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Horror plötzlich ganz nah

Meine Tochter war mit ihren beiden kleinen Töchtern und ihrem Mann auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Sie verließen ihn nur drei Minuten bevor der Todesfahrer durch die Menschenmenge raste. Sonst wären auch sie womöglich seine Opfer geworden. Verändert das meinen Blick auf den Täter und seine unfassbare Tat?

Manchmal kann ein Klogang Menschenleben retten. Meine Tochter hatte sich mit ihrem Mann am vergangenen Freitag spontan zum Besuch des Weihnachtsmarkts in Magdeburg entschlossen, nachdem sie vorher seine Eltern in Brandenburg besucht hatten, wie sie mir erst an Weihnachten – noch immer völlig unter Schock – berichtete. Er hat in Magdeburg studiert und wusste, dass der Weihnachtsmarkt dort immer sehr schön ist (oder war – bis zu diesem Tag). Deshalb wollten sie mit meinen drei und sechs Jahre alten Enkelinnen dorthin. Es sei für die beiden Kleinen toll gewesen. Sie seien zum ersten Mal in ihrem Leben Schlittschuh gelaufen. Dann holte meine Tochter etwas zu essen an einem der Stände in der Budengasse, durch die der Täter nur wenige Minuten später als erstes mit seinem SUV raste. Weiterlesen

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Anschlag in Magdeburg: Vom Wert des Schweigens

Nach der erneuten Mordfahrt über einen Weihnachsmarkt verbieten sich schnelle Interpretationen. Dennoch schwirrten im Netz und auch in Medien sofort Spekulationen über das Motiv, statt inne zu halten und um die Opfer zu trauern. Dass der Täter wohl kein Islamist ist, beruhigt allerdings nicht.

Ich gebe zu: Auch mir kam gleich der Gedanke, es müsse ein islamistischer Attentäter gewesen sein, als ich die ersten Nachrichten las, ein Auto sei über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast, mehrere Menschen seien getötet und viele verletzt worden. Auf scheckliche Weise schien das Muster vertraut: Aus Hass auf die westliche Lebensart macht sich jemand auf, friedlich feiernde Menschen massenhaft in den Tod zu schicken. Wie auf dem Stadtfest in Solingen und auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz fast auf den Tag acht Jahre zuvor. Doch bald stellte sich heraus: Es war ein saudischer Arzt, der den Islam hasst. Aber macht das irgend etwas besser? Weiterlesen

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Rückkehr nach Syrien? Vielleicht

Der Vater dieser befreundeten Familie überlegt, nach dem Sturz des Assad-Regimes in ihre zerstörte Heimatstadt Aleppo zu fahren, um beim Wiederaufbau zu helfen. Ganz zurückgehen wollen sie vorerst nicht. Sie haben wie viele Flüchtlinge auch hier genug zu kämpfen.

Gleich nach dem Umsturz in Syrien habe ich hier die die sofort einsetzenden Forderungen nach Rückweisung der 800.000 Flüchtlinge aus dem Land kommentiert. Die Reaktionen in den Kommentare waren gemischt. Die Familie al-Gaber betreue ich seit einem Jahr. Ihr Jubel war zunächst riesig. „Wir Syrer sind neugeboren“, sagte mir der Vater Muhamad. Doch inzwischen kommen auch ihm Zweifel, ob es unter den neuen Herrschern besser wird. Darüber habe ich für die Zeitschrift „Publik-Forum“ geschrieben. Hier nur etwas zu den alltäglichen Problemen, vor denen sie wie so viele Flüchtlinge ständig stehen. Welche die Behauptungen, sie seien für unseren Arbeitsmarkt unverzichtbar, genauso lächerlich erscheinen lassen wie das Gerede über Abschieben. Weiterlesen

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Mit der AfD reden? Ja, Herr Habeck

Kretschmer will in Sachsen die Rechtsextremen nicht länger ausgrenzen. Klug so. Der Grünen-Kanzlerkandidat möchte sich mit Weigel nicht an einen TV-Tisch setzen. Dumm. Denn die Brandmauer- und Verteufelungsstrategie ist gescheitert. Zeit, etwas anderes zu wagen.

Michael Kretschmer hat etwas für Linkere und große Teile seiner Bundes-CDU gleichermaßen Unerhörtes getan: Er hat sich wie sein Parteifreund Mario Voigt in Thüringen auch mit Stimmen des BSW und der Linken und in Absprache mit ihnen als Ministerpräsident wiederwählen lassen. Er hat zudem vorher auch mit der AfD, der zweitstärksten Kraft im Landtag wie in den bundesweiten Umfragen, gesprochen. Und will die in erheblichem Maße rechtsextreme Partei wie die übrigen auch fürderhin konsultieren, wenn es darum geht, Mehrheiten für Gesetze seiner Minderheitsregierung mit der SPD zu gewinnen. Weiterlesen

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TV-Wahlduelle: Von Dick- und Dünnhäutern

Habeck, Weidel und sicher auch Wagenknecht fühlen sich diskriminiert, weil sie vor der Neuwahl nicht mit Merz und Scholz im Fernsehen darum streiten dürfen, wer von ihnen der oder die bessere Kanzler/in wäre. Sie sollten sich nicht so haben: TV-Du-, Tri- oder Quintelle haben ihre Bedeutung, werden aber in TikTok-Zeiten gnadenlos überschätzt.

Ich erinnere mich gerne an lustige Elefantenrunden vor und nach Bundestagswahlen in den 1970er und 80er Jahren mit dem dicksten Dickhäuter von allen, Helmut Kohl, gegern Willy Brandt, Helmut Schmidt-Schnauze, Hans-Dietrich Genscher und Franz Josef Strauß. Damals durfte im Fernsehstudio noch gequalmt werden. Kohl paffte aus seiner Pfeife und auch sonst, Brandt und Schmidt quarzten Zigaretten und knurrten. Strauß wurde einmal ziemlich angetrunken zugeschaltet und lallte. Vor allem aber wurden Studio und Zuschauer mit Worten vernebelt – nicht anders als heute. Weiterlesen

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