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Bruce Gilley und die AfD

Jeder kennt die Szene aus „Leben des Brian“, wo die „Volksfront von Judäa“ (VVJ – nicht zu verwechseln mit der „Judäischen Volksfront“ oder der „Volksfront zur Befreiung Judäas“) einen Anschlag auf die römischen Imperialisten plant:

„Sie haben uns weiß geblutet, die Schweine“, sagt ihr Anführer. „Was haben sie je als Gegenleistung erbracht, frage ich?“ Da hagelt es aus den Reihen der Revolutionäre Antworten: Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen, Straßen, medizinische Versorgung, öffentliche Bäder, Schulen, Sicherheit und Ordnung, Frieden.

Natürlich ging es den Komikern von Monty Python nicht um die Römer. Mit dieser Szene sprachen sie 1979 aus, was im postkolonialen Großbritannien nicht mehr gesagt werden durfte: Das Empire war ein zivilisatorisches Unterfangen. Ob heute, vierzig Jahre später, ein solcher Film gedreht werden könnte, darf man bezweifeln.

Als nämlich die Zeitschrift „Third World Quarterly“ 2017 einen Aufsatz veröffentlichte, in dem der amerikanische Gelehrte Bruce Gilley 2017 – wie Monty Python – fragte, ob der Kolonialismus zumindest in seiner späten Phase ab 1850 nicht auch viele Vorteile für die kolonisierten Völker gebracht habe, erhielten die Herausgeber Todesdrohungen, die sie so ernst nahmen, dass sie Gilleys Essay zurückzogen.

Die AfD lädt den Apologeten des Kolonialismus ein

Ein gefundenes Fressen für die AfD, die sich neuerdings als „Partei der Meinungsfreiheit“ positioniert und zugleich der Ansicht ist, die Deutschen müssten endlich lernen, sich von ihrem schlechten Gewissen in Sachen Vergangenheit zu befreien, um sich gegen Masseneinwanderung und überzogene Forderungen der armen Länder zu wehren. So lud die Bundestagsfraktion der Partei Gilley ein, einen Vortrag über den deutschen Kolonialismus zu halten.

Draußen vor dem Reichstag demonstrierten „schwarze Berliner und ihre weißen Unterstützer“ – genauer: etwa 50 weiße und zwei oder drei schwarze Menschen – gegen Gilley: „Wir lassen uns nicht von einem Amerikaner sagen, wie wir mit unserer Vergangenheit umgehen!“ ruft eine ältere Dame.

Im Fraktionssaal der AfD sind ebenfalls etwa 50 Menschen versammelt, bis auf etwa fünf Pressevertreter alles Parteifunktionäre. Die Dominanz weißer Gesichter ist noch ausgeprägter als bei den Antiimperialisten: außer dem AFD Funktionär Achille Demagbo sitzt kein „schwarzer Deutscher“ im Saal. Und anders als draußen sind im fensterlosen Fraktionssaal bis auf acht (darunter zwei Medienvertreterinnen) alle Anwesenden männlich.

Gilley – ein schmächtiger Mann, der im rosafarbenen Blazer ein wenig an David Bowie erinnert – findet in den deutschen Kolonien Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Samoa und Tsingtao viel Lobenswertes: Gesetz und Ordnung, Gesundheitsfürsorge, Entwicklung der Wirtschaft.

Merkwürdige Rechnung

Dass die Deutschen in ihrer relativ kurzen Karriere als Imperialisten gleich zwei Aufstände – die der Herero in Deutsch-Südwest und den Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika – provozierten und mit deutscher Gründlichkeit – niederschlugen, tut Gilley mit dem Hinweis ab, gemessen an der Kennziffer „Menschenjahre“ (Anzahl der betroffenen Menschen mal Jahre der deutschen Kolonialpräsenz) mache Deutsch-Südwest nur zwei Prozent aus. „Es kann also sein, dass Deutschland bei zwei Prozent ihrer Kolonialbevölkerung elendiglich versagt hat, aber bei den anderen 98 Prozent einen Spitzenjob gemacht hat. Was würde dies für unser Resümee bezüglich der deutschen Kolonialgeschichte bedeuten?“

Eine merkwürdige Rechnung. Die Juden machten 1933 0,9 Prozent der deutschen Bevölkerung aus, die sich größtenteils unter den Nazis sehr wohl fühlte. Was sagt also die Judenverfolgung über das Dritte Reich aus? Unendlich viel.

Trotz solcher Merkwürdigkeiten bleiben Gilleys Forschungen bedenkenswert. Genauso wichtig wie die historischen Fakten ist für Gilley deren Rezeption, die Historiographie des deutschen Kolonialismus.

Vom Nutzen des Antiimperialismus

„Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Gegenwart. Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Zukunft“, verkündet das Ministerium der Wahrheit in George Orwells „1984“. Die Erzählung vom Kolonialismus als dem Bösen schlechthin erlaubt es allen möglichen politischen Akteuren ihre Agenden zu begründen, von korrupten afrikanischen Tyrannen, die das Leid ihrer Völker auf den Kolonialismus schieben, über Dschihadisten und Israelhasser, die den jüdischen Staat als angeblich koloniales Gebilde kritisieren, Aktivisten, die eine Rückgabe von Museumsobjekten und ein „Dekolonisierung der Stadt“ durch Straßenumbenennungen fordern bis hin zu Akademikern, die für sich Lehrstühle für „postkoloniale Studien“ reklamieren.

Der einflussreichste Historiker des deutschen Kolonialismus, Jürgen Zimmerer, zog sogar eine Linie „von Windhoek nach Auschwitz“, also vom Genozid an den Herero zum Genozid an den europäischen Juden. Damit wäre die Frage nach den guten Seiten des deutschen Kolonialismus genauso tabuisiert wie die Bemerkung, Hitler habe schließlich die Autobahnen gebaut. In einem vorab gesendeten Rundfunkkommentar zur geplanten Afd-Veranstaltung höhnte denn auch Ulrich Biermann im WDR, man dürfe gespannt sein auf künftige Vorträge, in denen es etwa heiße, mit Adolf Eichmanns Kursbuch seien deutsche Züge überall in Europa pünktlich angekommen. Holocaust-Relativierung als AfD-Kritik: Das Niveau ist bezeichnend.

Tatsächlich weist Gilley nach, dass der „Antiimperialismus“ in der Weimarer Republik die Feinde der Demokratie einte: Kommunisten und Nationalsozialisten. Beide wollten die kolonialen Völker als Verbündete gegen die liberalen Westmächte gewinnen. Natürlich war deren Antiimperialismus nur vorgetäuscht. Die von Briten, Franzosen und Deutschen Anfang des 20. Jahrhunderts verkündete und zum Teil jedenfalls praktizierte Politik, die Kolonien auf die Unabhängigkeit vorzubereiten, war den Nazis völlig fremd. Es führt kein Weg von Windhoek nach Auschwitz, wohl aber ein Weg vom Antiimperialismus zum Gulag.

Für einen liberalen Internationalismus – gegen die AfD

Die anschließende Diskussion machte klar, wie schade es ist, dass Gilley vom Juste Milieu ausgegrenzt wird. Denn mit der AfD, die ihn instrumentalisiert, haben seine Positionen wenig zu tun. Deutschland müsse sein Erbe eines „liberalen Internationalismus“ wieder antreten, rief er im Fraktionssaal aus, während die antiglobalistischen und antiliberalen AfDler ein wenig betreten dreinblickten.

Deutschland müsse nicht nur in Afrika investieren, sondern auch seine Märkte öffnen und junge Leute aus aller Welt einladen, um sie hier auszubilden, so Gilley. So mancher Parlamentarier sah dabei verstohlen herüber zum entwicklungspolitischen Sprecher Markus Frohnmaier, der zusammen mit dem außenpolitischen Sprecher Petr Bystrom die Veranstaltung organisiert hatte. So war die Einladung ja nicht gemeint gewesen.

Mit Gilleys positiver Konnotierung des Kolonialismus als einer Art Entwicklungspaternalismus kann die AfD ebenso wenig anfangen wie mit seiner harschen Kritik an China, Russland und Syriens Diktator Assad und seiner Behauptung, die humanitären Interventionen im Irak und Libyen würden sich langfristig für deren Bevölkerungen und für den Westen als vorteilhaft erweisen. Mit seiner Befürwortung des Demokratieexports steht Gilley den amerikanischen Neocons näher als den „Souveränisten“ der AfD.

Aus Gilleys Argumenten ergibt sich nämlich der moralische Imperativ eines beherzten Eingreifens zugunsten von Entwicklung und Menschenrechten im Namen einer globalen liberalen Zivilisation, die von linken „Antiimperialisten“ und rechten „Identitären“ – wie früher von Kommunisten und Nationalsozialisten – abgelehnt wird. Nicht zufällig schwenken die Demonstranten in Hong Kong, die gegen die Pekinger Diktatur aufbegehren, die Fahne der ehemaligen Kolonialmacht. Auch als Vorwurf an ihre gegenwärtige Tatenlosigkeit. Gilley gehört nicht in den leicht muffigen Fraktionssaal der AfD. Er gehört ins Plenum.    

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55 Gedanken zu “Bruce Gilley und die AfD;”

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      Matthäus 2: Da sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des HERRN dem Joseph im Traum und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir und flieh nach Ägyptenland und bleib allda, bis ich dir sage; denn es ist vorhanden, dass Herodes das Kindlein suche, dasselbe umzubringen. Und er stand auf und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich bei der Nacht und entwich nach Ägyptenland. An der Grenze aber wartete eine große Menge und demonstrierte gegen die Fremden, so dass die Behörden Angst bekamen und Joseph, Maria und das Kind in Abschiebehaft nahmen und zurück zu Herodes schickten. Und deshalb gibt es heute kein Christentum.

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        … *rofl*, das Alanevangelium aus 2012.

        Tatsächlich war die die Heilige Familie nach ein paar Wochen wieder daheim. Und ob Merkels Millionen Männer aus Afrika und Nah-Ost [sic!] zur Volkszählung nach Europa und Deutschland kommen … puuuh … aber das hatten wir schon, das Menschen-Expriment. Das ist Völkermord.

        Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes enthält eine Definition von Völkermord; Nach Artikel II versteht man darunter, die an einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe begangenen Handlungen:

        Tötung von Mitgliedern der Gruppe;

        Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;

        vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;

        Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;

        gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

        Diese Handlungen müssen in der Absicht begangen werden, die Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.

        Es macht sich also schon jemand des Völkermordes schuldig, der lediglich beabsichtigt, also den Vorsatz hat, eine Menschengruppe zu vernichten. Ist eine der Taten von Artikel II a bis e der Konvention tatsächlich durchgeführt worden in Vernichtungsabsicht, dann ist es unerheblich, ob oder wie viele Mitglieder der Gruppe wirklich vernichtet worden sind. Letztendlich braucht man für die Strafbarkeit das ‚Ziel‘ nicht erreicht zu haben.

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    @Ben Frick ./. Alan Posener ./. KJN
    Alan Posener: ‚Ich weiß nicht, woran die Identitären interessiert sind, lieber KJN.‘

    … ich helfe, an das GG, zum Beispiel; … das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluß vom Zweiten Senat am 21.10.1987 – 2 BvR 373/83 – u.a. zu ‘Identität’ und ‘Völkerrecht’

    ‘Der Parlamentarische Rat hat das Grundgesetz nicht als Akt der Neugründung eines Staates verstanden; er wollte “dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung” geben, bis die “Einheit und Freiheit Deutschlands” in freier Selbstbestimmung vollendet sei.

    Es war die politische Grundentscheidung des Parlamentarischen Rates, nicht einen neuen (“westdeutschen”) Staat zu errichten, sondern das Grundgesetz als Reorganisation eines Teilbereichs des deutschen Staates — seiner Staatsgewalt, seines Staatsgebiets, seines Staatsvolkes — zu begreifen. Dieses Verständnis der politischen und geschichtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland liegt dem Grundgesetz zugrunde.

    Aus dem Wahrungsgebot folgt insbesondere die verfassungsrechtliche Pflicht, die Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten. Diese Pflicht ist nicht statisch auf den Kreis derjenigen Personen begrenzt, die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes deutsche Staatsangehörige waren, und auf jene, die später zufolge des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und noch erwerben werden.

    Die im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes enthaltene Wahrungspflicht gebietet es auch, die Einheit des deutschen Volkes als des Trägers des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts nach Möglichkeit zukunftsgerichtet auf Dauer zu bewahren.’

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    @Ben Frick ./. Alan Posener

    … das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluß vom Zweiten Senat am 21.10.1987 – 2 BvR 373/83 – u.a. zu ‚Identität‘ und ‚Völkerrecht‘

    ‚Der Parlamentarische Rat hat das Grundgesetz nicht als Akt der Neugründung eines Staates verstanden; er wollte „dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung“ geben, bis die „Einheit und Freiheit Deutschlands“ in freier Selbstbestimmung vollendet sei.

    Es war die politische Grundentscheidung des Parlamentarischen Rates, nicht einen neuen („westdeutschen“) Staat zu errichten, sondern das Grundgesetz als Reorganisation eines Teilbereichs des deutschen Staates — seiner Staatsgewalt, seines Staatsgebiets, seines Staatsvolkes — zu begreifen. Dieses Verständnis der politischen und geschichtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland liegt dem Grundgesetz zugrunde.

    Aus dem Wahrungsgebot folgt insbesondere die verfassungsrechtliche Pflicht, die Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten. Diese Pflicht ist nicht statisch auf den Kreis derjenigen Personen begrenzt, die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes deutsche Staatsangehörige waren, und auf jene, die später zufolge des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und noch erwerben werden.

    Die im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes enthaltene Wahrungspflicht gebietet es auch, die Einheit des deutschen Volkes als des Trägers des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts nach Möglichkeit zukunftsgerichtet auf Dauer zu bewahren.‘

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        APo: ‚Und?‘

        … genau, Alan Posener, – ‚Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.‘ Horst Seehofer als Bayerischer Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU am 20. Mai 2010.

        Quid est veritas? oder Quis ut Deus?

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      Sie müssen schon richtig zitieren, blonderhans, um die Inhalte richtig darzustellen. Ihr Zitat entstammt den Randziffern 34 und 35 des besagten Urteils. Es wird etwas klarer, was unter Wahrungsgebot und Identität zu verstehen ist, wenn man auch die Passagen hinzuzieht, die Sie nicht zitiert haben: Randziffer 33:
      Der Senat hat aus dem Wiedervereinigungsgebot neben der Pflicht der Verfassungsorgane, „in ihrer Politik auf die Erreichung dieses Zieles hinzuwirken“, auch ein Wahrungsgebot abgeleitet, nämlich „alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung vereiteln würde“ (BVerfGE 36, 1 [18]). Dieses für den Bereich des in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Staatsangehörigkeitsrechts in Art. 116 Abs. 1, 16 Abs. 1 GG von der Verfassung selbst konkretisierte Wahrungsgebot hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall verkannt.
      Randziffer 34, (ein Teil, den Sie ausgelassen haben): „Das Festhalten an der deutschen Staatsangehörigkeit in Art. 116 Abs. 1, 16 Abs. 1 GG und damit an der bisherigen Identität des Staatsvolkes des deutschen Staates ist normativer Ausdruck dieses Verständnisses und dieser Grundentscheidung.“
      Das besagt nichts anderes, als daß das BVerG nach wie vor davon ausgeht, daß weder das Deutsche Reich als gesamtdeutscher Staat noch das deutsche Volk als Gesamtheit aller Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit aufgehört haben zu existieren; vielmehr ist die Bundesrepublik identisch mit dem gesamtdeutschen Staat, und das deutsche Volk entsprechend nicht aufgeteilt in Deutsche und DDR-Bürger, sondern als Völkerrechtssubjekt identisch mit dem Staatsvolk des gesamtdeutschen Staats.
      Das>/b> ist unter dem von Ihnen so deutlich markierten Begriff der Identität in diesem Urteil zu verstehen, nichts anderes.

      1. avatar

        @Opa

        … und? … was ändert Ihre Einlassung an ‚die verfassungsrechtliche Pflicht, die Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten?‘ … ich auch habe nix ausgelassen. Ich habe aus einer von mir angegeben Quelle, ein Urteil, korrekt zitiert. Jede/r kann das Urteil in Gänze lesen.

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        Was es ändert, blonderhans? – Im Prinzip nichts.
        Nur ist (a) das Urteil von der Realität überholt worden und (b) haben Sie den Begriff der Identität offensichtlich nicht verstanden. Der ist nämlich dahingehend zu verstehen, daß das deutsche Staatsvolk von 1987 identisch mit dem von – sagen wir: – 1897 ist. Was bedeutet, daß die Gesamtheit der DDR-Bürger kein eigenes Staatsvolk darstelle (wie etwa die Gesamtheit der Staatsbüger der Republik Österreich), sondern Teil des (gesamt-)deutschen Staatsvolks sei. Das Wahrungsgebot besagt nichts anderes, als daß es der Politik verboten sei, die Gesamtheit der Bürger der DDR als eigenes Volk anzusehen, solange es sich nicht in freien Wahlen als solches konstituiert habe. Mit der deutschen Einheit ist dies obsolet geworde und rückte erst dann wieder auf die Tagesordnung, falls ein Bundesland aus der Bundesrepublik austreten und sich als eigener Staat konstituieren wollen sollte.
        Insbesondere ist unter dem Begriff der Identität also nicht zu verstehen, daß das deutsche Staatsvolk eine Identität im Sinne von Persönlichkeit habe.

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        … so ist es Opa, in ‚freien Wahlen als solches konstituiert.‘ … und nicht wie beispielsweise VdL zur Präsidentin der ‚Europäischen‘ Kommission bestimmt oder die scheindemokratische ‚Listenwahlen‘ der ‚BRD‘ zum Bundestag ablaufen, sondern genau wie Carlo Schmid es 1948 forderte:

        ‘Die künftige Vollverfassung Deutschlands darf nicht durch Abänderung des Grundgesetzes dieses Staatsfragments entstehen müssen, sondern muss originär entstehen können. Aber das setzt voraus, dass das Grundgesetz eine Bestimmung enthält, wonach es automatisch außer Kraft tritt, wenn ein bestimmtes Ereignis eintreten wird. Nun, ich glaube, über diesen Zeitpunkt kann kein Zweifel bestehen:

        an dem Tage, an dem eine vom deutschen Volke in freier Selbstbestimmung

        beschlossene Verfassung in Kraft tritt.’

        DAS IST VÖLKERRECHT.

        @B.F.

        … werter B.F., ich sorge mich nicht. DAHER! … Soldat Christi – das gefällt mir.

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        @Derblondehans
        „ich sorge mich nicht. DAHER! … Soldat Christi – das gefällt mir.“
        Das ahnte ich. Auch, dass Sie sich lieber mit halluzinierten Wölfen von ostdeutschen Mängeln ablenken.
        Der „miles Christianus“ oder „milites Christi“ ist nicht meine Idee, sondern eine Allegorie basierend auf den militärischen Metaphern des Neuen Testaments und einigen Passagen des Alten Testaments.
        Es schadet nicht, die Bibel und die von Ihnen erwähnten Sapientiae christianae vom 10.1.1890 Ihres Oberhirten aus Rom nochmals aufmerksam zu lesen und die römisch-katholische Konfession mit deutscher VOLKsauffassung in Einklang zu bringen.

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        B.F: ‚Es schadet nicht, die Bibel und die von Ihnen erwähnten Sapientiae christianae vom 10.1.1890 Ihres Oberhirten aus Rom nochmals aufmerksam zu lesen und die römisch-katholische Konfession mit deutscher VOLKsauffassung in Einklang zu bringen.‘

        … ich wüsste nicht, was ich, mit Ihren Projektionen, insbesondere die von Ihnen behaupteten ‚ostdeutschen Mängel‘ – was immer Sie damit meinen – und dem was ich geschrieben habe, in ‚Einklang‘ bringen könnte. Sie verwirren mich.

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    Sehr geehrter Herr Posener

    „Tatsächlich weist Gilley nach, dass der „Antiimperialismus“ in der Weimarer Republik die Feinde der Demokratie einte“

    Dieses Zitat finde ich gelinde gesagt sehr mutig, denn Personen wie Max Weber (wichtiger deutscher Soziologe) als Gründungsmitglied der zum damaligen Zeitpunkt linksliberalen „Deutschen Demokratischen Partei“ und auch wichtige Teile der SPD in der Weimarer Republik waren Antiimperialisten, somit müssten diese Personenkreise Antidemokraten gewesen sein? Diese Menschen haben jedoch die Demokratie in der Weimarer Republik mit allen ihnen möglichen Mitteln verteidigt.

    Des Weiteren hatte der „liberale Internationalismus“ von Woodrow Wilson recht wenig mit dem Imperialismus bspw. Deutschlands, Frankreichs und Großbritannien zu tun gehabt. So sprachen sich Lenin und Wilson in einer Form des „doppelten Internationalismus“ zunächst für die Volkssouveränität aller Länder aus, was dem Imperialismus widerspricht. Dies änderte sich erst später, da Wilson hier nur noch „europäischen“ Ländern diese Souveränität zugestehen wollte.

    Meiner Meinung nach wird ein aufgeklärter Internationalismus, wie ihn hier Herr Gilley einfordert, bspw. in Form eines gemeinsamen internationalen Plans für den Umgang mit dem Klimawandel benötigt, jedoch ohne imperialistische Hintergedanken, sondern auf einer gleichen Augenhöhe, die unter (Vertrags-)Partnern erforderlich ist.

    Mit freundlichen Grüßen
    Matthias Spies

    1. avatar

      Lieber Herr Spies, wenn ich schreibe, dass „der ‚Antiimperialismus‘ in der Weimarer Republik die Feinde der Demokratie einte“, so heißt das rein logisch nicht im Umkehrschluss, dass alle Antiimperialisten Feinde der Demokratie gewesen wären. Ich habe auf die Schnelle nicht nachprüfen können, ob Ihre Behauptung, Max Weber sei Antiimperialist gewesen, nicht auch „sehr mutig“ zu nennen wäre. Auf jeden Fall sehen es die Genoss*innen von „Freiburg postkolonial“ anders als Sie:

      http://www.freiburg-postkoloni.....xweber.htm

      Das Wirken Lenins und Wilsons 1918ff halte ich für katastrophal. Meine Abneigung gegen Lenin muss ich hoffentlich nicht begründen; die gegen Wilson teile ich mit so erlauchten Zeitgenossen wie John Maynard Keynes, dessen Buch über Versailles Pflichtlektüre sein müsste für jeden, der sich mit dem so genannten Selbstbestimmungsrecht der Völker beschäftigt, und mit Sigmund Freud, der Wilson für psychisch schwer gestört hielt und ihm eine „psychoanalytische Studie“ widmete.
      Wie Sie „auf Augenhöhe“ mit jener Bande korrupter Ausbeuter verhandeln wollen, die gegenwärtig fast überall in Afrika ihre Völker „ver- und zertreten“, weiß ich nicht, von der fast noch schlimmeren Verbrecherbande, die von Teheran über Bagdad und Damaskus bis Beirut regieren, ganz zu schweigen. Aber bitte, vielleicht haben Sie eine Idee. Wie sangen die Beatles: „We’d all love to see the plan.“

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        Lieber Herr Posener,

        1. Zu der Imperialismustheorie von Herrn Weber empfehle ich Wolfgang J. Mommsen (1987): Imperialismustheorien: ein Überblick über die neueren Imperialismusinterpretationen (https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00051653_00021.html)

        2. Wir müssen anerkennen, dass das Einschreiten der USA unter Wilson, den ersten Weltkrieg erheblich verkürzte. Das sich die USA bei den Verhandlungen von Versailles stark zurückzog, weshalb auch der 14-Punkte-Plan von Wilson nicht zur Geltung kam und sich viel mehr auf die südamerikanischen Unternehmungen konzentriert wurde, war natürlich ein großer Fehler. Dieser vergrößerte sich vor Allem durch das Gebahren der USA bezüglich der Kriegskredite.

        3. Ich möchte mich nicht so verstanden wissen, dass ich Lenins Politik gut hieße. Jedoch war es gut, dass die Geheimakten der Allierten über die Verteilung des „Kriegsgewinns“ offengelegt wurden und er den Ansatz machte, dass die Kriegskosten nicht einseitig von den Verlierern des Krieges zu zahlen seien, was die junge Demokratie Deutschlands in Schwierigkeiten brachte und nach dem „Schwarzen Freitag“ in den USA auch scheitern ließ.

        4. Über den Geisteszustand von Politikern der Vergangenheit oder der Gegenwart sollten wir keiner Ferndiagnose besonderen Wert zumessen, auch nicht einer Ferndiagnose von Sigmund Freud. Für die Psychotherapie ist häufig ein näherer Kontakt und Gespräche mit Patienten und Patientinnen notwendig.
        Das Woodrow Wison an einem Schlaganfall und dahingehend einer Lähmung litt, was ihn eigentlich auch handlungsunfähig machte, scheint hier jedoch ebenfalls anzumerken.

        5. Die UN bietet zur Zeit Gelegenheiten und Foren sich auszutauschen. Diese werden politisch zur Zeit auch genutzt.

        6. Internationale Solidarität mit Emanzipationsbewegungen finde ich keine total abzulehnende Idee. Sie etwa?

        7. Wir können nicht generell ablehnen mit Diktaturen zu reden und gewisse Verträge zu schließen. Siehe hierzu die Besuche der Bundeskanzlerin in bspw. der Volksrepublik China.

        8. Wir können auch nicht gegen jede Diktatur der Erde Krieg führen, falls sie uns nicht passt.

        „Liebe ist schön. Realismus muss aber Strategie der Politik sein, um etwas verbessern zu können.“

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        1. Danke für den Hinweis. Ich werde das Buch lesen.
        2. Ich kritisiere nicht Wilsons Eintritt in den Weltkrieg. (Eher, dass er so spät erfolgte. Ein früheres Eingreifen hätte Millionen Menschen das Leben gerettet und vielleicht die bolschewistische Revolution verhindert.) Ich kritisiere, dass Wilson ein „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ verkündete, das allein dazu diente, das Habsburgerreich zu zerlegen (und damit den Hauptschuldigen am Krieg, den Serben, das gab, was sie mit dem Terrorakt von Sarajewo erzielen wollten). Österreich-Ungarn aber war eine große zivilisatorische Errungenschaft. Den Österreichern verweigerte man zu Unrecht das Selbstbestimmungsrecht: Sie hatten mit überwältigender Mehrheit sich für den Anschluss an Deutschland ausgesprochen. Pikanterweise hatten die USA ein halbes Jahrhundert zuvor einen blutigen Bürgerkrieg geführt, um klar zu stellen, dass die Einzelstaaten und ihre Bürger kein Selbstbestimmungsrecht besaßen. Zu Recht. Und es war auch klar, dass weder Frankreich noch Großbritannien ihren Kolonien ein solches Recht einräumen würden. Zu Recht, denn es fehlten dafür die Voraussetzungen. (Und, notabene: hätten sie den Arabern das Selbstbestimmungsrecht eingeräumt, sie hätten vermutlich die Juden in Palästina massakriert.)
        3. Lenin und Stalin haben immer die Politik „divide et impera“ verfolgt und wollten Deutschland gegen die Westmächte aufbringen. Siehe Rapallo. Dies kam den reaktionärsten Kräften in Deutschland entgegen. Da gibt es nichts zu beschönigen oder gutzuheißen. Das Ziel war immer ein europäischer Krieg, aus dem die Kommunisten als Sieger hervorgehen würden, wie es 1945 dann auch geschah.
        4. Geschenkt.
        5. Gewiss. Wer ist dagegen?
        6. Was verstehen Sie unter „Emanzipationsbewegungen“? Fatah und Hamas? Die Muslimbrüder? Der korrupte ANC? Die Verbrecherbande ZANU? Die diversen kongolesischen Warlords? Die Lords Resistance Army? Die korrupten Peronisten in Südamerika? Die korrupten Sandinisten? Kuba? Venezuela? Ich bin solidarisch mit den Menschen in Hong Kong, die mit britischen Fahnen für ihre Freiheit kämpfen. Mit den Bürgern, die in Beirut gegen die Hisbollah demonstrieren und im Iran gegen die Mullahs. Mit den Menschen, die in Khartoum das Bündnis von Islamisten und Militärs gestürzt haben. Die in Algerien die Wahlen boykottieren. Das sind alles keine „Bewegungen“, weshalb ich die Hoffnung habe, dass sie etwas erreichen werden. Aber siehe Ihre Punkte 7. und 8., mit denen ich absolut einverstanden bin.

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        Sehr geehrte Herr Posener,

        mir erscheint es als würden Sie einen sehr engen Begriff von „Bewegung“ verwenden, den ich mir so niemals zu eigen machen möchte. Zumeist glaube ich sehen Sie nur „militante Bewegungen“ als Bewegungen an. Natürlich ist bspw. die „iranische Frauenbewegung“ (siehe http://www.bpb.de/internationa.....152/frauen) und die „iranische Freiheitsbewegung“, die sie in ihrer Nachricht an mich ansprechen (siehe Sama Maani) eine Emanzipationsbewegung. Auch sehe ich bspw. „Fridays for Future“ als eine friedliche Bewegung an.

        Natürlich kann eine Bewegung auch antipluralistische Motive haben, diese sind für mich dann jedoch keine „Emanzipationsbewegungen“, da eine Emanipationsbewegung immer die Freiheit und die demokratischen Grundrechte (bspw. Menschenrechte) aller Menschen achten und hierfür einstehen muss.

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        Wunderbar, dann sind wir uns in dem Punkt einig. Leider gab es unter den antikolonialen Bewegungen keine einzige, die Ihrer Definition von „Emanzipationsbewegung“ entsprochen hätte. Oder irre ich mich?

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        Sie wollten eine „antikoloniale Emanzipationsbewegung“ genannt bekommen, die keine „militante Bewegung“ darstellte? Ich kann hier bspw. die Satyagraha-Bewegung aufführen.

        Da hätte ich nun aber eine Gegenfrage, können sie mir ein Empire nennen, dass ohne Waffengewalt zu einem Empire wurde?

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        Richtig. Gandhi. Und er siegte ohne Waffengewalt gegen das mächtige Empire. Warum konnte er das? Weil das Empire eben sehr viel mehr war als ein Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismus, sondern sich selbst – siehe Kipling, „Die Bürde des Weißen Mannes“ – als zivilisatorische und moralische Instanz verstand.
        Ihre Frage, welches Imperium denn ohne Waffengewalt begründet worden sei, könnte ich flachsig mit „Die Europäische Union“ beantworten. Ernster würde ich fragen: Welche Nation ist denn ohne Waffengewalt begründet worden? Großbritannien, Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Spanien, Italien: die klassischen europäischen Nationen sind, wie Bismarck sehr richtig bemerkte, durch „Blut und Eisen“ entstanden. Und die Gewalt, die jene Nationen in ihren Kolonien angewendet haben – ich rede, wie Gilley, wohlgemerkt vom 19. und 20. Jahrhundert – , verblasst vor der Gewalt, die sie gegeneinander entfacht haben. Wer von Grausamkeiten in den Kolonien spricht, und ich wäre der Letzte, der sie leugnete, muss auch im Hinterkopf behalten, dass die „Mutterländer“ bereit waren, ihre eigenen Söhne millionenfach hinzuschlachten für die Ehre der Nation.

      7. avatar

        Sehr geehrter Herr Posener,

        für mich ist Imperialismus immer ein Konstrukt, dass auf einer sich selbst angedichteten Überlegenheit gegenüber anderen Nationen beruht, also eine nach außen gerichtete Form von Nationalismus.

        Daher führt für mich auch enttäuschter Imperialismus, wie es bspw. das deutsche Reich nach dem ersten Weltkrieg erlebte zu einem besonders radikalen Nationalismus und nimmt dem Liberalismus wertvolle Energie (siehe hierzu die Geschichte der „DNVP“).

        Ich möchte hier noch einmal nahelegen eher das Wort „Internationalismus“ oder falls Ihnen das Wort „Multiliteralismus“ besser gefällt, dieses zu verwenden. Es erscheint mir für das Vorhaben vernünftiger geeignet zu sein, vor Allem wenn sie die EU als multiliteralen Staatenbund in ihren imperialen Diskurs einbauen möchten, da hier die Nationen in eine repräsentative Demokratie eingebettet sind und es sollte aus meiner Sicht in einem repräsentativ-demokratischen Sinne eine Stärkung des Europäischen Parlamentes erfolgen.

        Die diplomatische Arbeit in den Institutionen (bspw. UN) sollte so angpasst werden, dass sie auf Dauer den Versuch unternimmt auf eine liberale Welt, die die Menschenrechte achtet hinzuarbeiten. Dies bedeutet dann für mich auch dass der Einfluss auf Diktaturen über die UN je nach Fall und Strategie ausgeübt werden muss.

        Wie man bspw. auf China in der Causa Hongkong Einfluss gewinnen mag erschließt mich mir kaum, hier kann ich mir nur potentielle wirtschaftliche Sanktionen (und hier muss dann auch klar sein, dass China zurücksanktionieren wird) vorstellen.

        Mit freundlichen Grüßen

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        @ Matthias Spies: „für mich ist Imperialismus immer ein Konstrukt, dass auf einer sich selbst angedichteten Überlegenheit gegenüber anderen Nationen beruht, also eine nach außen gerichtete Form von Nationalismus.“ Sie meinen: „… das auf einer …“. Relativpronomen, nicht Konjunktion. Aber davon abgesehen: Was Imperialismus für Sie bedeutet, ist relativ gleichgültig. Die Frage ist, was der Imperialismus historisch war und ist. Weder Rom noch das britische Weltreich und schon gar nicht la France d’outre-mer, weder das Osmanische Reich noch die muslimischen Kalifate, weder das Reich Napoleons noch das Heilige Römische Reich noch die Donaumonarchie noch erst recht die EU als demokratisches Imperium sind zu fassen als „nach außen gerichtete Form des Nationalismus“. Das mag beim deutschen Kolonialismus der Fall gewesen sein, aber die deutsche Nationalentwicklung ist ja in jeder Hinsicht besonders.
        Was Ihre Sprachempfehlungen angeht, so wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, dass ich das Wort „Internationalismus“ – in der Wendung „liberaler Internationalismus“ – schon verwende. Von „Multilateralismus“ halte ich hingegen gar nichts. Er ist ein Begriff, der vor allem der Verschleierung von Machtverhältnissen dient. Dort, wo er zum Tragen kommt, etwa bei den UN-Klimakonferenzen, dient er der Lähmung von Beschlüssen. Das heißt nicht, dass man die UN boykottieren oder missachten soll. Aber man sollte anerkennen, dass die meisten dort vertretenen Regierungen keinerlei Legitimation haben und die UN-Charta in ihren Ländern missachten, so dass sie in einer liberalen und gerechten Welt ihres Stimmrechts verloren gehen würden. Beschlüsse der UN-Vollversammlung haben daher ebenfalls keinerlei Legitimation. Beschlüsse des Sicherheitsrats sind nur legitimiert, weil sie, wenn sie denn zustande kommen, eine Übereinkunft der großen Atommächte darstellen, die ggf. die Macht haben, sie auch durchzusetzen.

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        @Alan Posener „Das mag beim deutschen Kolonialismus der Fall gewesen sein, aber die deutsche Nationalentwicklung ist ja in jeder Hinsicht besonders.“

        Da ich in Anbetracht der Debatte meiner Meinung nach nicht die internationalen Unterschiede genügend beachtet habe, stimme ich ihrer letzten Nachricht absolut zu.

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        Das ist ja versöhnlich, nachdem ich Sie etwas unfreundlich angegangen bin, wofür ich mich entschuldige. Frohe Weihnacht!

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        Sehr geehrter Herr Posener,

        als Fußballschiedsrichter auf Kreisliga-Niveau ist man nettere Freundlichkeiten gewohnt, (als Kommunalpolitiker ebenso) 😉

        Das ich Ihnen Vorschläge zu ihrem Sprachgebrauch gemacht habe, war von meiner Seite ebenso inakzeptabel. Dafür bitte ich um Entschuldigung.

        In diesem Sinne wünsche auch ich Ihnen und ihrer Familie

        besinnliche Weihnachtstage (ok es ist nur noch ein Tag 😉 )
        und ein gutes Jahr 2020.

        P.S. Die Aufarbeitung der Imperialzeit in Frankreich empfinde ich zur Zeit als großartige Geste.

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    Liberal und International. Ich kann mir nichts besseres vorstellen.

    Identitätslinke und -rechte haben das begriffliche Gelände um die colonia vollständig vermint. Betreten verboten. Eine Überlegung zu weit, ein Wörtchen zu viel und es kracht hoch.
    Dabei stammen viele deutsche Städte aus der römischen Kolonialisierung. Bonn, Koblenz, Mainz, Speyer, Augsburg, um nur einige Namen zu nennen. Und was ist mit Köln? Das heißt nichts anderes als Kolonie. Der Name ist eine verniedlichende Abkürzung des Wortes colonia. Einst gründete das römische Imperium die Colonia Claudia Ara Agrippinensium und zivilisierte den Stamm der Ubier, die Caesar immerhin als kultivierter als andere Germanen lobte. Die Römer nannten die Stadt, in der ein Völkergemisch aus Franken, anderen Germanen und Römern lebte, in den letzten beiden Jahrhunderten ihrer Herrschaft fast ausschließlich Agrippina. Im fünften Jahrhundert fiel der fränkische Teilstamm der Rheinfranken ein, eine Vereinigung einzelner kleinerer Stammesgruppen. Bei den neuen Besatzern hieß die Stadt dann nur noch Colonia, vermutlich da ursprünglich römische Siedler in ihr wohnten und das Krieger- und Bauernvolk der Franken die erhalten gebliebene römische Infrastruktur nutzen konnte.
    Ich schlage vor, die Stadt Köln in Selbst umzubenennen. Die Mehrheit der alles Internationale zerquetschenden linksrechten Identitätszange sollte sicher sein.

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      Aber, aber, Ben Frick. Aber es ist in der Tat komisch, dass die „Identitären“ zur Selbstbezeichnung ein Wort benutzen, das ihre haarigen germanischen Vorfahren gar nicht kannten. Vielleicht sollten sie sich in Anlehnung an Ihren Vorschlag für Köln „Die Selbigen“ nennen.

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      Die Römer waren ja für ihren Liberalismus berühmt. Man denke an den liberalen Circus, wo liberale Löwen auf liberale Sklaven gehetzt wurden.
      Nicht nur Köln war eine liberale Erfolgsgeschichte, sondern auch Byzanz, wo die osmannischen Heilsbringer mit Nonnen und anderen Christen eine Party gefeiert haben. Und heute leben alle glücklich zusammen (bis auf die Ausgelöschten natürlich).

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        @Gert Weller
        Obwohl ich die römische Kolonisierung nicht wertete, bin ich hoch erfreut über Ihr liberales Engagement und den fruchtbaren Boden, auf den mein Vorschlag zu stoßen scheint. Kolonie darf nicht mehr Kolonie heißen. Köln muss Selbst werden! Am besten nennen wir auch gleichzeitig das Sacrum Romanum Imperium (deutscher Nation) nachträglich um, wo der römische Corpus Iuris Civilis bis 1806 geltendes Reichsrecht war, führen irgendein der linksrechten Empörung gut entsprechendes germanisches Stammesrecht wieder ein, machen überhaupt jede Kulturvermischung, jede Kulturübernahme, jeden Kulturaustausch rückgängig, dann grunzen und gackern wir hier in Deutschland wieder zufrieden und ganz wir selbst als Jäger und Sammler durch Selbst und unsere Wälder, über unsere Felder und in unseren Höhlen, wobei ich gar nicht dort lebe, sondern ein Kosmopolit oder „potenzieller Parasit“, wie ich durch eine Autorin der Achse lernte, auf jeden Fall aber ein Ausländer bin.

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        Es ist bezeichnend, dass die Deutschen den Varus-Bezwinger Hermann huldigen: „Als die Römer frech geworden …“ usw.; in England entstand hingegen der Artus-Mythos: Artus verteidigt die christliche, römisch-britische Zivilisation gegen die einfallenden germanischen Barbaren.

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        Werter blonder Hans,
        unsere Hirten scheren sich nicht um die Zukunft der Schafe, jetzt sind die Wölfe halt da und die Schafe haben eben Pech gehabt.
        Werter Ben Frick,
        Da antworte ich mit Akif Pirincci: Die Deutschen haben alles erfunden.
        Werter Herr Posener,
        Alfred der Große wird doch als mutiger, englischer König angesehen, und mitnichten als Barbar.

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        Lieber Gert Weller, die Briten sind pragmatisch. Unsere Held*innen sind Boadicea (Boudicca), die im Jahre 60 n.Chr. einen Aufstand gegen die Römer anführte; Artus, der die britisch-römische Kultur gegen die einfallenden Angeln und Sachsen kämpfte; Alfred, der die Angeln und Sachsen vereinigte und gegen die Wikinger kämpfte. Außerdem verehren wir Harold, der 1066 gegen den Normannenkönig William kämpfte und unterlag, und den Sieger William, der das Land einte. If you can’t beat ‚em join ‚em.

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        @Alan Posener
        Sehr interessant. Die Völkerwanderung spielt wohl hier und dort für die Entstehung der Heldensagen eine wichtige Rolle. Unser Nationalheld Siegfried der Drachentöter war sehr mutig und tapfer. Aber christlich? Und in der Christianisierung der germanischen Stämme war wohl das Schwert häufig schlagkräftiger als Kreuz und Bibel. Erst nach 32 Jahren blutigen Kämpfen konnte Karl der Große die heidnischen Sachsen in Norddeutschland bezwingen und musste Vorschriften erlassen wie: „8. Sterben soll, wer Heide bleiben will und unter den Sachsen sich verbirgt, um nicht getauft zu werden oder es verschmäht, zur Taufe zu gehen.“ Es ist sehr rührend, wie einige ihrer widerspenstigen Nachkommen heute unser christliches Abendland verteidigen.

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        @Gert Weller / derblondehans
        Wer hat die sich besonders fürs christliche Abendland einsetzenden Sachsen und Ostdeutschland wieder entchristialisiert? Waren das Ihre Wölfe oder eine von der Sowjetunion abhängige kommunistische Diktatur?
        Beeindruckend, wie einige heute das Gelöbnis ihrer Jugendweihe begreifen, „das revolutionäre Erbe des Volkes in Ehren zu halten, […] [den] Weg zum persönlichen Glück immer mit dem Kampf für das Glück des Volkes zu vereinen [und uns] gegen jeden imperialistischen Angriff zu verteidigen“.

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        @B.F.

        … werter B.F., Streit zwischen Franken und Sachsen gab es schon Jahrhunderte vor Karl den Großen. Ein Machtkampf unter Sozis. Das Christentum hat gesiegt.

        Schön, dass auch Sie nun ‚unser christliches Abendland‘ schreiben. Übrigens, Christen sind von Hause aus Kosmopoliten. Da der Mensch aber nicht überall gleichzeitig sein kann, bevorzuge ich diese Reihenfolge; Jesus Christus, Familie, Heimat, Vaterland, Europa, Rest …

        Vaterlandsliebe ist gleich Elternliebe ein natürliches Gefühl. Papst Leo XIII spricht von der ’natürlichen Liebe zum Vaterland.‘ Sapientiae christianae vom 10.1.1890. Der Christ erhebt sie zum Rang einer religiösen Tugend. Thomas von Aquin verknüpft die Vaterlandsliebe mit dem vierten Gottesgebot: ‚Gott nimmt die erste Stelle ein. An zweiter Stelle sind Grundlage unseres Seins und Geführtwerdens die Eltern und das Vaterland. Darum ist der Mensch nach Gott am meisten der Eltern und des Vaterlandes Schuldner. Wie es daher zur Religion gehört, Gott zu verehren, so gehört es zur Pietät, Eltern und Vaterland zu verehren‘

        … mit Ihrer ‚Jugendweihe‘ kann ich nix anfangen.

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        @Derblondehans
        Sicherlich bereitet Ihnen die Gottlosigkeit Ihrer Heimat die größten Sorgen. Nur ein Christ kann ein guter Soldat Christi sein.

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    Anstatt sich über die Bewertung von Ex-Kolonien in Afrika Gedanken zu machen, sollte man sich lieber mit der Wiederherstellung Deutschlands beschäftigen. Wieso gibt es eigentlich kein Preußen mehr? Und wie könnte man den Russen Königsberg abkaufen und es gegen Stettin eintauschen. Was ist mit Schlesien und einem Gerhart Hauptmann Theater. Wieso dürfen die Elsässer kein Deutsch reden, wie die Ostbelgier?

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    „Aus Gilleys Argumenten ergibt sich nämlich der moralische Imperativ eines beherzten Eingreifens zugunsten von Entwicklung und Menschenrechten im Namen einer globalen liberalen Zivilisation, die von linken „Antiimperialisten“ und rechten „Identitären“ – wie früher von Kommunisten und Nationalsozialisten – abgelehnt wird.“
    Man muss Gilleys Argumenten nicht zustimmen. Die „Entwicklung von Menschenrechten im Namen einer globalen liberalen Zivilisation“ ist in meinen Augen ein Etikettenschwindel. Vielmehr geht es primär um ökonomische Interessen. Aber das ist ja nicht das eigentliche Thema des Beitrags.
    Wenn man wissenschaftliche Positionen für den eigenen Standpunkt vereinnahmen wollte, so wie die AfD dies offensichtlich vorhatte, wäre es schon hilfreich, sich die Positionen desjenigen, den man sich zum Gewährsmann erkoren hat, zur Gänze zu Gemüte zu führen und sich weniger auf Hörensagen, Klappentexte und vorgefilterte „Rezensionen“ zu verlassen. Dann würde man auch schnell feststellen, dass sich Wissenschaft, zumal Sozialwissenschaft, die ihren Namen verdient, schwerlich eignet, Schwarz-Weiß-Bilder zu fundieren. Eine Relativierung der verbrecherischen Aspekte der deutschen Historie, wie sie die AfD betreibt, ist mit der Rede von Gilley in der Fraktion der AfD jedenfalls nicht zu haben. Da müssen die sich wohl schon den Herrn Landolf Ladig einladen. Der soll ja ein ausgebildeter Geschichtslehrer sein.

      1. avatar

        Lieber Herr Posener,
        An ökonomischen Interessen ist gar nichts anrüchig. Ist nur nicht dasselbe wie die „Entwicklung von Menschenrechten“, meine ich. Die kann beim Durchsatz ökonomischer Interessen willkommener Beifang sein.
        Ihnen und den Diskutanten hier Frohe Weihnachten! Und – wie jedes Jahr – Dank an Sie!
        Viele Grüße
        Stefan Trute

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        Da fällt mir schon was ein, was, wenn schon nicht anrüchig, aber zumindest langweilig werden könnte: Hörte gerade im ultrateuren Ö-Rundfunk eine Sendung über einen sardischen Musiker, der sich darüber beklagte, wie die globale Popmusik lokale Kultur abschleift, einebnet.
        https://www.deutschlandfunk.de/saxofonist-enzo-favata-eine-insel-und-der-rest-der-welt.2886.de.html?dram:article_id=463852
        Verlieren wir durch den Kapitalismus in letzter Konsequenz das Interesse aneinander? Brauchen wir noch einen Rest kultureller Identität? Damit wie neugierig aufeinander bleiben? Brauchen wir das Gerüst einer (z.B. rassischen) Identität, um unsere Individualität zu stützen, und zu entwickeln? Ebnet der globale Kapitalismus nicht alles zu sehr ein? Resultiert nicht aus diesem Unbehagen letztlich die Angst vor dem Kapitalismus? dIe Angst vor der Selbstaufgabe? Fragen für das neue Jahr und ff.

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        Gegenfrage: Wie erfahren Sie von einem sardischen Sänger? In diesem Fall zwar durch das von der AfD als „Staatsfunk“ beschimpfte Medium, grundsätzlich aber dadurch, dass sich irgendein kapitalistisches Unternehmen für den Mann interessiert und ihn vermarktet. „World Music“ ist Big Business, und deshalb kennen wir senegalesische Trommler, Chöre aus Südafrika, die vom sozialistischen Regime ausgegrenzten Salsa-Musiker des Buena Vista Social Club usw.usf.

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        Ich selber glaube ja, dass es einen Kapitalismus gar nicht gibt, sondern nur ‚Business‘. Mehr oder weniger durch den Staat organisiert bzw. diktiert, was dann als Systemunterschied Kapitalismus vs. Sozialismus wahrgenommenen wird. China z.B. führt seit längerem diese Begriffe ad absurdum. Imperialismus, den gibt es allerdings – und wenn der Sozialismus in der Vergangenheit erfolgreicher gewesen wäre, hätte es vielleicht auch einen sozialistischen Imperialismus gegeben, statt nur ein sozialistisches Zwangsregime im sogenannten Ostblock. Mit meinen Fragen meinte ich etwas anderes: Inwieweit gebärdet sich sich der ‚kapitalistische‘ (gemeint ist der westliche) Business imperialistisch, denn so werden solche Äußerungen, wie von dem sardischen Musiker, ja üblicherweise (offensichtlich auch von Ihnen, lieber Alan Posener, vielleicht eher aus entgegengesetzten Gründen) wahrgenommen. Ich glaube, er meinte aber etwas anderes: Er will sich, bzw. sein Produkt von ‚verpoppten‘ (er sprach von E-Bass und Drums) ‚Ethno’-Produktionen abgrenzen und erkennbar machen. Also ‚urkapitalistisch‘. Sind die ‚Identitären‘ also nicht auch irgendwo wahrnimmt? Wie Schwule, Lesbische usw.? Und ist der ‚Business‘ nicht derjenige, der einerseits alles ermöglicht, aber für sich selber uninteressant macht, weil, wenn alle alles haben, wer bestellt noch?
        Und: Korrumpiert nicht der Business? Z.b. die Geschmacksnerven, sei es bei verpoppter (sorry, es fällt mir jetzt nein anderes Wort ein) ‚Ethno‘ (Volks)Musik oder bei Mc Donald‘s?
        Ich meine wohl, diejenigen, die der z.B. USA Kulturimperialismus vorwerfen, verwechseln da etwas. Ich meine das wäre gar nicht so off topic, man könnte die Antworten auf den Imperialismusvorwurf generell übertragen.

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        Lieber KJN, das ist ein sehr weites Feld. Vielleicht interessiert Sie das Buch von Benjamin Barber, „Jihad vs. McWorld“, das schon 1995 erschien und eine Revolte der lokalen Kulturen gegen die Macdonaldisierung der Welt vorhersagte. Hier ist eine Besprechung:

        http://jolt.law.harvard.edu/ar.....ech565.pdf

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        ..ich meinte: Sind also die Identitären nicht auch nur daran interessiert, dass man sie wahrnimmt?

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        Ich weiß nicht, woran die Identitären interessiert sind, lieber KJN. Ich meine nur: Wer in der Epoche des Globalismus meint, es könne Menschen geben, die nur eine Identität haben, ist nicht auf der Höhe der Zeit.

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    Ein Wunder, dass niemand 100x Gilley ite domum an den Reichstag schreiben musste.
    In der Logik von Mr Gilley hat auch der Wohnungseinbruch einen Vorteil, weil endlich wieder Platz im Safe ist.
    Ob nun liberaler Internationalismus oder die Art der Diskussion dieser AfD, die die Vorteile des Autobahnbaus auf alle Handlungen der Deutschen in der Zeit des Kolonialismus uebertragen moechte, so dass die Welt endlich doch noch am deutschen Wesen genese, lassen das Wichtigste ausser Acht: die Augenhoehe.
    Es wuerde voellig ausreichen, anderen Menschen, insbesondere denen in ehemaligen Kolonien, auf Augenhoehe zu begegnen, sie einzubeziehen, sie als Partner zu begreifen, statt mit einer Brechstange an einem Verbrechen wie dem Kolonialismus zu werkeln, auf das aus diesem stinkenden Mus doch noch ein Keim des Guten erwaechst. Gilley muss und darf analysieren, das ist sein Recht, aber er muss sich nicht mit denen abgeben, der diesen stinkenden Mus wieder zum Leben erwecken moechten. Dafuer haette er in der Tat 100x Gilley ite domum verdient.

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