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Stuttgart 21: Mehr Volksentscheide, bitte!

Die Entscheidung der Baden-Württemberger zu Stuttgart 21 ist klar: Mit deutlicher Mehrheit haben sich die Bürger und Bürgerinnen für den Weiterbau des umstrittenen Bahnhofs ausgesprochen. Interessanterweise gibt es diese Mehrheit sogar da, wo die Menschen am unmittelbarsten vom Bau betroffen sind – in Stuttgart direkt.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie sehr eine vehemente und eloquente Minderheit die schweigende Mehrheit übertönen kann. So ist das Votum auch eine Ermunterung für mehr Volksentscheide, insbesondere im Bereich der anstehenden Energiewende. Es ist zu vermuten, dass die notwendigen Stromtrassen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf sehr viel mehr Zustimmung treffen würde als die mediale Stimmung vermuten lässt.

Natürlich ist nicht zu erwarten, dass die aufgeputschte Lage in Stuttgart mit dem Volksentscheid nun endgültig befriedet werden kann. Dafür ging der Konflikt zu lange, war die Stimmung zu aufgeheizt. Die Schlichtung von Heiner Geißler war gut, aber sie kam zu spät im Projektablauf. Eine der Lernerfahrungen aus Stuttgart 21 muss deshalb sein, die Bürger und Bürgerinnen sehr viel früher miteinzubeziehen.

Stuttgart 21 ist auch deshalb so eskaliert, weil von Anfang an so wenig machbar war. Als die Bürger und Bürgerinnen aufgewacht sind, waren alle Verträge längst unterschrieben. Ihre erste Chance, sich zu beteiligen, haben die Baden-Württemberger nicht ergriffen. Erst als die Bagger im Anmarsch waren, kochte die Volksseele. Und gerade weil da nicht mehr viel zu machen war, war die Wut umso größer.

Deshalb hat Stuttgart 21 auch für Mut- und Wutbürger eine wichtige Botschaft: Sich zu engagieren, wenn die Bagger kommen, ist zu spät. Das Engagement ist viel früher notwendig – und zwar dann, wenn es gilt, dröge Pläne zu studieren, Alternativrechungen erstellen zu lassen, in endlosen Sitzungen verschiedene Planvarianten durchzugehen. Das ist weit weniger öffentlichkeitswirksam als sich an Bäume im Park zu ketten, aber natürlich sehr viel zielführender.

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Warum man den Plenarsaal des niedersächsischen Landtags ruhig abreißen kann

Der Landtag von Niedersachsen sitzt im ehemaligen Schloss der Hannoveranischen Könige. Man erreicht ihn vom Hauptbahnhof nach einem zehnminütigen Spaziergang durch die obligate Fußgängerzone und ein Stück wieder aufgebaute Fachwerkaltstadt. Er liegt direkt an der Leine. Jenseits des Flusses haben die Stadtplaner der 1950er Jahre unter Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht im Interesse der „autogerechten Stadt“ eine jener Asphaltschneisen durch frühere Sichtachsen und Stadtquartiere geschlagen, die bis heute so viel zur Unwirtlichkeit westdeutscher Städte beitragen. Weiterlesen

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Statt der deutschen will ich die englische Leitkultur: Ich migriere!

Meine Herbstferien habe ich in London verbracht. Während ich den alten Koffer ausräume, räsoniere ich. Das ist, wenn mir kreuz und quer so allerlei durch den Kopf geht. Will ich in Deutschland mit Erika Steinbach und Horst Seehofer allein sein? Sie kennen doch die berühmte Frage: Wen würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen? Würde ich also in einem kleinen Paradies in der Südsee auf deutscher Leitkultur bestehen? Ach ja, das Leid mit der Leitkultur.

Da fallen mir Zeitungsausrisse aus einer englischen Tageszeitung in die Hand, die ich bei meinem London-Besuch in den Koffer gestopft hatte. Sie waren mir so wichtig, diese Dokumente einer anderen Welt, dass ich sie aufheben wollte. Jetzt halte ich sie wieder in Händen und in mir wächst der Entschluss: Ich werde auswandern! Ich migriere auf die Britischen Inseln. Weiterlesen

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Stuttgart 21, Rente mit 67: Plädoyer für eine Politik der Standhaftigkeit

In einer modernen Demokratie geht es um Stimmen und die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger. Nicht um Stimmungen. Politiker, die Demokratie mit Demoskopie verwechseln, müssen dies zwangsläufig anders sehen. Ihnen geht es um einen permanenten Kampf der Stimmungen. Egal, ob ein Bahnhof vor bereits 15 Jahren oder eine Rentenreform von einer Großen Koalition beschlossen wurde: alles soll wieder rückgängig gemacht werden können.

Als Legitimation dienen zweifelhafte Umfragen nach dem Motto „Haben Sie Verständnis für die Proteste gegen Stuttgart 21?“ oder „Sind Sie für oder gegen die Rente mit 67?“. Solche Fragen lassen keine Differenzierung zu. Moderne Gesellschaften sind jedoch immer auch komplexe Systeme, die sich nicht auf ein banales „ja“ oder „nein“ reduzieren lassen. Weiterlesen

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Zehlendorf 21?

Der Berliner an sich ist neugierig im besten Sinne des Wortes – gierig auf das Neue. Das unterscheidet ihn, den Bewohner einer Stadt, die immer im Werden begriffen war und ist, womöglich vom Stuttgarter, der anscheinend eher altgierig oder, wie Nietzsche sagen würde, „antiquarisch“ veranlagt ist.

Als Berliner und Sohn eines Architekturkritikers bin ich besonders neugierig, was das Bauen in der Stadt betrifft; und da bin ich ein bekennender Anhänger des Dynamits als Prinzip. Was bleibet, sagte der Schwabe Hölderlin, stiften die Dichter – nicht, füge ich als Preuße hinzu, die Architekten.

Umso härter trifft es mich, dass ich nun eine Lanze fürs Bewahren brechen muss. Weiterlesen

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Basisdemokratie sucks!

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Die Schwaben nerven einfach nur noch. Sie sind jetzt “gegen die da oben”. Das müsse jetzt sein, denn Stuttgart 21 ist ein Projekt der herrschenden Klasse. Die Population, die Berlin mit der Einführung der Kehrwoche beglückt hat, geht nun auf die Barrikaden: für die Freiheit! Für die Demokratie!

Jetzt stehen die Gscheitles vor dem Gelände des Stuttgarter Hauptbahnhofs und erklären die Welt. Da sind sie, die schon immer die besseren Politiker, Planfeststellungsmenschen, Geologen, Schaffner und weiß Gott was alles gewesen wären. Sie nutzen die fiese demagogische Kraft der Masse, um sich an denen abzuarbeiten, die auf den Posten sitzen, auf denen sie sich gern wähnten. Weiterlesen

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Stuttgart 21 braucht einen Mediator, dringend!

Nun sollen also keine weiteren Bäume mehr gefällt werden, auch der Südflügel des Bahnhofs wird in Stuttgart vorerst erhalten bleiben. Das hat der baden-württembergische Ministerpräsident Mappus am Dienstag bekannt gegeben – sichtbar in der Not, irgendetwas zu tun, um in der Schlacht um Stuttgart 21 wieder in die Offensive zu kommen.

Nun muss er auch noch den zweiten, wichtigeren Schritt tun und einen oder zwei Mediatoren berufen. Die Auseinandersetzung um den Bahnhofsumbau in der baden-württembergischen Landeshauptstadt ist so festgefahren, dass nur noch die Hilfe von unabhängigen Dritten sie lösen kann. Weiterlesen

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Comeback der Lager Es gibt sie wieder – die Alternative

So leidenschaftlich ging es lange nicht mehr in der Politik zu. Die Haushaltsdebatte in dieser Woche hat gezeigt, dass Politik Unterschiede setzen und Alternativen bieten kann. Auch, indem sie vermeintlich unpopuläre Entscheidungen wie die Verlängerung der Laufzeiten der AKWs und das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ durchsetzen will.

Die Kanzlerin spielt auf Risiko. Großprojekte wie die Kernenergie und ein unterirdischer Hauptbahnhof stoßen auf weit verbreiteten Protest der Bürger, parteiübergreifend. Der etablierte deutsche Strukturkonservatismus ist längst nicht mehr nur in einer Partei zuhause – er findet sich in allen im Bundestag vertretenen Parteien. Weiterlesen

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