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EURO-Zone vor dem Scheitern

Das Drama um die italienische Regierungsbildung zeigt mit aller Deutlichkeit, dass  die Euro-Zone  ohne  eine grundlegende Reform nicht wird überleben können. Der Einzug zweier populistischer,  EU-feindlicher Parteien („Fünf Sterne“, „Lega“) in die Regierung  ist nur vertagt. Spätestens im Herbst werden die vereinten Rechts- und Linkspopulisten  –  vermutlich sogar gestärkt –  die Regierung Italiens bilden und dann ihr Zerstörungswerk an den italienischen Staatsfinanzen und an der Euro-Zone beginnen. Italien ist mit 2,3 Billionen Euro (131,8  Prozent des Bruttoinlandsprodukts) verschuldet. Bis März 2019 müssen 182 Milliarden Euro refinanziert werden, was bei  jetzt schon steigenden Zinsen nichts Gutes verheißt. Die Ratingagentur „Moody´s“ droht damit, die Bonität der Staatsanleihen Italiens auf Ramschniveau herabzustufen, was die Zinsen noch  einmal erhöhen würde. Spätestens dann werden sich ausländische Investoren  hüten, Italiens Regierung weiterhin mit Krediten zu versorgen. Dann bleibt zur Finanzierung nur das eigene Bankensystem, das  heute schon 27 Prozent der Staatstitel hält. Wenn Italien in eine finanzielle Schieflage geriete, wären die Banken mit ihren  faulen Krediten schnell in Gefahr zu kollabieren. Das ist der Grund, weshalb Italien – wie auch die anderen Südländer der Eurozone – eine europäische Bankenunion mit einer umfassenden  Einlagengarantie fordert. Die Nordländer, darunter auch Deutschland, wehren sich bislang noch gegen eine Vergemeinschaftung der Schulden, weil sie die Schuldenrisiken, die in den Staatstiteln stecken, sehr wohl  kennen. Wie lange wird ihr Widerstand noch dauern? Weiterlesen

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Ein Hauch von Männerschweiß und Koppelriemen

Günther Lachmann war über Jahre hinweg ein Kollege von mir. Wir waren freundschaftlich verbunden – nicht per du, aber doch so freundlich, dass Lachmann öfter bei mir im Büro vorbeischaute, um sich auszusprechen. Er fühlte sich nämlich von der Chefredaktion nicht anerkannt. Er wusste sicherlich auch, dass ich sein Buch „Die gescheiterte Integration“ positiv rezensiert hatte. Das war 2005. Lachmann bewies ein Gespür für das Kommende, als er sich unaufgefordert zum Experten für die 2013 gegründete AfD mauserte. Damals schien die Partei kaum mehr zu sein als eine Gruppe quengelnder Professoren, eine Randerscheinung der Euro-Krise. Mit dem Aufstieg der AfD wuchs auch Lachmanns Ansehen in der Redaktion, da er über Interna der Partei berichten konnte; übrigens nicht unkritisch.

Umso erstaunter war ich, als ich – 2016 – von den Vorwürfen des damaligen Chefs der AfD in NRW, Marcus Pretzell, hörte. Pretzell behauptete, Lachmann habe sich ihm als Berater angedient, oder, um mit Pretzell zu reden: „Lachmann wollte sich für 4.000 EUR monatlich kaufen lassen“. Neben seiner Arbeit als Redakteur der WELT, wohlgemerkt.

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Irans Aggressivität, Deutschlands Verpflichtung

Als der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier  am 14. Juli 2015 gemeinsam mit den Vertretern der  fünf Vetomächte  des UN-Sicherheitsrats das Atomabkommen mit dem Iran unterzeichnete, in dem dieser sich zum Verzicht auf den Bau von Atomwaffen verpflichtete, schwang auf deutscher Seite  viel Hoffnung mit: der Iran werde aus Eigeninteresse  so klug sein, sich an dieses Abkommen zu halten; er werde im Gefolge des wirtschaftlichen Aufschwungs, der nach Beendigung der Sanktionen sicher einsetzen werde, den Bürgern mehr Freiheiten zugestehen; und er werde seine aggressive Außenpolitik, vor allem gegenüber Israel, zügeln. Weiterlesen

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Die Kulturpolitik der AfD: Der westliche Firnis wird entsorgt

Hat die AfD eine Kulturpolitik jenseits des Ressentiments gegen die „linksrotgrünversiffte Mainstreamkultur“? Ja. Und sie muss jedem Sorgen bereiten, dem die Freiheit der Kultur wichtig ist.

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Ein paar Gedanken zur Iran-Entscheidung von Trump

1. Die Aufkündigung des Nuklearabkommens durch die USA ist ein Fehler. Dieser Schritt führt nicht zur Lösung der Probleme, die seinerzeit nicht Gegenstand des Nuklearabkommens waren: aggressives und expansives Verhalten Irans in der Region, feindselige Politik gegenüber Israel, schlechte Menschenrechtslage im Iran. Die Entscheidung von Trump fügt diesen ungelösten Problemen zwei hochbrisante Probleme wieder hinzu, die durch das Nuklearabkommen zwar nicht dauerhaft gelöst, aber eingehegt waren: die Gefahr eines nuklearen Wettrüstens im Nahen Osten und einer militärischen Konfrontation mit Iran. Weiterlesen

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Russland-Versteher proben den Aufstand

Außenminister Heiko Maas ließ schon kurz nach  Amtsantritt durch Töne aufhorchen, die man in Bezug auf Russland von führenden Politikern der SPD schon lange nicht mehr vernommen hatte: Russland agiere „zunehmend feindselig“, habe das Völkerrecht gebrochen, unterminiere die westlichen Demokratien durch Desinformationen. Viele im Westen hätten deshalb von Russland  „die Nase voll“. Den harschen Worten folgten auch Taten. Nach dem Giftgas-Angriff auf den Ex-Spion Skripal in Großbritannien, der den russischen Geheimdiensten zugeschrieben wird, schloss sich Deutschland der Ausweisung  zahlreicher  russischer Diplomanten aus  Staaten der EU und den USA  an. An eine Lockerung der gegen Russland verhängten Sanktionen ist gegenwärtig nicht zu denken. Die USA haben sie sogar verschärft. Weiterlesen

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Jakob Augstein und Mahmud Abbas

Es gibt eine bestimmte Art von Linken, deren Haltung man etwa wie folgt umschreiben kann: sie sind für die muslimische Einwanderung in Deutschland und gegen die jüdische Einwanderung in Palästina.

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151 Jahre „Das Kapital I.“ – 200 Jahre Karl Marx (6)

Der Akkumulationsprozeß des Kapitals

Bevor wir das eigentliche Thema betrachten, möchte ich doch noch einmal methodologische Reflexionen einschieben, die das Argument abweisen, dass die Wertkritik Marxens nur von historischer Bedeutung sei und die Arbeit sich doch gegenüber dem 19. Jh. verändert hätte. Woraus folgen würde, das mehr logische Werk als historisch zu reformulieren, was allerdings die Fehlinterpretation von Friedrich Engels gewesen ist, die auf der Schiene Lenin, Stalin, ML verheerende Wirkung auf die Kritik hatte, aber auch fatala Konsequenzen auf die Praxis. Weiterlesen

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Abschaffen!

Michael Theurer, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag teilte gerade mit, seine Fraktion beantrage noch in dieser Woche die „Abschaffung der Zeitumstellung“. Was für eine gute Nachricht! Den Umstand, dass wir Menschen die Zeit noch nie umstellen konnten und auch nie ändern werden, sondern immer nur unsere Uhren verstellen, übersehe ich wohlwollend. Doch der genaue Blick auf die FDP-Forderung löst allergrößtes Entsetzen und lautes Schrillen von Alarmglocken aus.

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Identitätspolitische Kurzschlüsse – Anmerkungen zur aktuellen Islamdebatte

 von Ruprecht Polenz

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Diese fette Schlagzeile hat die Bildzeitung vorhersehbar und vom Interviewpartner geplant über ein längeres Interview von Seehofer gesetzt, in dem er über seine Aufgaben als neuer Innenminister redet.

Wenn ein Politiker sagt, etwas gehöre nicht zu Deutschland, sind das keine geschichtlichen Betrachtungen, sondern politische Aussagen. In einer Zeit, in der sich Anschläge auf Moscheen häufen, ist eine solche Aussage den Innenministers (!) über den Islam unverantwortlich.

Die Bundeskanzlerin und die neue CDU-Generalsekretärin haben Seehofer deshalb umgehend widersprochen. „Vier Millionen Muslime und auch ihre Religion gehören zu Deutschland, also auch der Islam“, machte Merkel ihrem neuen Innenminister deutlich.

Ob „der Islam zu Deutschland gehört“ wird deshalb so erbittert diskutiert, weil manche ihre Identität als Deutsche dadurch bedroht sehen. Sie sehen sich als Deutsche und Nichtmuslime. Muslime könnten zwar zu Deutschland gehören, meinen sie, aber eben nicht der Islam. Denn Deutschland denken sie von ihrem Identitätsgefühl her. Und das ist nicht muslimisch.

Dieser identitätspolitische Kurzschluss von sich auf Deutschland macht die Debatte so gefährlich. Denn er führt eben doch zu der Frage, ob jemand, dessen Religion „nicht zu Deutschland gehört“, selbst ein guter Deutscher sein kann. Genauer gefragt, ob er ein genauso guter Deutscher sein kann wie jemand, dessen Religion „auch zu Deutschland gehört“.

Die Frage aufzuwerfen heißt, die Beweislast umzudrehen. Wir gehen nicht mehr bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass jemand mit deutschem Pass auch ein guter Deutscher ist. Der Muslim muss trotz seines deutschen Passes beweisen, dass er zu Deutschland gehört, dass er im Zweifel Deutschland mehr schätzt als seine Religion. Denn die „gehört ja nicht zu Deutschland“.

Aber gibt es so etwas wie eine „deutsche Identität“ überhaupt? Was wären die Merkmale, die uns von Spaniern, Amerikanern, Chinesen oder Österreichern trennscharf unterscheiden?

Identität bedeutet, „das bin ich“. Mann oder Frau, jung oder alt, arm oder reich, gesund oder krank, katholisch oder evangelisch. Schon aus der Aufzählung dieser identitätsprägenden Merkmale ergibt sich, dass Amartya Sen in seinem Buch „Die Identitätsfalle“ Recht hat, wenn er sagt: „Wir sind auf mannigfaltige Art verschieden.“ Deshalb können wir trotz Verschiedenheiten hier und da eben auch Gemeinsamkeiten mit anderen haben.

Schon aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass das mit kollektiven Identitäten so eine Sache ist. Die Spanier würden sich beschweren, wenn wir das Christentum zum exklusiv deutschen Identitätsmerkmal machen würden, und die Österreicher würden uns dasselbe im Hinblick auf die Sprache sagen.

Je länger man darüber nachdenkt, umso mehr kommt man zu dem Ergebnis: Was Deutsche gemeinsam haben, und was uns von allen anderen unterscheidet, ist der Pass und die gemeinsame Verfassung, das Grundgesetz. Das ist nicht wenig, denn es bedeutet, dass wir die vom Grundgesetz normierten Werte teilen. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr, denn das Grundgesetz eröffnet uns Freiheiten, um verschieden sein zu können.

Art. 4 des Grundgesetzes garantiert die Religionsfreiheit. Er schützt das Grund- und Menschenrecht, Christ zu sein oder Jude oder Muslim – oder an keine Religion zu glauben. Alle diese Überzeugungen darf man in Deutschland leben. Sie gehören dazu. Soweit sich diese Überzeugungen im praktischen Zusammenleben äußern, setzt ihnen das für alle verbindliche Recht allerdings Grenzen. Es geht der Religion vor.

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