Fragte man die Deutschen nach ihrer Wunschkoalition im Deutschen Bundestag, wäre die Antwort eindeutig: Große Koalition for ever! Die Bürger lieben ein sozialdemokratisches Programm, aber durchgeführt von einem christdemokratischen Kanzler. Für sozialdemokratische Angebote ist immer Bedarf: Dem einen ist die Miete zu hoch. Er verlangt deshalb nach einer effektiven Mietpreisbremse. Der andere hätte gerne einen höheren Bafög-Betrag für die studierende Enkeltochter. Auch billige Seniorentickets im Öffentlichen Nahverkehr sind willkommen. Trotzdem möchten die Wähler das wichtigste Amt, die Kanzlerschaft, nicht gerne einem Sozialdemokraten anvertrauen. Diese Vorsicht hat einen plausiblen Grund. Sozialdemokraten neigen dazu, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu testen. Die Bürger sind zu gut informiert, um die Quelle allen Reichtums, auch der steuerlichen Umverteilung, die Wirtschaft, irgendwelchen sozialpolitischen Experimenten auszusetzen. „Keine Experimente!“ – diese Uralt-Losung der CDU bleibt für den Kernbereich unseres Wohlfahrtsstaates immer gültig. Weiterlesen
Allgemein
Der Fall Lindner
Dass der SPD-Mann Gerhard Schröder gegen Russland-Sanktionen ist, kann man verstehen. Er ist Lobbyist der russischen Gasindustrie. Peinlich, aber nachvollziehbar. Aber was reitet Christian Lindner?
Ökokrieger gegen das Automobil
Am vergangenen Mittwoch hat in Berlin der Diesel-Gipfel stattgefunden, bei dem sich die deutschen Automobilhersteller mit der Bundesregierung und den von der Auto-Produktion betroffenen Landesregierungen über Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxidemissionen von Diesel-Pkw um 25 Prozent geeinigt haben. Dies soll durch ein Update der Software bei Fahrzeugen mit der Euronorm 5 und 6 erreicht werden. Inhabern älterer Fahrzeuge (Euronorm 3 und 4) sollen Kaufprämien angeboten werden, damit sie sich moderne Fahrzeuge zulegen. Weiterlesen
Nein, Jürgen Zimmerer, der Holocaust ist nicht eine Folge des Kolonialismus
In einem Beitrag für „Starke Meinungen“ hatte ich dem Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer „Geschcihtsfälschung in exkulpatorischer Absicht“ vorgeworfen, weil er eine „Genealogie des Genozidgedankens“ vom Massaker an den Herero und Nama zum Holocaust konstruiert. Zimmerer fühlt sich von mir missverstanden. Zur Klärung seiner Ansichten verweist er in einem Tweet auf ein Interview, das mein Kollege Sven-Felix Kellerhoff mit ihm vor nicht ganz einem Jahr geführt hat. Jedoch wird in diesem Interview erst recht klar, dass Zimmerer den Holocaust lediglich als Fortsetzung der Kolonialverbrechen ansieht und sich die elementare Frage nicht stellt, die Götz Aly so formulierte: „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“
Glaubensstark gegen die Moderne
Blättert man in Zeitschriften aus den 1950er und 1960er Jahren und betrachtet die Schwarz-Weiß-Fotos, reibt man sich verdutzt die Augen. Scharen junger Frauen flanieren untergehakt durch die Straßen, die Röcke sind kurz, die Haare flattern im Wind. Im Mundwinkel glimmt kokett die Zigarette. Die Szenen spielten in Kairo, Damaskus und Teheran. Von Straßenszenen in Berlin, Paris und London waren solche Demonstrationen selbstbewusster Weiblichkeit nicht zu unterscheiden. Heute fahren in Teheran Sittenwächter der Religionspolizei durch die Straßen und verhaften Frauen und Mädchen, die das Kopftuch zu sehr gelockert oder die Schminke „unislamisch“ aufgetragen haben. Ich kenne kein islamisches Land, in dem die Frauen heute gleichberechtigt wären. Sie sind es weder in der rechtlichen Stellung gegenüber dem Mann noch im wirklichen Leben in Familie und Gesellschaft. Die Fotos beweisen, dass es einmal Zeiten gegeben haben muss, in denen sich Frauen auch in muslimischen Gesellschaften frei entfalten konnten. Warum sind diese Zeiten sang- und klanglos untergegangen? Ein Blick in die Geschichte gibt Auskunft. Weiterlesen
Jürgen Zimmerer relativiert den Holocaust
Der Historiker Jürgen Zimmerer stellt die Auslöschung des europäischen Judentums in die Tradition des europäischen Kolonialismus. Dadurch missversteht er den Holocaust und relativiert ihn; und das alles nur deshalb, weil er den Kolonialismus im Sinne der modischen Ideologie des Antiimperialismus – der „postkolonialen Studien“, wie man sich akademisch ausdrückt – verteufeln will.
Von empfundenen und wirklichen Problemen
Angenommen, die Gesellschaft ließe sich analysieren wie ein Mensch. Dann möchte ich – als Biologe – ihr für eine grandiose Verdrängungsleistung gratulieren. Wir alle haben das eigentliche Thema des G20-Gipfels in Hamburg beiseite gewischt. Wir mussten den realen Welt-Schmerz nicht an uns heranlassen. Als wäre dieses Land ein aufgewühlter Teenager, drehte es sich tagelang nur um sich selbst und seine Peergroup. Es verletzte sich. Es spürte sich so gut wie lange nicht mehr. Damit griff diese Gesellschaft auf ein verstörendes Handlungsmuster zurück, das bei ihren eigenen Jugendlichen erschreckend weit verbreitet ist: Deutschland hat sich geritzt.
Ratschläge für einen schlechten Wahlkämpfer
Letzte Chance für Martin Schulz
Wenn die Lage aussichtslos zu sein scheint, muss der Wahlkämpfer nicht verzagen. Vor allem darf er sich nicht einreden lassen, Meinungsumfragen seien schon vorweggenommene Wahlergebnisse. Bei Wahlkämpfen entscheiden immer die letzten Meter auf der Zielgeraden. Hilfreich ist, wenn sich der Wahlkämpfer an bewährten Mustern orientiert, die anderen Politikern schon zum Sieg verholfen haben. In diesem Sinne sind die folgenden Ratschläge zu verstehen. Sie sollen dem Hoffnungsträger des kurzen SPD-Frühlings, Martin Schulz, Flügel verleihen, so dass er die Dauerkanzlerin vielleicht doch noch überholen kann. Weiterlesen
Kriminell – aber nicht links?
Nach den bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen der Linksextremisten in Hamburgs Schanzenviertel versuchte die SPD als erste Partei die Deutungshoheit über die Geschehnisse zu erringen. Schnell hatte die Parteispitze nämlich erkannt, dass die Gleichsetzung von „links“(-extrem) mit Gewalt gerade im Wahlkampf gar zu schädlich wäre. Wie immer gab Sigmar Gabriel die Tonart vor. Kurz und bündig dekretierte er, die Krawallmacher seien „nicht links“. Parteichef Schulz blies ins gleiche Horn: „Wer das links nennt, hat nicht kapiert, was links ist.“ Parteivize Ralf Stegner schloss aus, dass Gewalt überhaupt von Linken ausgehen könne: „Linkes Gedankengut kann mit Gewalt nicht einher gehen.“ – Merkwürdig war dann nur, dass Justizminister Heiko Maas vor Journalisten sagte, er könne sich vorstellen, dass es analog zum „Rock gegen Rechts“ auch einen „Rock gegen Links“ geben könne. Also ging die Gewaltorgie in Hamburg doch von Linken aus? Konfusion allenthalben. Weiterlesen
Holocaust im Schanzenviertel?
Kommentar zum G 20-Spektakel. An so einem „Krieg“ ist niemals nur eine Seite schuld. Macht das nicht noch einmal. Weiterlesen
Patrick Bahners und der Antisemitismus
Kürzlich veröffentlichte die FAZ einen Beitrag ihres Kulturkorrespondenten Patrick Bahners unter der Überschrift: „Die Angst vor dem A-Wort“. Die wichtigste – wenn auch nicht belegte – Aussage des Beitrags lautete: „Nichts müssen Amtsträger in Deutschland mehr fürchten als das A-Wort.“ Unsinn natürlich. Würde man einen x-beliebigen deutschen Amtsträger – sagen wir: einen Finanzminister, Bürgermeister, Schulleiter oder General – fragen, wovor er sich am meisten fürchtet, wären die Antworten so vielfältig wie die Aufgaben: vom Ausbruch einer neuen Griechenlandkrise über rechtsextreme Gewalt gegen das geplante Asylantenheim, die nächste Bildungsreform bis hin zu einem russischen Angriff auf die Truppe in Litauen. Mit ziemlicher Sicherheit aber würde keiner sagen: „Davor, als Antisemit bezeichnet zu werden“. Das zu unterstellen, ist an sich schon antisemitisch.