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Zur Aktualität von Martin Walsers Paulskirchenrede

Martin Walsers Paulskirchenrede von 1998 wurde vor nunmehr beinahe zwanzig Jahren wegen ihrer Kritik an der so genannten Gedenkkultur berüchtigt. Als Walser „vor Kühnheit zitternd“ behauptete, die Deutschen seien ein „ganz normales Volk“ geworden und seine Abscheu gegen die „Dauerrepräsentation unserer Schande“ bekundete, als er bekannte, er habe sich angewöhnt, bei Bildern aus den KZ „wegzuschauen“, da sprang die versammelte Elite der Bundesrepublik – mit einer Ausnahme, nämlich Ignatz Bubis – von den Sitzen auf und applaudierte. Womit sie ungewollt jenem „wirklich bedeutenden Denker“ Recht gab, der im Zentrum der Walser’schen Kritik stand, weil er von einer „moralisch-politischen Verwahrlosung“ des Landes gesprochen hatte.

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Fünf Lügen, die sie uns über Paris erzählen

Jetzt, da jeder und sein Hund sich in Sachen Paris zu Wort gemeldet haben, mit und ohne Smileys, möchte ich fünf Lügen auflisten, die ich in der Debatte immer wieder gehört haben, was sie nicht besser macht.

Erste Lüge: Der Terror ist auch Ergebnis der Ausgrenzung und Diskriminierung der Muslime in Frankreich.
Unsinn. Viele Minderheiten werden im Westen ausgegrenzt und diskriminiert. Das ist schlimm. Die Juden zum Beispiel wurden über Jahrhunderte in Europa verfolgt. Deshalb griffen sie aber nicht zum Terror. Die Schwarzen in den USA erlitten Jahrhunderte der Sklaverei, ein Apartheidregime in den Südstaaten, ständige Zurücksetzung bis heute. Dennoch griffen sie – von wenigen Ausnahmen in den 1970er Jahren abgesehen – nicht zum Terror.

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Roland Tichy und die Neue Rechte

Mein Kollege Philip Cassier hat in der „Welt“ einen bemerkenswerten Essay gegen den grassierenden Kulturpessimismus geschrieben.
An einer Stelle kritisiert Cassier auch den Publizisten Roland Tichy: „Die Bundesregierung ist Tichy zufolge nicht handlungsfähig, sie lebt in Berlin in einer Blase und hat sich längst vom Volk entfernt, deswegen kann es seine Interessen gar nicht mehr vertreten, dabei wäre es nun in Sachen Flüchtlingen an der Zeit, endlich aktiv zu werden, bevor wir alle die Zeche zahlen etc.“ Diese Kritik sei nicht nur objektiv falsch, so Cassier, sondern „rühre an den Grundpfeilern der Demokratie“. Denn „wer beispielsweise nur lange genug die Handlungsfähigkeit der Regierung bestreitet, braucht sich nicht zu wundern, dass mehr Leute glauben, souverän sei, wer über den Ausnahmezustand entscheide.“

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Wie man das Abendland verteidigt (und wie nicht)

Das Abendland entsteht als antiimperialistisches Projekt. Genauer: als Notgemeinschaft zur Abwehr des aggressiven islamischen Imperialismus. Jahrhunderte hindurch saß den Europäern die Angst vor den Heerscharen des Islam in den Knochen. Das Heilige Römische Reich Karls des Großen ist auch eine Antwort auf diese existenzielle Bedrohung. Heute ist das so sehr in Vergessenheit geraten, dass sich die Kritik am Imperialismus ausschließlich gegen die Europäer richtet, allenfalls auch gegen die Amerikaner als Erben eines spezifisch europäischen Expansions- und Unterwerfungsdrangs.

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Wie Jakob Augstein die Demokratie zerstört

In der empörten Republik arbeiten Ideologen von links und rechts fleißig an der Demontage der Demokratie.
Die Rechten behaupten, uns fehle es am völkischen Selbstbehauptungswillen; die von einer linksgrün versifften Politmafia kontrollierte Regierung besorge die Selbstabschaffung Deutschlands und die Islamisierung des Abendlands. In erwartbaren Nuancen anders, im Kern aber ähnlich klingt die Anklage, die Jakob Augstein nun von links erhebt.

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Judenreine Jugend

Ein Betrunkener sucht verzweifelt unter einer Laterne nach seinem Schlüssel und bittet einen Passanten um Mithilfe. Nach einer Weile fragt der Passant: „Sind Sie sicher, dass Sie ihn hier verloren haben?“ „Nein, da drüben“, lallt der Betrunkene, „aber hier ist das Licht besser.“
Der Betrunkene kommt mir ein wenig vor wie die Autoren der neuesten „Shell-Jugendstudie“.
Die Studie meint, „eine Generation im Aufbruch“ zu erkennen. Aber nur, weil sie sich auf diejenigen konzentriert, die im Licht stehen. Die im Dunkeln sieht die Studie nicht.

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Wo Avigdor Lieberman Recht hat. Und wo nicht.

Der ehemalige israelische Außenminister Avigdor Lieberman ist bislang nicht als Geschichtsphilosoph hervorgetreten. Doch nun hat er sich in einem Gastbeitrag für die „Welt“ als Anhänger Oswald Spenglers geoutet. „Vor hundert Jahren schrieb der Kulturhistoriker Oswald Spengler vom ‚Untergang des Abendlandes’. Jetzt bewahrheitet sich seine Prophezeiung.“
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Putin greift an – aber nicht den IS

Nun hat Putin den ersten Angriff in Syrien fliegen lassen, und – wie nicht nur von mir vorhergesehen, schließlich gehörte dazu keine Prophetengabe – natürlich richtete der sich nicht gegen den Islamischen Staat, sondern gegen die Stadt Homs, die nie in der Hand des Islamischen Staats gewesen ist. Um es zu wiederholen: Putins Militär ist in Syrien, um Assad zu unterstützen, und Assad hat nichts gegen den IS. Er hat im Gegenteil dazu beigetragen, diese Organisation zu schaffen, die Teile Syriens kontrolliert und terrorisiert, die für Assad unwichtig sind, und sunnitische Kurden und Jesiden angreift, die Assad als Feinde betrachtet. Weiterlesen

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Putin, Syrien und die Islamisten

Wenn man den Demagogen der äußersten Rechten glauben soll, dann ist die gegenwärtige Flüchtlingskrise Produkt eines geradezu teuflischen Plans, Europa zu islamisieren. Hunderttausende junge islamische Männer strömen nach Europa hinein, unter ihnen Extremisten und Terroristen, um als fünfte Kolonne den Kontinent für die Umma, die Gemeinschaft aller Muslime, zu erobern.

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In defence of empire

Travelling recently in Israel, I was asked several times to formulate my ideas on empire in English. So I’ve tried to do so.

1. Since WW2, we have come to think of the nation state as the norm of political life. However, this was never the case in history. Until recently, most inhabitants of the world were citizens of one empire or another: Persia, Rome, Byzantium, the Arab, Holy Roman, Ottoman, British, French, Austrian-Hungarian or Soviet Empires.

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Identitätspolitik und Nationalismus

 

Der Chefideologe der Rest-AfD, Alexander Gauland, ist nicht der Meinung, dass die Fremdenfeindlichkeit im Osten Deutschlands ein Problem ist, wie es – unter anderen – hier auf „Starke Meinungen“ Rainer Werner und in der „Welt“ Thomas Schmid behauptet haben. Anders als viele Westdeutsche, so Gauland in der „Jungen Freiheit“, wollten sich die Bürger der ehemaligen DDR ihre Unabhängigkeit erhalten und ihren Stolz auf die eigene Nation.

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