Ich habe bereits meinem Ärger über den plumpen Professoren-Humor in der Biografie des Kaisers Friedrich II von Olaf B. Rader Luft gemacht. Diese dröge Lebensbeschreibung, die aus unerfindlichen Gründen als Standardwerk gilt, verglich ich mit der funkelnden Biografie von Ernst Kantorowicz. Wie es scheint, ist sich Rader des Unterschieds in der schriftstellerischen Potenz bewusst und grenzt sich von Kantorowicz ab – in einer Art jedoch, die jede Fairness vermissen lässt.
Hier lacht der deutsche Professor
Anlässlich eines Kurzurlaubs in Palermo wollte ich mich über den Stauferkaiser Friedrich II kundig machen. Leider gibt es das Standardwerk von Ernst Kantorowicz nicht als E-Book, jedenfalls nicht in deutscher Sprache, so dass ich mit Rücksicht auf die Gewichtsobergrenze meines Gepäcks mit einem Werk des Historikers Olaf B. Rader vorlieb nehmen musste.
Was ich bedauere. Es mag ja sein, dass Kantorowicz, beeinflusst durch die Ideen des George-Kreises, dem idealisierten Kaiser einiges andichtete, was einer sachlichen Überprüfung nicht standhält, aber er begriff immerhin, dass jede große Geschichtsschreibung eben auch Dichtung ist, Erzählung und Verdichtung. Schon in der – schlechten – englischen Übersetzung, deren erstes Kapitel ich, an der Drögheit des Rader’schen Werks verzweifelnd, als Leseprobe auf mein Kindle herunterlud, sprüht es vor Ideen und Erzählungen. Aber, gewiss, Numismatiker und Dokumentenkundler kommen vermutlich bei Rader eher auf ihre Kosten.
Berlin ist nicht Weimar
Ich danke Martin Jander für seinen Beitrag. Er zeigt beispielhaft, mit welchen Ausblendungen, Halbwahrheiten und sprachlichen Tricks selbst hoch gebildete und seriöse Menschen arbeiten müssen, um bestimmte Positionen von vornherein aus der Debatte um den Umgang mit der Neuen Rechten auszuschließen.
Nie wieder ist Jetzt! Soll man die AfD an den Landesregierungen der fünf neuen Bundesländer beteiligen, um sie an der Macht zu entzaubern?
(Demonstration am 14. Januar 2024 in Potsdam. Reaktion auf die Recherche der Journalistenvereinigung „Correctiv“ über ein Treffen von AfD, CDU und Rechtsradikalen in einem Hotel der Stadt zur Diskussion über einen Masterplan zur Vertreibung von nicht zur Volksgemeinschaft gerechneten Menschen (Foto: Martin Jander).
Eine Erwiderung auf Alan Posener
Seit dem Bekanntwerden einer Tagung von AfD-Politikern, CDU-Mitgliedern und Unternehmern mit dem rechtsradikalen Martin Sellner in Potsdam wird in der Bundesrepublik verstärkt über die Frage diskutiert, wie die Demokratie mit der AfD weiter umgehen soll. Die Tagungsteilnehmer hatten über einen „Masterplan“ gesprochen. Große Teile von Flüchtlingen, Einwanderern u. a., mit oder ohne deutschen Pass, sollen danach aus der Bundesrepublik vertrieben werden. Martin Sellner hat diese Ideen bereits in dem Buch „Regime Change von rechts“ im Antaios Verlag von Götz Kubitschek ausgebreitet.[1]
In der jetzt anhebenden Debatte über den weiteren Umgang mit der AfD hat Alan Posener behauptet, Geschichte wiederhole sich – wie schon Marx gesagt habe – nur als Farce. Die AfD sei nicht die NSDAP von 1933, das Seminar in Potsdam sei nicht die Wannsee-Konferenz von 1942. Um die AfD einzuhegen, solle die CDU in den fünf neuen Bundesländern mit der AfD Koalitionen eingehen und sie dann durch die Beteiligung an den Landesregierungen entzaubern. Die CDU müsse mit den Rechtsradikalen das machen, was die Sozialdemokraten nach 1968 mit den Linksradikalen gemacht hätten.[2] Der Historiker und Terrorismusforscher Martin Jander hält in seinem Beitrag dagegen. Er hält Poseners Idee für selbstmörderisch. Weiterlesen
Benedikt XVI, der Jerry Lee Lewis der Theologie
Demnächst werden die Predigten veröffentlicht, die der emeritierte Papst Benedikt XVI in seiner Privatkapelle hielt und die – angeblich ohne sein Wissen, wer’s glaubt, wird selig – mitgeschnitten wurden. Eine wurde bereits veröffentlicht: eine Predigt über Joseph, den Ziehvater des Jesus von Nazareth.
Aufruf deutscher Feministinnen an die Bundesregierung: Solidarität mit Israel ohne Wenn und Aber
Zahlreiche Feministinnen, aus viele der Berliner Frauenbewegung der 70ger und 80ger Jahre, haben sich in einem gemeinsamen Aufruf gegen die Hamas, den islamistischen Terror und an die Seite Israels gestellt. Initiatorin der Aktion ist die Publizistin Rebecca Schönenbach vom Verein „Frauen für Freiheit“:
Maurenbrecher 1: Litfaßsäule
Früher gab es – hach! Ich liebe es, wenn ein Text so anfängt, Opa erzählt vom Krieg – früher gab es eine Kabarett-Truppe in West-Berlin, sie nannte sich „Zwei Drittel“. Und das wirklich Besondere an dieser Truppe war, dass sie sich nicht die regierende SPD oder CDU (in West-Berlin: same difference) vornahm, sondern ihr eigenes Publikum, die Linke, Spontis und Revis, WGs und Kommunen, Ex-Maoisten und Noch-Trotzkisten. Ja, es gab eine Zeit, da konnten die Guten über sich selbst lachen.
Das Jagger-Richards-Songbuch (14): Coming Down Again
Da es mir bei diesen Besprechungen in erster Linie um die Texte geht, mag es ein wenig verwundern, wenn ich zu Keith Richards‘ 80. Geburtstag einen Song auswähle, der im Wesentlichen aus einer Zeile besteht: „Coming down again“. Wie „Knockin‘ on heaven’s door“. Während mich aber das Pochpochpochen bei Dylan ärgert, ist dieses todtraurige Herunterkommen nach dem Drogen-Himmelssturm wunderbar, und Keith Richards zeigte hier zum ersten Mal, was für ein großartiger Sänger er ist. Nicht technisch, versteht sich, Virtuosität ist bei den Rolling Stones sowieso nie der Punkt gewesen, weshalb Mick Taylor da nicht reinpasste, sondern in dem, was bei einem Blues-Sänger am wichtigsten ist: Gefühl.
Wie spät ist die Moderne? Und wenn ja, wie viele?
In der letzten Zeit befasse ich mich ein wenig mit dem Libertarismus. Eigentlich halte ich die Bewegung für intellektuell wenig anspruchsvoll, eine Mischung aus Friedrich Nietzsche und Fritz Teufel; aber ich kann mich ja irren, also versuche ich mich schlauer zu machen.
Zuletzt griff ich das hoch gelobte Buch „Gekränkte Freiheit“ von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, die beide an der Universität Basel lehren, die eine Literatursoziologie, der andere Soziologie ohne Zusatz. Nun bin ich, obwohl mein Cousin Yochanan Peres Soziologe war und wir viele interessante Gespräche hatten, skeptisch gegenüber einer Disziplin, die es – anders als etwa die Naturwissenschaften – nicht schafft, auch nur einen Minimalkonsens über die in ihrem Untersuchungsgebiet herrschenden Gesetze herzustellen. Aber die Autoren geben an, ihr Buch beruhe auf Interviews etwa mit Angehörigen der Querdenkerszene, schien also relativ faktengesättigt. Also fing ich an zu lesen.
Ein Ruck allein wird nicht genügen – Deutschland im November 2023
Credit: IMAGO / Stefan Zeitz.
Ein Beitrag von Harald Stollmeier
Viel zu wenige Menschen in Deutschland sind bereit, die Freiheit entschieden zu verteidigen. Nach defätistischen Äußerungen zur russischen Invasion in der Ukraine fehlt es jetzt sogar an einer Solidarität mit Israel, die diesen Namen verdient. Harald Stollmeier analysiert die dunkle Lage im November 2023.
Es ist November. Ein dunkler Monat, der leider sehr gut zu der derzeitigen Lage in Deutschland passt. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass unser Land den freien Westen entschlossen verteidigt. Weiterlesen
Aus meinem Songbuch (5): I Don’t Know
Auf der Suche nach einem anderen Song von mir entdeckte ich auf Klaus Kluges YouTube-Kanal diesen Blues, den ich völlig vergessen hatte. Also schiebe ich ihn hier ein, bevor ich wieder vergesse, dass ich ihn geschrieben habe.
https://www.youtube.com/watch?v=ScEnjLUhtKE
Aufgenommen haben wir den Song mit der Band „Blues & Loose“, das muss also um 1999 herum gewesen sein. Der Sänger von „Blues & Loose“, Michael Sellin, hatte aus irgendwelchen Gründen die Band zeitweilig verlassen, und Klaus hatte mich wider alle meine Instinkte überredet, als Ersatz einzuspringen.