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Sarrazins Stichwortgeber: Joseph Ratzinger

Auf die Gefahr hin, der Humorlosigkeit und der mangelnden Gelassenheit geziehen zu werden, muss ich doch noch einmal – und womöglich nicht zum letzten Mal, leider – auf Thilo Sarrazin eingehen.

Ich finde es schon merkwürdig, so viel zu Gelassenheit und Humor, dass es mittlerweile zum Konsens zu gehören scheint, „bei aller Kritik an manchen fragwürdigen Formulierungen“, oder wie die salvatorische Klausel auch immer heißt, Sarrazins eugenischen und rassistischen Argumenten Diskussionswürdigkeit zuzubilligen und allseits zu beklagen, der Verkäufer von bald anderthalb Millionen Büchern, dessen Machwerk vorab im Spiegel und in der „Bild“ exzerpiert wurde, der in allen wichtigen Medien der Republik Interviews gab und entweder Gast oder Thema in allen Talkshows war und ist, sei irgendwie von einem Kartell der politisch Korrekten, angeführt von der linkslastigen Kanzlerin und ihrer Kreatur im Schloss Bellevue, zum Schweigen gebracht worden. Weiterlesen

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Helmut Schmidt und die Fallen des Skeptizismus

Letzte Woche habe ich an dieser Stelle die Ansichten Helmut Schmidts über einen angeblich genetisch bedingten Hang der Deutschen zum eliminatorischen Antisemitismus referiert und kritisiert. Es stellt sich die Frage, wie ein kluger Mensch wie Schmidt einen solchen Unsinn reden kann. Natürlich schützt Intelligenz vor Dummheit nicht, wie man auch bei Thilo Sarrazin sehen kann. Und auch ich, obwohl nicht annähernd so intelligent wie diese beiden hohen Herren, habe hier und dort Unsinn verzapft. Allerdings bin ich – alles in allem – nicht so selbstgerecht wie diese zwei Sozialdemokraten.

Zumindest bei Schmidt ahne ich, woher diese Selbstgerechtigkeit kommt. Weiterlesen

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Helmut Schmidt und das deutsche Nazi-Gen

Helmut Schmidt war ein zufälliger Kanzler und ein Kanzler des Übergangs. Er wurde 1974 Regierungschef, nachdem sein visionärer, aber willensschwacher Vorgänger das Amt in einem Anfall von Depressionen hingeschmissen hatte; und er musste 1982 den Posten zugunsten eines anderen Visionärs, Helmut Kohl, räumen.

Der als Architekt der „Neuen Ostpolitik“ damals vielerorts als Verräter verdächtigte Brandt wird heute allseits aus dem gleichen Grund verehrt. Man begreift, dass Gesten wie sein „Kniefall“ in Warschau den moralischen Status der Bundesrepublik aufwerteten, und dass die Ergebnisse seiner Ostpolitik – etwa die Vereinbarungen der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ – zum Rosten des Eisernen Vorhangs beitrugen. Kohl wird, wenn auch die von ihm geforderte „geistig-moralische Wende“ bis heute ausgeblieben ist, allseits als Architekt der deutschen Einheit und der Europäischen Union anerkannt. Aber unter Schmidt passierte nichts Weltbewegendes, und er hinterlässt kein politisch-geistiges Erbe. Weiterlesen

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Ein faules Ei

1895 erschien in der Londoner satirischen Zeitschrift „Punch“ eine Karikatur mit dem Titel „Wahre Bescheidenheit“. George du Maurier zeichnete einen jungen, etwas ängstlich dreinschauenden Pfarrer am Tisch seines Bischofs. Der Bischof sagt: „Ich fürchte, Sie haben ein faules Ei bekommen, Mr. Jones.“ Der Pfarrer erwidert: „O nein, Mylord, ich kann Ihnen versichern, dass Teile davon ganz ausgezeichnet sind.“

Die Karikatur ist unsterblich geworden, denn die Redewendung, „a curate’s egg“ ist inzwischen Teil der englischen Sprache. Ein faules Ei stinkt nun einmal zum Himmel, und nur „wahre Bescheidenheit“ entdeckt in ihr „ganz ausgezeichnete“ Teile. Thilo Sarrazins neues Werk ist ein solches Ei. Weiterlesen

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Entschuldigung, Jörg Blech!

Vor zwei Wochen habe ich an dieser Stelle Jörg Blechs Titelgeschichte im „Spiegel“ kritisiert. Wie es meine (Un-)Art ist, habe ich es nicht an starken Worten („Bullshit“) fehlen lassen.

Umso angenehmer überrascht war ich, als sich Blech bei mir meldete und statt mich zu beschimpfen, wofür mir selber einige treffende Ausdrücke einfielen („Halbgebildeter“, „Hobby-Wissenschaftskritiker“, „Besserwisser“), ein Treffen vorschlug, bei dem wir über meine Kritik reden könnten. Ähnliches widerfuhr mir schon mit Blechs Kollegen Matthias Matussek und Jan Fleischhauer, die auch untereinander einen Ton höflich-ironischer Feindschaft pflegen, so dass ich mich schon frage, da ich anderswo wegen Meinungsverschiedenheiten ganz anders behandelt worden bin, ob das möglicherweise etwas mit der Kultur des Hauses zu tun hat. (Die Ausnahme bestätigt die Regel.) Weiterlesen

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No Angels

Im Prozess gegen die „No Angels“-Sängerin Nadja Benaissa tritt als Nebenkläger ein Frankfurter Künstlerbetreuer auf, der behauptet, von der HIV-infizierten Sängerin bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr angesteckt worden zu sein. „Du hast so viel Leid in die Welt getragen!“ rief der Mann im Gericht der Sängerin zu, die wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt ist.

Dann sagte er etwas, was mich stutzig machte: Besonders schlimm für ihn sei: „Ich hätte unzählige Frauen anstecken können, ohne es zu wissen.“ Daraus müssen wir entnehmen: Dieser „Künstlerbetreuer“, also Agent, hat mit „unzähligen“ Frauen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt. Weiterlesen

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„Der Spiegel“: Bullshit über Gene

Im Sommerloch geraten wir Journalisten leicht in Panik, und so kann es kommen, dass der „Spiegel“ eine Titelgeschichte der Zerstörung eines Mythos widmet, den es gar nicht gibt, nämlich des Mythos, wir würden einzig und allein von unseren Genen kontrolliert.

Nie haben verantwortliche Wissenschaftler einen solchen Unsinn behauptet; und so kann Spiegel-Autor Jörg Blech auch kein einziges entsprechendes Zitat eines Genforschers anführen. Neulich hat – im „Spiegel“-Interview – Craig Venter wieder einmal entsprechende Fragen der Journalisten zurückgewiesen.

Eher wurde der Mythos der alles bestimmenden Gene von Gegnern der Genforschung und Gentechnik verbreitet, um leichtgläubigen Lesern und Technophoben Angst einzujagen. Weiterlesen

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Gute Fragen

„Warum sind die türkischen Jugendlichen heute so friedlich?“ fragt ein Schwimmhallengast den Bademeister in Til Mettes neuester Karikatur für den „Stern“. Die Antwort: „Ich habe 5000 Liter Baldrian ins Becken gekippt.“

Man will ja in der Ära Sarrazin kein politisch korrekte Miesepeter sein, also beschließen wir, das ebenso wenig rassistisch zu finden wie die Kritik von Mettes weniger begabtem Kollegen Bernd Zeller auf der „Achse des Guten“, Baldrian würde es nicht tun, „es müsste schon eine Ladung Östrogen sein“. Sexualneid ist schon etwas Peinliches. Weiterlesen

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Maulhelden und Hasenfüße

Am Wochenende haben die holländischen Streitkräfte ihren Abzug – sprich ihre Flucht – aus Afghanistan abgeschlossen. Sollen doch andere den Kopf hinhalten, vornehmlich natürlich die einfachen Afghanen, die Hauptopfer des islamistischen Terrors.

Bei dieser holländischen Hasenfüßigkeit fühlt man sich unweigerlich an jene andere holländische Heldentat der Nachkriegszeit erinnert, nämlich die Auslieferung der muslimischen Bevölkerung von Srebrenica an ihre christlichen Schlächter und Vergewaltiger vor gerade einmal 15 Jahren. Weiterlesen

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Der letzte Klassenkampf

Der Kampf um das Gymnasium ist ein Klassenkampf. Ein Kampf derjenigen, die haben, gegen diejenigen, die nicht haben. Ein typisch deutscher Kampf, nämlich ein Kampf um Besitzstandswahrung.

So wie die Gewerkschaften die Arbeitsplatzbesitzer gegen diejenigen verteidigen, die keinen Arbeitsplatz haben, so verteidigt der Philologenverband die unverdienten Privilegien der Gymnasiallehrer, so verteidigen bürgerliche Eltern die unverdienten Privilegien ihrer Kinder. Dass dies mit sozialen Phrasen garniert wird, ändert nichts am Sachverhalt. Weiterlesen

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Vom Einnehmen und Ausgeben

Übers Wochenende ging mir ein Satz nicht aus dem Kopf, der in den letzten Wochen und Monaten wie ein Mantra immer wieder aufgesagt wird, ob es um die deutschen Sozialausgaben oder um die Hilfe für Griechenland geht: „Man kann nur ausgeben, was man vorher erwirtschaftet hat“.

Dies sei angeblich eine Grundweisheit des deutschen Mittelsstands, von dem wir alle die Grundsätze soliden Wirtschaftens lernen sollten. Nur die verantwortungslosen Politiker würden das nicht begreifen und dem dummen Volk dieses Einmaleins der Wirtschaft verschweigen.

Natürlich weiß jeder Mittelständler, dass diese Politiker- und Publizistenweisheit Blödsinn ist. Das Gegenteil ist wahr: man kann nichts erwirtschaften, ohne vorher etwas auszugeben. Weiterlesen

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