geht es ja auch gar nicht. Weiterlesen
Was Günter Grass umtreibt
Ach ja, Günter Grass. Über sein „Gedicht“ zur israelischen Atombombe brauchen wir keine weiteren Worte zu verlieren. (Dennoch erscheint in der „Welt“ vom Mittwoch ein Artikel von mir zum Thema.)
Das Merkwürdige ist ja, dass alle Versuche, ihn in ein Schema – immer schon Nazi und Judenfeind gewesen, siehe seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS, oder immer schon Islamversteher gewesen, siehe seine Reaktion auf die Mohammed-Karikaturen, oder immer schon ein Weichei gegenüber dem Kommunismus, siehe seinen Widerstand gegen die Wiedervereinigung – zu pressen, an der Komplexität des Menschen Günter Grass scheitern. Weiterlesen
Geert Wilders ist ein Antisemit
Am 28. Juni stimmte das holländische Parlament für ein Verbot des rituellen Schächtens. Binyomin Jacobs, Oberrabbiner der Niederlande, verglich den Beschluss des Parlaments mit der antisemitischen Gesetzgebung der Nazis: „Eine der ersten Maßnahmen nach der Besatzung war die Schließung koscherer Schlachthöfe“, sagte Jacobs.
Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz europäischer Rabbiner, meinte, Holland habe damit „Jahrhunderte des Liberalismus, der Menschenrechte, der Offenheit und Toleranz gegenüber Juden weggeworfen“. Juden seien „in den Niederlanden nicht mehr willkommen“.
Recht haben die Rabbiner. Weiterlesen
Ernst Nolte, Thilo Sarrazin und die Struktur des Vorurteils
Aus Gründen, die hier zunächst nicht interessieren, habe ich mir wieder Ernst Noltes „Der Faschismus in seiner Epoche“ hervorgekramt; das Buch begründete bei seinem Erscheinen 1963 Noltes Ruf als Ausnahmehistoriker und ist nach wie vor lesenswert. Verstörend freilich ist das Vorwort zur Ausgabe von 1995, in dem Nolte den Versuch macht, das Werk sozusagen in eine Gesamtschau seines Schaffens einzuordnen. Insbesondere versucht er hier noch einmal, die Genese jener Thesen vom „kausalen Nexus“ zwischen Gulag und Auschwitz und von der Nachvollziehbarkeit der eliminatorischen Juden-Phobie der Nazis nachvollziehbar zu machen, die im Zentrum des „Historikerstreits“ standen. Weiterlesen