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Holocaustgedenken als koloniales Denken

Ralf Michaels ist ein deutscher Jurist und Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg. Außerdem ist er nach eigener Einschätzung ein Kenner der „kolonialen Denkungsart“, zu der nach seiner Meinung die „Universalisierung des Holocausts“ gehört. Mit anderen Worten: Er relativiert den Holocaust mit linken Argumenten.

Am 8. Juni erschien Michaels‘ Artikel „Deutschstunde für alle Welt“ in der FAZ. Die Zeitschrift der Goethe-Institute, „Latitude“, die sich keineswegs als unparteiliches Organ begreift, sondern dem Motto folgt „Machtverhältnisse umdenken – für eine entkolonialisierte und antirassistische Welt“, druckte den Artikel wenige Tage später mit der Überschrift „Denkverbot im Namen der Erinnerungskultur“ nach.

Niemandem wird das Denken verboten

Nun kann ein Autor nichts für die Überschriften, die redaktionell verfasst werden. Dass die Gedanken selbst in Diktaturen frei sind, dass es mithin keine Denkverbote geben kann, dürfte auch dem Juristen Michaels klar sein. Allenfalls kann es Verbote von Meinungsäußerungen geben: So ist die Holocaustleugnung bei uns strafbar, was ich übrigens nicht richtig finde. Im Fall Mbembe – denn der war der Anlass für Michaels‘ Beitrag – gab und gibt es aber weder für den afrikanischen Philosophen selbst noch für seine vielen Fans irgendwelche Einschränkungen in Sachen Meinungsäußerung, in Sachen Denken sowieso nicht. Es war lediglich so, dass der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, der Ansicht war, ein BDS-Sympathisant, der selbst israelischen Gelehrten den Auftritt an seiner Universität verwehrt und für deren weltweiten Boykott eingetreten ist, sollte nicht das Eröffnungsreferat der staatlich finanzierten also halboffiziellen Ruhrtriennale halten. Aber das nur nebenbei.

Es geht nämlich im Artikel um Wichtigeres als einen überschätzten Philosophen, der – wenn man ehrlich ist – seine internationale Karriere vor allem einem paternalistischen Philoafrikanismus verdankt. Nämlich um die Frage, ob der Holocaust eine universelle Bedeutung hat. Das leugnet jedenfalls Michaels.

Holocausterinnerung als „Herrschaftsdenken“

Er schreibt: „Deutsche Diskutanten verlangen von anderen, die ‚Errungenschaft‘ einer spezifisch deutschen ‚Erinnerungskultur‘ nicht nur anzuerkennen, sondern zur Grundlage auch ihres eigenen Denkens und Sprechens zu machen. Da wir Deutschen für den Holocaust verantwortlich sind, nehmen wir uns das moralische Recht, anderen vorzuschreiben, was sie dazu zu sagen haben.“

Laut Michaels besteht „die tiefe Ironie dahinter (darin), dass mit dieser Universalisierung und Monopolisierung einer ursprünglich europäischen Perspektive ein Zentralthema der dekolonialen Kritik am westlichen Universalismus benannt ist. Bei der Dekolonialität geht es nicht um die politische Überwindung der Kolonialisierung durch Unabhängigkeit, sondern um die epistemische Überwindung von Kolonialität als einem Herrschaftsdenken …“

So wäre das Beharren auf der „Errungenschaft“ – von Michaels in Anführungszeichen gesetzt – der deutschen Erinnerungskultur ein Element der „Kolonialität als Herrschaftdenken“. Clever. Denn im Umkehrschluss bedeutet das, man müsse die Erinnerungskultur in Frage stellen, um die „Kolonialität“ zu überwinden. Denn die „Dekolonialität“ wolle „epistemische Herrschaftsverhältnisse insgesamt überwinden“, mithin auch das Beharren auf die Singularität des Holocausts.

Sonderbehandlung als Vorzug

Genauer: „Aus europäischer Sicht ist der Holocaust auch deshalb singulär, weil er den Zusammenbruch von Moderne und Humanismus markiert. Aus dekolonialer Sicht dagegen sind Moderne und Genozid seit Beginn zwei Seiten einer Medaille: Genozid und Kolonialisierung wurde (sic) immer auch mit der Moderne gerechtfertigt, der Überlegenheit der Kolonisatoren über die Kolonisierten. Aus dieser Sicht ist das Besondere des Holocausts nur, dass der Genozid nach Europa heimkehrt; die Singularisierung des Holocausts bedeutet dann, europäischen Erfahrungen gegenüber nichteuropäischen den Vorzug zu geben.“

Nun, die Argumentation des Juristen ist clever, das gebe ich zu, aber falsch.

Gegen das Gerede vom Zivilisationsbruch

Erstens: Der Holocaust ist keineswegs aus europäischer Sicht deshalb singulär, weil er „den Zusammenbruch von Moderne und Humanismus markiert“. Ich habe sehr viele Bücher zum Thema gelesen, und dieses Argument finde ich außer bei Joachim Fest, einem nicht unverdächtigen Zeugen, nirgends. Kein ernsthafter Historiker jedenfalls leugnet, dass die Moderne – man denke an Luthers mörderische Tiraden gegen die Bauern und die Juden, die Hexenverfolgung der frühen Neuzeit, den 30-Jährigen europäischen Religionskrieg im 17., den Terror der Französischen Revolution im 18., Napoleons Eroberungskriege im 19. Jahrhundert, den industriellen Massenmord im Ersten Weltkrieg, die Gräuel der russischen Revolution und den Bombenkrieg gegen Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg  (die Liste ist sehr unvollständig) – eine Blutspur durch die Geschichte zieht. (Ich habe bewusst nicht die Gräuel des Kolonialismus genannt, weil ich weiter unten darauf eingehe.) Das ganze Politiker-Gerede vom „Zivilisationsbruch“, wenn es um den Holocaust geht, ist so unsinnig wie das Gesäusel von der „christlich-jüdischen Kultur“ Europas.

Die Singularität des Holocausts

Nein, die Singularität des Holocausts begründet sich völlig anders. Israel Gutmann schreib 1987: Der Holocaust „entsprang nicht einem wirklichen Konflikt zwischen dem deutschen Volk und den Juden in Deutschland oder in der Welt. In Wahrheit waren die Juden ein loyaler und ergebener Teil der deutschen Gesellschaft; sie leisteten einen großen Beitrag zur Entwicklung und zur Blüte der deutschen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. […] Es handelte sich vielmehr um einen Vernichtungsfeldzug, der sich aus der Rassenideologie der Nazis ergab und nur aus diesem Grund beschlossen wurde. […] Doch die nationalsozialistische Rassenlehre beschränkte sich nicht darauf, den Juden als ein Wesen zu definieren, das entgegen dem von der darwinistischen Theorie festgelegten Prozess der natürlichen Auslese, Anpassung und des Überlebens minderwertige rassisch-biologische Wesenszüge angenommen hätte. Nach Hitlers Grundsätzen waren die Juden weder eine religiöse noch eine nationale Gruppe, sondern eine machthungrige, gut organisierte subversive ‚Rasse‘, die sich das Ziel gesetzt hatte, den natürlichen Wettkampf der menschlichen Rassen aufzuheben… Auf solchen grundlosen Behauptungen beruhte der ‚Krieg‘ gegen die Juden, der ständig verschärft wurde, bis er das Stadium der unnachgiebigen physischen Vernichtung erreichte. […] Das Ziel war, alle Juden ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Anschauung, Beruf oder Stand zu fangen und zu töten.“

Daraus folgt, dass die postkolonialen Theoretiker völlig Unrecht haben mit ihrer Behauptung, mit dem Holocaust kehre lediglich „der Genozid nach Europa heim“. Genozidale Verbrechen sind Teil der Geschichte Europas von Karl dem Großen über die Reconquista und die Kreuzzüge und die Pogrome des Mittelalters und der Neuzeit bis hin zum Völkermord an den Armeniern und Stalins Holodomor in der Ukraine. Der Holocaust ist also nicht deshalb kein Genozid unter anderen, weil er „Weiße“ betraf.  Und: Die Singularität des Holocausts bedeutet ja nicht, dass er nicht mit anderen Genoziden verglichen werden könnte; sondern dass solche unbedingt nötigen Vergleiche die Besonderheit dieses Verbrechens – nicht dessen Einmaligkeit, denn es kann sich wiederholen – nur umso stärker hervortreten lassen.

Singularität und Universalismus

Übrigens ist es gerade diese Besonderheit, die paradoxerweise den Universalismus des Holocausts begründet. Denn dass ein Verbrechen dieser Größenordnung rein aus ideologischen Gründen geschehen konnte, belegt die Gefahr von Ideologien, die den Universalismus – die universelle Geltung der Menschenrechte, die Gleichheit aller Menschen an Würde und Rechten – leugnen oder als „epistemologische Herrschaft des Westens“ relativieren.

Der christliche Universalismus schloss von allerdings vornherein den Antijudaismus ein. Und der Antisemitismus blieb der europäischen eingeschrieben: auch der Aufklärung, auch den Theorien der Moderne und der Antimoderne. So kann es kommen, dass postkoloniale Theoretiker, die keine anderen theoretischen Grundlagen haben als die in Europa entwickelten, vom Christentum über die Aufklärung, den Marxismus und Nationalismus bis hin zur Foucault’schen Zivilisationskritik, aber diese Theorien mit anderen Erfahrungen aufladen wollen – nur deshalb, kann es kommen, dass jene Theoretiker zusammen mit diesen Theorien den ihnen eingeschriebenen Antisemitismus übernehmen.

In trivialster Weise geschieht das, indem sie den europäischen sekundären Antisemitismus verinnerlichen.  Bekanntlich werden die Täter, Mittäter und Zuschauer den Juden den Holocaust nie verzeihen. Die postkolonialen Theoretiker erklären, wie Michaels ausführt, die Erinnerung an die Judenverfolgung zu einer Form der Oktroyierung europäischen Denkens und europäischer Erfahrung, des „kolonialen Denkens“. So werden die Opfer den Tätern zugeschlagen, um ihre Geschichte zu unterschlagen. Aus der „Sonderbehandlung“ der Juden wird, wie Michaels schreibt, ein abzulehnender „Vorzug“.

Man muss sich schon etwas intellektuelle Mühe geben

Wenn man den post- und antikolonialen Denkern wirklich glauben soll, dass sie „epistemische Herrschaftsverhältnisse insgesamt überwinden“ wollen, dann müssten sie sich schon die Mühe machen, den Holocaust in seiner Einmaligkeit zu verstehen, bevor sie diese Einmaligkeit leugnen. Und nicht nur den Holocaust, sondern auch die Genozide der Kommunisten in Russland, China, Kambodscha und anderswo, den genozidalen arabischen Sklavenhandel, die innerafrikanischen Genozide aus der vorkolonialen Zeit usw. usf.. „Singularität“ bedeutet ja nicht „Nummer eins auf der Hitliste der Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen“. Mao hat mehr Menschen auf dem Gewissen als Hitler. Stalin auch. Singularität bedeutet: „nicht einfach noch’n Genozid“ oder, wie es Roger Hallam von Extinction Rebellion sagte, „just another fuckery“. Man muss sich eben intellektuelle Mühe geben.

Nie hat eine ernsthafte Holocaustforscher*in oder -historiker*in ihrerseits gesagt, der Sklavenhandel der Europäer, das genozidale Agieren der Spanier in Lateinamerika, der Angloamerikaner in Nordamerika, der Deutschen in Deutsch-Südwest und Deutsch-Ostafrika, der Türken gegen die Armenier, der Japaner gegen die Chinesen und andere Asiaten, der Holländer beim Unabhängigkeitskampf der Indonesier usw. sei in irgendeiner Weise weniger schlimm, weniger verurteilenswert, weniger erinnernswert als der Holocaust. Nur eben anders. Doch auch sie bergen universelle Lehren. Nur eben andere, oder zum Teil andere als der Holocaust.

Die einzigen Relativierer befinden sich auf der Seite der „Dekolonialität“. Und noch einmal: Weil sie relativieren, weil sie das Spezifische am Holocaust von vornherein nicht sehen wollen, weil es sie offenkundig erst gar nicht interessiert, weil sie geistig träge sind, erliegen sie, die sich von der europäischen Herrschaft über die Epistemologie emanzipieren wollen, der typischsten, beständigsten und dümmsten aller europäischen epistemologischen Konstruktionen: dem Antisemitismus. Der Christ Mbembe ist nur ein Beispiel für diese geistige Trägheit.

Und ja, ich verzeihe sie dem Afrikaner Mbembe eher als dem Deutschen Michaels.  Das mag man mir als Paternalismus oder Germanophobie auslegen. Ich meine in der Tat, die deutsche Erinnerungskultur ist eine Errungenschaft ohne Anführungszeichen. Wenigstens von Deutschen erwarte ich, dass sie diese Errungenschaft ohne Wenn und Aber verteidigen.

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143 Gedanken zu “Holocaustgedenken als koloniales Denken;”

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    … ooops? Formatierungsfehler, daher! 😉

    T.H.: ‚… ein Alleinstellungsmerkmal haben die Juden (und hätten es wohl liebend gern nicht): Sie sind das einzige Volk, dessen Angehörige über viele Jahrhunderte hinweg, vorwiegend in Europa, immer wieder vollkommen grund- und haltlosen Verfolgungen, Vertreibungen und Massenmorden ausgesetzt war.
    … Weshalb ich persönlich z.B. Aufforderungen, Israel solle doch einen gemeinsamen Staat mit den Palästinensern bilden, für besonders perfide halte. Es ist eine Aufforderung zum kontrollierten Selbstmord.‘

    … was Ihr ‚Alleinstellungsmerkmal‘ betrifft, gibt es andere Auffassungen.

    Israel als souveräner Staat ist selbstverständlich; Selbstbestimmung der Völker ist Völkerrecht.

    (o.t.: Thank you, Mr President.)

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    T.H.: ‚… ein Alleinstellungsmerkmal haben die Juden (und hätten es wohl liebend gern nicht): Sie sind das einzige Volk, dessen Angehörige über viele Jahrhunderte hinweg, vorwiegend in Europa, immer wieder vollkommen grund- und haltlosen Verfolgungen, Vertreibungen und Massenmorden ausgesetzt war.
    … Weshalb ich persönlich z.B. Aufforderungen, Israel solle doch einen gemeinsamen Staat mit den Palästinensern bilden, für besonders perfide halte. Es ist eine Aufforderung zum kontrollierten Selbstmord.‘

    … was Ihr ‚Alleinstellungsmerkmal‘ betrifft, gibt es andere Auffassungen.

    Israel als souveräner Staat ist selbstverständlich; Selbstbestimmung der Völker ist Völkerrecht.

    (Thank you, Mr President.)

      1. avatar

        @T.H.,

        … ich bitte um historische Belege die Heinrich York-Steiner: ‘Die Juden wurden nicht mehr und nicht gehässiger verfolgt als andere Minderheiten … Wo immer andere religiöse Minderheiten lebten, wurden sie härter behandelt als die Kinder Israels.’ – widerlegen.

        Derweil zitiere ich die BPB; ‚… war Europa das wichtigste Zentrum jüdischen Lebens weltweit. Das europäische Judentum war höchst vielfältig in seinen Traditionen, Kulturen, Sprachen, Berufsausrichtungen, politischen Orientierungen und Formen der Religionsausübung.‘

      2. avatar

        @T.H.; ‚Ohne Gruss, Thorsten Haupts‘

        … ?, wer will Ihren ‚Gruss‘? … wie soll ich das doppelte ’s‘ verstehen? ‚SS‘? … im Übrigen widerlegen ihre Quellenangaben Heinrich York-Steiner nicht.

  3. avatar

    Herrn Haupts Beitrag ist geeignet für eine interessante Objektstudie über linkes Framing.
    Er setzt zwei sich widersprechende Begriffe gleich (Nationalsozialismus und Kapitalismus) und kann dann irgendwann alles schlussfolgern.
    Genauso funktioniert es mit der Gleichsetzung von Imperialismus und Völkermord. Man unterschlägt das Trennende, den Vorsatz, und kann dann natürlich den größten Unsinn beweisen.
    Gleichzeitig wird deutlich, wie der Sozialismus schlichten Gemüter als Religion dient. Abweichlern von der reinen Lehre wird mit Exkommunikation gedroht. Was folgt als nächstes? Bücherverbrennung? Scheiterhaufen?

    Deshalb ein letztes Mal für alle Unverbesserlichen. Eine Lehre wie der Sozialismus, die so oft für Völkermord herhalten musste, kann nicht gut sein.
    Gut gemeint bleibt immer noch das Gegenteil von gut gemacht.

    1. avatar

      Der Sozialismus wäre auch dann nicht gut, wenn er nicht „für Völkermord herhalten musste“. Bitte nicht immer die Auschwitzkeule. Es ist Unsinn, „den Sozialismus“ für Stalin und Hitler verantwortlich zu machen, genau wie es Unsinn ist, „den Kapitalismus“ für den Sklavenhandel und Hitler verantwortlich zu machen. Etwas genauere Geschichtsbetrachtung wäre schon angemessen, lieber Steffen Ehrlich.

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      Lesen bildet, aber dazu muss man einen Beitrag auch lesen wollen. Bis dahin halten wir fest, dass Herr Ehrlich Nationalsozialismus unter „Sozialismus“ verbucht und so versucht, die Verbrechen der deutschen Nazis dem Karl Marx in die Schuhe zu schieben. Ziemlich erbärmlich.

      Ohne Gruss,
      Thorsten Haupts

    3. avatar

      Das Etikett Sozialismus bekommen heute schon die allgemeine Krankenversicherung, die umlagefinanzierte Rente, kommunaler Wohnungsbau und die generelle Besteuerung hoher Einkommen. Der Begriff ist entweder vollkommen entkernt und zum Kampfbegriff geworden, oder aber es scheint keinen Unterschied zwischen mehr zwischen einer Sozialwohnung und dem Holodomor zu geben. Wer für Mittagessen in der Schule ist, will eigentlich Kinder töten? Im Ernst? Statt über Völkermord zu fabulieren, wäre es doch ehrlicher zu sagen, worum sich der Antisozialismus im Jahre 2020 eigentlich dreht: niedrige Rente für die Alten, schlechte Schulen für die Jungen, Gesundheitsversorgung für die, die es sich leisten können und keine Steuern für Vermögende. Wie instinktsicher die Fronten stehen, kann man doch am Fall Klablitz in der AfD gut sehen: Der wurde nicht kaltgestellt, weil er rechter oder völkischer sei als Meuthen und Anhang, sondern weil er eine etatistische Linie verfolgte, die sogenannte patriotische Solidarität. An der Stelle ist das geneigte Bürgertum erst Amok gelaufen. Sozialismus ist im Diskurs heute ein Kampfbegriff der Ayatollah Hayek Sekte für Positionen, die nicht der reinen Lehre entsprechen. Lieber gar kein Ergebnis als ein staatliches, das Breitband lässt grüßen. Nur in der hintersten Ecke des Internets geht es wirklich noch um Arbeiterselbstverwaltung, Kommunalkas oder sowjetischen Futurismus – kompletten Unsinn, was der Sozialismus im Kern ja ist. Entsprechend groß ist die Anhängerschaft. Wer heute aber über Sozialismus in Deutschland lamentiert, will in den meisten Fällen die Autobahn für einen Spottpreis an Investoren verhökern.

      1. avatar

        Lieber Stevanovic, ich stimme Ihnen weitgehend zu. Es gibt aber – siehe „Momentum“ in Großbritannien, Teile der Linkspartei und der Jusos hier – tatsächlich (und zum Glück) nicht wenige Kräfte, die in der Aufhebung des Kapitalismus die Lösung der wichtigsten Menschheitsprobleme sehen und Teilverstaatlichungen bzw. staatliche Regulierungen (Mietendeckel) als Schritte auf dem Weg in diese Utopie begreifen, sei es, dass sie als erfolgreiche Modelle hingestellt werden können (NHS in England), sei es, dass ihr Scheitern (Mietendeckel) die Widersprüche des Kapitalismus offen zutage fördern. Ich sage „zum Glück“, weil es Utopien geben muss. Aber man muss sie auch – mit Argumenten – bekämpfen. Und das Argument, der Sozialismus bedeute Völkermord, ist, wie Sie richtig darstellen, keins.

      2. avatar

        Ich denke, man sollte aber auch nicht die Leute vergessen, denen der Zugriff des alle so generös versorgenden Sozialstaates auf kleine und mittlere Einkommen, auf die, die sich das eigene Haus durch Sparsamkeit ermöglicht haben und denen jetzt die noch gut funktionierende Ölheizung verboten wird. Denen die als kleine Selbständige nochmal durchstarten wollen und denen die gesegnete Krankenversicherung 15% von einem fiktiven Einkommen von über 1800 € abziehen.. Vergessen Sie bei Ihrem Furor auf die Hayek-Taliban nicht die, denen die Übernanny Sozialstaat ständig nicht nur auf den Nerven, sondern auch ständig auf dem Konto herumtrampelt und die dadurch zu Transferleistungsempfängern werden. Es gibt nun mal Leute, die möchten vor allem ihr eigenes Ding noch machen und denen die Begabung zur Herdenintelligenz im öffentlichen Dienst und in Großunternehmen fehlt. Diese verdammten FDPisten halt, die doch tatsächlich meinen, sie könnten ihr Berufsleben selbst gestalten..

      3. avatar

        Err. …
        Ich denke, man sollte aber auch nicht die Leute vergessen, denen der Zugriff des alle so generös versorgenden Sozialstaates auf kleine und mittlere Einkommen, auf die, die sich das eigene Haus durch Sparsamkeit ermöglicht haben und denen jetzt die noch gut funktionierende Ölheizung verboten wird, einfach zu viel ist

      4. avatar

        Lieber Herr Posener, der Mietendeckel ist ein gutes Beispiel, wie der Wettbewerb der Ideen funktioniert. Ich vermiete selbst und freue mich jeden Monat, dass Wohnzuschüsse ungefiltert in meine Tasche fließen. Selbst wenn man weiter Deregulieren würde, zum Beispiel auf Brandschutz verzichtet, würde ich trotzdem keine Wohnung für den Niedrigpreissektor bauen, weil der Hochpreissektor sich viel mehr lohnt und diese Geldanlage mit lukrativeren Anlegeformen konkurriert. Im Zweifel gibt es eben den Wohnzuschuss, damit der Kult der unsichtbaren Hand nicht Sozialismus schreit. Da ist in einer Stadt mit explodierenden Mieten der Gedanke eines befristeten Mietendeckels nicht abwegig. Der schont im Zweifel alle Steuerzahler, die den Wohnzuschuss bezahlen müssen, das sind Milliarden, jedes Jahr. Nur, so wie unsichtbare Hände nur unsichtbaren oder unbezahlbaren Wohnraum bauen, so baut der Mietendeckel eben gar keine Wohnungen. Das werden die Berliner auch noch herausfinden, da bin ich mir sicher. Solange es keinen kommunalen Wohnungsbau mit Sozialbindung gibt, werde ich die Schafe, die mir so zugetrieben werden, weiter scheren, ist doch klar. Mich wundert es nicht, dass esoterische Sekten wie Momentum weiter Zulauf haben. Der Mietendeckel ist ein sinniges oder unsinniges Steuerungsinstrument wie der Wohnzuschuss (die Vermietersubvention, darüber schweigt der Kult, natürlich) und keine Systemfrage. Wenn aber schon profane Instrumente der Kommunalpolitik eine Frage von Leben und Tod, Freiheit oder Barbarei sind, wer kann es jungen Aktivisten verübeln, wenn sie dann aufs Ganze gehen? Der polarisierte Diskurs schafft nicht Klarheit, er treibt Ermüdete den Esoterikern zu.

      5. avatar

        Hm. Aber, lieber Stevanovic, der Wohnzuschuss wird nur an Mieter im Sozialen Wohnungsbau gezahlt. Sie haben also Wohnungen in diesem Segment gebaut oder gekauft, wo bereits die Mieten gedeckelt sind bzw. die Wohnungen für Leute mit WBS vorgehalten werden. Da ist eher das Problem der zu niedrigen Löhne oder Sozialhilfesätze. Wie auch immer, ob nun der Staat baut und unter Selbstkostenpreis vermietet, also Verluste macht, oder ob er Einkommen aufstockt: Er bezahlt so oder so. Oder? Ich kenne eine Familie, die in einer „gemeinnützig“ verwalteten Wohnung lebt. Es wird an Instandhaltung nur das absolute Minimum gemacht. Gemeinschaftsflächen wie Keller und Hof verwahrlosen. Das Desinteresse der angestellten Verwalter ist mit Händen zu greifen. Ich denke, Sie hingegen als Vermieter scheren nicht nur die Schafe, sondern weiden sie auch.

      6. avatar

        @Stevanovic
        Sie haben es, wieder mal treffend auf den Punkt gebracht. Dazu passen auch die „zwei Diktaturen“ in Deutschland, die einen richtigen historischen Befund darstellen (mit dem Kaiserreich sind es wohl aber eigentlich drei, aber geschenkt). Der Topos der „zwei Diktaturen“ wird, wie z.B. bei Herrn Gauck, dann zum Kampfbegriff, wenn die Unterschiede eingeebnet werden, wie die ermordeten 6 Millionen Juden, der Krieg, der nun mal nicht von der DDR ausging sowie die Tatsache, daß der letzte verantwortliche Führer der „zweiten Diktatur“ eben nicht wie jener der ersten ein Verdammungsurteil über „sein“ Volk sprach, den Kampf bis zu letzten Patrone ausrief und es zuließ, daß das Land in Schutt und Asche gelegt wird.

        @Alan Posener

        „Es gibt aber – siehe “Momentum” in Großbritannien, Teile der Linkspartei und der Jusos hier – tatsächlich (und zum Glück) nicht wenige Kräfte, die in der Aufhebung des Kapitalismus die Lösung der wichtigsten Menschheitsprobleme sehen …“
        Da mögen Sie recht haben. Ich wünsche mir auch, das es der kapitalistisch verfassten Ökonomie gelingt, die wichtigsten Menschheitsprobleme zu lösen. Der Nachweis steht aber weiterhin aus.

      7. avatar

        Lieber Stefan Trute: „Der Nachweis steht aber weiterhin aus.“ Es gab eine Systemkonkurrenz von 1917 bis 1989. Ich denke, da wurde der Beweis geführt. Zu sagen, das sei aber nicht der wirkliche Sozialismus gewesen, scheint mir billig; genauso gut könnte man auf jede Kritik am real existierenden Kapitalismus antworten, der wirkliche Kapitalismus sei viel besser. Die chinesischen Kommunisten haben begriffen, dass sie ihre wichtigsten Ziele, das Land reich und mächtig zu machen, das Volk wohlhabend und zufrieden, nur mit Hilfe des Kapitalismus erreichen können. Und wenn DIE das so sehen …
        Ich sehe jedenfalls kein Menschheitsproblem – Armut, Ungleichheit, Klimawandel, Umweltverschmutzung, Unterdrückung, Krieg – das nicht im Rahmen des Kapitalismus zu lösen wäre. Der Nachweis, dass das NICHT möglich ist, steht noch aus.

      8. avatar

        Lieber Stevanovic, die Entkernung des Begriffes „Sozialismus“ zu politischen Propagandazwecken hat dieser Begriff mit „Faschismus“ oder „Nazi“ gemeinsam.

        Wo aber dessen Kern gemeint ist – Gesellschaften mit einer autoritären oder totalitären Führung ohne das Recht auf Privateigentum – geht Sozialismus bisher immer und ausnahmslos mit staatlicher Repression, willkürlichen Haftstafen für Andersdenkende, Folter und Mord einher. Diese historische Bilanz hat der Sozialismus mit Faschismus und Nationalsozialismus gemeinsam.

        Nur gilt Sozialismus Teilen der westeuropäischen und US-amerikanischen Linken noch immer als erstrebenswertes Ziel, ohne dass das negative gesellschaftliche Konsequenzen hat. Für Faschismus und Nationalsozialismus gilt bei Teilen der Rechten das gleiche, nur mit automatisch folgenden negativen gesellschaftlichen Konsequenzen (Verachtung/Ausgrenzung/Ausschluss aus der Debatte).

        Gruss,
        Thorsten Haupts

      9. avatar

        Lieber KJN, da haben Sie den Punkt beschrieben, an dem ich an der FDP verzweifele. Es ist alles eine Soße, der kleine Möbelbauer und IKEA, der Handwerker und BMW. Und das ist es eben nicht. Der Selbstständige dient im liberalen Diskurs als Menschliches Schutzschild für die Großen. Es ist doch bestimmt kein Zufall, dass es einen Spitzensteuersatz, der tatsächlich die Spitzen betrifft, überhaupt nicht gibt. Nirgends höre ich, dass es eigentlich nicht sein kann, dass die Mittelschicht den gleichen Satz zahlt wie die Spitze. Dadurch ist jede Steuerdebatte sofort ein Kampf mit der gequetschten Mittelschicht und nicht mit denen, die tatsächlich zahlen sollten. Das Abgabensystem schafft Solidaritäten zwischen Mitte und Spitze und die Zeche zahlt die Mitte, nicht die Spitze. Ein Facharbeiter zahlt den Spitzensteuersatz nicht, weil er spitze ist, sondern weil Lobbygruppen eine Gleichbehandlung mit den Großen durchgesetzt haben. Und daran will keine „bürgerliche“ Partei etwas ändern. Fragen Sie nach.

      10. avatar

        Lieber Herr Posener, der Staat bezahlt so oder so, da haben Sie recht. Wir sind uns auch einig, dass billiges Wohnen auch genau das ist, nämlich billig in jeder Hinsicht. Ihre Beschreibung kenne ich eher von der Vonovia, deren Passion ist nicht das Weiden. Die Farge ist für was der Staat bezahlt. Die Mieten richten sich ja nicht nach den Baukosten, sondern nach dem Preis, der auf dem Markt bezahlt wird, der Nachfrage. Und die steigt ungebrochen. Der Staat treibt somit selbst mit dem Zuschuss die Mietpreise, der Markt würde mit fallenden Preisen reagieren, wenn die Nachfrage sinkt. Weil wir nicht wollen, dass Menschen in Pappkartons leben, wird das nicht passieren. Die Alternative wäre ein staatlicher Wohnungsbau in Niedrigpreissektor, der sich zudem nach den Bedürfnissen der Kommune richten könnte. Das würde auch den Preisdruck in der Mitte deutlich verringern, weil mittlere Einkommen nicht mehr mit niedrigen (oder gar keinen), aber subventionierten Einkommen, konkurrieren müssten. Ein interessanter Artikel: https://www.welt.de/finanzen/immobilien/plus218337946/Mietpreis-Paradox-Mehr-Wohnungen-fuehren-nicht-zu-niedrigeren-Mieten.html?cid=onsite.onsitesearch
        Es werden immer mehr Pirouetten der staatlichen Förderung gedreht, aber an der eigentlichen Grundkonstellation wird nichts geändert. Einen „Wohnungsmarkt“ im Niedrigpreissektor gibt es nicht, solange der Staat mitmachen muss…und das muss er. Wir wollen keine Slums. Und an diesem Paradox, einen freien Markt mit staatlichen Zuschüssen zu unterhalten, verdienen die einen und zahlen die anderen. Die eine verdient mehr, der andere weniger und am Ende gleicht der Staat das aus und beide wohnen in der gleichen Wohnung. Toll für den Vermieter (the sky is the limit), manchmal auch für den subventionierten Mieter, aber irgendwie doof für den Selbstzahler und alle anderen. Die unsichtbare Hand kann da schalten und walten, wo das Ergebnis uns egal sein kann. In sozialen Fragen ist uns das Ergebnis eben nicht egal. Deswegen geht auch der Mietpreisdeckel am Thema vorbei, er deckelt auch Bereiche, die überhaupt nicht gedeckelt werden sollen und das eigentliche Problem geht er auch nicht an. Wenn wir den Markt retten wollen, sollten wir in bestimmten Bereichen tatsächlich mehr Staat wagen.

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        Ja, lieber Stevanovic, das leuchtet mir ein. Und nicht nur, weil Sie die WELT zum Beleg zitieren.

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        Lieber Herr Haupts, in einer (mal wieder) hingerotzten Bemerkung habe ich Johnsons Regierung in UK als Protofaschisten bezeichnet. Das war hanebüchener Unsinn. So wenig Rechts automatisch zu Ausschwitz führt, so wenig führt Links automatisch zum Gulag. Und die Mitte ist auch nicht automatisch unschuldig. Vergleichen Sie doch Bernie Sanders Programm mit den Lehren Che Guevaras. Oder eben auch das AfD-Programm mit „Mein Kampf“. Nicht mal den Austrofaschimus kann man mit den Nazis gleichsetzen. Die Polemik hat sich verselbstständigt und funktioniert nur, wenn man mit den übelsten Extremen arbeitet. Ich will die Spinner nicht verharmlosen, aber ganz ehrlich, wenn jeder Schritt hochgerechnet wird und unter die Anfänge währen fällt, kommen wir nicht von Fleck. Sanders Sozialismus einer allgemeinen Krankenversicherung ist doch bestimmt etwas anderes als die Kulakenmorde und auch Gaulands Fliegenschiss ist eine andere Preiskategorie als die Posener Rede Himmlers. Und es hat auch für Linke durchaus Konsequenzen: Labour hat die Wahl krachend verloren, Trump ist Präsident. Und staatlichen Wohnungsbau haben wir wegen Venezuela-Alarm auch nicht mehr. Der Rest ist Geschnatter der Publizistik und die lebt von Polarisierung. Die Linke ist nicht die SED und die AfD nicht die NSDAP. Auch wird (ich hänge mich aus dem Fenster) Trump die Wahl anerkennen. Die Republikaner werden nicht putschen. Vielleicht bin ich naiv, aber ich glaube, dass Demokratie funktioniert.

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        Das sehe ich ähnlich, lieber Stevanovic. Und trotzdem muss man den Anfängen wehren.

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        Lieber Herr Trute, die Hufeisentheorie, nach der die Ränder sich treffen, deswegen gleichzusetzen sind, ist die Postkoloniale Theorie der bürgerlichen Mitte. Ab den 50ern war der Sozialismus wie ich ihn kenne, zugegeben mehr 70er und 80er, eher eine ordinäre Diktatur. Auf dem Balkan nicht die mal die schlimmste. Wie unterschiedlich das 3.Reich und die DDR waren, kann man eben sehr gut an ihrem Ende beurteilen. Es erfordert doch ein paar Mbembe-Drehungen, das alles in einen Topf zu werfen.

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        Lieber Alan Posener,
        „Ich sehe jedenfalls kein Menschheitsproblem – Armut, Ungleichheit, Klimawandel, Umweltverschmutzung, Unterdrückung, Krieg – das nicht im Rahmen des Kapitalismus zu lösen wäre. Der Nachweis, dass das NICHT möglich ist, steht noch aus.“
        Wir hoffen beide dasselbe. Unser Grad an Optimismus ist aber unterschiedlich.

      16. avatar

        “ Dazu passen auch die “zwei Diktaturen” in Deutschland, die einen richtigen historischen Befund darstellen (mit dem Kaiserreich sind es wohl aber eigentlich drei, aber geschenkt).“

        Das ist historischer Unsinn. Wer das gleiche Urteil lieber vom Fachhistoriker hätte: Frank Lothar Kroll – Geburt der Moderne
        https://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/377-geburt-der-moderne.html. Ich beschränke mich hier auf den Hinweis, dass das Parlament im Kaiserreich (Trutes dritte „Diktatur“) bereits das alleinige Budgetrecht hatte und in allgemeinen, freien und geheimen Wahlen gewählt wurde. Gibt´s in Diktaturen eher… gar nicht.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

      17. avatar

        APo ./. Stevanovic

        … oder so; Mietzuschuss nennt sich beim Eigentümer Lastenzuschuss für die selbstgenutzte Immobilie. Für Bezieher von ALG II, Sozialgeld, Grundsicherung im Alter, Transferleistungen (Verletztengeld, Übergangsgeld), Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft.

      18. avatar

        @Herr Haupts
        „” Dazu passen auch die “zwei Diktaturen” in Deutschland, die einen richtigen historischen Befund darstellen (mit dem Kaiserreich sind es wohl aber eigentlich drei, aber geschenkt).”

        Das ist historischer Unsinn. Wer das gleiche Urteil lieber vom Fachhistoriker hätte: Frank Lothar Kroll – Geburt der Moderne
        https://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/377-geburt-der-moderne.html. Ich beschränke mich hier auf den Hinweis, dass das Parlament im Kaiserreich (Trutes dritte “Diktatur”) bereits das alleinige Budgetrecht hatte und in allgemeinen, freien und geheimen Wahlen gewählt wurde. Gibt´s in Diktaturen eher… gar nicht.“

        Da haben Sie recht.

      19. avatar

        Ja, Stevanovic, der Zustand der FDP ist tatsächlich zum Verzweifeln. Genauso, wie der aller anderen Parteien, die ihre Kernklientel vergessen haben. DAS scheint mir die eigentliche Krise unseres Staatssystems zu sein.

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    Das Trauma der Linken ist, Massenmorde sind eine sozialistische Spezialität. Ob es das nationalsozialistische China war, das internationalsozialistische Rußland oder die durchgeknallten roten Khmer waren. Immer diente der Sozialismus als Begründung für die Vernichtung der Feinde.
    Wie gut geht es da uns Rechten. Wir haben Kolonialismus, Imperialismus und Kapitalismus zu verantworten. Nicht schön, aber im Unterschied zum Sozialismus, ging es immer um Gewinnmaximierung, Vernichtung oder Mord stand niemals im Fokus.

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      Ich lasse als dezidierter Reaktionär den Scheiss nicht stehen. Der Nationalsozialismus war kapitalistisch, totalitär, mörderisch antisemitisch und mörderisch rassistisch – auf gut Deutsch: Rechtsextrem. Der absolut ahistorische und ebenso antiintellektuelle Unsinn, die Verbrechen von rechtsextrem auf das Konto der Linken zu buchen, werde ich jedenfalls nicht mitmachen. Wer´s für seinen Seelenfrieden braucht, hat sich aus jeder ernstzunehmenden Unterhaltung herauskatapltiert.

      Ohne Gruss,
      Thorsten Haupts

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        Kein Widerspruch. Ich wollte die historischen Grossverbrechen der Kommunisten/Sozialisten weltweit damit nicht schmälern …

        Gruss,
        Thorsten Haupts

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        Linke, wie rechte Ideologen sind autoritäre Kollektivisten. Sie wollen alle Ihrem Idealbild vom Menschen unterwerfen, was in letzter Konsequenz zur Ermordung der Abweichler führt. Der Kolonialismus hatte andere Ziele, da hat Steffen Ehrlich doch völlig recht. Alles andere ist doch der ewige Streit um die Begriffe „was ist links?“, „was ist rechts?“. Und ob ‚Kapitalismus‘ wirklich rechts ist, darüber könnte man auch streiten.

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        … wenn Kapitalismus freie Marktwirtschaft ist, dann gab es solche nicht im NS-Staat. Die Wirtschafts- und Arbeitspolitik wurde mit ‚Arisierung‘, Vierjahresplan und Aufrüstung von den National-SOZIALISTEN ideologisch vorgegeben.

        Die ‚DDR‘ hat das nahtlos übernommen, die EU und Habeck – der lieber einem Regime nach maoistischen Vorbild ‚vorsitzen‘ würde – und die Genossen träumen davon.

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        Kapitalismus ist natürlich nicht „freie Marktwirtschaft“. Kapitalismus ist der private Besitz an den Produktionsmitteln. Im Sozialismus wird der stark eingeschränkt. Wenn Sie die wenigen Ausführungen von Marx zum Sozialismus studieren, dann scheint ihm eine Art sozialistische Marktwirtschaft vorgeschwebt zu haben.

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        … der ‚private Besitz an den Produktionsmitteln‘ ist keiner, wenn damit nicht ‚frei gewirtschaftet‘ werden kann. In der ‚BRD‘ genügen die ‚Erfahrung‘ einer Ex-FDJ-Sekretärin und der rot-grünen Genossen, ein Tsunami am anderen Ende der Welt, der Autismus eines Teenagers oder ein Viren-Skandal um Wirtschaft – ’nachhaltig‘ – an die Wand zu fahren. Privater Besitz an Produktionsmitteln – ad absurdum … es gibt ihn de facto nicht (mehr) in der ‚BRD‘.

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    Die Geschichte der Menschheit ist voll von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermorden u.ä. . Die Singularität des Holocaust begründet sich aber aber nicht allein in seinem Ausmaß und der perfiden Perfektion, mit der er betrieben wurde, sondern vor allem in seiner Anlasslosigkeit und der Art, wie eine Verschwörungstheorie Grundlage zum millionenfachen Mord an unschuldigen Menschen wurde. Singularität bedeutet nicht, dass sich etwas Ähnliches nicht wiederholen könnte. Deshalb ist es unsere Verpflichtung wachsam zu sein und allen Verschwörungstheorien und totalitären Ideologien frühzeitig entgegen zu stehen.

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      Und eben nicht nur „Verschwörungstheorien und totalitären Ideologien“, sondern den Relativierungsversuchen „postkolonialer“ Theoretiker*innen. Daher der vorliegende Artikel.

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    @ Ben
    War nicht der einzige Fehler, die Persischen Händler habe ich falsch zugeordnet. Kann sein, dass ich was verwechselt habe. Das hier tippe ich auch im Auto, Schlampigkeit nicht ausgeschlossen.

    @ Haupts
    Kapitalismus, Handel überhaupt, ist eine tolle Sache, hinter der ich stehe. Allerdings halte ich seine Ausgestaltung nicht immer für geglückt. Zwischen „Das Herz der Finsternis“ und den Roten Khmer gibt es 50 shades of cash. So Grundsätzliche Debatten vernebeln, was eigentlich möglich wäre.

    @ dbh

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      Es gab auch zwischen Belgisch-Kongo und Britisch-Malaya mindestens 50 grades of paternalism. Wer einfach „Kolonialismus“ sagt, oder „Imperialismus“, will an deren Stelle Schwarz-Weiß setzen.

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    @Stevanovic, Nachtrag zu ‚Bleiburg‘

    … zum Beispiel Zofia Zelska-Mrozowicka, die bereits in der Bromberger Zeitung Dziennik Bydgoski am 11. Mai 1939 unumwunden anregte, das deutsche Minderheitenproblem einfach mit „Totschlag zu lösen“ –, das per Warschauer Regierung angeordnete Aufstellen von Listen aller Volksdeutschen, was eine Verhaftung und Internierung (Instruktion K 03031) bereits vorwegnahm, oder die am 20. August 1939 öffentlich geforderten Übergriffe („Schlagt die Deutschen nieder, wo ihr sie trefft!“) auf die Volksdeutschen des oberschlesischen Woiwoden Michał Grażyński, die die Saat für den Haß des überregionalen Pogroms legten.

    Quelle

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    Stevanovic: ‚Das wäre für einen Nazi schlicht undenkbar, einen Juden davonkommen zu lassen oder gar zu einem Arier zu machen.

    … na, dann bitte ich (endlich) um eine Erklärung.

    Stevanovic: ‚Das waren Faschisten (die in Bleiburg bekommen haben, was sie verdienen … )‘

    … ich sehe, Genosse Stevanovic, Sie haben sich nicht geändert. Ich auch nicht. … im Übrigen, sind Sie nicht der einzige Deutschenhasser. ‚Bleiburg‘ gab es, ähnlich, schon vor dem WKII anderswo.

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      @DBH
      „… na, dann bitte ich (endlich) um eine Erklärung.“
      Haben Sie das Buch von Rigg – endlich – gelesen oder glänzen Sie hier, wie bisher, weiterhin mit ergoogeltem und zusammengestoppeltem Halbwissen?

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        … mhm, werter S.T., Ihre Einlassung ist hohl. Ich wollte eine Erklärung zu Riggs Doku, warum soll ich das Buch rezensieren? Das maße ich mir nicht an. Warum auch. Sollen die SPD-Genossen schreiben wie es war. Die haben da eigene Erfahrungen mit dem NS-Regime.

        ‚Tausende bewarben sich um Aufnahme in die NSDAP, darunter auch prominente Republikaner, die bald als „Märzgefallene“ zum festen Bestandteil des Volkswitzes gehörten. Sozialdemokraten wie der ehemalige preußische Innenminister Heinrich Waentig und der Reichsbanner-Generalsekretär Albert Gebhardt gehörten zu den ersten, die das begehrte NS-Parteibuch erwarben. …
        Die Partei nutzte die Konjunktur und gewährte jedem das Parteibuch, auch ehemaligen politischen Gegnern. Selbst Röhm öffnete seine SA früheren „Marxisten“ und steckte sie ins Braunhemd, wenn sie sich verpflichteten, gleichzeitig in die NSDAP einzutreten.‘

        Sie sind doch Genosse, werter S.T., plaudern Sie aus dem ‚Nähkästchen‘. Übrigens ich lese, auch – immer noch – Walt Disneys Mickey Mouse.

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        @DBH
        Sie stoppeln während Ihrer Streifzüge durchs Internet Fakten zusammen, die zu Ihrer vorgefassten Meinung zu passen scheinen, führen diese Fakten hier vor und verlangen Erklärungen, die die Quelle Ihrer Fakten, der Historiker Riggs, selbst schon anbietet. Was soll das? Sie sollen das Buch ja nicht rezensieren, aber die zu Ihren Fakten angebotenen Interpretationen zu bewerten, sollte Ihnen Ihr intellektueller Horizont schon ermöglichen. Aber, wie immer, wechseln Sie wieder das Gleis. Aber auch auf diesem hsind Sie nicht mit dem ICE, nicht mal mit der Dampflok sondern höchstens mit einer Draisine unterwegs. Das mag in Ihren Reichsbürgerkreisen wohl auch genügen. Lesen Sie weiter Mickey Mouse.

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        @S.T.

        … werter S.T., Sie schreiben wirr. Ich bin Mecklenburger. Schon immer gewesen … aaaber, interessant allemal ist, was das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung festgestellt hat, nämlich, das Sie, Gen. S.T., als ‚BRD‘-Bürger und die Reichsbürger, wer immer sich als solcher dünkt, identisch sind. Wie gehabt also.

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        Quod erat demonstrandum, blonderhans. Sie benutzen die von den Reichsbürgern bekannte Argumentation mit Verweis auf das BVerfG-Urteil und betreiben darin Rosinenpickerei. Das Deutsche Reich ist 1945 durchaus untergegangen – aber als Staat, nicht als Völkerrechtssubjekt, und bei der Entscheidung des BVerfG ging es ausschließlich um völkerrechtliche Fragen.
        Nach der Drei-Elemente-Lehre sind für Staatlichkeit notwendig: Staatsvolk, Hoheitsgebiet und Staatsgewalt. Und eine deutsche Staatsgewalt existierte spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr, als die Alliierten die kommissarische Regierung unter Dönitz festnahmen.
        Davon unbenommen ist die Weiterexistenz des Völkerrechtssubjekts „Deutsches Reich“ als deutscher Nationalstaat (auch wenn es jetzt als Bundesrepublik Deutschland bezeichnet wird). Dieses Völkerrechtssubjekt existierte weiter, da die Alliierten mehrfach erklärten, das Deutsche Reich nicht annektieren zu wollen.

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        … werter Opa Krempel und Pollux S.T., Sie beide glauben gar nicht wie schxxßegal mir ‚BRD‘ und ‚Reichsbürger‘ sind; daher sind ‚Rosinenpickerei‘ in dieser Sache allein Ihre Projektion. Immerhin gestehen Sie irgendwelche ‚Rosinen‘. Das genügt, hier, für die Ebene ‚BRD-Reichsbürger‘ oder zu SPD-Gabriel anno 2010, dass ‚Angela Merkel, Geschäftsführerin einer Nicht-Regierung-Organisaton‘. sei. … *rofl*, was für Figuren.

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        @DBH
        Was ist nun mit den Daten von Riggs? Erklärung von Ihnen, bitte. Nicht von Gabriel oder Mickey Mouse oder sonst einem hastig ergoogelten „Gewährsmann“. Sie werden doch sicher eine haben, gerade auch, weil Sie von anderen eine solche einfordern.

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        @S.T.

        … wat für Daten von Riggs? Sie halluzinieren. Nicht das erste Mal. (Ich verzichte auf ein Link ins ‚pöse‘ Internet.)

        FIN

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        @DBH
        „Ich wollte eine Erklärung zu Riggs Doku, …“
        „…wat für Daten von Riggs?“

        Wenn sie nun hin zu einem offensichtlichen Tippfehler flüchten, um noch irgendwie zu verschleiern, dass Sie argumentativ am Ende sind, gleichwohl aber das letzte Wort behalten müssen (Ihr lächerliches „FIN“), zeigt das Ihre, nicht mehr ernst zu nehmende Art und Weise, hier zu „diskutieren“ auf das Schönste. Danke dafür!

      9. avatar

        @S.T.

        … ‚Nein! – Doch! – Oh!‘ … darf ich Ihnen ein Schneuztüchlein reichen? … aaaber never say never again. Die Historie, auch die von ’33 – ’45, ist nicht nur schwarz-weiß. Etwa wie Sie unterstellen, die Deutschen hätten sich kommod, ff im thread, in Nazi-Diktatur und Massenmord eingerichtet. Was Riggs schreibt ist mir nicht neu. In meiner – angeheirateten – Familie ist vom ‚Viertel‘ bis zur Halacha, Katholiken und ‚Hugenottenhistorie‘ – alles vorhanden. Darunter eben auch KPD, Zuchthaus Brandenburg und Strafdivision 999. Echte ‚Boulettenfresser‘ halt.

        … ach ja, meine Familie, alles ‚Arier‘ – (m)ein Großvater war Marineoffizier der Deutschen Kriegsmarine. Als solcher, zuletzt, an der Evakuierung ’45 von mehr als 2 Millionen Menschen beteiligt.

        ‚Der Marineoffizier muß erst Menschen, dann Schiffe und letztlich Waffen führen können.‘ – Friedrich Ruge (1932)

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        … ooops? Korrektur Nachtag. 😉

        … ach ja, meine Familie, alles ‚Arier‘ – (m)ein Großvater war Marineoffizier der Deutschen Kriegsmarine. Als solcher, zuletzt, an der Evakuierung von mehr als 2 Millionen Menschen ’45 aus Ostpreußen beteiligt.

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        @DBH
        „Die Historie, auch die von ’33-’45, ist nicht nur schwarz-weiß.“
        Ein Gemeinplatz, ich habe nichts anderes behauptet.
        „Etwa, wie Sie unterstellen, die Deutschen hätten sich kommod, ff im thread, in Nazi-Diktatur und Masdenmord eingerichtet.“
        Das habe ich nicht unterstellt, Sie wollten und wollen missverstehen. Lesen Sie den verlinkten Text, und Sie werden feststellen, dass ich mich -polemisch verallgemeinernd, zugegeben – auf die Zeit nach dem Krieg beziehe, was Sie freilich nicht davon abhielt, mich zu fragen, an welchen Massenmorden ich im 2. Weltkrieg teilgenommen hätte. Wiederum ein schönes Beispiel für Ihre Rabulistik, welche Sie gerne bei anderen verorten. Auch Ihr Großvater hat als Marinoffizier an einem verbrecherischen Krieg teilgenommen. Er konnte sich aber glücklich schätzen, wenn sein einziger Beitrag in diesem Krieg die Evakuierung von deutschen Flüchtlingen war. Vielen Soldaten in Heer, Luftwaffe und Marine war dies nicht vergönnt.
        Was aber soll denn das Datenmaterial des Historikers Rigg Ihrer Meinung nach beweisen? Dass es eine „saubere“ Wehrmacht gab, die Juden, oder Leute, welche die Nazis für Juden hielten, schützte? Dass Juden nicht per se bessere Menschen sind? Das schreibt Rigg nicht, und es wäre unredlich, von einzelnen Aspekten auf den Charakter einer gesamten Organisation zu schließen, deren Führungspersonal Hitlers Ambitionen willig unterstützte, ihm „entgegenarbeitete“, und mindestens bis 1943 brachte ein Großteil der Soldaten Verständnis für die kriegerische Politik der NS-Führung auf. Auf das Konto der Wehrmacht gehen, zum Beispiel, 3 Millionen tote Rotarmisten, die man in deutscher Gefangenschaft einfach verhungern ließ, ein brutaler Krieg gegen die Zivilbevölkerung in den eroberten Gebieten, und die Mithilfe bei der Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Polen und der Sowjetunion.

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        Moin Stefan Trute,

        Sie sind da noch deutlich zu milde. Ich komme aus einer Soldatenfamilie mit einer mehrhundertjährigen Tradition und stelle trotzdem fest, dass sich die Wehrmacht bewusst und freiwillig an für sie erkennbaren Kriegsverbrechen in ganz grossem masstab beteiligt hat.

        Eines der Beispiele dafür ist die Hungerblockade Leningrads. Die ausweislich von Wehrmachtsdokkumenten und Armeebefehlen das offene und explizitz ausgesprochene Ziel hatte, Millionen Menschen an Hunger sterben zu lassen, damit man den Rest besser kontrollieren kann.

        An dieser und anderen Unmenschlichkeiten hat sich die Wehrmacht bewusst unnd aktiv beteiligt. Das ist nicht entschuldbar.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

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        Ja. siehe „Generalplan Ost“. Natürlich macht das nicht jeden Soldaten der Wehrmacht zum Verbrecher. Die überwältigende Mehrheit hatte keine Wahl.

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        S.T.: ‚Auch Ihr Großvater hat als Marinoffizier an einem verbrecherischen Krieg teilgenommen.‘

        … mein Großvater war Soldat; für einen ‚verbrecherischen Krieg‘ nicht verantwortlich, nicht schuldig. ‚… Verantwortung für Schuld trägt immer nur der Einzelne. Es gibt keine Verantwortung als eine solche für persönliche Schuld. Eine sittliche Verantwortung allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Personengesamtheit ohne individuelle Schuldzurechnung existiert nicht. Es gibt keine Kollektivverantwortung.‘

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        @T.H. ./. ‚Moin Stefan Trute …‘

        … good evening, werter T.H., zumindest die letzten 100 Jahre Ihrer ‚mehrhundertjährigen‘ familiären ‚Soldatentradition‘ können schon mal den Blick auf die Historie trübsinnig werden lassen; ob in den Weltkriegen oder today vdL und AKK. Ein Jammer.
        Und Stalin war, schon immer, und ganz bestimmt immer in Leningrad, ein ‚lupenreiner Demokrat‘. Dat is‘ Konsens – links. Wa‘?

        Sehen Sie, T.H., ‚mein vorletzter Familien-Soldat‘ diente 1870/71. Übrigens noch schön gewonnen.

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        @DBH
        „Eine sittliche Verantwortung allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Personengesamtheit ohne individuelle Schuldzurechnung existiert nicht. Es gibt keine Kollektivverantwortung.’“
        Daß Ihr Großvater wie Millionen andere an einem verbrecherischen Krieg teilnahm, bedeutet nicht, das er per se persönlich schuldig wurde. Das habe ich nicht behauptet. Wie könnte ich auch? Aber eine kritische Reflexion im Nachhinein, etwa so, daß auch durch das individuelle Tun des Soldaten die Verbrechen möglich wurden, sollte Bestandteil des Geschichtsbewusstseins sein. Wurde z.B. Helmut Schmidt durch seine Teilnahme an der Blockade Leningrads persönlich schuldig? Sein Tun führte mit dazu, daß dort hunderttausende Einwohner verhungerten.
        Die von Ihnen verlinkte These des Prof. van Crefeld, vom „kleinen Schritt von der völkerrechtsmäßigen Kriegshandlung, …, zum Massenmord“, also die Tendenz zur unverhältnismäßigen Gewalt in einem technisierten Krieg ins Anthropologisch-Ursprüngliche zu schieben, ist mit Hinblick auf die Wehrmacht grundfälsch. Zwar hat die zunehmende Brutalisierung des Krieges in der Sowjetunion Gewaltexzesse begünstigt. Gleichwohl war der Krieg gegen die Sowjetunion von der politischen Führung Nazideutschlands sowie der Wehrmachtführung als Raub-,Rassen- und Vernichtungskrieg geplant. Man beachte nur den „Kommissarbefehl“, den Erlass über „die Kriegsgerichtsbarkeit im Osten“ und andere vorab gegebene Befehle, die auch nach damaligen Maßstäben verbrecherisch waren. Der Schritt zum Verbrechen war ein willentlicher Akt.

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        @DBH
        „Und Stalin war, schon immer, und ganz bestimmt immer in Leningrad, ein ‘lupenreiner Demokrat.“
        Worauf zielt dieses Nicht-Argument?
        Schreiben Sie die kollektive Verantwortung für Schuld, die Sie für die Soldaten der Wehrmacht zu Recht ablehnen, nun den Russen zu? Sind in Leningrad hunderttausende Russen -alles kleine Stalins- zu Recht verhungert? Rechtfertigen die Verbrechen Stalins an der Sowjetbevölkerung die Verbrechen der Wehrmacht dort? So ähnlich falsch, wenn auch vornehmer, hat schon Nolte argumentiert

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        @S.T.,

        … so doof unwissend, wie Sie es tun, S.T., das hat System in Ihren Unterstellungen, mhm? … aaaber (nicht) gut, dass auch die sowjetische Verantwortung für diese Tragödie betrachtet werden muss, dass etwa die hohe Zahl der Opfer auch dem Dilettantismus der sowjetischen Verwaltung zuzuschreiben ist. So unterblieb eine Evakuierung der Zivilbevölkerung, obwohl die Wehrmacht seit Ende Juli 1941 Leningrad gefährlich nahe gekommen war und eine solche Maßnahme zu diesem Zeitpunkt noch ohne weiteres möglich gewesen wäre. Selbst als sich im September der Einschließungsring schloss, hätte man über den Lagoda-See noch Hunderttausende in Sicherheit bringen können. Doch nichts geschah. Es waren keine ausreichenden Lebensmittelvorräte für eine Belagerung angelegt worden, und die chaotische Organisation des Mangels tat ein Übriges, um die Hungerkatastrophe zu forcieren.

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        @S.T., Nachtrag

        ‚Der liberale Sender Doschd befindet sich seit vergangener Woche in arger Bedrängnis, nachdem er am 70. Jahrestag der Befreiung Leningrads von der Belagerung durch die deutsche Wehrmacht seinen Zuschauern die Frage stellte: „Hätte man Leningrad aufgeben müssen, um Hunderttausende Menschenleben zu retten?“ Die Frage rührt in Russland an ein heiliges Tabu, den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg gegen Hitlerdeutschland. Er ist eines der wenigen Themen, das die Menschen über alle politischen Lager hinweg verbindet, zumindest emotional.‘

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        @DBH
        „… so doof unwissend, wie Sie es tun, S.T., das hat System in Ihren Unterstellungen, mhm? … aaaber (nicht) gut, dass auch die sowjetische Verantwortung für diese Tragödie betrachtet werden muss, …“
        Das wird sie. Aber nochmal: Das rechtfertigt nicht den verbrecherischen Krieg, den die Wehrmacht im Osten führte.

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        @S.T.,

        … die Wehrmacht war an einem verbrecherischen Krieg beteiligt. Ohne Frage. Die Historie meiner ‚Ahnen‘ deckt sich mit dem, was der israelische Militärhistoriker Prof. Martin van Creveld geschrieben hat.

        Im Übrigen, das habe ich schon ‚mal geschrieben, bin ich in einem Unrechtsregime, die ‚DDR‘, mit Geschichtsfälschungen aufgewachsen. Katyn 1940 zum Beispiel; für einen Massenmord – den Einheiten des sowjetischen Innenministeriums NKWD an tausenden polnischen Offizieren und Intellektuellen in Katyn 1940 [sic!] begangen haben – wurden deutsche Offiziere verantwortlich gemacht, in Nürnberg verurteilt und in Leningrad gehenkt.

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        @Opa, ich entnehme Ihren ‚Link‘ und

        … korrigiere mich. Kommt vor. 😉 Die deutschen Offiziere wurden beim Leningrader Kriegsverbrecherprozess (29. Dezember 1945 bis 5. Januar 1946) als Massenmörder angeklagt und gehenkt. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) behauptete, einer der Angeklagten habe einen Massenmord der Deutschen an 15.000 bis 20.000 Polen, Russen und Juden in Katyn beobachtet.

        Artikel 21 des Londoner Statuts vom August 1945 gebot dem Internationalen Militärgerichtshof (IMT), Beweismaterial zu deutschen Kriegsverbrechen ungeprüft zur Kenntnis zu nehmen, die eine Siegermacht schon offiziell untersucht hatte. (no comment)

        … keine Seite konnte die Schuld der Gegenseite beweisen. Deshalb ließ der Vorsitzende Richter Geoffrey Lawrence keine weiteren Zeugen [sic!] zu und entschied, den Anklagepunkt Katyn in Nürnberg fallenzulassen.

        Den deutschen Offizieren konnte ohnehin niemand helfen. Die wurden Anfang ’46, also bevor Katyn in Nürnberg ‚fallengelassen‘ wurde – ohne schuldig zu sein – gehenkt. Daher erwähnte das Urteil vom 1. Oktober 1946 in Nürnberg Katyn nicht. … wozu auch?

        Bertolt Brecht, zugeschrieben; ‚Immer doch schreibt der Sieger die Geschichte des Besiegten; Dem Erschlagenen entstellt der Sieger die Züge, aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge.‘

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    Sehr geehrter Herr Posener,
    eigentlich ist der gedankliche Ansatz von Herrn Ralf Michaels noch perfider angelegt als bereits von Ihnen herausgearbeitet. Um ihm gedanklich folgen zu koennen, muesste man die damalige Position von Ernst Nolte im Historikerstreit einnehmen, gedanklich ein antisemitisches Narrativ wie die herbeifabulierte Weltherrschaft beifuegen (um einen etwaigen Kolonialismus zu begruenden), und dann noch einem Konflikt der deutschen Identitaet erfinden, der sich in dem fiktiven Satz „An der deutschen Erinnerungskultur soll die Welt genesen“ fokussiert, und sich taeglich daran ergoetzen, der selbsternannte Exportweltmeister des Gedenkens zu sein. Die Gedanken von Herrn Michaels ernsthaft zu betrachten ist vergleichbar mit einer sachlichen Diskussion mit einem Mitglied der Flat Earth Society.
    Herr Michaels Hermeneutik setzt voraus, dass man Unfug philosophisch diskutieren kann, wenn man als These einen Widerspruch zwischen der Dialogfaehigkeit der postkolobialen Theorie und dem deutschen Holocaustgedenken erfindet. Darauf muss man erst einmal kommen.
    Als Verteidigungsrede fuer Mr Mbembe war dieser Versuch nicht nur ein Rohrkrepierer (das waere ja noch verschmerzbar), sondern ein veritabler Gedankenstriptease des Juristen Michaels, der erkennen laesst, dass er die deutsche Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 noch nicht so weit gedanklich durchdrungen hat, wie es seine berufliche Position bedingt.

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    Die Singularität begründen Sie so: Der Holocaust war ein anlassloser (-> Es gab keine vorgängigen Konflikte), aus einer Rassenideologie heraus motivierter Vernichtungsfeldzug. Habe ich das richtig zusammengefasst?

    Das sind zwei Thesen in eins. 1.: Dieser Genozid war anlasslos (d.h. es hat keine vorgängigen, auslösenden Konflikte zwischen Juden und Deutschen gegeben, die Juden waren perfekt integriert) und 2.: Dieser Genozid erfolgte aus der Rassenideologie. Die Kombination dieser beiden Aspekte ergibt dann die Singularität? Oder bereits jeder Aspekt für sich?

    Bei der Anlasslosigkeit kann ich noch am besten folgen: Genozide entspringen vorgängigen ethnischen Konflikten. Das kann man schnell sehen. Die Frage wäre, ob es denn in den Jahrzehnten vor den Nazis wirklich keine solchen Konflikte – vielleicht in Anführungszeichen, weil nur einseitig seitens der Deutschen artikuliert, aber immerhin – gegeben hat. Was bedeutet denn ein gärender Antisemitismus, wäre da snicht ein solcher Konflikt? – Es läuft darauf hinaus, zwischen einem realen Konflikt (Interessenskonflikt) und einem herbeifabulierten (Antisemitismus) zu unterscheiden. Einen von den Nazis herbeifabulierten Konflikt hat es auf alle Fälle gegeben. Ist hier der Punkt: Phantasma gegen Realität? – Vielleicht. Aber man kann sich fragen, ob nicht auch andere Genozide phantasierte Konflikte eskalieren ließen und lassen. Welchen Anteil überhaupt das Phantasma an einem Genozid hat. Jeder Genozid stellt ja eine Vergewaltigung der Vernunft dar.

    Bei der Rassenideologie bin ich anderer Ansicht, wie es scheint. Jeder Genozid ist mit einer Rassenideologie verbunden, immer & überall. Das ist zumindest meine These. Ein Genozid bedeutet, man löscht das Leben aller Männer, Frauen, Kinder, Greise eines Volkes aus. Das geht nur mit einer Rassenideologie. Man muss die Auszulöschenden als zu vertilgendes Ungeziefer ansehen, anders kriegt man das nicht hin. Weder vor sich selber noch rein infrastrukturell-organsitorisch (mit den Helfern, ohne die es nicht geht). Mag sein, dass die Rassenideologien anderer Genozide nicht im modernen Gewand von wissenschaftlichem Biologismus daherkamen. Aber irgendeine Rassenideoölogie war und ist immer da, bei allen Genoziden: Immer sind es (vermeintliche) Schädlinge, die man ausrottet, nie sind es Mitmenschen.

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      Lieber RZ, sie würden sich einen Gefallen tun, wen Sie einfach mehr über die Geschichte lesen würden, statt – hier geht es wieder los – an Begriffen herumzudeuteln.
      Aber kurz: Der Genozid der Deutschen an den Herero war eine Reaktion auf einen tatsächlichen antikolonialen Aufstand. Die deutschen Massaker an den verschiedenen Ethnien nach dem Maji-Maji-Aufstand war eine Reaktion auf diesen Aufstand. Das macht diese Massenmorde, die in der Kolonialgeschichte des 19. Jahrhunderts eine Sonderstellung einnehmen, um keinen Deut besser, aber es ist offenkundig, dass der Genozid an den Juden nicht folge eines Aufstands oder irgendeiner Handlung „der“ Juden als Kollektiv war. Wie Brendan Simms nachgewiesen hat, war überdies der Völkermord an den Juden nicht der lokal begrenzte Mord einer angeblich überlegenen Rasse an einer als unterlegen empfundenen, sondern, wie Adolf Hitler schrieb, eine globale Widerstandshandlung gegen eine globale Herrscherrasse: „Siegt der Jude mit Hilfe seines marxistischen Glaubens­bekenntnisses über die Völker dieser Welt, dann wird seine Krone der Totentanz der Menschheit sein, dann wird dieser Planet wieder wie einst vor Jahrmillionen menschenleer durch den Äther ziehen. Die ewige Natur rächt unerbitterlich die Übertretung ihrer Gebote. So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herren.“ („Mein Kampf“)
      Diese politische Theologie und die daraus folgende Unerbittlichkeit, siehe den Kommentar von Stevanovic, sind singulär.

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        Das hört sich nicht danach an, als hätten Sie Lust, die Singularität zu diskutieren. Aber Begriffe sind nun einmal wichtig. Der Begriff „singulär“ impliziert einen Allquantor, er sagt: „nirgendwo sonst“. Er sagt nicht: „am stärksten ausgeprägt“ oder sowas. Um ihn zu begründen, benötigen Sie im Prinzip eine Liste sämtlicher Genozide und müssten jeden Einzelfall prüfen, ob es stimmt, dass die Theologie und die Unerbittlichkeit der Verfolgung im Holocaust einzigartig waren. Vielleicht war die Unerbittlichkeit ja auch durch die Machtverhältnisse, die technischen Möglichkeiten und anderes bedingt. Dann entsteht ein Bündel an Merkmalen und Kausalitäten. Je mehr Aspekte Sie in das Bündel mit aufnehmen, desto einzigartiger wird Ihr Bündel. Aber das ist bei jedem Phänomen so.

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        Ja, lieber RZ, es hilft aber auch, sich zu fragen, was mit dem Begriff Singularität und was mit der Leugnung des Begriffs intendiert ist. Diskussionen finden nicht im luftleeren Raum statt. Der Holocaust fand in einer historischen Situation statt, da sich sowohl Stalin als auch Hitler – ob zu Recht oder Unrecht – Gedanken machten um die Ernährung ihrer Völker. Stalin musste aus den Bauern der Ukraine, der Kornkammer Europas, möglichst viel herauspressen und ihre Zahl möglichst reduzieren. Hitler wollte das Gleiche. Timothy Snyder dokumentiert die Folgen in „Bloodlands“. So waren Stalins „Holomodor“ und Hitlers Slawenpolitik tatsächlich getrieben von einer Art kolonialem Impuls angetrieben (Hitler sagte, der Osten sei „unser Indien“), und von einer perversen Sachlogik.
        Der Holocaust, bei dem es nicht darum ging, die Zahl der Mitesser zu reduzieren und die Produzenten auf das Niveau von Arbeitstieren zu reduzieren, sondern ein Volk wie ein Bazillus mit Stumpf und Stiel auszurotten, ist von einer anderen Qualität. Das macht das Sterben eines ukrainischen Bauernkindes nicht weniger schrecklich (siehe den Kriminalroman „Kind 44“ für eine Beschreibung des entsetzlichen Elends unter Stalin), das macht den SS-Offizier, der ukrainische Dörfer abfackelte, nicht besser als denjenigen, der ein Vernichtungslager bewachte. Singulär ist keine moralische, sondern eine intellektuelle Kategorie.
        Für die Juden war der Holocaust der Gipfel einer 2000jährigen Verfolgung. Für die meisten von ihnen hat er die innerjüdische Debatte um den Zionismus beendet. Mein Vater war als Jugendlicher Antizionist. 1935 fand er sich in Palästina wieder. Frankreich wollte ihn nicht haben, was ihm vermutlich das Leben rettete. Auch wer kein Jude ist, musste nach 1945 einsehen, dass es den Juden nicht zuzumuten war, keine nationale Heimstatt zu haben. Sie waren, ohne dass sie irgendetwas getan hätten, um die Deutschen zu provozieren, Opfer eines unerbittlichen Völkermords geworden.
        Wer diese Zusammenhänge unter den Tisch kehrt, intendiert vor allem eine Delegitimierung des Zionismus, der von einer antikolonialen nationalen Befreiungsbewegung umgedeutet wird in ein koloniales und imperialistisches Projekt.
        Ich persönlich bin kein Zionist; ich lebe ja in Deutschland, obwohl ich mit zwei jüdischen Großeltern nicht nur damals das Anrecht auf einen Einwegfahrschein in den Osten gehabt, sondern heute auch das Recht auf Einwanderung nach Israel hätte. Aber ich erkenne an, dass Herzl mit seinen Warnungen Recht hatte, und ich bin froh, dass es Israel gibt.
        Haben die Projekte der „ethnischen Säuberung“, etwa in Jugoslawien, hat der Genozid des IS an den Jesiden Ähnlichkeiten mit dem Holocaust? Ja, insbesondere, weil es Menschen betraf, die lediglich das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Interessanterweise aber geht es den Postkolonialen bei der Relativierung des Holocausts nie um diese Beispiele. Das meinte ich eingangs mit „Intentionen“.

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        Einfacher gesagt denke ich, dass Sie eigentlich einen Nachweis darüber erbringen müssten, dass in allen anderen Genoziden (d.h. nicht nur hier und da) es wirklich anders war hinsichtlich der unerbittlichen, irrationalen Verfolgung und Abschlachtung im Namen des Herrn und der Befreiung.
        Hatten die Hutus nicht den Ehrgeiz, alle Tutsis zu töten, selbst wenn sie sich dabei selber schädigen? Hielten sie das nicht für ihre göttliche Pflicht? Glaubten sie nicht, sich dadurch zu befreien? – Vielleicht nicht. Aber wie war es dann bei den Jesiden? Und den 1001 anderen Genoziden? Was ging in den Köpfen der Blutsäufer vor? Haben die wirklich mit jener Restrationalität getötet, die den Nazis fehlte?
        (Auch Michael Kohlhaas bei Kleist hat einen kleinen Privat-Genozid geführt und unerbittlich und im Zeichen der göttlichen Gerechtigkeit die Leichen der Kinder des Verwalters aus dem Fenster geschmissen. Hatte der irgendeine Rest-Rationalität, die den Nazis abging?)
        Auch die Nazis haben sich die Besitztümer der Juden angeeignet. Also irgendeine Restrationalität hat es auch hier gegeben, zumindest bis zu einer bestimmten Eskalationsstufe.

        Das ist die Fragestellung: wie war es anderswo. Nicht, ob es beim Holocaust so war. Da war es so.

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        Gewiss doch. Darum auch heißt es “Wehret den Anfängen”; darum gibt es “Lehren aus dem Holocaust”; überhaupt wurde der Begriff “Genozid” von einem jüdischen Juristen erfunden, um das zu fassen, was die Deutschen den Juden antaten usw. usf. Das heißt, aber das hatten wir schon, “singulär” heißt nicht “unvergleichlich” oder “völlig unähnlich”. Aber so steht es ja auch im Artikel: Die Differenzen sind so wichtig wie die Ähnlichkeiten, und jede Billigheimer-Theorie nach dem Motto, “der Genozid ist mit dem Holocaust lediglich nach Europa heimgekehrt”, verunklart mehr als sie zu erklären vorgibt.

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        Bei dem von wikipedia als Genozid eingestuften Völkermord an den Jesiden 2014 seitens des Islamischen Staats gab es (glaube ich) ebenfalls keine vorgängigen Aufstände und eine theologische Begründung. Die Frauen und Mädchen wurden jedoch nicht getötet, sondern versklavt. Das unterschiedslose, unerbittliche Morden gab es offenbar bei den Hutu und den Herero. Wenn man ein Bündel aus verschiedenen Komponenten schnürt, wird die spezifische Kombination (Rassenideologie, theologische Komponenten, Anlasslosigkeit, keine Aufstände, unterschiedsloses Morden) irgendwann singulär.
        Den Mördern ist das aber egal, die morden immer und überall vermeintliches Ungeziefer und an Unerbittlichkeit lassen sie es in den seltensten Fällen mangeln.

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        Gewiss doch. Darum auch heißt es „Wehret den Anfängen“; darum gibt es „Lehren aus dem Holocaust“; überhaupt wurde der Begriff „Genozid“ von einem jüdischen Juristen erfunden, um das zu fassen, was die Deutschen den Juden antaten usw. usf. Das heißt, aber das hatten wir schon, „singulär“ heißt nicht „unvergleichlich“ oder „völlig unähnlich“. Aber so steht es ja auch im Artikel: Die Differenzen sind so wichtig wie die Ähnlichkeiten, und jede Billigheimer-Theorie nach dem Motto, „der Genozid ist mit dem Holocaust lediglich nach Europa heimgekehrt“, verunklart mehr als sie zu erklären vorgibt.

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        OK, das kann ich gut akzeptieren. Dann lese ich „Singularität“ als das Besondere beim Holocaust, das ihn von kolonialen Genoziden unterscheidet, aber nicht grundsätzlich Exklusivität beansprucht.

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        Ja, so etwa. „Exklusiv“ war dieser Völkermord ja gerade nicht. So ziemlich das inklusivste Verbrechen, das man sich denken kann.

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        Es ist nicht allein der Wille gewesen, die Juden komplett auszulöschen, der den Holocaust singulär macht; er ist es in Verbindung mit dem Stellenwert, den der Genozid für das Regime hatte. Spätestens ab dem Jahreswechsel 1941/42 (also in etwa dem Zeitpunkt der Wannseekonferenz) ist die Vernichtung der Juden zum Staatsziel des Dritten Reichs erklärt worden; ihr wurde alles staatliche Handeln untergeordnet, und sämtliche staatlichen Stellen Hitlerdeutschlands wurden eingebunden – Von der zivilen Verwaltung im Reich selbst wie in den besetzten Gebieten über die Partei und die Sicherheitskräfte (Polizei, Wehrmacht, SS) bis hin zur Reichsbahn. Als sich die Wehrmacht aus Griechenland zurückziehen mußte, hat Eichmann in einer Art Torschlußpanik noch durchgesetzt, daß sämtliche Juden des Landes, derer er habhaft werden konnte, vernichtet wurden. Er requirierte dazu Personen und Eisenbahnzüge, die der Armee gleichzeitig fehlten. In Ungarn 1944 das gleiche Bild. Eine derartige Gefährdung der eigenen militärischen Lage ausschließlich aus dem Grund, einen Gegner zu vernichten, der keine akute Bedrohung darstellte, war bei keinem der vorangegangenen Völkermorde anzutreffen, und auch bei späteren Völkermorden ist dies nur schwer zu erkennen:
        – Von Trotha wollte 1904 die Herero ein für allemal daran hindern, erneut einen Aufstand zu starten (getreu den Worten des Kaisers in der „Hunnenrede“ vier Jahre zuvor: Sich einen Namen zu machen, daß „auf tausend Jahre keiner wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen“). Aber: Als kaiserlichem Offizier wäre es ihm schon von der Denkweise her fremd gewesen, seine eigene Truppe in Gefahr zu bringen, nur um einen geschlagenen Gegner, der auf absehbare Zeit keine militärische Schlagkraft mehr entwickeln konnte, endgültig zu vernichten.
        – Die osmanischen Offiziere, die 1915 den Völkermord an den Armeniern begannen, konnten sich zwar sicher sein, daß ihre militärstrategische Lage für Berlin zu wichtig war, um sie offen daran zu hindern (die türkische Kontrolle über die Meerengen verhinderte, daß die britisch-französische Rüstungsproduktion die Knappheit bei den Russen ausgleichen konnte wie umgekehrt, daß der Zar ein Millionenheer zur Verstärkung seiner Verbündeten an den westlichen Kriegsschauplatz entsandte). Die Reichsregierung ballte 1915 noch die Faust in der Tasche; im Dezember 1917 wurden die Türken nicht mehr als Bollwerk im Zweifrontenkrieg gebraucht, da Rußland nach Lenins Putsch gerade aus dem Krieg ausschied, und folgerichtig unterband Falkenhayn als Heerführer vor Ort einen ähnlichen Versuch, auch die in Jerusalem lebenden Juden zu vernichten. Aber die Verantwortlichen für den Genozid an den Armeniern wußten, daß die deutsche Militärmission in der Türkei es nicht geduldet hätte, wenn das türkische Militär seine Kräfte verzettelt hätte.
        – Daesh wollte die Jesiden auslöschen, hielt sich aber bei denjenigen zurück, die zum Islam konvertierten.
        Lediglich in Ruanda zeigen sich Parallelen zum Holocaust – aber abgekupfert. Die Täter bereiteten den Mord an den Tutsi ideologisch über mehrere Jahre vor und schlugen bei dem initialen Ereignis, dem Abschuß der Maschine des Präsidenten, zu: Anfangs durch staatliche Organe, im weiteren Verlauf dezentralisiert (ein Großteil der Opfer wurde von den eigenen Nachbarn ermordet). Aber ob dieser Völkermord ohne Rücksicht auf eigene Verluste begangen wurde, da habe ich meine Zweifel. Mit Beginn des Völkermords griff die von Tutsi gebildete Ruandische Patriotische Front ein, führte den Bürgerkrieg fort und eroberte nach und nach das Land. Ich habe nichts darüber gelesen, daß die von Hutu gebildeten Regierungstruppen nur hinhaltenden Widerstand leisteten, während ihr Großteil an den Mordaktionen beteiligt war.

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        Ja, Opa Krempel, als „Stellenwert für das Nazi-Regime“ ist die Judenverfolgung singulär gewesen. Natürlich. Bereits das Nazi-Regime selber ist ja als Phänomen singulär. Es ist zwischen zwei Weltkriegen mitten in Europa entstanden, war vergleichsweise technisiert, mit moderner Massenkommunikation ausgerüstet, in einem strukturellen Eskalationsprozess sozusagen dynamisiert usw. usw.
        Jedes Regime ist singulär, dazu ist ein Regime ein viel zu komplexes Gebilde. Da smeine ich mit dem „Bündel an Eigenschaften“. Sie sagen ja selber “ nicht nur x, sondern auch y und z“ machen die Síngularität aus. Sie erzeugen ein Bündel.

        Die sog. Restrationalität der anderen Mörder im Gegensatz zum Wahnsinn der Nazis ist aber kein Unterscheidungskriterium, das ich akzeptieren kann. auch die anderen Mörder sind restlos (!) durchgeknallt, von dieser menschlichen Seite aus betrachtet. Das läuft darauf hinaus zu sagen: „So irre wie die Nazis war niemand, nicht mal die Hutu.“ Nein.
        Das Problem am Begriff Singularität ist, dass wir uns damit zu sehr von dem Geschehen distanzieren. Wenn ich es wirklich ernst meine mit der Singularität, dann brauche ich eben nicht den Anfängen zu wehren. Anfänge für was, es war ja singulär. Natürlich kann auch eine Singularität sich theoretisch wiederholen, das wird vom Begriff nicht ausgeschlossen. Aber es ist doch sehr unwahrscheinlichl dass sich eine Singularität, die bislang in der langen Menschheitsgeschichte genau einmal vorgekommen ist, sich so schnell wiederholt. (Diese Überlegung ist der Grund, warum ich den Begriff hier überhaupt problematisiere.)
        Ich habe schon verstanden, dass Sie dieses Problem ebenfalls spüren und deshalb betonen, dass diese spezielle Singularität bedeutet, trotzdem immer wachsam zu sein. Aber das muss man eben immer dazu sagen und ständig wiederholen – denn für sich bedeutet Singularität etwas anderes. Und das ist das Problem an diesem sozusagen raunenden Begriff.

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        Ja, lieber R.Z. Und darum ist in meinem Artikel wie schon im Artikel von Michaels immer von Singularität UND Universalismus die Rede. Denn einerseits handelt es sich beim Holocaust nicht einfach um irgendeinen Völkermord, sondern um einen sehr speziellen Fall, andererseits ist ja damit der Antisemitismus, dessen treibende Kraft, nicht verschwunden. Wenn man allzu schnell im Namen des Universalismus jene spezielle Ursache für den Holocaust vergisst, dann gerät man in die gedankliche Falle, in die Michaels (und Mbembe) geraten sind.

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        Außerdem muss ich immer, wenn ich mir vorstelle, wie unbegreiflich irre einige (!) Nazis ihre Massenmordlüsternheit gegen jeden Selbsterhaltungstrieb durchgezogen haben , an die Tatsache denken, dass die Enteignungen der jüdischen Besitztümer ebenfalls eine gewichtige Rolle gespielt haben, aber bei der Singularitätsüberlegung unter den Tisch fallen. Die Nazis haben ihre Vernichtungsideologie mit einem Raubzug verbunden, und der verfolgte stinkordinäre egoistische Interessen.

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        Nein, lieber R.Z., der Raubzug fällt nicht unter den Tisch. Der Punkt ist nur, dass es unter egoistischen Gesichtspunkten „gereicht“ hätte, die Juden zu entrechten und auszurauben. Doch dabei blieb es nicht, und das ist das Erklärungsbedürftige.

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        Zur typischen Durchgeknalltheit der Mörder: Als der Attentäter von Halle nicht durch die Synagogentür kam, hat er einfach zwei x-beliebige Passanten erschossen. Was soll man dazu sagen; da ist kein Funken von Restrationalität. Dass er anschließend kein Selbstmordversuch begangen hat ist hierbei das einzig Überraschende. Bei den Nazis hat Eichmann die Infrastrukur zur Ermordung abkommandiert, statt damit irgendwas Sinnvolles damit zu machen. Ja, das ist durchgeknallt, aber daran ist nichts Singuläres, sondern so sind Massenmörder eben.

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        Der Attentäter von Halle ging, nachdem er nicht in die Synagoge kam, zu einer Döner-Bude. Das war durchaus rational. Denn die rechtsextreme Erzählung geht ja s: Die Juden wollen alle anderen Rassen durch Vermischung schwächen, alle anderen Nationen außer Israel der Globalisierung unterwerfen, im Interesse ihrer Herrschaft. Antisemitismus und Muslimhass gehen daher Hand in Hand.

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        Schließlich könnte man die Singularität noch so zu erklären versuchen: „Die Größenordnung war singulär!“ D.h. der Umfang der Judenverfolgung, quer durch den Kontinent und über die halbe Welt. Klar. Aber damit meint man ja gerade nicht Singularität, sondern Pluralität: Innerhalb einer Pluralität gäbe es ein „mehr“ und ein „weniger“, und der Holocaust wäre dann eben ein „mehr“, oder sogar das bisherige Maximum. OK, dagegen habe ich wenig einzuwenden, außer dass es in Wirklichkeit gar keine Singularität ist, was damit ausgesagt wird, sondern wie gesagt eine Pluralität.

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        Lieber Herr Posener, bei wiki steht: „Nachdem ihm dies auch mit Waffengewalt nicht gelungen war, erschoss er vor dem Gebäude die Passantin Jana Lange und kurz darauf in einem Döner-Imbiss den Gast Kevin Schwarze“.
        Mir fällt es schwer, da eine Rationalität zu erkennen und die einer fehlenden Rationalität der Nazis gegenüberzustellen, nach dem Motto: hier gibt es Restraitonalität, da nicht. Dem kann ich nicht folgen.
        Aber Ihren anderen Bemerkungen schon. Es ergibt sich eben, dass auch die Nazis nicht restlos irrational waren. Viele haben sich anschließend klammheimlich asus dem Staub nach Südamerika gemacht. Es führt nicht weiter, wenn man Singularität bei einer vermeintlichen Restrationalität oder Eigeninteresse verortet. Die Schlächter andernorts handeln auch nicht viel sinn- und planvoller.

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        Die Nazis, lieber R.Z., handelten im Rahmen eines Wahngebäudes rational. Stalin und Mao auch. Es macht wenig Sinn, hier Begriffe wie „Irrationalität“ oder „Restrationalität“ anzuwenden. Hätten die Nazis den Krieg gewonnen, Sie würden vermutlich – und ich meine das nicht persönlich – den Holocaust im Rückblick nicht für irrational halten, sondern für eine leider notwendige Tat, um die wohltätige Herrschaft der Arier abzusichern. Ich bin diesbezüglich nicht besser als Sie, aber mich würde es vermutlich nicht geben.

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        Nein, Herr Posener, das ist eine kontrafaktische und irrige Spekulation. Man hört sie öfter und stimmt da schnell zu, ausnahmsweise aus falscher Bescheidenheit (meist leider der einzige Fall) und um sich nicht über andere zu erheben. Aber unsere Überzeugungen und unser Wissen sind für uns und unsere Persönlichkeiten nicht kontingent, (d.h. wenn ich an diese wohltätige Wirkung, ohne hinsichtlich der Geschehnisse angelogen zu werden (!), glauben würde, wäre ich nicht mehr ich und Sie nicht mehr Sie. Wir würden vielleicht körperlich genauso aussehen, aber einen deutlich anderen Geist haben. Unsered Überzeugungen machen uns zu einem bedeutenden Teil aus).

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        Lieber RZ, ich empfehle die Lektüre des kontrafaktischen Romans „Fatherland“ von Richard Harris. Keine Sorge: die Lektüre ist leicht und unterhaltsam. Zugleich aber lehrreich.

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        Und dass es keinen Sinn macht, hier die Begriffe Irrationalität/Restrationalität anzuwenden – eben darauf wollte ich hinaus. Nicht ich habe diese Begriffe ins Spiel gebracht.

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        Lieber RZ, erstens bedeuten Singularität oder Einzigartigkeit des Holocaust nicht, daß sich dieses Ereignis – so oder mit anderen Vorzeichen – nicht genauso wiederholen könnte. Das Wehret-den-Anfängen bedeutet vor allem, daß man bei allen lokalen Unterschieden vor allem darauf achtet, wo ein Regime dabei ist, den Holocaust als Blaupause zu verwenden. Der wesentliche Unterschied zwischen Ruanda und Hitlerdeutschland beispielsweise war, daß die von Hutu gebildete ruandische Regierung 1994 nicht über die militärischen Mittel verfügte, die Tutsi auch in anderen Ländern auszulöschen. Aber an der propagandistischen Vorbereitung des Völkermords durch die Hutu-Ideologen hingegen hätte ein Julius Streicher seine Freude gehabt.
        Und zweitens habe ich Eichmann und seinen Leuten keine Irrationalität (oder fehlende Restrationalität) unterstellt. Im Gegenteil: Im Rahmen ihres Auftrags verhielten sie sich hochgradig rational. Wenn man ausblendet, daß die Verschwörungsmythen über die Juden und die Rasseideologien in sich bereits falsch sind, kann man sogar über die Führung des III. Reichs sagen, daß sie sich vollkommen rational verhalten habe. Nach der Niederlage vor Moskau mußte sie feststellen, daß der Plan vom angestrebten „Großgermanischen Reich“ verzögert wurde, und sie priorisierte um, indem sie die für nach dem „Endsieg“ geplante vollständige Vernichtung der Juden als im Zweifelsfall wichtiger einstufte; dementsprechend versuchte Eichmann überall die Juden im Herrschaftsbereich der Nazis noch auszulöschen, ehe sie von der herannahenden Front überrollt und damit unerreichbar wurden. Wenn man so will, ist die einzige nennenswerte Irrationalität, die die Nazis sich gönnten, der Glaube an das Machwerk Houston Chamberlains und an die Authentizität der bereits als Fälschung entlarvten „Protokolle der Weisen von Zion“.

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        @Opa Krempel: Etwas Einzigartiges wiederholt sich nicht, sonst wäre es nicht einzigartig. Etwas Singuläres existiert nur im Singular.

        Ich hatte Sie und Stevanovic tatsächlich etwas anderes verstanden (Stevanovis schrieb, der Holocaust erfülle anders als andere Genozide keinen rationalen Zweck und Sie: „Eine derartige Gefährdung der eigenen militärischen Lage ausschließlich aus dem Grund, einen Gegner zu vernichten, der keine akute Bedrohung darstellte, war bei keinem der vorangegangenen Völkermorde anzutreffen“.
        Zweckrationalität, den Gegner zu vernichten, war da, da sind wir einig. Zweckrationalität gibt es bei jedem anderen Genozid auch, darauf werden wir uns auch einigen können, nehme ich an. Dass ein Genozid keinen Sinn hat und ein sinnloses Verbrechen ist, selbstverständlich auch.

        Die einzige Frage ist, ob diese Eigenschaften:
        – Vernichtung eines Gegners, von dem keine Bedrohung ausging
        – Gefährdung der eigenen militärischen Lage

        bei anderen Genoziden wirklich immer anders war und ist. Denn dies war ja Ihre Behauptung. Ob der IS z.B. bei dem Genozid an den Jesiden nicht dieselben Eigenschaften erfüllt. Oder ob die Serben ihre militärische Lage nicht entscheidend (sie wurden ja geschlagen) verbessert hätten, wenn sie bestimmte Gemetzel einfach sein gelassen hätten. Dies war auchg im Rahem des Wahns zweckrational, aber ansonsten irrational, denn man hätte die Leute auch einfach nicht töten können (Alles nur Beispiele, es gibt mehr davon.)

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        Lieber Opa Krempel: Mit einer sich wiederholenden „Singularität“ wird begrifflich etwas sehr Seltsames postuliert. Auch in der Astronomie. Ich bin einverstanden, wenn man es so versteht wie Sie, KJN, Stevonovic und Herr Posener. Man kann jeden Begriff sich so zurechtlegen, dass er zu den referierten Ereignissen passt und diese dann benennt (das nennt man dann einen „terminus technicus“). Trotzdem kann man einen solchen Begriff kritisieren, weil er in die Irre führt. Dies wollte ich anmerken. Sofern Sie sich nicht in die Irre führen lassen, ist das sehr schön. Wobei auch Sie essentialistische Ansätze gezeigt haben, die mit diesem Begriff in Verbindung stehen. (Nach dem Motto: Irgendeine distinktive – kategorial unterscheidende – Eigenschaft muss sich doch finden lassen, damit es singulär wird!) Für andere könnte das auf jeden Fall irreführend sein.

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        Aber wie gesagt: wenn Sie „singulär“ im Sinne von „außergewöhnlich“ o.ä. verstehen, ist alles in Ordnung. Dadurch wird nichts entrückt. Sie müssten es nur immer wieder dazusagen.

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        Lieber RZ, ich beharre nicht auf Begriffen, so lange man sich im Gespräch einig ist, was man meint. Begriffe können, wie Sie sagen, da auch in die Irre führen.
        Die Fragen, um die es im Essay und in der Auseinandersetzung mit den Postkolonialen geht, sind:
        1. Ist der Holocaust ein derart herausragendes Verbrechen, das es auch die Aufmerksamkeit von Menschen verdient, die keinen unmittelbaren geschichtlichen Bezug zu ihm haben, oder sind es bloß die „Weißen“, speziell die Deutschen und die Juden, die es so hervorheben, weil es sie betraf? (Das ist die „Singularität“.)
        2. Hat es eine Bedeutung für Völker außerhalb Europas in dem Sinne, dass auch für sie Lehren daraus gezogen werden können und sollen? (Das ist die „Universalität“)
        Beides wird anscheinend von Prof. Dr. Michaels geleugnet oder zumindest in Frage gestellt. Das ist legitim, aber falsch. Der Holocaust war auch gemessen an anderen Genoziden und Massenmorden von besonderer Abscheulichkeit und Gründlichkeit, und die Begründung war anders als etwa bei kolonialen oder Kriegsverbrechen. Und: Der Antisemitismus ist nach wie vor virulent, auch dort, wo es keine oder wenige Juden gibt, etwa in Gestalt des israelbezogenen Antisemitismus. Und wo ideologisch ein scheinbar übermächtiger Gegner konstruiert wird, der „das Volk“ bedroht, man denke etwa an Theorien von der „Landnahme“ durch den Islam, befördert durch den Juden George Soros, kann sich etwas Ähnliches wiederholen.

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        Ich für meinen Teil möchte deutlich unterscheiden: Zwischen einer Verschwörungstheorie, nach der muslimische geistliche Führer den Westen islamisieren wollen und einer islamisch geprägten Subkultur, die sich auch hier in den Städten aggressiv breit macht, die die Sharia einführen will und der so viele muslimische Frauen und auch Männer, insbesondere Exiliraner gedacht haben, dass sie dem entkommen wären. Die totalitaristische Versuchung lauert an vielen Ecken unserer Gesellschaft. Ich glaube – zumindest bei deutschen Akademikern – am wenigsten in der braunen, sondern eher in der grünen, roten und bayrischen Ecke. Bei Zuwanderern und deren Kindern in der islamischen, bisweilen auch in der evangelikalen. Insgesamt aber in der Tatsache, dass sich (allzu)viele in ihre Wahrnehmungsblase zurückgezogen haben. Die Gefahr besteht, dass die Corona-Politikkrise diese Segregation der Gesellschaft vorantreibt.

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      Die Verfolgung der Juden und deren industrielle Ermordung erfolgte in den doch allermeisten Fällen nicht aufgrund direkter persönlicher (niedriger) Beweggründe, sondern entweder aus Gehorsam oder aus Glauben an Hitlers Ideologie oder beidem – also ‚aus Prinzip‘. Also wenn das kein Alleinstellungsmerkmal ist oder als solches erkannt wird, weiß ich nicht, was Beschäftigung mit der Geschichte überhaupt bringen soll.
      Einfach nur zu sagen, die Menschen sind halt so und die Genozide stets eine Folge von Wut und Habgier, verharmlost die Rolle der Politik, hier die der Nazis.

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        Lieber KJN, genau das bestreite ich.,zumindest wenn Sie Ihr Eigenschaftenbündel auspacken, den inhalt auseinander legen und das Adjektv „industriell“ und den Namen „Hitler“ bei der Betrachtung temporär weglassen. So wie man das tun solle, sofern man an einer Analyse interessiert ist. Dann bleibt übrig: Massenmord „entweder aus Gehorsam oder aus Glauben an [XY] – Ideologie oder beidem – also ‚aus Prinzip‘.“
        Und das ist bei weitem nicht singulär, sondern geradezu alltäglich. Schauen Sie sich die IS-Anhänger an, beispielsweise. Sie finden das eigentlich bei jedem Genozid, wenigstes als Komponente. Und auch bei den Nazis gab es zusätlzich noch andere Komponenten (Raubzug).

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        Und zur Verhamrlosung: Ich finde umgekehrt, man verharmlost ein Geschehen, indem man es für singulär erklärt. Das will man nicht, man will sogar das gerade Gegenteil, aber das tut man. Eine Singularität staune ich an, so wie im Planetarium ein Schwarzes Loch (ebenfalls eine „Singularität“). Ich schaudere, weine vielleicht ein bisschen, ergötze mich an diesem Horror der Realgeschichte, und dann wende mich wieder meinem warmen Alltag zu, der gut geschützt von dieser Singularität zwar ebenfalls Ausgrenzungen, Abwertungen, Beschimpfungen usw. enthält, aber die sind ja glücklicherweise – per definitionem – etwas qualitativ völlig anderes. Dann kann einer in der Schule „Du Jude!“ sagen und wenn man ihn zur Rede stellt, sagen, mit den Nazis habe das aber nichts zu tun und er sei ja selbstverständlich und offensichtlich kein Nazi, denn das wären lauter total durchgeknallte, singuläre Irre.

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        Lieber R.Z., wir hatten das schon: Sie steigern sich in Begrifflichkeiten hinein, ohne Bezug zur Realität. Der Holocaust ist zugleich singulär und universell. Was einmal passierte, kann sich wiederholen. Und man sieht ja, dass das iranische Regime durchaus daran arbeitet. Eine der universellen Lehren aus dem Holocaust ist, dass die Juden in der Lage sein müssen, sich selbst zu verteidigen: dass sie einen Staat brauchen. Und das ist natürlich genau die Lehre, die bestimmt „antiimperialistische“ Kreise nicht ziehen wollen. Der Holocaust wird nicht „historisiert“, wie das einige deutsche Historiker wollten, um die Deutschen zu entlasten, er wird relativiert, um Israel delegitimieren zu können.

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        Ich mache gerne Begriffsreiterei. Ich glaube, dass etliche Diskussionen deswegen so ewig dauern, weil die Teilnehmer keine Lust verspüren zu lernen, wie man Begriffe reitet.
        Ja, das Existenzrecht Israels kann man aus dem Holocaust ableiten. Aber inwiefern ist das universell?
        Ich kann mit der Begriffskombination „zugleich singulär und universell“ nichts anfangen. Entweder etwas ist universell oder es ist singulär. Ein Schwarzes Loch ist singulär, aber nicht universell (es ist an einem definierten Punkt, dann gibt es noch den Ereignishorizont, und danach ist Schluss). Die Menschenrechte sind universell und das bedeutet, sie gelten für alle und eben nicht nur singulär für einen.

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        Ein Schwarzes Loch ist natürlich universell, weil es derer viele gibt. Schwarze Löcher sind Konstanten des Universums. Und der Antisemitismus ist eine Konstante des von Menschen bewohnten winzigen Teils jenes Universums. Er unterscheidet sich von anderen Rassismen und Formen „gruppenbezogener Unmenschlichkeit“ so grundlegend, dass man normalerweise von „Rassismus und Antisemitismus“ spricht, um diesen Unterschied zu kennzeichnen. gleichzeitig hat er, und darauf habe ich hier auf SM schon vor Jahren hingewiesen, mit der „Islamophobie“ und mit anderen Formen des Rassismus vieles gemeinsam. Der Genozid an den Juden war aus vielfältigen Gründen singulär, die wir hier erörtert haben, zugleich war er erstens ein Genozid, was leider ein universelles Phänomen ist, und zweitens Ausdruck eben des universellen Phänomens des Antisemitismus. Es ist, so bald man aufhört, in abstrakten Kategorien zu denken, sondern sich dem tatsächlichen Geschehen zuwendet, nicht wirklich schwer zu begreifen. Es sei denn, man will nicht.

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        Außerdem hatten wir uns doch schon geeinigt? Zumindest in etwa: „“Singularität” als das Besondere beim Holocaust, das ihn von kolonialen Genoziden unterscheidet, aber nicht grundsätzlich Exklusivität beansprucht.“ Das wäre dann „Singularität“ in Anführungsstrichen.

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        Ich äußere mich hier wieder viel zu oft. Aber das will ich noch sagen: dass man sich rechtzeitig Gedanken machen soll, wie man den Holocaust den nächsten Generationen erklärt, so dass die auch etwas verstehen. Das heißt vor allem: mit welchen Begriffen. Das Geschehen rückt mit jeder Generation weiter weg, es entsteht von selbst eine raumzeitliche und kulturelle Distanz. Für viele ist der Holocaust wie von einem anderen Stern, und nun sollen diese Dinge auch noch „singulär“ sein. Gottseidank, denkt man, dann haben wir und unser Verhalten damit nichts zu tun. Da sist bereits jetzt so, wie wird es in 50 Jahren sein, was werden die jungen Leute dann denken? Die werden denken, dass das eben singuläre Extremereignisse in einer sehr dunklen Zeit waren. Vielleicht können sie das irgendwie noch mit dem Staat Israel zusammendenken, mehr aber auch nicht.
        Dem schaffen Sie Abhilfe, indem Sie sagen: Es war eben nicht nur singulär, sondern auch universell. Beides. Ob diese Ergänzung das Problem wenigstens pragmatisch (wenn schon nicht begrifflich) lösen kann? Hoffen wir es. Ich glaube, dass man den Leuten klarmachen kann, dass ihr Alltag sehr wohl etwas damit zu tun hat, dass der Holocaust zum Beispiel ein guter Grund ist, Minderheiten nicht nach Stürmerart zu verspotten usw. Dass es sich eben nicht um eine gleichsam schwebende universelle Singularität oder singuläre Universalität handelt, sondern um eine mögliche Realität, eine Konsequenz ganz konkreter, nicht-singulärer Abwertungen, Aggressionen, Eskalationen, Gesitlosigkeiten, die auch in abgeschwächter Formen genauso auftreten und dort ebenfalls Schaden mit sich bringen kann. Wenn man nicht aufpasst.

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        Lieber RZ (ich glaube, die Initialien reichen bei uns), es geht mir (eigentlich, wie immer) um die Unterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation. Ich weiß, dass die wenigsten ‚Mein Kampf‘ wirklich gelesen hatten (und ich vermute, selbst wenn, hätten die wenigsten das in seiner Konsequenz ernst genommen, selbst wenn es die eine oder andere Seele gestreichelt hat) aber es hatte zu dieser Zeit etwas von „Follow the Science“, wurde also von der Staatspropaganda als ‚vernünftig‘ bzw. ‚wissenschaftlich fundiert‘ verkauft. Verstörend dabei die Entkopplung von der persönlichen Realität, oft Nachbarschafts-, oder Freundschafts-, bisweilen Verwandschafts- oder Eheverhältnisse. Wenn der ‚IS‘ oder Serben kroatische Nachbarn (oder umgekehrt) mit Benzin abgefüllt haben und in Brand geschossen haben (so wurde es mir berichtet, Stevanovic, bitte schreiten Sie ein, wenn ich Stuss schreibe) war das eine ziemlich intrinsische Eigeninitiative, zumindest in dem Moment. Da war wirklich Hass im Spiel. bei KZ-Wächtern? Ich glaube eher nicht. DAS ist der Unterschied. Was das (germanische/skandinavische) Europa derzeit macht, ist die Leidenschaft als Ursache anzusehen und nicht die Ideologie. So nach dem Motto: das Individuum war schuld. Das geht vermutlich auf Kant zurück, führt aber auch in die Irre, weil auch die individuelle Verantwortung begrenzt ist. Natürlich ist die rassische ethnische, bzw. kulturelle Herkunft prägend für die Axiome des logischen Denkens und das macht die eigentlichen Trennlinien in der Menschheit immer noch aus, sei es zwischen Christen und Christen , Juden und Juden oder zwischen Arabern und Persern. Und an DEM Punkt haben diese postkolonialistischen Eiferer ja durchaus Recht. Sie stehen nur nicht zu ihrer Art zu denken und das macht dieses ganze postkolonialistische Denken intellektuell so angreifbar. Es geht an dieser Stelle wirklich in letzter Konsequenz nur darum, ob wir jetzt leben wollen, wie viele Afrikaner, die Reisig sammeln, oder wie wir ‚Weißen‘, die den Reisig in den Ofen stecken, damit die meiste Hitze in den Topf gelangt. Wegen Effizienz, Ressourcenschutz und so. Es ist eine Richtungsentscheidung. Mit Moral hat das nichts zu tun.
        Mit Moral hat aber m.E. zu tun, erkennen zu wollen, wo wir selber, intellektuell, gefühlsmäßig usw. tatsächlich einen eigenen Willen haben (können) und dazu gehört das kritische Hinterfragen von ‚Haltungen‘, wie sie ja derzeit so oft gefordert werden. Nun – ich denke wir arbeiten ja dran.

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        Aber vielleicht überschätze ich tatsächlich die Bedeutung der Begriffe. Letztens habe ich hier selber umgekehrt argumentiert, dass man nicht gleich, wenn ein Pauschalbegriff wie „Alter weißer Mann“ fällt, an den Holocaust denken sollte. Sei er also meinetwegen zugleich singulär und universell, solange man sich darunter etwas Vernünftiges vorstellen kann. Das soll es meinerseits nun aber wirklich gewesen sein.

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        Lieber KJN, der nicht vorhandene Hass ist jetzt der Unterschied? Die Liste mit Eigenschaften, die den Unterschied machen sollen, wird immer länger. Ich hab eigentlich gesagt, was ich dazu sagen wollte.

        Lieber AP, wenn man in „abstrakten Kategorien“ Singularität und Universalität denkt (das sind Ihre Kategorien, nicht meine) so gebraucht wie Sie, ist es in Ordnung, aber dann muss man sie immer wieder erklären und wird immer wieder auf Widerspruch und unerwünschte Nebenwirkungen (Distanzierung) stoßen. Das hat weniger etwas mit Nichtverstehenwollen oder Renitenz als mit den Begriffen zu tun.
        (Und so werden die dazugehörigen Diskussionen endlos. Das ist durchaus normal. Ich kann mir z.B. auch unter Dreiieinigkeit nichts vorstellen, außer vielleicht ein Team, aber das ist nicht gemeint. Und so sind auch die Erklärungen der Theologen endlos)

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        Zur Dreieinigkeit empfehle ich mein Buch über die Jungfrau Maria, wo auch die dogmatischen Kämpfe im frühen Christentum über das Wesen Jesu thematisiert werden.

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        Ansonsten, lieber KJN, stimme ich aber zu: Wir können und sollten solche vergleichende Listen mit Unterschieden anlegen. Klar. Nur kommt dabei nicht das heraus, was zumindest ich unter einer Singularität verstehe. Das ganze Verfahren ist auf Pluralität und Vergleich hin ausgelegt. Und als Ergebnis kommt dann so etwas heraus: „Hier sind diese Unterschiede, dort sind jene. Und da finden sich etliche Gemeinsamkeiten.“ –

        Nun aber schlage ich vor, dass wir einfach weiterhin verbleiben, uneins zu sein. Da ist doch auch ein ganz schöner Zustand.

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        Aber nochmal zum Schwarzen Loch, da gibt es einen interessanten Sachverhalt: Innerhalb jedes Schwarzen Loches befindet sich eine punktförmige „Singularität“, an der die universellen Naturgesetze nicht gelten. Welche Physik stattdessen dort herrscht, ist unbekannt, aber jedenfalls nicht die des Universums. Weil es sich nur um einen Punkt ohne Ausdehnung handelt (glaube ich verstanden zu haben), hat auch die Summe aller Singularitäten im Universum die Ausdehnung Null. Daher kann man trotz der Singularitäten von einer einheitlichen, „universellen“ Physik im Universum sprechen. (Beim Holocaust ist es anders, da waren alle universellen Gesetze des menschl. Zusammenlebens gültig, auch wenn man das Humanist oder Christ nicht für möglich hält, und haben zu dieser Katastrophe geführt. Sofern man das also trotzdem als singulär bezeichnen will, muss man diese Singularität deutlich von der eines Schwarzen Loches abrücken).

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        Es gibt, ungeachtet des Namens, im Universum Singularitäten verschiedener Größe. Auch die Singularität, aus der das Universum selbst hervorging, war anders als alle Singularitäten, die wir im Universum beobachten können. Und doch eine Singularität, aus der das Universelle entstand.

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        Wir sehen die Wirkung der verschluckten Masse. Aber was an der Singularität inmitten eines Schwarzen Loches vorgeht, falls dort überhaupt etwas vorgeht, wissen wir nicht und werden es wohl auch nie herausfinden.

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        Lieber RZ, die physikalische bzw. kosmologische Singularität ist ein Bereich des Universums, in dem die physikalischen Gesetze nicht mehr gelten (weil die Gravitation so hoch ist, dass die atomaren Beharrungskräfte zur Aufrechterhaltung der atomaren bzw. Kerngeometrie nicht mehr ausreichen. Von ‚Einmaligkeit’ ist also auch bei den Astrophysikern bei der Bezeichnung Singularität nicht die Rede. (Warum sie diesen Begriff gewählt haben, habe ich mich auch gefragt.) Eine moralische Singularität wäre dementsprechend ein Zustand in dem die menschlichen Regungen oder Gesetze nicht mehr gelten bzw. nur noch einer Kraft (z.B. Angst oder einer ‚wissenschaftlichen Erkenntnis‘ oder beidem) untergeordnet werden. Ich denke, z.B. Himmlers Rede in Posen diente genau diesem Zweck, also sich regende Menschlichkeit bei seinen Schergen wieder dem ‚höheren‘ Ziel unterzuordnen.

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        Ja, das ist eine interessante Erklärung und Zusammenführung beider „Singularitäten“. Damit bin ich einverstanden.

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        In der Physik werden alle Begriffe als wohldefinierte „termini“ eingesetzt. Sie haben sich völlig zurecht über den hier eingesetzten Begriff der Singularität gewundert. (Seltsamerweise wundern Sie sich bei der Singularität des Holocaust nicht.) Aber auch die anderen Begriffe der Physik sind definiert und dadurch unserem normalen Verständnis entrückt: „Kraft“ oder „Energie“ zum Beispiel. Es hat zwar etwas mit dem üblichen Alltagsverständnis von Kraft und Energie zu tun, aber ein ziemlich abgegrenztes Eigenleben aus Zusammenhängen und Formeln entwickelt. Dasselbe gilt für die Singularität inmitten eines Schwarzen Loches, hier wundert man sich zunächst über den Begriff und entschlüsselt dann seine Metaphorik. So wie Sie es getan haben. Diese Entschlüsselung muss man bei jener Singularität des Holocaust ebenfalls leisten, und dann ist auch alles in Ordnung. Für sich genommen aber deutet der Begriff darauf hin, dass die Singularität nur im Singular existiert und daher sich auch nicht wiederholt (auch nicht in anderen Formen oder Ausmaßen). Auf diese irreführende Wirkung habe ich hingewiesen.

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        Ich bin mir auch noch nicht mal sicher, ob die damaligen Täter (nehmen wir als Beispiel Eichmann) wirklich „durchgeknallt“ (im Sinne einer Affekthandlung) waren, wie RZ schreibt. Ich kann mir vorstellen, dass sie in ihrer Realität durchaus rational gehandelt haben. Eine Realität, in der wissenschaftliche Rassenlehre und Antisemitismus (der als wissenschaftlich begründbare Abwehrhaltung als Begriff eingeführt wurde und positiv besetzt war) seit längerem gerade in gebildeten, rational und reflektiert handelnden Kreisen als nicht hinterfragbare Axiome galten, sozusagen als akademischer Zeitgeist oder ‚framing‘. Auch unter Juden, die deswegen nicht mehr Juden sein wollten. Der Gefühlshaushalt der Täter dürfte also durchaus ausgeglichen gewesen sein, also keinesfalls „durchgeknallt“. Und anders also, als bei der brutalen Niederschlagung des Herero-Aufstandes, die eher der Kriegslogik im Sinne einer Eskalation und Vergeltung folgte. Das Verstörende an dieser Erkenntnis, wenn man sie denn zulässt, ist, dass Rationalität und Reflektiertheit (‚Bildung’) also keineswegs vor solchen ‚Singularitäten‘ zu schützen vermag. Gegenüber diesem anscheinend unkontrollierbaren Abgrund wirkt der Zionismus und die Hochrüstung des Landes Israel nicht nur verständlich, sondern als absolute Notwendigkeit.
        Und dass dieser Abgrund anscheinend tatsächlich intellektuell nicht kontrolliert werden kann, sondern auch bei allen Beteuerungen des Existenzrechts von Israel immer wieder – hier von den Postkolonialisten – relativiert wird, ist doch das Zeichen dafür, dass noch nicht verstanden wurde, warum der Holocaust durchgeführt werden konnte. Und bis dahin kann sich das selbstverständlich wiederholen. Und ich glaube auch nicht, dass die Juden da ein Alleinstellungsmerkmal als Opfer haben.

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        @KJN:

        Doch, ein Alleinstellungsmerkmal haben die Juden (und hätten es wohl liebend gern nicht): Sie sind das einzige Volk, dessen Angehörige über viele Jahrhunderte hinweg, vorwiegend in Europa, immer wieder vollkommen grund- und haltlosen Verfolgungen, Vertreibungen und Massenmorden ausgesetzt war.

        Ich kenne – weltweit – kein Volk, das von sich sagen könnte, eine auch nur entfernt ähnliches Schicksal zu haben.

        Und halten zu Gnaden – der Grund für die Existenz Israels ist nicht (alleine) der Holocaust und dessen denkbare Widerholung, sondern ein viel banalerer – Juden können in KEINEM anderen Staat als einem jüdischen sicher sein, nicht einfach deshalb verfolgt zu werden, weil sie Juden sind …

        Weshalb ich persönlich z.B. Aufforderungen, Israel solle doch einen gemeinsamen Staat mit den Palästinensern bilden, für besonders perfide halte. Es ist eine Aufforderung zum kontrollierten Selbstmord.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

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        Natürlich, lieber Thorsten Haupts, aber wie geschrieben: Der Staat Israel und seine Verteidigung ist eine Notwendigkeit. Nicht nur für Juden, denke ich. Oder anders: Es ist das Minimum.

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    Weltweit haben die Industriestaaten (nicht nur „Westen“, China agiert nicht anders) Freihandelsabkommen mit den Entwicklungsländern geschlossen. Was ideologisch einleuchtend klang, entwickelte sich in Teilen zum Alptraum. Konzerne, bewaffnet mit dem Bruttosozialprodukt der Entwicklungsländer, guten Lobbyverbindungen und den besten Anwälten, klagten diese Länder in Grund und Boden. So setzte zB Phillip Morris gegen Uruguay eine Änderung der Gesundheitspolitik durch. Streitwert 2 Milliarden, mehrere % des BIP dieses Landes. Afrikanischen Staaten geht es nicht anders. Die Vernichtung der Hühnerproduktion ganzer afrikanischer Länder ist wohl das bekannteste Beispiel, hier nochmal ein Link, den Rest kann jeder googeln: https://www.deutschlandfunk.de/huehnchenfleisch-aus-europa-zerstoert-maerkte-in-afrika.697.de.html?dram:article_id=73676
    Der Investorenschutz funktioniert so: Sollte ein Land von seiner Gesetzgebung gebrauch machen und Gesetze zum Verbraucherschutz oder dem Schutz der heimischen Produktion aus sozialen oder ökologischen Gründen in Anspruch nehmen, darf ein betroffener Konzern das Land auf Fantastilliarden verklagen. Das kann Luxemburg nicht beeindrucken, Entwicklungsländer allerdings schon. Selbst ein Vergleich kann die Haushalte dieser Länder ruinieren, weswegen sie häufig genug vor der Klage einknicken. Nicht anders funktioniert auch der europäische Binnenmarkt.
    Ich verstehe nicht die Verbindung mit dem Kolonialismus. Das Verhältnis zwischen Starken und Schwachen und die Meinung des Starken, es sei sein gutes Recht seine Stärke zu nutzen, ist nichts neues. Rom, Chin, Mongolen, Byzanz, Osmanen – die Arroganz der Sieger füllt Bibliotheken. Um eine kontinuierliche Bewirtschaftung des Unterlegegenen zu sichern, wurde eine Rechtsordnung etabliert, die entweder als heilig oder vernünftig betitelt wurde. Insofern stellt sich tatsächlich die Frage, inwieweit der Kolonialismus etwas Neues war und ob eine zivilisatorische Mission tatsächlich stattfand oder ob sie nicht doch eher ein immer auftretendes Nebenprodukt von Kontakten ist. War die Verwestlichung Uschi Obermayers Oberweite (Zivilisation) oder nicht doch der Transistor, der sich wie die Bronzeverarbeitung verbreitete? Beispiel: Im slawischen Polytheismus traten Danbog und Crnobog auf, dualistische Gottheiten. Sie lassen sich auf den Einfluss persisch-zoroastrischer (Sklaven-) Händler zurückführen, mehr als ein Jahrtausend vor dem Zeitalter der Kolonisation. Die japanische Schrift entspringt den chinesischen Schriftzeichen der Händler usw. Handel, Austausch, bringt Vorteile, verbreitet Kultur, keine Frage. Genozide werden tatsächlich weltweit seit Jahrtausenden dokumentiert. Insofern stellt sich für mich (lernfähig) der Kolonialismus als nichts neues dar, eher ein alter Wein in europäischen Schläuchen. Die Theorien des Kolonialismus stricken an der Legende, das Motiv der Kolonialisten sei ein anderes (gar höheres) als das der persischen Sklavenhändler, einfach weiter. Und sie drehen ihn vom Positiven ins Negative. Waren die Kolonisierten vorher die Wilden, die zivilisiert werden sollten, ist es nun die Zivilisation, die etwas Natürliches verschmutzt hat und das Leid nicht sinnlos, sondern ein Modell für die Menschheit war. Der Besiegte siegt durch die Niederlage. Auch nichts neues, an diesen Gedanken wärmt sich Serbien seit 1389. Sollten dies die Gedanken sein, sind sie in beiden Richtungen nicht haltbar. Das hätte dann Konsequenzen, nämlich das dem Verhältnis von Stark und Schwach tatsächlich universelle Gültigkeit zu Grunde liegt, mithin sowohl die edlen Motive der Kolonialisten als auch die Erfahrungen der Kolonisierten lediglich eine Erzählung in der langen der Menschheitsgeschichte sind. Wer ist schon gerne nur ein Kapitel? Versucht man meiner angewandten Banalisierung zu entgehen, scheitern man eben schon am Nachbarkapitel Holocaust, oder man kann eben nicht erklären, warum Dinge, die ihren Ursprung im Leid haben sollen (und somit im Sieg des Besiegten in seiner Funktion als Opferlamm), auf allen Kontinenten zu allen Zeitaltern auftauchen. Tatsächlich macht es mehr Sinn, die Banalität der Macht als universell anzunehmen und die spezifischen Erfahrungen genau als solche zu nehmen. Das macht Umdenken und Bewusstsein schaffen, gar revolutionäre Veränderungen, natürlich unendlich schwerer. Nach dem Spiel ist halt immer noch vor dem Spiel.

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      Wenn es stimmen würde, was Sie sagen, lieber Stevanovic, und ich bin bekanntlich in Vielem anderer Meinung, dann wäre die Singularität des Holocausts belegt. Denn er passt nicht in Ihr Schema, ja eben in kein historisches Schema. Das verkennen die Postkolonialen. Darum geht es.

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        Ja, klar, volle Zustimmung. Der Holocaust diente weder der Bewirtschaftung der Unterworfenen, noch dem Platz machen für eine Bewirtschaftung durch Kolonisten, auch nicht einer zivilisatorischen Umerziehung. Der Tod von Juden durch Zwangsarbeit war eine kriegsbedingt pragmatische Lösung des Tötens, aber nicht das Motiv. Slawen sollten in einer pax germania bewirtschaftet werden, Juden sollten ohne wirtschaftlichen Nutzen einfach verschwinden, ihre Verwertung hier und da war der Not geschuldet und widersprach der Ideologie. Kein Motiv der Täter des Holocaust ähnelte dem Motiv der Leute, die in einer Nussschale über Meere schipperten. Imperien wollen Untertanen, dafür expandieren sie. Kolonisten wollten Sklaven. Die Gemeinsamkeit ist der verbreitete Massenmord, aber da sind wir auch wieder auf einer vollkommen banalen Ebene, ohne Erkenntnisgewinn. Cäsar in Gallien, Serben in Srebrenica, Deutsche in Namibia, Mongolen in Bagdad, die aztekischen Opferkulte usw – Genozide erfüllen einen ekligen, aber rationalen Zweck, bis zu den ältesten Schriften. Der Holocaust nicht. Deswegen macht die Brücke zum Kolonialismus auch keinen Sinn und kann auch nicht mit another fuckery (dem Verhältnis von Stark und Schwach), für den ich den Kolonialismus, die Kulturrevolution oder den Holodomor halte, erklärt werden.

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        „Wenn man bei der Diskussion aber spezifisch europäische Erfahrungen als allgemein voraussetzt und ignoriert, dass die so Kritisierten von einem anderen Horizont her argumentieren, perpetuiert man die Kolonialität und macht die eigentlich nötige Debatte unmöglich.“
        Den Unterschied kann man vielleicht am besten Anhand der kroatischen Ustasa beschreiben. Das waren Faschisten (die in Bleiburg bekommen haben, was sie verdienen – ich gebe zu, der Standpunkt ist angreifbar und ich bin parteiisch), aber keine Nazi-Ideologen. Das Ziel war 1/3 der Serben zu vertreiben, 1/3 zu Kroaten zu machen und 1/3 totzuschlagen und somit die Serben als Volk westlich der Drina zu vernichten. Mehr Land, mehr Köpfe, Größe etc. Das wäre für einen Nazi schlicht undenkbar, einen Juden davonkommen zu lassen oder gar zu einem Arier zu machen. Das wurde aber durchaus mit polnischen Kindern gemacht. Germanisierung war möglich, sofern man kein Jude war. Es war auch kein kolonialer Rassismus, weil der Sklave als nützlich Ding ja seinen Nutzen hatte. Der Jude als Rasse war eine existenzielle Bedrohung, sobald er atmete, wo auch immer und wie auch immer er irgendwo war. Der Gedanke war neu. Wenn sich italienische Faschisten die Gleichsetzung mit Nazis verbieten, haben sie zum Teil ja sogar Recht. Das ist nicht die Perpetuierung eines kolonialen Verhältnisses gegenüber einer anderen Sichtweise. Das wird über Partei- und Völkergrenzen so berichtet, von Partisanen und Ustasa bis zu italienischen Faschisten, glaubt man schon den Schriften der Nazis nicht. In der Frage geht es nicht um Horizonte.

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      „… entwickelte sich in Teilen zum Alptraum.“

      Und wieder geben das im grossen und ganzen die Statistiken nicht her. Im Gegenteil – der globale Kapitalismus war bisher auch für die Entwicklungsländer ein Erfolgsmodell, ablesbar an Kennziffern wie % in absoluter Armut, Kindersterblichkeit, durchschnittliche Lebenserwartung etc.

      Ich finde es mehr als seltsam, dass ausgerechnet das einzige bisher durchgehende erfolgreiche Rezept zur Elendsbekämpfung immer schlecht geredet wird. Alle mir vorliegenden Zahlen besagen das Gegenteil, was nur dann nicht gilt, wenn man Hütten-/Kleinbauern-/edler Wilden-Romantik nachhängt.

      Dass auch Schattenseiten damit verbunden sind ist kein Widerspruch. There aint no such thing as a free lunch …

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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      @Stevanovic Nur kurz zu Uruguay: Da schreiben Sie Humbug, wohl fehlinformiert durch irgendwelche Internetdreckschleudern. Uruguay ist kein Entwicklungsland. In der Hauptstadt Montevideo haben Sie auf allen öffentlichen Plätzen kostenloses und schnelles Wlan, Sie können bis zu 10 Gramm Cannabis in der Woche legal in der Apotheke ohne Rezept erwerben und Sie konnten schon mit E-Scootern die endlosen Uferpromenaden entlang flitzen, als die Deutschen noch nichts über die Existenz dieser Elektrokleinstfahrzeuge wussten (sind die in D bereits eingeführt oder wird noch debattiert?). Anders als die Nachbarn Argentinien und Brasilien kommt der Staat sehr gut durch die Coronakrise.
      Philip Morris setzte in Uruguay gar nichts durch – schon gar nicht eine „Änderung der Gesundheitspolitik“ – und verlor übrigens den erwähnten Prozess.

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        Danke für die Klarstellung, lieber Ben Frick. Ja, wir haben (leider) auch hierzulande mittlerweile Electroscooter.

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      Damit niemand denkt, das wäre meine Meinung? Wer mich so schlecht kennt, verdient keine Rettung durch Interpunktion.

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      D. M.; Welches historische Ereignis ist eigentlich nicht singulär?

      … oh, nicht singulär? … das geht ganz fix; das ist DAS immer selbe Ziel sozialistischer Ideologen – Völkermord. Weil, die können mit Vaterland nix anfangen. Der Grünen-Politiker Mao-Kommunismus-Verehrer Robert Habeck zum Beispiel; ‚Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.‘

      Die Mörder sind unter uns, werter Münsteraner – schon immerdar. Tagtäglich. Man muss nur die Augen öffnen.

      … oder wenn ich an Julia Schramm, Ex-Redakteurin für die Stasi-Kahane-Amadeu-‚Stiftung‘, vom Bundesfamilienministerium, Manuela Schwesig, SPD, [sic!] finanziert, denke:

      ‚Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer Frei‘
      ‚Bomber-Harris Flächenbrand – Deutschland wieder Ackerland‘
      ‚Deutschland ist eine Idee. Deutschland darf getötet werden‘

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      „Welches historische Ereignis ist eigentlich nicht singulär?“

      Ich denke, das ist doch in vielen Beiträgen hier herausgearbeitet worden.
      Die Geschichte ist voll von Verbrechen, aber es gibt immer ein auch für Außenstehende nachvollziehbares Motiv. Massenmord um Beute zu mache, um nutzbares Land zu entvölkern oder um tatsächliche oder auch nur eingebildete Gegner zu schwächen etc..
      Die Morde waren ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen.
      Beim Holocaust waren die Morde das Ziel.
      Es wurden mitten im Krieg Ressourcen vergeudet, die man eigentlich zur Kriegsführung gebraucht hätte.
      Und das ist wirklich einmalig in der Weltgeschichte.

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    Wenn ich es recht verstanden habe, so wirft Herr Michaels unterschwellig einigen Deutschen vor, sie würden alle Untaten der Weltgeschichte ranken und sich im Sünden- und Büßerstolz auf den ersten Platz setzen; sich gewissermaßen als die allerschlimmsten aber eben zugleich auch als die allerreuigsten weltgeschichtlichen Akteure loben. Damit erklärt er diese Menschen zu dumpfdeutschen Büßerpatrioten, die er offenbar für unfähig hält, Leid außerhalb der Jahre 1933 – 1945 und außerhalb Europas zu erkennen, zu würdigen.
    Demgegenüber erforschen er und seine internationale Vergleichstruppe natürlich nur vorurteilsfrei die schrecklichen Phänomene der ganzen Welt.
    International operierende Forscher versus dumpfdeutsch fokussierte Buße. Darauf hat man sich offenbar geeinigt. Ich habe lange gebraucht, um diese Koordinaten, die absurd sind wie sonst kaum etwas, zu knacken.

    Gut, dass Sie genau hierauf hinweisen. Niemand hat je die Verbrechen gerankt, niemand hat Hitlisten erstellt. Aber das besondere des Verbrechens rein aus dem Geist der Ideologie ist klar zu stellen.

    Womit die entscheidende Frage auftaucht: Warum wird es (das Ranking) so hartnäckig behauptet, so laut denjenigen unterstellt, die das Erinnern an den Holocaust wachhalten wollen? Weil ein solches Ranking so leicht zu widerlegen ist? Weil man schnell demjenigen, der das Ungeheuerliche, das so noch nie Dagewesene des Holocaust betont, „nachweisen“ kann, dass er ebenso ungeheuerliche Verbrechen „vergisst“? Und was will man mit so einem „Nachweis“ erreichen? Was erreicht man de facto damit?
    Nun, doch wohl das eine: Der, der erinnern möchte, ist eigentlich ein Schweiger, ein Verdränger so vieler Dinge. Und nur weil er so viele Dinge verdrängen will, erinnert er unentwegt an das eine Verbrechen. Damit ist der- und diejenige, der/die erinnert, der eigentliche Nazi. Klarowahro!
    Gab es je eine perfidere Dekonstruktion des Aufklärungswillens?

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    „Bornierte Geschichtsunkenntnis“ war mein erster Gedanke, als ich vor Jahren erstmalig mit den politischen Essays über Postkolonialismus und critcal whiteness – als „Studien“ getarnt – bekannt gemacht wurde (ich folgte den Kulturkämpfen auf twitter in den Nachwehen von gamergate). An dem Urteil habe ich seitdem nichts zurückzunehmen, es war eher noch zu milde.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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