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Hier lacht der deutsche Professor

Anlässlich eines Kurzurlaubs in Palermo wollte ich mich über den Stauferkaiser Friedrich II kundig machen. Leider gibt es das Standardwerk von Ernst Kantorowicz nicht als E-Book, jedenfalls nicht in deutscher Sprache, so dass ich mit Rücksicht auf die Gewichtsobergrenze meines Gepäcks mit einem Werk des Historikers Olaf B. Rader vorlieb nehmen musste.

Was ich bedauere. Es mag ja sein, dass Kantorowicz, beeinflusst durch die Ideen des George-Kreises, dem idealisierten Kaiser einiges andichtete, was einer sachlichen Überprüfung nicht standhält, aber er begriff immerhin, dass jede große Geschichtsschreibung eben auch Dichtung ist, Erzählung und  Verdichtung. Schon in der – schlechten – englischen Übersetzung, deren erstes Kapitel ich, an der Drögheit des Rader’schen Werks verzweifelnd, als Leseprobe auf mein Kindle herunterlud, sprüht es vor Ideen und Erzählungen. Aber, gewiss, Numismatiker und Dokumentenkundler kommen vermutlich bei Rader eher auf ihre Kosten.

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Berlin ist nicht Weimar

Ich danke Martin Jander für seinen Beitrag. Er zeigt beispielhaft, mit welchen Ausblendungen, Halbwahrheiten und sprachlichen Tricks selbst hoch gebildete und seriöse Menschen arbeiten müssen, um bestimmte Positionen von vornherein aus der Debatte um den Umgang mit der Neuen Rechten auszuschließen.

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Benedikt XVI, der Jerry Lee Lewis der Theologie

Demnächst werden die Predigten veröffentlicht, die der emeritierte Papst Benedikt XVI in seiner Privatkapelle hielt und die – angeblich ohne sein Wissen, wer’s glaubt, wird selig – mitgeschnitten wurden. Eine wurde bereits veröffentlicht: eine Predigt über Joseph, den Ziehvater des Jesus von Nazareth.

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Maurenbrecher 1: Litfaßsäule

Früher gab es – hach! Ich liebe es, wenn ein Text so anfängt, Opa erzählt vom Krieg – früher gab es eine Kabarett-Truppe in West-Berlin, sie nannte sich „Zwei Drittel“. Und das wirklich Besondere an dieser Truppe war, dass sie sich nicht die regierende SPD oder CDU (in West-Berlin: same difference) vornahm, sondern ihr eigenes Publikum, die Linke, Spontis und Revis, WGs und Kommunen, Ex-Maoisten und Noch-Trotzkisten. Ja, es gab eine Zeit, da konnten die Guten über sich selbst lachen.

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Das Jagger-Richards-Songbuch (14): Coming Down Again

Da es mir bei diesen Besprechungen in erster Linie um die Texte geht, mag es ein wenig verwundern, wenn ich zu Keith Richards‘ 80. Geburtstag einen Song auswähle, der im Wesentlichen aus einer Zeile besteht: „Coming down again“. Wie „Knockin‘ on heaven’s door“. Während mich aber das Pochpochpochen bei Dylan ärgert, ist dieses todtraurige Herunterkommen nach dem Drogen-Himmelssturm wunderbar, und Keith Richards zeigte hier zum ersten Mal, was für ein großartiger Sänger er ist. Nicht technisch, versteht sich, Virtuosität ist bei den Rolling Stones sowieso nie der Punkt gewesen, weshalb Mick Taylor da nicht reinpasste, sondern in dem, was bei einem Blues-Sänger am wichtigsten ist: Gefühl.

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Wie spät ist die Moderne? Und wenn ja, wie viele?

In der letzten Zeit befasse ich mich ein wenig mit dem Libertarismus. Eigentlich halte ich die Bewegung für intellektuell wenig anspruchsvoll, eine Mischung aus Friedrich Nietzsche und Fritz Teufel; aber ich kann mich ja irren, also versuche ich mich schlauer zu machen.

Zuletzt griff ich das hoch gelobte Buch „Gekränkte Freiheit“ von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, die beide an der Universität Basel lehren, die eine Literatursoziologie, der andere Soziologie ohne Zusatz. Nun bin ich, obwohl mein Cousin Yochanan Peres Soziologe war und wir viele interessante Gespräche hatten, skeptisch gegenüber einer Disziplin, die es – anders als etwa die Naturwissenschaften – nicht schafft, auch nur einen Minimalkonsens über die in ihrem Untersuchungsgebiet herrschenden Gesetze herzustellen. Aber die Autoren geben an, ihr Buch beruhe auf Interviews etwa mit Angehörigen der Querdenkerszene, schien also relativ faktengesättigt. Also fing ich an zu lesen.

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Aus meinem Songbuch (5): I Don’t Know

Auf der Suche nach einem anderen Song von mir entdeckte ich auf Klaus Kluges YouTube-Kanal diesen Blues, den ich völlig vergessen hatte. Also schiebe ich ihn hier ein, bevor ich wieder vergesse, dass ich ihn geschrieben habe.

https://www.youtube.com/watch?v=ScEnjLUhtKE

Aufgenommen haben wir den Song mit der Band „Blues & Loose“, das muss also um 1999 herum gewesen sein. Der Sänger von „Blues & Loose“, Michael Sellin, hatte aus irgendwelchen Gründen die Band zeitweilig verlassen, und Klaus hatte mich wider alle meine Instinkte überredet, als Ersatz einzuspringen.

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Aus meinem Songbuch (4): Routine Check Up

Ich wollte immer schon einen dieser Songs schreiben, die von historischen oder biblischen Anspielungen leben. Der bekannteste ist wohl Bob Dylans “Highway 61 Revisited”, der mit der großartigen und schrecklichen Zeile beginnt: “God said to Abraham, kill me a son”. Abraham kann das gar nicht glauben: Du machst Witze oder? Gott so: Mach, was du willst, Abe, aber wenn ich das nächste Mal hier vorbeikomme, solltest du lieber eine Fliege machen.

Womit der Charakter dieser furchtbaren Gestalt klar wird: Er ist ein Gangster.

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Aus meinem Songbuch (3): Credit Card

Peter Gentsch hatte einen deutschen Blues geschrieben mit dem Titel „Ich hab‘ kein Geld mehr“. Wie der Text sonst war, weiß ich nicht, sicher gut, aber die „Berlin Blues Band“ spielte nur englische Titel, also sollte ich einen englischen Text dazu schreiben. Nun, das Metrum ließ sich übertragen: „Ich hab’ kein Geld mehr“ – „Ain’t got no money“; aber wie weiter?

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Das Jagger-Richards-Songbuch (13): Satisfaction

OK, irgendwann muss ich doch ran. Es ist ja DER Stones-Song. Und sicher der Song meiner Generation, mehr als „My Generation“ von The Who oder gar „The Times, They Are A-Changin‘“ von Bob Dylan. Und musikalisch wie textlich so gut wie, wenn nicht besser als, diese beiden Songs.

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Aus meinem Songbuch (2): Every Night I Sing The Blues

Über „Backstage Blues“ schrieb ich: „Aber der Text ist nicht geklaut, es sind keine Erfahrungen aus zweiter Hand, sondern … die Erlebnisse zahlloser Clubauftritte …“. Bei diesem Song hingegen ist alles aus zweiter Hand, und mit Absicht. Es ist der Versuch, einen kommerziellen Country-Song zu schreiben, mit allen Ingredienzen des Genres, oder doch einer bestimmten Unterart des Genres, einschließlich der witzigen, oft tiefsinnigen Formulierungen, die dafür sorgen, dass die Klischees erträglich bleiben. Und ich muss in aller Bescheidenheit sagen, das ist hier ganz gut gelungen.

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