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Kübler-Ross, Dawkins und Breivik

In der Diskussion über das Verhältnis zwischen radikalem Antiislamismus und der Bluttat von Oslo könnten zur Versachlichung der Auseinandersetzung – scheint mir – zwei Konzepte hilfreich sein. Eins ist das von Richard Dawkins vorgeschlagene Konzept der Meme, das andere das von Elisabeth Kübler-Ross entwickelte Konzept der fünf Stufen des Sterbens.

Diese Behauptung mag die eine oder andere Leserin überraschen.

Was, bitteschön, hat Kübler-Ross mit Breivik zu tun? Weiterlesen

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Psychotäter oder politischer Attentäter?

In einem interessanten Essay für die „Welt“ hat der Schweizer Psychoanalytiker Josef Ludin geschrieben, die Tat des Anders B. sei „wahrscheinlich nur psychopathologisch zu verstehen“.

Es handele sich bei dem Täter vermutlich um eine „schizoide Persönlichkeitsstörung“. Und „Persönlichkeitsstörungen (Hitler, Goebbels, Pol Pot, Kim Jong-il etc., die Liste ist sehr lang) können in ihrer Gefährlichkeit wesentlich aggressiver sein als wahnhaft-schizophrene Erkrankungen“.

Die jeweilige Ideologie aber sei im Grunde genommen gleichgültig: „Dass der Täter in Norwegen mit einer islamophoben Ideologie kokettierte, ist nichts anderes als dem Zeitgeist verpflichtet.“ Es sie daher „sinnlos“, die „gesellschaftliche Debatte um den Islam aus diesem Kontext heraus zu diskreditieren“. Weiterlesen

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Anders Breivik als Theoretiker und Propagandist der Neuen Rechten

Bei der Diskussion um den Massenmord in Norwegen gilt es festzuhalten: Anders Behring Breivik ist ein politischer Attentäter. Ein Propagandist der Tat.

Das schließt nicht aus, dass er auch ein Psychopath ist. Jedoch darf die möglicherweise gerichtlich relevante Frage seiner geistigen Verfassung nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den Anschlägen in Norwegen um eine politische Aktion handelte. Weiterlesen

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Geert Wilders ist ein Antisemit

Am 28. Juni stimmte das holländische Parlament für ein Verbot des rituellen Schächtens. Binyomin Jacobs, Oberrabbiner der Niederlande, verglich den Beschluss des Parlaments mit der antisemitischen Gesetzgebung der Nazis: „Eine der ersten Maßnahmen nach der Besatzung war die Schließung koscherer Schlachthöfe“, sagte Jacobs.

Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz europäischer Rabbiner, meinte, Holland habe damit „Jahrhunderte des Liberalismus, der Menschenrechte, der Offenheit und Toleranz gegenüber Juden weggeworfen“. Juden seien „in den Niederlanden nicht mehr willkommen“.

Recht haben die Rabbiner. Weiterlesen

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Roland Emmerich erledigt William Shakespeare

Am 7. Februar 1601 wurde im Globe Theatre das Stück „Richard II“ von William Shakespeare aufgeführt. Eine Abordnung des Grafen Essex hatte Shakespeares Truppe, „The Lord Chamberlain’s Men“, für die private Aufführung „40 Shilling über ihre gewöhnlichen Einnahmen hinaus“ versprochen, denn Essex sah in dem Stück, das die Absetzung eines unfähigen Königs durch einen fähigen und durch diesen König unrechtmäßig behandelten Adeligen eine Parallele zu seinem eigenen Fall und erhoffte sich vom Stück  die Schaffung einer günstigen öffentlichen Meinung für seinen geplanten Putsch gegen die alternde Königin Elizabeth, deren Günstling er einst gewesen war.

Natürlich wurde nichts von alledem den Schauspielern mitgeteilt, die dennoch nach dem Scheitern des Putsches von Elizabeths Geheimdienst verhört wurden, worüber es einen Bericht gibt. Weiterlesen
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Was passiert, wenn Amerikas Wille zur Macht erschlafft

In den Vereinigten Staaten haben die Republikaner mit dem Auswahlverfahren begonnen, das zur Nominierung ihres Präsidentschaftskandidaten führen soll. Alle Kandidaten der Rechten haben sich in ihrer ersten öffentlichen Debatte letzte Woche von der transformatorischen Außenpolitik George W. Bushs verabschiedet und einem mehr oder weniger radikalen Isolationismus das Wort geredet. Die Kriege im Irak, in Afghanistan und in Libyen sollen beendet werden.

Das entspricht übrigens dem Wunsch von geschätzten zwei Dritteln und mehr der amerikanischen Wählerschaft. Weiterlesen

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Advocatus Dei

Nach dem Pfingstsonntag, der ja den Beginn der Missionstätigkeit der Ur-Kirche markiert, möchte hier sozusagen als Advocatus Dei zwei Einwände gegen den Atheismus vorbringen, die meines Erachtens auch ein Gegner der Religion ernst nehmen muss, wenn er selber ernst genommen werden will.
Der erste Einwand ist der Einwand aus der Schönheit. Weiterlesen
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Eisberge und Tsunamis

Zuweilen wird in die Diskussion um den Ausstieg aus der Atomenergie das Argument vorgebracht, dies bedeute einen technischen Rückschritt; sei Ausdruck einer in Deutschland ohnehin – und bei den Grünen insbesondere – vorherrschenden Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit, die in der Romantik wurzele; letztlich tobe sich hier eine reaktionäre Maschinenstürmerei aus, zum Schaden des Landes und seiner Zukunft.
Nun kann man kaum leugnen, dass es in Teilen der Linken eindeutig kulturpessimistische, technikfeindliche und fortschrittsskeptische Elemente gibt, über die sich schon Karl Marx – den mein Kollege Eckhard Fuhr in einer glücklichen Formulierung einen „Wachstumsjunkie“ nannte – in seiner Polemik etwa gegen die „deutschen oder wahren Sozialisten“ im Kommunistischen Manifest lustig machte. Weiterlesen
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Stéphane Hessel und die französische Drittklassigkeit

Ich schreibe das hier ungern. Denn ich bewundere Stéphane Hessel. Und weil ich ihn bewundere, habe ich mir die Lektüre seines Pamphlets „Empört euch!“ lange verkniffen. Neulich aber war ich eingeladen zu einer Feier zu seinen Ehren. Da las ich das Buch. Und musste mir die Feier verkneifen.

Hessel beginnt mit einer Zustandsbeschreibung der französischen Republik, einer „Gesellschaft der in die Illegalität Gedrängten, der Abschiebungen, des Misstrauens gegen Zuwanderer, in der die Sicherung des Alters, die Leistungen der Sozialversicherung brüchig geworden sind, in der die Reichen die Medien beherrschen“.

Hm. Weiterlesen

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Warum unsere Leitkultur kapitalismusfeindlich ist

Warum, so fragte mich (und sich) neulich der kluge Gideon Böss, lieben wir den Kapitalismus nicht? Es ist in der Tat nicht ohne weiteres zu verstehen.

Dem Kapitalismus verdanken wir einen unerhörten Wohlstand. Er war und ist in der Bundesrepublik Deutschland – viel mehr als Einigkeit, Recht und Freiheit – „des Glückes Unterpfand“.  Weiterlesen

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Warum Diskussionen um Wörter Mumpitz sind

Zu den unangenehmsten Eigenschaften unserer spezifisch deutschen Leitkultur gehört der Streit um Wörter. Wie zum Beispiel der ewige Streit um das Wort „Leitkultur“, das Henryk M. Broder treffend als „Leidkultur“ verfremdet hat.

Diese Neigung zum Streit um Wörter und Begriffe (und um die bei „Faust“ vom Schüler an Mephisto gestellte Fragte, ob denn beim Wort überhaupt ein Begriff sein müsse), ist vermutlich eine Folge der Prägung des deutschen Denkens durch den unseligen Platon; in den angelsächsischen Ländern ist spätestens seit Duns Scotus klar, dass Wörter halt nur Wörter sind, und dass ihnen nicht jene magischen Qualitäten zur Beschreibung irgendeiner real existierenden „Essenz“ oder Wesenheit innewohnen, die ihnen der Idealismus andichtet. Deshalb gibt es dort keinen Streit um Wörter. Als der Richter am Obersten Gericht der USA Potter Stewart gebeten wurde, Pornographie zu definieren, antwortete er: „I know it when I see it.“ Weiterlesen

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