Mit kaum verhohlener Schadenfreude registriert die deutsche Öffentlichkeit die Isolierung Großbritanniens beim EU-Gipfel und bejubelt den Sieg der „Supranationalität“, will sagen die Übertragung entscheidender Hoheitsrechte von gewählten Parlamenten auf das nicht gewählte imperiale Zentrum. Man fühlt sich ein wenig an den Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871 erinnert.
„Europa spricht Deutsch“ krähte Volker Kauder angesichts der Tatsache, dass in Griechenland und Italien nicht gewählte „Technokraten“ das von Angela Merkel und dem deutschen Leitmedium geforderte Austeritätsprogramm durchsetzen. Mag sein, auch wenn ich mich frage, wie lange noch. Aber die Finanzmärkte sprechen nach wie vor Englisch. Weiterlesen
In einem Beitrag für die „Achse des Guten“ liefert Dirk Maxeiner ein interessantes Bekenntnis ab:
„Ehrlich gesagt, konnte mir bis heute niemand so richtig erklären, was ein Jude eigentlich ist. Hat das was mit der Religion zu tun? Der Herkunft? Der Nationalität? Den Genen? Den Vorfahren? Dem Äußeren? Dem Inneren? Oder von allem ein bisschen? Wird man als Jude geboren? Oder kann man es auch später werden? Umso mehr ich diese Frage wälze, um so ratloser werde ich. Manchmal denke ich: Gibt’s Juden überhaupt? Führt aber auch nicht weiter, es muss sie irgendwie geben, schließlich sind sie an allem schuld. Wenn es keine Juden gäbe, müsste man sie also erfinden. Das nächste Mal vielleicht als so eine Art von Außerirdischen. Die Menschen glauben gerne an kleine grüne Männchen. Überall fliegende Untertassen. Erich von Däniken wäre dafür ein begabter Drehbuchautor gewesen, er hat aber offenbar keine Lust gehabt.“
Quelle:
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/weltverschwoerung_21/
„Das nächste Mal?“ Was meint Dirk eigentlich damit? Fragen wir lieber nicht. Vergessen wir das und wenden wir uns der erstaunlichen Tatsache zu, dass ein fast 60-Jähriger in Deutschland im Tonfall eines naiven Teenagers bekennt, er wisse eigentliche nicht, was ein Jude ist. Und nicht irgendein 60-Jähriger, sondern ein bekannter Publizist und Mitbetreiber eines Blogs, dem man nicht zu nahe tritt, wenn man unterstellt, dass es in Sachen Judentum wie in Sachen Islam eine dezidierte Haltung einnimmt. Mit einer gewissen fröhlichen Unbekümmertheit meint der Babyboomer und Post-68er, was ein Jude sei, das habe ihm „niemand so richtig erklären“ können.
Merkwürdig: In der Generation von Dirks Eltern wusste man in Deutschland sehr genau, was ein Jude ist. Warum hat Dirk nie seine Eltern gefragt? Es gibt dort, wo Dirk wohnt, in München also, eine jüdische Gemeinde. Warum hat er nie einen der Rabbiner dort gefragt? Es gibt in München auch ein jüdisches Museum.Er hätte dort fragen können. Er könnte nach Israel reisen, in den Staat, der von vielen seiner angeblichen Freunde oft deshalb verteidigt wird, weil er die „einzige Demokratie im Nahen Osten“ sei, der aber von Theodor Herzl konzipiert wurde als „Der Judenstaat“ und deshalb von seinen Feinden bekämpft wird und als jüdischer Staat eine Existenzberechtigung auch dann hätte, wenn er nicht demokratisch oder nicht die einzige Demokratie in der Gegend wäre. Und in Israel – in der Einwanderungsbehörde zum Beispiel, oder beim Rabbinat – könnte Dirk mal fragen, was ein Jude ist. Oder ein Buch lesen. Anscheinend ist das alles aber zu anstrengend. Und so sehr interessiert ihn das auch wieder nicht. Offensichtlich konnte er mehr als ein halbes Jahrhundert in diesem Land leben, ohne dass ihn das Bedürfnis überkommen hätte, die keineswegs doofen Fragen, die er sich stellt, auch durch Befragen der richtigen Leute zu beantworten. Viel mehr Spaß (und weniger Arbeit) macht es, auf angebliche oder wirkliche Antisemiten einzudreschen.
Es geht mir aber hier nicht um Dirk als Person. Er hat mich einmal menschlich enttäuscht, aber so etwas kommt vor. Es geht mir um eine Haltung, die in seiner Generation, die ich gut kenne, weil sie auch die meine ist, sehr verbreitet ist: die Instrumentalisierung der Juden. In der Studentenbewegung (die zugleich, wie wir nicht erst seit Götz Aly wissen, einiges an antisemitischen Klischees transportierte) wurden die Juden benutzt, um die „Generation der Täter“ moralisch unter Generalverdacht zu stellen und mundtot zu machen. Viele aus dieser Generation weigern sich bis heute unter Hinweis auf die Einmaligkeit des Holocaust, die Parallelen zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus anzuerkennen, benutzen aber zugleich absurde Vergleiche etwa zwischen der Lage der Palästinenser heute und der Juden damals, um Israel zu delegitimisieren. Und andere schwingen gern die Antisemitismuskeule gegen alles, was ihnen nicht passt und jeden, der sie kritisiert, obwohl sie selbst zwischen Juden und Außerirdischen, Jochanan ben Sakkai und Erich von Däniken nicht unterscheiden können.
Wenn über die Ursachen dafür spekuliert wird, dass der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) so lange von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt seinen Terror verbreiten durfte, darf über die Polarisierung innerhalb der Kreise nicht geschwiegen werden, die sich den Kampf gegen den Terror auf die Fahnen geschrieben haben.
Konkret: Die Antifa bekämpft die Neonazis, drückt aber beim islamischen Terror ein Auge zu und gestattet, dass in ihren Reihen ein Antizionismus grassiert, der eindeutig antisemitisch ist. Und diejenigen, die den islamischen Terror bekämpfen, haben allzu lange den Kampf der Antifa-Leute als Ablenkung vom Hauptwiderspruch belächelt, schlimmstenfalls sogar diffamiert; haben allzu oft zugelassen, dass in ihren Reihen eine Moslemfeindlichkeit grassiert, die schlicht und ergreifend rassistisch ist.
Um es vorwegzunehmen: Auch wenn ich mir zugute halten darf, seit Jahren darauf hingewiesen zu haben, dass es nicht angeht, sich bei der Islamkritik (die notwenig und legitim ist) mit Rassisten zusammenzutun oder sich rassistischer Argumente und Redewendungen zu bedienen: auch wenn ich etwa über die Landnahme der Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern berichtet habe:
So habe ich doch dazu geneigt, die Antifa zu belächeln und ihren Kleinkrieg gegen die Nazis für eine Art Räuber- und Gendarmenspiel zu halten, ein wenig wie unsere Kämpfe gegen „die Bullen“ in den 1970er Jahren. Und da mag übrigens etwas dran sein. Dennoch gilt seit der Aufdeckung der NSU: die gegenseitige Abschottung, ja gegenseitige Bekämpfung der antifaschistischen Kräfte in Deutschland ist unverantwortlich. Und da ich sozusagen aus der Ecke der Islamkritiker stamme (und noch einmal: Islamkritik ist, wie jede Religionskritik, nicht nur legitim, sondern notwendig, und die Verwendung des Worts „Islamkritiker“ als Diffamierung durch Linksliberale, die damit auch einen Voltaire – etwa – in die faschistische Ecke stellen würden, ist ein Skandal) – da ich also aus dieser Ecke stamme und nicht aufhören werde, den Zusammenhang von Religion und Intoleranz aufzuzeigen, fühle ich mich berechtigt und genötigt, zuallererst auf den Balken im eigenen Auge – also im Auge der Islamkritiker – hinzuweisen, bevor ich auf den (ziemlich großen) Span im Auge allzu vieler Linker eingehe.
Nehmen wir Bernd Zeller, einen ostdeutschen Allround-Versager, der dennoch als Mitglied der „Achse des Guten“ eine nicht unbedeutende publizistische Plattform für seine Hasstiraden erhält. Noch im August 2011 hatte er Folgendes zu sagen:
„Der Islam ist noch immer keine Religion, deshalb stimmt es sogar, dass eine theologisch fundierte Auseinandersetzung nicht stattfindet. Die Umrechnungsformeln von Datteln in Kamele sind zwar göttlich vorgegeben, aber was das theologisch bedeuten soll, darf zum Glück auch nicht hinterfragt werden. Will man die Denkfiguren der großen Religionen und des Islam vergleichen, kann man gar nicht so viel Toleranz und Nachsicht aufbringen, um dem Islam ohne Behindertenbonus zu begegnen. Und trotzdem: Wie schön wäre es, wenn die Probleme, die wir mit dem Islam haben, religiöse wären. Ein Dialog auf theologischer Ebene könnte gewinnbringend sein. Aber das, was als Dialog verkauft wird, ist bloße Beschwichtigung der Leute, die sich vorsorglich abducken sollen. Vielleicht – und ich denke: sicherlich – ist es gerade dieses loserhafte Kuschen gewesen, das Brejvik zu seiner Untat anfeuerte. Hätte er das Gefühl, unsere Feuilletonisten und Politiker werden die Entdemokratisierung und Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit nicht zulassen, hätte er seinen Dünger zum Düngen verwendet.“
Nun, ob der Islam eine Religion ist oder nicht, hat zum Glück ein Herr Zeller nicht zu entscheiden, der weder übers Judentum, noch über das Christentum noch über den Islam etwas weiß, dafür aber eine alte Denkfigur Adolf Hitlers wiederbelebt, der bekanntlich sagte, das Judentum sei keine Religion, sondern eine Blaupause für die Weltherrschaft:
Was aber Zellers Beitrag so ungeheuerlich macht, ist der Schlussabsatz. Das „loserhafte Kuschen“ vor dem Islam habe Anders Breivik zu seiner Tat motiviert, weiß Herr Zeller, damit den Loser Breivik zum Widerständler stilisierend; „unsere Feuilletonisten und Politiker“ (man achte auf die Verallgemeinerung, auch sie ein beliebtes Mittel des Demagogen, ob links oder rechts) würden der „Entdemokratisierung und Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit“ nichts entgegensetzen, darum habe Breivik „seinen Dünger nicht zum Düngen verwendet“, sondern zum Bombenbasteln.
Es gibt eine Grenze, jenseits derer die notwendige Einfühlung in eine Tat in Rechtfertigung umschlägt. Diese Grenze ist hier erreicht; und man müsste nur statt Breivik die Mitglieder und Helfer der NSU einsetzen, um zu sehen, wie Zeller hier der Ideologie ihrer Propaganda der Tat aufsitzt.
Übrigens argumentiert er haargenau so wie jene Linke, die er als „loserhafte Kuscher“ verachtet und etwa islamistische Selbstmordattentäter rechtfertigen: Wären sie wegen der zionistischen Besatzung / der Arroganz Amerikas / der Kollaboration der arabischen Führer mit Israel und den USA / der Rechtlosigkeit und des Mangels an Demokratie usw. nicht so verzweifelt, sie würden auch „ihren Dünger zum Düngen verwenden“.
Der Kampf gegen den Terror ist so unteilbar wie es die Menschenrechte sind, deren wichtigstes (in der Reihenfolge der Unabhängigkeitserklärung der USA) das Leben ist. Auf der Linken – ich wiederhole es – darf es keine Verniedlichung der islamistischen und panarabischem Ideologie geben, keine Rechtfertigung des Terrors als „Befreiungskampf“; aber genau so notwendig ist auf der Seite derjenigen, die vorgeben, die Demokratie gegen den Islamofaschismus zu verteidigen, die entschiedenste Distanzierung von einem ressentimentgeladenen Hassprediger wie Bernd Zeller. Soll er auf „P.I.“ publizieren. In anständiger Gesellschaft haben Leute wie er nichts zu suchen.
Ein Gespenst geht um in Europa: Das Gespenst Helmut Kohls. Sein wichtigstes Werk ist nicht die deutsche Einheit, sondern die europäische Gemeinschaftswährung. Kohl meinte erstens, der Euro sei eine Frage von Krieg und Frieden, und zweitens, der Euro werde die Einigung Europas unumkehrbar machen. Diese beiden Argumente sind bis heute die Hauptargumente der Euro-Verteidiger. Meines Erachtens sind sie falsch. Weiterlesen
Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:
Als ich 1994 das erste Mal in Rom war, fuhren die orangefarbenen Stadtbusse noch mit offenen Türen und die Fahrer legten sich in die Kurven, was das Zeug hielt. Die Ewige Stadt hielt noch das, was ihr Ruf versprach: chaotische Zustände. Südlich von Florenz beginnt Afrika war dazu nördlich von Florenz zu hören.
Auch während meiner Studienzeit an der Päpstlichen Universität Gregoriana 1998 und 1999 hatte sich daran noch nicht viel geändert. Es gab ungefähr gefühlte 100 Gewerkschaften für Bus- und U-Bahn-Fahrer. Mal streikten die der Linie A und die der Linie B. So einfach war die Welt in der Metropole am Tiber. Weiterlesen
Jetzt, da die Ära Berlusconi zu Ende geht und das völlig abgewirtschaftete und vor allem demoralisierte Land faktisch von einem europäischen Kommissar regiert werden muss, sollte man daran erinnern, wer dem Bunga-Bunga-Mann die Möglichkeit des politischen Comebacks gegeben hat.
Um es vorweg zu sagen: es war die katholische Kirche, der Berlusconi die Erhaltung ihrer steuerlichen Privilegien versprochen hatte. Maßgeblichen Anteil daran hatte Papst Benedikt XVI. Weiterlesen
In den letzten Wochen und Monaten bin ich oft gefragt worden, ob ich noch an der These festhalten will, die ich 2007 in einem Buch festhielt; dass nämlich die Europäische Union ein Imperium sei.
Ich meine, die Entwicklungen in Griechenland haben meine These geradezu textbuchmäßig bestätigt. Weiterlesen
Vor etwa zweieinhalb Jahren hatte ich – der Grund tut nichts zur Sache – etwas Geld übrig und trug es zur Bank, um mich beraten zu lassen, wie es halbwegs sicher anzulegen wäre. Die Bank schlug mir ein Paket aus diversen Papieren vor, in dem sich auch griechische Staatsanleihen befanden. Ich lehnte höflich ab und bat meinen Berater, das Geld in Gold anzulegen; später wechselte ich zu Silber. Weiterlesen
Stefan Hartmann ist Pfarrer in Bamberg und – obwohl er es anscheinend anders sieht – keine besonders wichtige Persönlichkeit innerhalb der katholischen Kirche.
Wenn ich dennoch auf eine seiner zahlreichen Veröffentlichungen eingehe, so deshalb, weil sie mir typisch scheint für eine Gedankenfigur, mit der insbesondere die theologischen Anhänger Joseph Ratzingers die katholische Kirche von aller Mitschuld am Holocaust reinwaschen, ja die Kirche selbst zum potenziellen Opfer des Holocaust stilisieren, so wie es Ratzinger selbst bei seiner skandalösen Rede in Auschwitz getan hat: Weiterlesen
Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:
Der verkackte Bahnhof taugt nicht mehr für Protest. Die anständigen Baden-Württemberger haben eine grüne Regierung gewählt. Gebaut wird der Bahnhof trotzdem. Geschenkt. Denn jetzt geht es ums große Ganze. Occupy! Nicht nur den Schlosspark, sondern den ganzen Planeten!
Der Wutbürger ist wieder am Start, er hat die da oben im Blick: in den Regierungen, in den Hochhäusern der Banken. Der Mob möchte ernst genommen werden und weiß dabei nicht, wie eigentlich alles besser gehen sollte. Weiterlesen
Ist es richtig, den gekidnappten israelischen Soldaten Gilad Shalit gegen 1000 verurteilte arabische Terroristen auszutauschen? Ein Freund schickt mir folgende Argumentation gegen den Handel, die er in einem vor zehn Jahren erschienenen Buch über den Kampf gegen den Terrorismus gefunden hat. Weiterlesen