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Erst die Moral, dann das Fressen

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Was lässt die Finanz- und Wirtschaftskrisevon einem Weltbild übrig, das den freien Markt als Angelpunkt gelingender freier und demokratischer Gesellschaften betrachtet hat?

Charles Moore in England und Frank Schirrmacher in Deutschland haben nun laut diese Frage gestellt und sie verknüpft mit einer politischen Zuspitzung: Hatte die Linke nicht doch recht? Recht mit ihrem Verdacht, dass der freie Markt mehr Regulierung und Kontrolle durch den Staat braucht? Weiterlesen

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Radfahrer, Juden und andere Sündenböcke

Zum rhetorischen Arsenal meines Freunds und Kollegen Henryk M. Broder gehört ein Gedankenexperiment, das er letztens wieder bei der Besprechung von Götz Alys neuem Buch „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ eingesetzt hat:

„Wenn Sie das nächste Mal bei Ihren Nachbarn zu einer Geburtstagsparty eingeladen sind, dann machen Sie – beiläufig, zwischen einem Prosecco und einen Mojito – die Probe aufs Exempel. Sagen Sie einfach, ohne ihre Stimme zu erheben oder zu senken, den Satz: „An allem sind die Juden und die Fußgänger schuld.“ In neun von zehn Fällen wird Ihr Gegenüber mit der Frage reagieren: „Wieso die Fußgänger?“ Weiterlesen

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It takes two to tango

Von Stefanie Wahl, Geschäftsführerin des Denkwerks Zukunft:

Die früh industrialisierten Länder scheinen keinen Ausweg mehr aus ihrer Krise zu finden. Verwunderlich ist dies nicht. Denn sie haben jahrzehntelang ein berauschendes Fest gefeiert, für dessen Kosten sie jetzt zur Kasse gebeten werden. Oder anders gewendet: Um Wachstums- und Wohlstandsillusionen zu nähren, haben sie Schuldenberge aufgetürmt, die sie jetzt zu erdrücken drohen.

Die Schuldigen hierfür werden fast ausschließlich bei der Politik gesucht. Auch in Deutschland ist es in erster Linie die Regierung, die für Schuldenanstieg, Euro-Krise und Börsencrash verantwortlich gemacht wird. Gewiss, der Staat hat sich auf unverantwortliche Weise übernommen. Aber dies ist nur die halbe Wahrheit. Weiterlesen

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Kübler-Ross, Dawkins und Breivik

In der Diskussion über das Verhältnis zwischen radikalem Antiislamismus und der Bluttat von Oslo könnten zur Versachlichung der Auseinandersetzung – scheint mir – zwei Konzepte hilfreich sein. Eins ist das von Richard Dawkins vorgeschlagene Konzept der Meme, das andere das von Elisabeth Kübler-Ross entwickelte Konzept der fünf Stufen des Sterbens.

Diese Behauptung mag die eine oder andere Leserin überraschen.

Was, bitteschön, hat Kübler-Ross mit Breivik zu tun? Weiterlesen

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Psychotäter oder politischer Attentäter?

In einem interessanten Essay für die „Welt“ hat der Schweizer Psychoanalytiker Josef Ludin geschrieben, die Tat des Anders B. sei „wahrscheinlich nur psychopathologisch zu verstehen“.

Es handele sich bei dem Täter vermutlich um eine „schizoide Persönlichkeitsstörung“. Und „Persönlichkeitsstörungen (Hitler, Goebbels, Pol Pot, Kim Jong-il etc., die Liste ist sehr lang) können in ihrer Gefährlichkeit wesentlich aggressiver sein als wahnhaft-schizophrene Erkrankungen“.

Die jeweilige Ideologie aber sei im Grunde genommen gleichgültig: „Dass der Täter in Norwegen mit einer islamophoben Ideologie kokettierte, ist nichts anderes als dem Zeitgeist verpflichtet.“ Es sie daher „sinnlos“, die „gesellschaftliche Debatte um den Islam aus diesem Kontext heraus zu diskreditieren“. Weiterlesen

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Anders Breivik als Theoretiker und Propagandist der Neuen Rechten

Bei der Diskussion um den Massenmord in Norwegen gilt es festzuhalten: Anders Behring Breivik ist ein politischer Attentäter. Ein Propagandist der Tat.

Das schließt nicht aus, dass er auch ein Psychopath ist. Jedoch darf die möglicherweise gerichtlich relevante Frage seiner geistigen Verfassung nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den Anschlägen in Norwegen um eine politische Aktion handelte. Weiterlesen

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Geert Wilders ist ein Antisemit

Am 28. Juni stimmte das holländische Parlament für ein Verbot des rituellen Schächtens. Binyomin Jacobs, Oberrabbiner der Niederlande, verglich den Beschluss des Parlaments mit der antisemitischen Gesetzgebung der Nazis: „Eine der ersten Maßnahmen nach der Besatzung war die Schließung koscherer Schlachthöfe“, sagte Jacobs.

Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz europäischer Rabbiner, meinte, Holland habe damit „Jahrhunderte des Liberalismus, der Menschenrechte, der Offenheit und Toleranz gegenüber Juden weggeworfen“. Juden seien „in den Niederlanden nicht mehr willkommen“.

Recht haben die Rabbiner. Weiterlesen

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Das pazifische Jahrhundert – Willkommen im Disneyland

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Keine Frage, hier in Washington sieht man die Vereinigten Staaten von Amerika noch als Mittelpunkt der Welt, als Weltmacht. Für die USA, so geht hier der Optimismus, bricht mit dem pazifischen ein neues, spannendes Jahrhundert an.

Die Abwertung der eigenen Währung kommt da gerade recht; der Exporte wegen. Einen Boom soll es geben, nicht nur die in Europa bekannten Player wie China, Indien und Japan sind im Blick. Weiterlesen

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Roland Emmerich erledigt William Shakespeare

Am 7. Februar 1601 wurde im Globe Theatre das Stück „Richard II“ von William Shakespeare aufgeführt. Eine Abordnung des Grafen Essex hatte Shakespeares Truppe, „The Lord Chamberlain’s Men“, für die private Aufführung „40 Shilling über ihre gewöhnlichen Einnahmen hinaus“ versprochen, denn Essex sah in dem Stück, das die Absetzung eines unfähigen Königs durch einen fähigen und durch diesen König unrechtmäßig behandelten Adeligen eine Parallele zu seinem eigenen Fall und erhoffte sich vom Stück  die Schaffung einer günstigen öffentlichen Meinung für seinen geplanten Putsch gegen die alternde Königin Elizabeth, deren Günstling er einst gewesen war.

Natürlich wurde nichts von alledem den Schauspielern mitgeteilt, die dennoch nach dem Scheitern des Putsches von Elizabeths Geheimdienst verhört wurden, worüber es einen Bericht gibt. Weiterlesen
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Was passiert, wenn Amerikas Wille zur Macht erschlafft

In den Vereinigten Staaten haben die Republikaner mit dem Auswahlverfahren begonnen, das zur Nominierung ihres Präsidentschaftskandidaten führen soll. Alle Kandidaten der Rechten haben sich in ihrer ersten öffentlichen Debatte letzte Woche von der transformatorischen Außenpolitik George W. Bushs verabschiedet und einem mehr oder weniger radikalen Isolationismus das Wort geredet. Die Kriege im Irak, in Afghanistan und in Libyen sollen beendet werden.

Das entspricht übrigens dem Wunsch von geschätzten zwei Dritteln und mehr der amerikanischen Wählerschaft. Weiterlesen

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Advocatus Dei

Nach dem Pfingstsonntag, der ja den Beginn der Missionstätigkeit der Ur-Kirche markiert, möchte hier sozusagen als Advocatus Dei zwei Einwände gegen den Atheismus vorbringen, die meines Erachtens auch ein Gegner der Religion ernst nehmen muss, wenn er selber ernst genommen werden will.
Der erste Einwand ist der Einwand aus der Schönheit. Weiterlesen
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