Die Flüchtlingsfrage spielt im beginnenden Wahlkampf kaum eine Rolle. Der Herausforderer der Kanzlerin, Martin Schulz, hat sich auf das Thema „soziale Gerechtigkeit“ eingeschossen. Die CDU sucht, gelähmt vom fulminanten Start des neuen Hoffnungsträgers der SPD, noch für das passende Konzept für den Wahlkampf. Die Grünen bangen um die parlamentarische Existenz und ziehen sich auf ihre Kernkompetenz Ökologie zurück. Die AfD hat parallel zum Aufstieg von Schulz bei den Meinungsumfragen stetig verloren und verharrt nun bei einer Zustimmung von weniger als 10%. Das Chaos, das Mr. Trump in Washington angerichtet hat, dürfte auf etliche AfD-Sympathisanten doch eher abschreckend gewirkt haben. Weiterlesen
Allgemein
Die autoritäre Revolte
Bei einem Vortrag in Schnellroda vor anderthalb Jahren erinnerte sich Björn Höcke an den 9. November 1989. Er und sein Vater hätten die Bilder aus Berlin im Fernsehen angeschaut und seien einander weinend in die Arme gefallen. „Als wir uns voneinander lösten, sagte mein Vater einen Satz, den ich nie vergessen werde. Er sagte: ‚Das ist das Ende des deutschen Volkes.‘“
Wie das Totalitäre beginnt
Als ich im Sommersemester 1968 an der Universität Tübingen mit dem Studium der Germanistik begann, besuchte ich die Vorlesung des hochgerühmten Hölderlinspezialisten Friedrich Beißner. Da das Sommersemester von schweren Turbulenzen der Studentenbewegung geprägt war (Auslöser war das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968), konnte es nicht ausbleiben, dass Aktivisten vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) in die Vorlesung stürmten, um über die Hintergründe des Attentats – die Hetze der Springer-Presse – zu diskutieren. Der Professor, damals schon hochbetagt, verlangte eine Abstimmung des vollbesetzten Auditoriums. Da die SDS-Studenten ahnten, dass sie keine Mehrheit bekommen würden (Tübingen war eben nicht Berlin), lehnten sie die Abstimmung ab, drängten den Professor vom Vorlesungspult und begannen ihre spontanen Reden. Als die Studenten „ab-stim-men! ab-stim-men!“ skandierten, führte ein „Genosse“ aus, eine Abstimmung sei „nur formaldemokratisch“, während sie eine „inhaltliche Demokratie“ verträten. Als Neuling im akademischen Betrieb und mit der linken Sprachregelung noch nicht vertraut war mir der Unterschied zwischen „Inhalt“ und „Form“ bei demokratischen Abstimmungen noch nicht geläufig. Weiterlesen
Absturz der Grünen
Über die Grünen gibt es das Bonmot, sie gewännen stets die Meinungsumfragen, nicht aber die Wahlen. So war es auch bei der Bundestagswahl 2013. In Umfragen wurden sie damals mit bis zu 15% gehandelt. Das reale Ergebnis betrug dann ernüchternde 8,4%. Gegenwärtig erleben die Grünen einen starken Rückgang in der Zustimmung bei der Wählerbefragung – ein beängstigendes Zeichen. Bei der Sonntagsfrage schwanken die Werte der Grünen gegenwärtig zwischen 6,5% und 9%. Es kann also durchaus sein, dass die Grünen am 24. September um den Einzug ins Parlament bangen müssen. Weiterlesen
Schulkampf in Kleve
Wie eine unsoziale Schulpolitik das Kindeswohl missachtet
Im beschaulichen Kleve, nahe an der niederländischen Grenze gelegen, ist der Schulkampf ausgebrochen. Es kämpfen nicht Schüler gegen unbeliebte Lehrer, wie dies ab und zu vorkommt – nein, Eltern gehen auf die Barrikaden, weil sie ihre Kinder durch die von oben verordnete Zuweisung zu einer weiterführenden Schule benachteiligt sehen. Am 21. Februar wollen sich die Eltern mit ihren Kindern vor dem Gebäude des Rats der Stadt zum Protest versammeln. Was war geschehen? Weiterlesen
150 Jahre „Das Kapital“ (2): Vom Unsinn der Werttheorie
Mein Beitrag über den ersten Satz des „Kapitals“ von Karl Marx hat Widerspruch hervorgerufen. Gut. Nachdem ich dort das Marx’sche Verständnis von „Reichtum“ kritisiert habe, will ich nun den im „Kapital“ benutzten Begriff des „Werts“ kritisieren.
Der Wunderheiler aus Würselen
Wer die Ereignisse der letzten Wochen verfolgt hat, reibt sich verdutzt die Augen: Was ist nur mit der SPD los? Die Partei, die sonst jeglicher Emotionalisierung abhold ist und stets der Ratio den Vorrang einräumt, gibt sich sinnestrunken einem kollektiven Taumel hin. Die Partei, die auf Parteitagen verbissen Stapel von Papier durcharbeitet, als hinge von der letzten Fußnote eines Antrags das Schicksal der Menschheit ab, bejubelt besinnungslos einen neuen Messias namens Schulz, der vom Himmel herabgestiegen zu sein scheint, um die darbende Partei aus dem irdischen Jammertal, den niedrigen Umfragewerten, zu erlösen. Dabei hat Schulz politisch noch gar nicht richtig Stellung bezogen. Was er bisher getan hat, nennen die Psychologen „Autosuggestion“. Vor jeder Versammlung verkündet er voller Inbrunst: „Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden!“. Die F.A.Z. nennt Schulz deshalb einen Illusionskünstler. Wie bei allen Magiern verfliegt die Illusion, wenn das Saallicht angeht. Die interessierte Öffentlichkeit wird deshalb in den verbleibenden sieben Monaten vor der Bundestagswahl das Scheinwerferlicht auf Martin Schulz richten, um seine Schwachstellen auszuleuchten. Die politischen Gegner werden dasselbe tun. Fündig werden können sie allemal. Weiterlesen
Versöhnung mit den Tätern?
Es gibt Zeitungsartikel, bei denen man schon nach der Lektüre weniger Zeilen das Gefühl hat, dass an der Argumentation des Autors etwas nicht stimmt. So ging es mir mit einem Artikel des SPIEGEL-Redakteurs Jochen-Martin Gutsch, der sich mit dem – wie er fand – unbarmherzigen Umgang der Öffentlichkeit mit dem ehemaligen Stasi-Offizier Andrej Holm auseinandersetzt. Die moralische Schieflage der Argumentation erkannte ich, als ich ein kleines sprachliches Experiment durchführte. Ich datierte den Artikel in das Jahr 1966 zurück (ich machte damals gerade das Abitur) und ersetzte die Begriffe DDR durch „Drittes Reich“, SED durch NSDAP und Stasi durch Gestapo. Der Text, der dadurch entsteht, ist schaurig. Hier eine Kostprobe:
„Das Erstaunliche aber ist, dass die alten Frontverläufe noch immer da sind.“
„Es gab in den vergangen fünf Wochen von allem zu wenig: zu wenig historische Kenntnis, zu wenig Bereitschaft zuzuhören, zu wenig Versöhnung.“
„Noch ist schwer zu sagen, wer den Staffelstab im Aufarbeitungsbusiness übernehmen könnte.“
„Und man kann nur beten, dass jetzt niemand ernsthaft die Frage stellt, ob man über die Gestapo lachen darf. Also, historisch und aufarbeitungspolitisch gesehen.“ Weiterlesen
Donald Trump and the „Muslim travel ban“. Nine questions, eighteen answers
In the conservative British magazine “The Spectator”, Douglas Murray posed nine questions to the people protesting Donald Trump’s Executive Order temporarily banning entry from seven countries whose populations happen to be mainly Muslims. You can find the complete article here.
I posted Murray’s article on Facebook, and my friend Hannes Stein, who knows more about America than I do, as he lives there, gave short answers to each question, which I quote below. In some cases, I agree with him, in others, I disagree. Weiterlesen
Krise als Chance
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ (Friedrich Hölderlin)
Das Wort Krise bedeutet im ursprünglichen griechischen Wortsinn neben der heute gebräuchlichen Übersetzung „krisenhafte Zuspitzung“ auch „Wendepunkt“ und „Entscheidung“. Das sollte man im Auge behalten, wenn man über die gegenwärtige Krise in der Weltpolitik diskutiert. Weiterlesen
Norman Finkelstein und die Freiheit der Wissenschaft
Worin besteht die Wissenschaftsfreiheit? Genauer: Bedeutet die Freiheit von Forschung und Lehre einen Freibrief für Propaganda? Diese Frage ist aufgeworfen worden durch Veranstaltungen an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim und am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle. In beiden Fällen wurde seitens der Hochschulleitung die Durchführung von Veranstaltungen mit einer parteilichen antizionistisch-antisemitischen Tendenz von der Hochschulleitung bzw. der Direktorin verteidigt, indem sie sich auf die „Wissenschaftsfreiheit“ beriefen. Weiterlesen