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Mit Carl Schmitt und Co. gegen die „Spätmoderne“: Achille Mbembe

Ich hatte mir vorgenommen, so zu tun, als wüsste ich nicht um die antizionistischen und antijudaistischen Äußerungen Achille Mbembes; ich wollte seine Arbeit unter Ausklammerung dieser Äußerungen bewerten, wie es seine Verteidiger*innen verlangen. Es ging nicht.

Nicht weil ich darauf versessen wäre, Mbembe Antisemitismus vorzuwerfen. Sondern weil Mbembes Werk eingestandenermaßen einen Generalangriff auf die europäische Tradition der Aufklärung darstellt. Zwar ist die Aufklärung selbst nicht frei von antisemitischen Zügen; aber für die Gegenaufklärung ist der Antisemitismus konstituierend, wie der Antizionismus für den Anti-Aufklärer Mbembe. Freilich weiß ich nicht, was ich schlimmer finde: Mbembes Antisemitismus oder seine Verachtung für die Aufklärung; seine ungerechte Kritik an Israel oder seine ungerechte Kritik am Liberalismus.

„Nekropolitik“: ein Kampfbegriff

Ich beziehe mich im Folgenden auf Mbembes Aufsatz „Nekropolitik“. Nicht zuletzt, weil dieser Aufsatz – und der von Mbembe geprägte Begriff – wohl sein einflussreichster ist. Ich zitiere aus der englischen Version, weil sie, anders als die deutsche, im Netz frei verfügbar ist. (Das französische Original leider auch nicht.) Jede kann meine Zitierweise und Übersetzung anhand des englischen Textes überprüfen.

Mbembe selbst fasst den Inhalt seines Essays am Schluss wie folgt zusammen:

In this essay I have argued that contemporary forms of subjugation of life to the power of death (necropolitics) profoundly reconfigure the relations among resistance, sacrifice, and terror. (…) Moreover I have put forward the notion of necropolitics and necropower to account for the various ways in which, in our contemporary world, weapons are deployed in the interest of maximum destruction of persons and the creation of death-worlds, new and unique forms of social existence in which vast populations are subjected to conditions of life conferring upon them the status of living dead. The essay has also outlined some of the repressed topographies of cruelty (the plantation and the colony in particular) and has suggested that under conditions of necropower, the lines between resistance and suicide, sacrifice and redemption, martyrdom and freedom are blurred.

Es geht also in dem Aufsatz um eine Verwischung von Unterschieden: Zwischen „Widerstand und Selbstmord, Opfer und Erlösung, Märtyrertum und Freiheit“. Konkret geht es um eine Rechtfertigung des Selbstmordattentäters / der Selbstmordattentäterin. „Unter den Bedingungen der Nekromacht“, der „Todeswelt“, in der Menschen als „lebende Tote“ leben, habe das Selbstmordattentat, bei dem wahllos Zivilisten hingeschlachtet werden, seine Berechtigung:

In that sense, the martyr, having established a moment of supremacy in which the subject overcomes his own mortality, can be seen as laboring under the sign of the future.

Apologie des Selbstmordattentats

Der Märtyrer – Mbembe verwendet den Begriff ohne Anführungszeichen – „arbeitet im Zeichen der Zukunft“. Wie wir wissen, ist das Gegenteil der Fall. Selbstmordattentäter*innen arbeiten im Zeichen eines fundamentalistisch verstandenen, rückwärts schauenden Islam. Das Ziel ihrer Auftraggeber ist die Errichtung eines Gottesstaats nach dem Vorbild des Frühmittelalters, wie er im „Kalifat“ des Islamischen Staates furchtbare Wirklichkeit wurde, aber auch wie er etwa den Mullahs im Iran, der Hisbollah im Libanon und dem in Gaza regierenden Ableger der Muslimbrüder vorschwebt. Eine Rechtfertigung oder auch nur Analyse der Motive der Leute, die sich in israelischen Bussen und Märkten, Diskotheken und Restaurants in die Luft jagen, die das alles außen vor lässt, ist erstens unwissenschaftlich und zweitens schlicht und einfach unehrlich. Mbembe weiter:

Whether read from the perspective of slavery or of colonial occupation, death and freedom are irrevocably interwoven. As we have seen, terror is a defining feature of both slave and late-modern colonial regimes. Both regimes are also specific instances and experiences of unfreedom. (…) In such circumstances, the discipline of life and the necessities of hardship (trial by death) are marked by excess. What connects terror, death, and freedom is an ecstatic notion of temporality and politics. The future, here, can be authentically anticipated, but not in the present. The present itself is but a moment of vision—vision of the freedom not yet come. Death in the present is the mediator of redemption. Far from being an encounter with a limit, boundary, or barrier, it is experienced as “a release from terror and bondage.”

“Der Tod in der Gegenwart“ – sprich das Attentat – ist „Mittler der Erlösung“. Diese Gegenwart – und Mbembe redet hier vom Augenblick, da der Massenmörder auf den Knopf drückt – ist ein „Augenblick der Vision – einer Vision der kommenden Freiheit.“ Der Terrorakt wird als „Erlösung von Terror und Knechtschaft“ erlebt.

Gut, werden Sie sagen, oder vielmehr nicht gut, aber warum beziehen Sie das auf Israel? Vielleicht meint Mbembe das Selbstmordattentat ganz allgemein, und da mag es Situationen geben, in denen diese Beschreibung zutrifft. Nun, erstens glaube ich nicht, dass es Situationen gibt, in denen Selbstmordattentat gegen unschuldige Zivilisten gerechtfertigt wären. Es hat in den deutschen KZ Angriffe gegen das Wachpersonal gegeben, die faktisch Selbstmordattentate waren; aber die intendierten Opfer waren Mörder oder deren Helfershelfer. Es hat viele Diskussionen darüber gegeben, ob Stauffenberg nicht lieber in der Wolfsschanze hätte bleiben sollen, um sicherzustellen, dass seine Bombe Hitler wirklich tötete. Dieses Selbstmordattentat hätte keinem Unschuldigen gegolten. Die japanischen Kamikaze-Flieger griffen Soldaten des Feindes an. Es ist ein Spezifikum des islamistischen Terrors, emblematisch vorgeführt im Angriff auf die Twin Towers 2001, dass er wahllos ist, weil ja alle Ungläubigen todeswürdig sind, darin ähnelt er dem nationalsozialistischen Terror gegen die Juden.

Juden in die Luft jagen geht schon in Ordnung

Noch einmal aber: Warum beziehe ich diese allgemeine Rechtfertigung der Zukunfts- und Freiheitsarbeit des Selbstmordattentats auf Israel? Nun, ich müsste es nicht, um eine solche Rechtfertigung unerhört zu finden. Aber hören wir Mbembe noch einmal:

The candidate for martyrdom chases his or her targets; the enemy is a prey for whom a trap is set. Significant in this respect is the location of the ambush laid: the bus stop, the café, the discotheque, the marketplace, the checkpoint, the road—in sum, the spaces of everyday life.

Bedeutend sei der Ort, an dem die Märtyrer*in ihrer „Beute“ auflauert: Bushaltestelle, Café, Diskothek, Marktplatz, Checkpoint, Straße. Man erkennt die Topographie der islamistischen Selbstmordattentate gegen Juden.

Überdies geht es ja Mbembe darum, die „Märtyrer*innen“ zu rechtfertigen, die Terror gegen „spätmoderne koloniale Regime“ anwenden. Und Mbembe meint:

Late-modern colonial occupation differs in many ways from early-modern occupation, particularly in its combining of the disciplinary, the biopolitical, and the necropolitical. The most accomplished form of necropower is the contemporary colonial occupation of Palestine.

Die vollkommenste Form der Nekromacht sei die gegenwärtige koloniale Besetzung Palästinas. Es folgen über drei Seiten, in denen diese angebliche spätmoderne koloniale Besatzung beschrieben wird. Interessanterweise erwähnt Mbembe hier – und nur hier – die Religion. Nämlich das Judentum:

Here, the colonial state derives its fundamental claim of sovereignty and legitimacy from the authority of its own particular narrative of history and identity. This narrative is itself underpinned by the idea that the state has a divine right to exist; the narrative competes with another for the same sacred space. Because the two narratives are incompatible and the two populations are inextricably intertwined, any demarcation of the territory on the basis of pure identity is quasiimpossible. Violence and sovereignty, in this case, claim a divine foundation: peoplehood itself is forged by the worship of one deity, and national identity is imagined as an identity against the Other, other deities.

„Gewalt und Souveränität behaupten eine göttliche Begründung; die Existenz als Volk (peoplehood) selbst wird durch die Anbetung einer Gottheit geschmiedet, und die nationale Identität wird imaginiert als Identität gegen das Andere, gegen andere Gottheiten.“

Jede, die sich auch nur oberflächlich mit der Geschichte des Zionismus und der Gegenwart Israels beschäftigt hat, weiß, dass die Gründerväter Israels, von Theodor Herzl über Chaim Weizmann und Zeev Jabotinsky bis David Ben-Gurion, einen säkularen Staat wollten, und dass Israel tatsächlich ein säkularer Staat ist. Der säkulare Zionismus basiert auf der – von vielen religiösen Juden in Israel wie in der Diaspora bestrittenen – Idee, dass die Juden ein Volk wie andere sind, wie die Deutschen etwa oder die Araber, Türken oder Kurden, und dass sie wie diese einen eigenen Staat verdienen. Niemand muss in Israel ein religiöses Bekenntnis ablegen. Mbembe muss das nicht wissen. Er selbst betont immer wieder, dass Israel nicht eigentlich Gegenstand seiner akademischen Beschäftigung sei, und das ist völlig in Ordnung. Wenn  er aber faktisch nichts weiß, warum in Dreiteufelsnamen schreibt er immer wieder über Juden, Israel, Palästina, den Holocaust und das Judentum?

Genug. Es ist unerfreulich genug, und man fragt sich, warum jemand, der Selbstmordattentate gegen Juden und Jüdinnen als „Erlösung“ feiert, seinerseits von der deutschen Elite gefeiert wird: Geschwister-Scholl-Preis, Ernst-Bloch-Preis, Gerda Henkel Preis, Albertus-Magnus-Professur; Lob durch Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Staatsministerin für auswärtige Kulturpolitik Michelle Müntefering usw. usf.

Paternalistischer Rassismus?

Und, wie gesagt, wenn frau es schon in Ordnung findet, Israel als „spätmodernes koloniales Regime“ zu kritisieren und die Terrortaktik von Hamas und Co. als „Arbeit im Zeichen der Zukunft“ zu feiern, sollte man wenigstens so viel Achtung vor sich selbst als demokratischem Gemeinwesen haben, dass man Mbembes Angriff auf diese Gemeinwesen zurückweist. (Wohlgemerkt: dass Mbembe das Recht hat, Mord zu verteidigen, Israel zu dämonisieren und die Moderne abzulehnen, ist für mich selbstverständlich. Ich kritisiere nicht ihn persönlich; ich kritisiere die Leute, die ihn unkritisch feiern. Vielleicht weil er schwarz ist? Man hat zuweilen den Eindruck, Mbembe sei williges Opfer eines paternalistischen Rassismus, der es ganz toll findet, dass sich überhaupt ein „Afrikaner“ so belesen und eloquent zu Wort meldet und nicht so genau darauf achtet, was er sagt.)

„Spätmoderne“ und „Spätkapitalismus“

„Die Moderne ablehnen“, habe ich geschrieben, und das nicht zufällig. Mbembe redet ja immer von der „Spätmoderne“, so wie Linksradikale früher vom „Spätkapitalismus“ geredet haben. Da war der Wunsch der Vater des Gedankens: der Kapitalismus sollte verschwinden, und da traf es sich gut, dass sich der Kapitalismus ohnehin in seiner Spätphase befand, also am Sterben war. So ist das mit Mbembe und der Moderne.

So ist Mbembe nicht eigentlich ein „afrikanischer Denker“, außer im Hinblick auf seinen Geburtsort. Die Denker, die er zitiert, sind mit einer Ausnahme – Frantz Fanon – sämtlich europäische Denker: Michel Foucault vor allem, aber auch Georges Bataille, Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Alexandre Kojève, Martin Heidegger, Giorgio Agamben und vor allem Carl Schmitt. Es sind sämtlich Vertreter einer bestimmten antimodernen Schule der Philosophie, die im Kern den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur, Liberalismus und Autoritarismus, Rechtsstaat und Willkürstaat leugnet.

Mit Foucault definiert Mbembe „die Politik als eine Art Krieg“ (S.12). Mit dem Nazi-Juristen Schmitt definiert er staatliche Souveränität als die Fähigkeit, den Ausnahmezustand zu verhängen (ebd.). Mit Bataille sieht er die Politik als „Todesarbeit“ (S.16), weil, so Foucault „das souveräne Recht zu töten und die Mechanismen der Biomacht eingeschrieben sind in die Funktionsweise aller modernen Staaten“ (S.17) Der NS-Staat war in dieser Lesart nur „das vollkommenste Beispiel eines Staates, der das Recht zu töten ausübte“ (ebd.). Und noch einmal (S.18):

It has been argued that the complete conflation of war and politics (and racism, homicide, and suicide), until they are indistinguishable from one another, is unique to the Nazi state. The perception of the existence of the Other as an attempt on my life, as a mortal threat or absolute danger whose biophysical elimination would strengthen my potential to life and security—this, I suggest, is one of the many imaginaries of sovereignty characteristic of both early and late modernity itself.

Relativierung des NS-Regimes

Mbembe leugnet also, dass der NS-Staat einmalig sei. Vielmehr sei das Zusammenfallen von Krieg und Politik, Rassismus, Mord und Selbstmord, die Sicht auf den Anderen als tödliche Bedrohung, die „biophysisch eliminiert“ werden muss, „charakteristisch für die frühe und späte Moderne selbst“.

Das NS-Regime ist also kein „Zivilisationsbruch“, sondern bringt nur die moderne Zivilisation auf den Begriff. Als weitere Beispiele zitiert Mbembe die Französische Revolution, den Marxismus, die Sklaverei und die Kolonie. Und im weiteren Text die Apartheid und natürlich vor allem „Palästina“. Wobei Mbembe es (S. 23) für „irrelevant“ hält, ob „Nazismus und Stalinismus weiter nichts taten als eine Reihe von Mechanismen zu verstärken, die in westeuropäischen (sic! A.P.) sozialen und politischen Formationen existierten, wie Foucault behauptete, oder ob sie – was vermutlich Mbembes Meinung ist – „ihren Ursprung in der Plantage oder der Kolonie hatten“.

Dass Mbembes Beschreibung des Kolonialsystems genau so oberflächlich und oft genauso falsch ist wie seine Beschreibung des Zionismus, Israels oder der Situation in der Westbank, lass ich hier draußen vor. Es tut nichts zur Sache, da ich nicht vorhabe, Sklaverei und Kolonialismus, die Französische Revolution und den revolutionären Marxismus zu verteidigen.

Die dunklen Seiten der Moderne

Ich will auch – so viel Ehrlichkeit muss sein – zugeben, dass die westliche Fortschrittserzählung allzu viele schwarze Seiten ausblendet, von denen Mbembe hier wohl die wichtigsten auflistet, allerdings – bezeichnenderweise – ohne den Antisemitismus, der in seiner Rassen-Form ein ureigenes Produkt des Westens ist, und die verwandte Eugenik, bei der wohl zuerst – und zuerst bei progressiven Denkern – so etwas wie Biopolitik oder Nekropolitik außerhalb des Ausnahmezustands – Revolution, Krieg, Naturkatastrophe, Unglück – vom Staat gefordert wurde. Tatsächlich kann die Moderne nicht dargestellt werden als schlichter Kampf zwischen Licht und Dunkel, von der Reformation über die Aufklärung, die bürgerlichen Revolutionen und die industrielle Revolution hin zum modernen demokratischen Staat. Luther war auch ein Dunkelmann, die Aufklärer waren oft genug Antisemiten, der Revolutionär Cromwell unterwarf Irland mit Feuer und Schwert, die Französische Revolution führte die Liquidierung ganzer Menschengruppen in die Politik ein, die Amerikanische Revolution wurde auch von Sklavenhaltern gemacht, um ihre Privilegien zu erhalten, die industrielle Revolution war mit der Unterwerfung der Welt durch Europa verbunden, und die großartigen Ideen der Philanthropen führten zur entsetzlichen Diktatur der Bolschewisten.

Ich verkürze, und ich hoffe, damit Widerspruch zu ernten: Hier von Marxisten, dort von Freunden der Französischen Revolution, hier von – gut, außer mir sind es wenige – Bewunderern der zivilisatorischen Leistung des Britischen Weltreichs, dort von Anhängern Martin Luthers, hier von Neokantianern, dort von Amerikafreunden usw. usf. Denn die Geschichte des Westens ist in der Tat, so widersprüchlich sie auch ist, so „dialektisch“, um mit Hegel zu sprechen, eben doch eine Geschichte, bei denen „the better angels of our nature“ – so eine Phrase von Abraham Lincoln, die Steven Pinker als Titel eines großartigsten Buchs gewählt hat – alles in allem die Oberhand behalten haben.

… nicht mit ihrem Wesen verwechseln

Ich hatte eingangs behauptet, Mbembe führe einen Angriff gegen die Tradition der Aufklärung. Wem das aus dem bisher Gesagten nicht klar geworden ist, sei hier ein explizites Zitat Mbembes zum Nachdenken empfohlen:

(L)ate-modern political criticism has unfortunately privileged normative theories of democracy and has made the concept of reason one of the most important elements of both the project of modernity and of the topos of sovereignty.

Die „spätmoderne politische Kritik“ habe „leider (sic! A.P.) normative Theorien der Demokratie bevorzugt und hat das Konzept der Vernunft zu einem der wichtigsten Elemente sowohl des Projekts der Moderne als auch des Topos der Souveränität erklärt.“ Gemeint ist übrigens – ausweislich der Fußnoten – vor allem Jürgen Habermas.

In der Tat ist der moderne demokratische Rechtsstaat eine Errungenschaft der Geschichte der Moderne. Heute ist er – zusammen mit den supranationalen Institutionen, die eine globale Antwort auf globale Herausforderungen ermöglichen sollen – wieder gefährdet. Durch Rechtspopulisten und Identitäre einerseits; und durch postkoloniale Relativisten wie Achille Mbembe andererseits, die den Kampf um Demokratie und Rechtsstaat, um Beendigung der Sklaverei und Dekolonisierung, um soziale und sexuelle Emanzipation, Multikulturalismus und Kosmopolitismus, als unbedeutend abtun und die „Nekropolitik“ – die Unterscheidung zwischen Menschen, die leben dürfen und Menschen, die sterben sollen – zum Wesen der „Spätmoderne“ erklären. Dass sich beide Fraktionen auf Heidegger und Schmitt berufen, sollte jeder Demokratin zu denken geben. Noch mehr sollte zu denken geben, dass angeblich „progressive“ Leute, die nie daran dächten, mit einem Rechtspopulisten auf einem Podium zu sitzen, einem Nihilisten wie Mbembe zu Füßen liegen. Für diese intellektuell-moralische Bankrotterklärung vieler westlicher Intellektueller kann freilich Achille Mbembe nichts.

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74 Gedanken zu “Mit Carl Schmitt und Co. gegen die „Spätmoderne“: Achille Mbembe;”

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    Die Mbembe-Diskussion ist mir (inzwischen) egal, aber ich finde die grundierenden Überlegungen zur Antimodernität in der Philosophie interessant. Mir wurde früher in Diskussionen zur Modernität häufig gesagt, dass es in unserer (relativ) modernen demokratischen Gesellschaft eine „strukturelle Gewalt“ gibt, die zum Beispiel die Armen arm macht, Minderheiten unterdrückt und ganz allgemein das Leben entwertet, langweilig und monoton macht (z.B. durch die stupiden Arbeitsbedingungen oder die allgemeine Warenhaftigkeit, bei der alles einen Preis bekommt). Dazu habe ich gesagt, ja, das stimme auf jeden Fall, aber das sei trotzdem besser als eine direkte Gewalt, wie sie zum Beispiel in Polizeistaaten, bei den Nazis oder den Kommunisten gewesen bzw. üblich sei. Es sei eben der Zivilisationsprozess, der die ursprünglich physische, direkte in eine abstraktere, strukturellere Gewalt transformiert.

    Das ist keine neue oder originelle Erkenntnis, aber eine, die man festhalten sollte. Denn viele träumen von einem Zustand der Gewaltlosigkeit als Fortsetzung oder utopischen Fluchtpunkt dieses Zivilisationsprozesses, und diesen Traum halte ich für sehr gerechtfertigt. Auch an ihm sollte man unbedingt festhalten. Aber so kann man schnell zum misslaunigen Kritiker der modernen Gesellschaften werden, und vom Kritiker der modernen Gesellschaft ist es nicht mehr weit zu einem „Antimodernen“.

    Für den Antimodernismus der frühen Philosophen des 20. Jahrhunderts (Heidegger, Wittgenstein) habe ich angesichts der damaligen Zeiten volles Verständnis. Aber viele der späteren Philosophen, wie z.B. Foucault, sind in einem anderen Sinne „antimodern“. Man tut ihnen unrecht, wenn man sie als „Proto-Faschisten“ anspricht. (Dies würde höchstens zu Heidegger passen und auch das nur eventuell.) Die neueren Philosophen sind immer noch Aufklärer, die sich mit dem Ist-Zustand nicht zufrieden geben wollen.

    Ebenfalls tut man ihnen unrecht, wenn man sie als Wahrheitsrelativisten abtut. Natürlich haben sie das durch ihre eigene Polemik sich selber zuzuschreiben. Z.B. indem sie von allumfassenden „Narrativen“ reden oder davon, dass es keine Tatsachen, sondern nur Interpretationen (Nietzsche) gibt. Das ist nur in einem bestimmten Kontext überzeugend, von dem man keinesfalls absehen darf. Aber eigentlich glauben sie selber nicht, dass es keine Wahrheit und keine Lüge gibt, dazu sind sie zu sehr Philosophen, die die Wahrheit lieben. Und ihre Aussagen erheben einen Wahrheitsanspruch, der zeigt, dass sie „eigentlich“ die absolute Wahrheit ebenso verfolgen wie der zufriedenste Realist. (Sie sind nur sehr unzufrieden.)

    Was man trotzdem machen muss, ist, den Wahrheitsbegriff in den Schriften dieser „Postmodernen“ kritisieren, die, z.B. um jene ungerechte „strukturelle Gewalt“ zu kritisieren, gleich die ganze Wahrheit mit dem Bade auskippen. Aber diese Kritik ist im Bereich der Geistesphilosophie schon längst geschehen (z.B. durch Maurizio Ferraris und Markus Gabriel). Die Philosophie ist insgesamt viel weniger von wahrheitsrelativistischen Vorstellungen betroffen als andere Geisteswissenschaften, die die Philosophie im Nachgang nicht richtig verstanden haben und zu wörtlich nehmen. Man muss z.B. aufpassen, dass man die Erkenntnisse, die die „Interpretationisten“ mit ihren „Narrativen“ hervorgebracht haben, nur um Realist zu sein nicht ignoriert. Nietzsche hatte gar nicht so unrecht: Es gibt keine „nackten Tatsachen“ ohne Interpretation, zumindest kennen wir keine und können über keine sprechen, denn es gibt auch keine Tatsachenbeschreibungen ohne Begriffe, und die Begriffe hat uns irgendjemand beigebracht bzw. wir haben uns später auf sie verständigt. Wir müssen die Dinge also schon zurechtrücken und zurechtlegen, bevor wir über sie reden können.

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      …noch eine engere Bemerkung zu Ihrem Text (ich habe mir oben angesichts der Tatsache, dass er inzwischen nicht mehr ganz aktuell ist, erlaubt, etwas freier zu schweifen/schwafeln): Mir erscheint, dass Sie sich zu sehr mit der Frage beschäftigen, was von Mbembe „gerechtfertigt“ wird (Rechtfertigung ist der Schlüsselbegriff Ihres Textes zumindest im ersten Teil). Ich bezweifele, das Mbembe wirklich Selbstmordattentate von wem auch immer rechtfertigen wollte. Vermutlich wollte er verstehen, was den Attentäter umtreibt und in den Tod führt. Wissenschaft – sofern es sich darum handelt – rechtfertigt nicht, sie beschreibt nur, was ist. Vollständigkeit ist kaum zu leisten, deshalb ist es richtitg, wenn Sie bestimmte Aspekte, die dabei, weil unfokussiert, unter den Tisch gefallen sind, z.B. die konkrete Utopie der Selbstmordattentäter (Beispiel Kalifat), nachliefern.

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        Lieber R.Z., mit ist das Problem bewusst, dass legitimes Verstehenwollen als problematische Rechtfertigung ausgelegt werden kann. Es schadet gar nichts, wenn der Wissenschaftlerin dieses Problem auch bewusst ist und sie sich durch entsprechende Klarstellungen vor solchem Missverständnis ihrer Motive schützt. Nur: Wäre Israel tatsächlich, wie Mbembe schreibt, Modell und höchste Ausprägung der „Nekropolitik“, dann wäre möglicherweise das Mittel des Selbstmordattentats gerechtfertigt. Wir selber haben, worauf Mbembe im Text hinweist, beim Krieg gegen Serbien „Kollateralsschäden“ unter Zivilisten billigend in Kauf genommen. Man könnte argumentieren, dass die Selbstmordattentäterin das auch tut. Ich rede gar nicht erst vom Bombenkrieg gegen Nazideutschland, den ich hochgradig problematisch und zum Teil wenigstens verbrecherisch finde.Kurz und gut: Sie und ich können uns ohne Geschwurbel ausdrücken, nach dem Motto: „Bei allem Verständnis für arabischen Hass auf Israel: Die bewusste Ermordung von möglichst vielen Zivilisten trägt nicht nur nichts zur Verbesserung der Lage in den besetzten Gebieten bei, sie ist auch moralisch nicht zu rechtfertigen, so lange es andere Formen des Protest und des Widerstands gibt.“ Einen solchen Satz werden Sie im Gesamtwerk von Mbembe vergeblich suchen.

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      Sehr erhellend, lieber R.Z., danke. Aber es stimmt nicht, dass es keine nackten Tatsachen gebe. „A rose by any other name would smell as sweet“, sagt Julia bei William Shakespeare, und sie hat Recht. Vor allem aber, und das haben Sie angedeutet: Es gibt keinen archimedischen Punkt, von wo aus man die Dekonstruktion der Begriffe vornehmen könnte, weil sich niemand außerhalb der Gesellschaft und der Sprache stellen kann. Was wir vielmehr brauchen, ist eine Rekonstruktion der Begriffe. Was wollen wir unter Freiheit verstehen? Das ist viel interessanter als die Frage, wer womöglich diesen Begriff alles missbraucht hat (mehr oder weniger alle).

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        Sagen wir so: Nackter als diese Rose werden Tatsachen jedenfalls nicht. Die Rose aus der Perspektive der Schmeißfliege duftet bei weitem nicht so süß. Mir fällt Christian Morgenstern ein: „Seltsam ists und schier zum Lachen, dass es diesen Text nicht gibt, wenn es keinem Blick beliebt, ihn durch sich zum Text zu machen“ (oder so ähnlich). Könnte man von der Rose auch sagen.

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      „Denn viele träumen von einem Zustand der Gewaltlosigkeit als Fortsetzung oder utopischen Fluchtpunkt dieses Zivilisationsprozesses …“

      Wenn diese vielen dann ehrlicherweise den massiven Eingriff in alle Menschen mitdenken würden, ohne die Gewaltlosigkeit eine Ewigkeitsutopie bliebe, stellten sie vielleicht fest, dass es sich um einen Alptraum handelt.

      Karl Raimund Popper (sinngemäss): Wer den Himmel auf Erden errichten wollte, hat noch stets eine Hölle geschaffen. Eben deshalb.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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    @17.07.2020; 10:29h
    Lieber Mr. Posener,
    obwohl Sie my favourite author sind, hinkt der Versuch des Vergleichs von Selbstmordattentaetern nicht, weil sie der Tatort, der Ausloeser, die Begleitumstaende oder die Zeitepoche unterscheidet. Die Taten an sich muessen immer symbolisch betrachtet werden, denn es geht nicht um die direkte Wirkung, sondern die Tat soll ueber den Schrecken der realen Tat weit hinaus gehen. Das Ansinnen der Taeter ist immer und zu jeder Zeit mehr die mentale Wirkung der Tat. Richter Simson ging es um ein Fanal, was gelungen zu sein scheint, sonst koennten wir es heute nicht nachlesen. Der Ausloeser und der Weg zur Tat mag unterschiedlich sein, aber wenn sie beispielsweise Karikaturen in arabischen Medien sehen, dann ist der Spott, dem Selbstmordattentaeter mit Recht ausgesetzt sind, auch nicht ohne und fuer manche evtl. sogar ein Ansporn.
    An dieser Stelle meinen Dank fuer den Link. Mit Mr Mbembe und Mrs Spivak sind es nun schon zwei von Ihnen zitierte Experten postkolonialer Zustaende, die sich an Israel abarbeiten, obwohl es wahrlich bessere Beispiele gibt. Mrs Spivak koennte es sogar besser wissen, anders als Mr Mbembe, denn der indische Subkontinent bot nicht nur mindestens einem der verlorenen Staemme eine Heimat, sondern war, zumindest bis zur Unabhaengigkeit vom Empire, Heimat einer groesseren juedischen Minderheit.
    Mrs Spivak sortiert uebrigens nach Privilegien und macht daran die Machtausuebung fest. Aus der Sicht einer Bewohnerin des Subkontinents und im Hinblick auf das Empire nachvollziehbar, aber dies gilt ja auch fuer die eigene aktuelle Gesellschaftstruktur. So wie sie Kolonialismus beschreibt, kann sie auch das Kastenwesen auseinandernehmen. Vielleicht macht sie das auch, ohne es zu merken.
    Die beschriebene Selbstmordattentaeterin hatte ihre Regelblutung abgewartet, was in etwa dem putativen Einreiben von Patronenhuelsen mit Schweine- und Rinderfett nahekommt. Die Tat zielte nach innen, ein Versuch ein Fanal zu inszenieren. Geaendert hat sich nichts.

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    @Alan Posener (18. Juli, 12:18 Uhr)
    Als ich mich im Philosophiestudium an die Lektüre von Kants Vernunftkritik machte, habe ich eine Zeit lang den Kommentar Hans Vaihingers zu Rate gezogen, den der Begründer der ‚Kant-Studien‘ und der Kant-Gesellschaft 1881 „zum 100jährigen Jubiläum“ der Erstausgabe zusammengestellt hat – eine sagenhafte Fleißarbeit, in dem die ‚Kritik der reinen Vernunft‘ beinahe Satz für Satz, stellenweise Wort für Wort kommentiert wird mit den Stimmen aus einhundert Jahren Kant-Interpretation, die Vaihinger gesichtet hatte. *Eine* Bemerkung Vaihingers hat sich mir schon damals eingeprägt, auch wenn ich ansonsten kaum etwas behalten habe aus der unglaublichen Materialfülle, die der verdienstvolle Neukantianer zusammenzutragen wußte. Er kommt im bibliographischen Durchgang durch die von ihm verwendete Literatur auch auf den ‚Versuch über die Transscendentalphilosophie“ des jüdischen Aufklärers Salomon Maimon zu sprechen und annotiert: „Wie alle Schriften des merkwürdigen Verfassers höchst scharfsinnig, aber im Einzelnen oft von talmudistischer und daher werthloser Spitzfindigkeit.“ – Eigentlich ist das schon Kommentar genug zu Ihren Zeilen, die kaum verhohlen unterstellen, da verunklare jemand „tückisch trübe“ (um die entscheidende Schubart-Stelle zu zitieren) den Gedankenfluß seiner Ausführungen, weil er seine eigentliche Überzeugung klar auszudrücken sich nicht getraut. Nimmt man noch den Vorwurf des Unwesentlichen hinzu, findet man eines der ältesten und hartnäckigst gepflegten antijüdischen Stereotype derart bedenkenlos reproduziert, daß man staunen darf, es ausgerechnet von jemandem zu lesen, der ansonsten nun wirklich immer und überall Antisemitismen am Werk sieht. Aber auch das Naserümpfen über die rückgratlosen Duckmäuser, die zwar an der Uni Karriere machen können, im Übrigen aber nichts Wesentliches zu sagen haben, ist Antiintellektualismus reinsten Wassers, den ich so unverblümt aus Ihrem Munde denn doch nicht erwartet hätte…
    Die Technik, die ich Ihrer überaus freundlichen Einschätzung nach so meisterhaft beherrsche, hat nebenbei gesagt einen Namen und macht sogar eine eigenständige und alteingesessene Wissenschaftsdisziplin aus: die Philologie – „jene ehrwürdige Kunst, welche von ihrem Verehrer vor Allem Eins heischt, bei Seite gehn, sich Zeit lassen, still werden, langsam werden -, als eine Goldschmiedekunst und -kennerschaft des Wortes, die lauter feine vorsichtige Arbeit abzutun hat und Nichts erreicht, wenn sie es nicht lento erreicht“, wie Nietzsche es in der ‚Morgenröte‘ so unübertrefflich formuliert hat.
    Daß *Sie* nun gewiß nicht unter die Verehrer dieser Kunst fallen, sondern ausweislich Ihres Tuns zu ihren Verächtern zu zählen sind, ist mittlerweile keine Überraschung mehr – wer sonst versagt bei einer so banalen Beobachtung, daß, anders als Sie James Taylor gegenüber behaupten (17. Juli, 10:29 Uhr), „bei Mbembe … die Auseinandersetzung mit der Figur der Selbstmordattentäterin“ eben *nicht* „unmittelbar nach der Feststellung“ folgt, „die Besatzung “Palästinas” sei die vollkommenste zeitgenössische Form der Nekropolitik“, sondern schlappe *neun* Seiten dazwischen liegen (S. 27: „The most accomplished form of necropower [sic] is the contemporary colonial occupation of Palestine“; S. 35: „Let us return to the example of Palestine“ usw.)?!?
    Nun wird man von einem Kolumnisten im Tagesgeschäft nicht die gleiche Lektüre-Versenkung erwarten können wie von einem Philologen, der (mindestens gedanklich) ein ständiges ‚vita brevis, ars longa‘ vor sich her murmelt. Aber ein kleines bißchen mehr an Lesekompetenz darf’s von Ihrer Seite her schon sein, lieber Alan Posener:
    Ich hatte doch mit einem „Bevor ich inhaltlich darauf eingehe…“ den Schluß meines Posts, der einen weiteren Kommentar ankündigt, in dem es um dieses Inhaltliche (und für Sie anscheinend ‚Wesentliche‘) gehen würde, schon vorweggenommen; Sie hätten sich halt nur ein wenig gedulden müssen (und auch *darauf* hatte ich bereits hingewiesen: „frühestens morgen“)! – Das ‚Wesentliche‘ an Texten ist allerdings – man muß Sie anscheinend immer wieder darauf hinweisen – zunächst einmal *nicht*, ob sie in irgendeinem Sinne ’stimmen‘ oder fehlgehen, sondern was sie überhaupt *sagen*: Philologie ist Aufklärung am Text, und wer solche Aufklärung im Ernst als Verunklarung abtut, zeigt damit einzig, daß es ihm nicht um die Sache – nämlich die Wörter auf einer Buchseite! – geht, sondern um Slogans und Parolen. Das mag Ihnen als meinungsstarkem Journalisten ja durchaus zuarbeiten, ist aber keine Ausrede für haarsträubend schwache Argumente. Dazu allerdings erst in den nächsten Tage mehr…

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      Sie sind entweder unwillig oder unfähig, kurz und knapp zu sagen, worum es Ihnen geht. Glauben Sie mir, als studierter Philologe erkenne ich Bullshit, wenn ich ihn sehe und rieche.

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    Ach Herr Posener,

    in der letzten Zeit kam bei mir immer öfter die Frage auf, wieso ich mir manchmal die Zeit nehme hier an der Diskussion teilzunehmen. Als Sie hier 2009 anfingen, waren Sie kurz vorher bei der miefig+piefigen Fastnurmännerloge AchGut herausgeflogen. Wie Sie damals nachvollziehbar begründet haben, aus inhaltlichen Gründen.

    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/einige-sind-guter-als-andere

    Wenn ich mir ansehe, was Sie heute schreiben, wenn ich mir Ihr respektloses, herablassendes Verhalten z. B. gegenüber Frau Chebli ansehe, frage ich mich, was Sie inhaltlich noch von Broder, Lengsfeld und Co. unterscheidet.

    Nehmen wir Herrn Starkey, der Herr ist 75 und wird sicherlich nicht als Armutsflüchtling durch den Kanal in die EU schwimmen, nur weil er zwei Honorarprofessuren verloren hat und sein Verlag keine Lust hat, seine Bücher weiter zu verlegen. Haben Sie schon einmal davon gehört, dass auch ein Verlag ein Recht auf Meinungsfreiheit hat und in seinen verlegerischen Entscheidungen frei ist, weil es eine Medienfreiheit gibt?

    Es gibt genug schmierige Verleger, die nur darauf geifern Herrn Starkey zu verlegen. Die sind aber nicht so fein, wie der alte Verlag. Wenn man aber eklige Meinungen kundtut, muss man eben auch in ekligeren Verlagen publizieren. Ihre Argumentation ähnelt daher sehr dem Gejammer all derer, die angeblich hier in einem „Meinungskorridor“ gefoltert werde. Mir kommen die Tränen.

    Wenn Sie Frau Lengsfeld fragen, kann Sie Ihnen sicherlich die Kontaktdaten von Frau Dagen aus Dresden geben, die verlegt in ihrem Verlag mit dem schönen Namen „Exil“ schon all die verfolgten deutschen Geistesgrößen. Vielleicht können Sie da ja auch Ihren verfolgten Freund im Geiste Starkey unterbringen.

    https://youtu.be/FN3sn7lKwDM

    https://www.kulturhaus-loschwitz.de/impressum.html

    https://youtu.be/FFGhTmZmtec

    Und zum Schluss noch eine freundlich gemeinte Anmerkung, die ich mir trotz des Altersunterschiedds deswegen erlaube, weil ich Sie in all den Jahren auch anders kennen und schätzen gelernt habe:

    Passen Sie auf, dass Sie nicht wie Ihr Freund Broder irgendwann von der AfD zu einem Vortrag eingeladen werden und sich dort zum Deppen machen lassen.

    Mit ehrlich freundlichen Grüßen

    Ihr 68er

    1. avatar

      Lieber 68er, Sie wissen selbst hoffentlich, dass diese Art, mich mit Schmutz zu bewerfen, unlauter ist. Anscheinend meinen Sie: „Semper aliquid haeret“. Irgendwas wird schon hängenbleiben. Ich habe weder die Zeit noch die Lust, mich mit Ihren Unverschämtheiten näher auseinanderzusetzen. Und wenn Sie in diesem Ton weiter machen wollen, werde ich Sie, wie dbh, einfach nicht beachten.
      Eines muss ich Ihnen aber sagen: Mit Frau Chebli habe ich mich sehr gut verstanden, und dass obwohl ich ihre Art, sich einzuschmeicheln, ein wenig übertrieben fand. Der Bruch kam aufgrund eines redaktionellen Fehlers. Ich hatte die wie Manuela und andere Berliner Größen im Wedding aufgewachsene Chebli, um meine identitären Leser zu ärgern, in einer Glosse als echte „Berliner Göre“ bezeichnet. (Für die Rechten ist und bleibt sie ja eine Fremde.) Eine Redakteurin, die sich inzwischen dafür entschuldigt hat, strich das Wort „Berliner“. So sah es aus, als hätte ich Chebli als „Göre“ bezeichnet, was in der Tat beleidigend wäre. Dafür entschuldigte sich Ulf Poschardt öffentlich bei Frau Chebli. So, und nun mögen Sie diese Erklärung annehmen oder nicht, aber Ihre Überheblichkeit – „in der letzten Zeit kam bei mir immer öfter die Frage auf, wieso ich mir manchmal die Zeit nehme hier an der Diskussion teilzunehmen“ – in Verbindung mit Ihrer bequemen und feigen Anonymität und ihrer Art, immer dann destruktiv zum Rundumschlag auszuholen, wenn Ihnen die Argumente ausgehen, lassen mich ahnen, dass es Ihnen gar nicht um die Sache geht, sondern nur um das Schlechtmachen meiner Person. Daran sind aber, glauben Sie mir, Leute von ganz anderem Format gescheitert.

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    @Stevanovic (16. Juli, 8.43 Uhr)
    Wenn für Sie anscheinend auf der Hand liegt, mit welchen Pointen die Herren Mbembe und Kubitschek gleichen Sinns ihr jeweiliges Publikum unterhalten, dann wird es Ihnen, lieber Stevanovic, doch gewiß ein Leichtes sein, flugs die eine oder andere dieser Pointen für die noch unwissenden Mitleser zu benennen…

    @Alan Posener (17. Juli, 10.29 Uhr)
    Das ist in der Tat ein sehr schönes Fundstück, lieber Alan Posener! Bevor ich inhaltlich darauf eingehe, will ich aber doch erst die Textgrundlage klären. Jens Kastner bezieht sich auf *diese* Print- bzw. Online-Veröffentlichung hier: https://www.zeitschrift-luxemburg.de/wer-hoert-die-subalterne-rueck-und-ausblick/ (vgl. Fußnote 2 seines Kommentars) – der von Anna Richter und Corinna Trogisch besorgten Übersetzung „der gekürzten Fassung des Aufsatzes In response: looking back, looking forward, zuerst erschienen in Morris, Rosalind 2010 (Hg.): Can the Subaltern Speak? Reflections on the History of An Idea, New York“.
    Zieht man nun den Originalbeitrag zum genannten Sammelband hinzu – https://misr.mak.ac.ug/sites/default/files/events/Looking%20Back%2C%20Looking%20Forward.pdf -, um die von Kastner kritisierte Passage synoptisch abzugleichen, muß man feststellen: die betreffenden Zeilen finden sich in der ‚Response‘ von 2010 gar nicht!
    Kastner schreibt: „In ihrem Rückblick nun hält Spivak einerseits an ihrer allgemeinen These fest, weil schließlich „der Kolonialismus überhaupt nicht am Ende ist.“ Ihr einziges Beispiel dafür allerdings ist erstaunlich: „Eine Version des territorialen Imperialismus und Staatsterrorismus alter Prägung gibt es heute noch in Palästina.“ Diese analytische Feststellung muss einerseits verwundern, weil sich koloniale Wirtschafts- und Politikmuster schließlich in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens in sich stets aktualisierenden Varianten bis heute halten. Andererseits überrascht doch die einseitige, wenn nicht überhaupt geschichtsblinde Interpretation der Situation im Nahen Osten, die keinen Gedanken darauf verwendet, dass die Gründung des Staates Israel ein Effekt der Shoah war. Man muss nicht mit der Siedlungspolitik der je aktuellen israelischen Regierung einverstanden sein, um das als Fakt zu akzeptieren – und damit als grundlegenden Unterschied zu jeder Form von „territorialem Imperialismus“…“ – mit Blick auf den folgenden Abschnitt aus der ‚luxemburg‘-Übersetzung: „An diesen Punkt also hatte mich meine Hinwendung zur bengalischen Mittelschicht geführt. Ich möchte hier noch etwas anderes hervorheben: Nach Raji gibt es nach dem Verschwinden des Kolonialismus die Erlaubnis zu sprechen. Die Subalterne verschwindet jedoch nicht mit dem Ende des territorialen Imperialismus. Ich finde meine Überlegungen, die an die zentralen Argumentationen von Kann die Subalterne sprechen? anknüpfen, auch heute noch wertvoll, weil der Kolonialismus überhaupt nicht am Ende ist. Eine Version des territorialen Imperialismus und Staatsterrorismus alter Prägung gibt es heute noch in Palästina. Mein Bedürfnis zu verstehen, was Generationen von Kindern zu Selbstmordattentätern macht, hat denselben Ursprung wie mein Akt persönlicher Ehrerbietung gegenüber der Schwester meiner Großmutter und das Bedürfnis, die Normalität kollektiv zu verändern. Ihr Selbstmord war auch eine Botschaft, die nicht aufgegriffen wurde. Sie war eine Einzeltäterin. Auf die eine oder andere Weise wird das Begehren der heutigen Selbstmordattentäter über die Bildung neu geordnet. Ich habe an anderer Stelle darüber geschrieben (vgl. Spivak 2008).“
    Die entsprechende Zeilen im englischen Original beginnen zwar (S. 231) in der Tat mit „So this is where my turn to the Bengali middle class took me“, fahren dann aber ganz anders fort: „I made
    mistakes in the first version. I have kept the statements that show that I was
    ignorant of the material of South Asia. One way out would have been to reveal that she was my grandmother’s sister. But that would have been turned
    into a love fest, legitimizing myself because my grandmother’s sister killed
    herself. In the event what I drew was many hostile published responses. But
    it was in fact an act of private piety.“ Bezüge auf *irgendwelche* Selbstmordattentäter gibt es auch ansonsten nicht in dem hochinteressanten Text, dem Verweis auf ihr Buch ‚Other Asias‘, den sie in der ‚luxemburg‘-Version selber gibt (‚Spivak 2008‘), konnte ich online nicht weiter nachgehen, weil weder über Google Books noch über irgendeine pdf-Datei ein Blick ins Buch möglich war…
    Aber auch aus der englischen, von Spivak ja eigens für den Sammelband geschriebenen und autorisierten Textfassung kann man einiges für die Blog-Diskussion herausziehen – auch, um den Blick auf Herrn Mbembes Überlegungen zu schärfen. – Das aber frühestens morgen…

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      Viel Worte um nichts, Herr Nottelmann. Sie sind ein Meister jener Technik, mit der die arme Forelle bei Schubart / Schubert gefangen wird. Nur zum Wesentlichen haben Sie nichts zu sagen. Damit dürfte Ihrer universitären Karriere nichts im Wege stehen, schon gar nicht eine Überzeugung, die Sie klar auszudrücken sich trauten.

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      Leider habe ich keine Zeit ausführlicher zu antworten, deswegen nur ganz kurz: Mbembes Kritik zielt auf den Kern der westlichen Gesellschaftsordnung, insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse. Seine Kritik ist fundamental. Das macht sie nicht falsch oder schlecht, vielleicht hat er ja recht. Mir fehlt in weiten Teilen das Rüstzeug, ihn immer zu verstehen. Wenn er den Westen mit Versatzstücken aus eines Zombiefilms vergleicht, gehe ich davon aus, dass es ihm nicht nur darum geht, darauf hinzuweisen, dass EDEKA mal die Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler war. Mbembe will doch nicht nur Straßennamen ändern. Faucault hat doch nicht nur in Schülerzeitungen publiziert, weil er es nur mal sagen wollte. D.h. ohne einen Bruch in der heutigen Ordnung, einem Moment des Ragnarök für die herrschenden Verhältnisse, wird es eine Transformation nicht geben und das ist eben auch Kubitscheks Pointe. Sie befinden sich, aus verschiedenen Winkeln, in Opposition. Wer es im großen und ganzen OK, aber verbesserungswürdig, findet, was und wie wir es gerade machen, ist bei denen beiden nicht richtig. Die sind nicht lauwarm. Da liege ich doch bestimmt nicht ganz falsch und ich glaube schon, dass das auf der Hand liegt. Sollte es ein Zitat der hier angeführten Personen geben, dass sie ohne politische Ambitionen, so als làrt pour làrt, schreiben, habe ich mich geirrt.

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    Hallo Herr Posener,

    ich habe gerade Ihren Artikel in der Welt gelesen:

    https://www.welt.de/debatte/kommentare/article211338045/Brief-zum-Debattenklima-Ohne-Raum-fuer-Fehler-und-Entschuldigungen-stirbt-die-Freiheit.html?cid=onsite.onsitesearch

    Wenn Sie Ihren politischen Gegnern nur ein Tausendstel Ihrer Nachsicht entgegen bringen würden, wie Ihren politischen Gegnern, würde der Großteil Ihrer Artikel hier bei SM obsolet.

    Ich erinnere mich, dass Sie bei NSA und Co. sich vehement gegen den 1984-Orwell Vergleich gewehrt haben. Dass Sie ihn hier bei diesem abgedrehten britischen Histeriker anbringen, wundert mich bei Ihnen allerdings gar nicht. Der Herr hat sich ja nicht entschuldigt, weil er das nicht so meinen würde, sondern, weil er seine professoralen Pfründe dahinschwinden sieht. Dass Sie gerade diesen Herrn verteidigen, der die SNP mit den Nazis verglichen hat und sich dafür nicht entschuldigen wollte, zeigt einzig und allein, dass Sie Kampagnen-…… (Journalismus kann man so etwas eigentlich nicht mehr nennen) betreiben.

    https://www.youtube.com/watch?v=jcngNMaPnD8

    Wenn Herr Augstein sich so über die CSU äußern würde, dürften wir hier wahrscheinlich mindestens drei Artikel von Ihnen zum Thema lesen. Aber der edle Prof. Starkey ist ein Verfolgter.

    Es wird zunehmend amüsant.

    Ihr muslimischer Nationalismus-Artikel würde übrigens eine prima Erklärung für die Stützung Assads durch die Russen liefern:

    https://www.welt.de/debatte/kommentare/article206461879/Im-Namen-der-Nation-Der-Nationalismus-in-der-muslimischen-Welt-kehrt-zurueck-gut-so.html?cid=onsite.onsitesearch

    Und im Duktus Ihres Auftritts bei ttt könnte man fragen, was gehen die deutschen GRÜNEN die Krim an, wenn dort der Großteil des annektierten Volkes für die Annektion gestimmt haben. Aber vielleicht ist das ja ein Unterschied, den Sie mir gerne erklären können, ob das annektierende Volk oder das annektierte Volk „dafür“ ist. Denn soweit ich weiß, gab es in Israel lediglich Meinungsumfragen bei der israelischen Bevölkerung und keine Abstimmung und die Palästinenser haben bei Ihnen, wieso eigentlich, dabei nichts zu melden!?

    Aber vielleicht sind Sie da ja tatsächlich mal mit Blondi einer Meinung.

    Beste Grüße

    Ihr 68er

    1. avatar

      Lieber 68er, ich denke, was den Ton der Debatte angeht, so schenken wir uns beide nichts. Ansonsten aber schreiben Sie nichts zur Sache. Meine Kritik richtet sich nicht gegen scharfe Polemiken und Gegenpolemiken, und dafür bringen Sie einige Beispiele aus meiner Tastatur. Meine Kritik richtet sich gegen die faktische Auslöschung von Stimmen, indem Menschen, die Macht haben – Verleger, Redakteure, Universitätsleitungen – anderen Menschen, die weniger Macht haben, die Möglichkeit nehmen, sich überhaupt an die Öffentlichkeit zu wenden. Ich wende mich also gegen Zensur.
      Ich habe hier und anderswo wiederholt gesagt, dass ich es zum Beispiel im Sinne der Meinungsfreiheit für falsch finde, die Holocaustleugnung als Straftat zu werten. Ich habe auch zugunsten fundamentalistischer Islamisten wiederholt gesagt, dass das GG keineswegs die Grenzen der Meinungsfreiheit absteckt. In Sachen Mbembe habe ich nie gefordert, dass sein Verlag seine Bücher zurückzieht oder dass ihm seine Preise aberkannt werden. Ich habe mich lediglich dagegen gewehrt, dass der Auftritt eines BDS-Befürworters mit Steuermitteln finanziert wird.
      Was die Krim angeht, so liegt der Fall dort nach dem Völkerrecht völlig anders als beim Jordantal. Eher könnte man die Golanhöhen damit vergleichen. Sie können die drusischen Bewohner der Golanhöhen fragen, ob sie gern zum Machtbereich Assads gehören wollen. Was die Abstimmung auf der Krim angeht, so waren die von der internationalen Rechten geschickten Beobachter (darunter auch AfD-Leute) der Ansicht, sie sei fair gewesen. Dass Sie nun auch in dieses Horn tuten, ist ein schönes Beispiel für jene Hufeisentheorie, deren Richtigkeit Sie ansonsten bestreiten.

  7. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,
    ich meine mich erinnern zu koennen, dass der erste Selbstmordattentaeter bereits im Alten Testament erwaehnt wird. Dabei handelte sich um Richter Simson, der einen Philistertempel zum Einsturz brachte, und, so steht es zumindest im Tanach, damit 3000 Menschen toetete. Der erste Selbstmordanschlag in Israel wurde 1972 von einem Japaner am Flughafen Tel-Aviv veruebt.
    Der Schluss, dass diese Form von Attentat grundsaetzlich zu einem asymmetrischen Krieg gehoert, ist sicher richtig, und deutet darauf hin, dass vor allem der technisch und materiell Unterlegene diese Form waehlt. Dass das nun aber eine Spezialitaet sei, die ausschliesslich gegen Israel gerichtet ist, kann ich schon aus eigenem Erlebnis im Beirut der 80er-Jahre verneinen, denn wenn einem da bei Selbstmordattentaten etwas um die Ohren flog, waren es andere, sowohl Taeter, als auch Opfer.
    Sie wuerden einen Punkt machen, wenn Sie konstatieren, dass die heutigen aus Funk- und Fernsehen bekannten Selbstmordattentaeter eine religioese oder nationalistische Linie zu den Assassinen ziehen wuerden, …. aber das tun die nicht, dazu fehlt die politische Ueberzeugung.
    Bleibt die Frage, warum sich ein Historiker wie Mr Achille Mbembe, dessen Streben eher im Postkolonialismus als in der Kriegstrategie liegt, mit einer solchen Frage auseinandersetzt?
    Folgt man der Kulturwissenschaft, gehoert zur Tat ein typisiertes Feindbild, und hiermit koennen geschickte Agitatoren (aller Kulturen, aller Religionen und aller Kontinente) willige Taeter rekrutieren. Das taugt also gar nicht fuer Ausfuehrungen in Necropolitics.
    Eine Linie von Mr Mbembe zu Theodor Herzl zu ziehen, wie Sie es machen, ist moeglich, leider. „The most accomplished form of necropower is the contemporary colonial occupation of Palestine“, ist ein seltsamer Satz, da haben Sie recht, denn Necropolitics meinen „social and political power“ und „contemporary“ uebersetzen Sie nach meinem Empfinden mit „gegenwaertig“, wobei ein Historiker vermutlich „zeitgenoessisch“ meint. Die Existenz und das Existenzrecht Israels beruht ja nun gerade nicht auf Kolonialismus, sondern auf dessen Ende, was aus der Balfour-Deklaration und dem Peel-Report klar ersichtlich ist.
    Ich denke, und damit sollten Sie sich abfinden, dass Mr Mbembe exakt dann, wenn er von der „gegenwärtigen Besetzung Palaestinas“ und deren Bezug zur „Nekromacht“ schreibt, einfach den Konflikt nicht korrekt einordnen kann, nicht weiss, was er schreibt und sagt, und dazu vermutlich in diesem Leben auch keinen Bezug mehr herstellen koennen wird. Das ist schade fuer ihn, richtet aber auch keinen Schaden fuer die Welt an.

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      Lieber James Taylor (excuse my familiarity), ich weiß nicht, ob man die Tat Simsons gleichsetzen kann mit den Taten islamistischer Selbstmordattentäter. Nach Richter 16,23ff hatten die Philister ihn extra in den Dagon-Tempel geholt, um ihn zu verspotten. Davon kann bei den Opfern der Selbstmordattentäter in israelischen Diskotheken, Pizzerien und Bussen nicht die Rede sein.
      Bei Mbembe folgt die Auseinandersetzung mit der Figur der Selbstmordattentäterin unmittelbar nach der Feststellung, die Besatzung „Palästinas“ sei die vollkommenste zeitgenössische Form der Nekropolitik. Er rechtfertigt also nicht irgendeine Form des Selbstmordattentats, sondern die speziell gegen die Nekropolitik gerichtete, die er von Israel am vollkommensten verkörpert sieht.
      In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass die Selbstmordattentäterin die ultimative Form der Nekropolitik darstellt. Denn sie entscheidet in vollkommener Autonomie, wer mit ihr sterben soll.
      Mbembe mag unbedeutend sein, obwohl die Reaktion auf die gegen ihn vorgebrachte Kritik diese Einschätzung kaum bestätigt. Aber die Rechtfertigung des Selbstmordattentats (und die Feindschaft gegen israel) finden wir auch bei der vermutlich bedeutendsten Theoretikerin des Postkolonialismus, Gayatri Chakravorty Spivak:
      http://www.jenspetzkastner.de/.....lungsmacht

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      DIE Frage könnte, nein, müsste man einmal täglich der gesamten „Critical Whiteness“ Gemeinde stellen, die gerade die westliche Medien und Kulturinstitutionen übernimmt. Tun nur viel zu wenige …

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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    @Alan Posener (15. Juli, 8.27 Uhr)
    Sie müssen unbedingt besser lesen lernen, lieber Alan Posener. Ich weiß schon, was ich schreibe, und so war denn meine Bemerkung, „daß ich bis zum heutigen Tage den ‘Necropolitics’-Aufsatz kein einzigesmal gelesen hatte“, der grammatisch eigentlich eindeutige Fingerzeig, daß ich am gestrigen Tage selbstverständlich Herrn Mbembes Zeilen gelesen *habe* (Perfekt) – wie erklären Sie sich ansonsten meine Ausführungen, die ja samt und sonders Beobachtungen an seinem Text sind? -, bis dahin aber tatsächlich nicht gelesen *hatte* (Plusquamperfekt). Einem Germanistik-Absolventen (und haben Sie nicht auch Deutsch unterrichtet?) könnten die verschiedenen Vergangenheitsformen durchaus geläufig sein, meinen Sie nicht? – Es ist müßig hinzuzufügen, daß damit auch Ihre Retourkutsche (‚Ahnungslosigkeit‘) ins Leere rollt und der ganze Kommentar vom ersten bis zum letzten Buchstaben völlig gegenstandslos ist. Na, vielleicht doch nicht völlig, denn ich vermute, es handelt sich um einen Freudschen Versprecher, wenn Sie von „Sigmund Freund“ schreiben und mir damit womöglich bedeuten wollten, daß wir, um Bogey zu zitieren, am Beginn einer wunderbaren Freundschaft stehen… (Oder ist *das* jetzt wirklich nur eine Projektion?)

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      „Freund“: Touché.
      Anders als Sie glaube ich aber nicht, dass man an einem Nachmittag, bei dem man sich überdies ergebnislos mit der Frage herumschlägt, ob Mbembe zuerst auf Französisch oder auf Englisch schrieb (oder sich vielleicht weder in der einen noch in der anderen Sprache verständlich machen kann), genügend „Ahnung“ von der Materie erwerben kann, um sich ein Urteil, zumal ein so apodiktisches wie Ihres, zu erlauben.

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    Nicht, daß Ihr Essay nicht zu energischem Widerspruch reizen müßte, lieber Alan Posener, aber eine eingehende Auseinandersetzung mit Ihren Zeilen erspare ich mir diesesmal; es ist inhaltlich von A bis Z interpretatorischer Unsinn, den Sie da schreiben (und ja ganz gleichen Sinns in der ‚Welt‘ vom 11. Mai verbraten haben: ‚Absurd ist noch zu tief gegriffen‘; nur nebenbei: meinen Sie nicht auch, daß es richtiger ‚zu hoch gegriffen‘ hätte lauten sollen?).
    Aber nicht darum soll es gehen, daß Ihr jüngster Blog-Beitrag zweifellos der bisherige Tiefpunkt Ihrer merkwürdigen Mbembe-Obsession ist, was Ihre vollkommen verquere Exegese angeht. Es ist für sich genommen ja nichts Ungewöhnliches (und auch überhaupt nichts Ehrenrühriges), wenn Leser, die an eine ihnen fremde Art von Texten geraten, Verständnisschwierigkeiten offenbaren; nimmt ihnen (und Ihnen) natürlich nicht das Recht, sich dennoch zu diesen Texten zu äußern.
    Was aber auffallen muß, ist, daß sich in Ihre hemdsärmelig-großspurige, ahnungslos-besserwisserische Beschäftigung mit allem, was Sie als Antizionismus, -judaismus, -semitismus an Herrn Mbembes Äußerungen glauben hervorheben zu sollen, zunehmend eine handwerkliche Stümperei mischt, die einem Journalisten, der etwas auf sich hält, nicht egal sein sollte. – Ich greife rasch drei, vier Punkte heraus:
    (1.) „Ich beziehe mich im Folgenden auf Mbembes Aufsatz „Nekropolitik“. … Ich zitiere aus der englischen Version, weil sie, anders als die deutsche, im Netz frei verfügbar ist. (Das französische Original leider auch nicht.)“ – Mich hat es keine 30 Sekunden Internetrecherche gekostet, die französische Fassung zu finden: https://www.cairn.info/revue-raisons-politiques-2006-1-page-29.htm# , und eine knappe halbe Minute hat es auch nur deswegen gedauert, weil ich, den französischen Originaltitel der ‚Politik der Feindschaft‘ im Hinterkopf (‚Politiques de l’inimitié‘), als Suchworte ‚Mbembe‘ und ‚Necropolitiques‘ (Plural) eingegeben hatte und nach einem Blick auf die Ergebnisliste darauf kam, daß es wohl ‚Necropolitique‘ (Singular) heißen müsse. Gleich das erste Suchergebnis führt (auf Google zumindest; auf Bing und Yahoo muß man ein klein wenig mehr Aufwand betreiben) zum richtigen Ergebnis. Wie Sie diese simple Aufgabe *nicht* haben bewältigen können, weiß ich nicht.
    Es ist überdies falsch, von der französischen Version als dem „Original“ zu sprechen, auch wenn der Zusatz zur englischen – „Translated by Libby Meintjes“ – eine Übertragung aus einer Ausgangs- oder Ursprungssprache nahelegen könnte: in der französischen Fassung ist zwischen der letzten Zeile des Haupttexts und der ersten Fußnote die Anmerkung eingeschoben: „Traduit de l’anglais (!) par Émilie Cousin, Sandrine Lefranc, Eleni Varikas“; was nicht schlecht zu dem Umstand paßt, daß ‚Necropolitics‘ bereits in der Winter-Ausgabe 2003 von ‚Public Culture‘ erschienen ist, ‚Necropolitique‘ dagegen erst Jahre später in der ersten Nummer von ‚Raisons politiques‘ für das Jahr 2006, die französische Version allem Anschein nach also eine Übertragung der englischen Erstveröffentlichung ist. – All dies sind Feststellungen, für die man mit ein wenig Geschick nicht mehr als fünfzehn, zwanzig Minuten brauchen darf. Wer diese Zeit *nicht* investieren will, der sollte halt auch nicht so tun, als habe er sich redlich um eine Sichtung der verschiedenen Versionen bemüht, aber leider, leider nicht mehr herausschlagen können. (‚Verschieden‘ sind die beiden Veröffentlichungen übrigens auch darin, daß der Abschnitt ‚Politics, the Work of Death, and the „Becoming Subject“‚ in der frankophonen Publikation zur Gänze weggefallen ist.)
    Man mag diese Details für nebensächlich halten (und aufs Ganze Ihres Eintrags gesehen, sind sie das natürlich auch); aber man kann daran sehr gut demonstrieren, wie Sie sich stets als solide und gründlich geben, effektiv aber alles falsch machen, was Sie in dieser Situation falsch machen konnten. Und das ist durchaus typisch für Ihre Art zu schreiben…
    (2.) Im Abschnitt ‚Apologie des Selbstmordattentats‘ sinnieren Sie lang und breit darüber, wie Sie dem geneigten Leser glaubhaft machen können, daß Herr Mbembe nicht *irgendwelche* Selbstmordattentäter meint, sondern schon ganz dezidiert jene, die den Staat Israel mit Terror überziehen wollen. („Gut, werden Sie sagen, oder vielmehr nicht gut, aber warum beziehen Sie das auf Israel?“) KZ-Häftlinge, Stauffenberg, die japanischen Kamikaze-Piloten werden von Ihnen als immerhin mögliche Selbstmordattentäter ins Spiel gebracht, die Achille Mbembe ja ebensogut gemeint haben könnte, dann aber ausgeschlagen mit Blick auf eine bestimmte Textstelle, die den Autoren dingfest machen soll: „Bushaltestelle, Café, Diskothek, Marktplatz, Checkpoint, Straße. Man erkennt die Topographie der islamistischen Selbstmordattentate gegen Juden.“ Aha!, könnte der (immer noch geneigte) Leser denken – da ist der Herr Posener dem Israelhasser aus dem BDS-verseuchten Südafrika aber raffiniert auf die Schliche gekommen.
    Zu dumm nur, daß Herr Mbembe das, was Sie sich da mühsam erarbeiten zu müssen glauben, in einem knappen Sätzchen selber sehr unmißverständlich längst gesagt hat: der auf Seite 35 beginnende Abschnitt ‚Of Motion and Metal‘, der jene ‚verräterischen‘ Zeilen („the bus stop, the café, the discotheque, the marketplace, the checkpoint, the road…“) bereits im vierten Absatz enthält – und die Absätze sind ausgesprochen übersichtlich gehalten -, wird eröffnet mit: „Let us return to the example of Palestine…“, sprich: es ist längst deutlich gemacht, daß es sich im Folgenden um palästinensische Selbstmordattentäter drehen soll… Bei allem Respekt: wer Texte *so* liest, daß er die Hälfte davon nicht mitbekommt, sollte vielleicht nicht darüber schreiben…
    (3.) In diesen Zusammenhang gehört auch Ihre Parenthese „Mbembe verwendet den Begriff ohne Anführungszeichen“, die wohl insinuieren soll, daß er die palästinensischen Selbstmordattentäter auch selber als Märtyrer für die vielbeschworene ‚gute Sache‘ („Juden in die Luft jagen geht schon in Ordnung“) ansieht. Ich sehe jetzt mal von der wirklich nur noch böswillig-einfältigen ‚Interpretation‘ der ganzen Passage ab, die nur ein weiteresmal belegt, daß Sie theoretischen Texten einfach nicht gewachsen sind und mit so etwas wie Begriffslogik auf Kriegsfuß stehen (wir hatten das ja schon) – Mbembe stellt gleich eingangs klar, daß es darum gehen soll „the *logic of martyrdom* and the *logic of survival*“ zu entfalten… -, und bleibe bei der soeben zitierten Bemerkung („…ohne Anführungszeichen“). Wer den Text auch nur flüchtig liest, wird feststellen, daß Herr Mbembe genau dies eben doch *tut*, wenn er nämlich (S. 37, Abs. 1) von ‚martyrdom‘ nur in Anführungszeichen spricht! (In ‚Necropolitique‘ übrigens auch, und an der gleichen Stelle; vgl. die rechterhand vorgenommene Absatzzählung, Abs. 56.)
    Nun kann man es zwar einigermaßen erratisch finden, daß er, nachdem er schon anderthalb Seiten lang von Märtyrern geschrieben hat, erst hier auf den Gedanken kommt, durch Anführungsstriche anzuzeigen, daß es sich um einen uneigentlichen bzw. den Selbstmordattentätern selber entlehnten Wortgebrauch handelt; andererseits kann man sich gut vorstellen, daß ihm das Letztere so selbstverständlich war (und jedem mitdenkenden Leser ebenso), daß er diese Zeichen für zu aufdringlich und vor allem: für unnötig hielt (was sie auch sind), ihm dann aber doch Zweifel gekommen sind, ob es nicht doch einige Holzköpfe unter den Lesern geben könne, denen man auch so etwas noch eigens vorkauen muß. Wie auch immer: Sie haben auch *diese* Stelle ganz offensichtlich überlesen und geben Ihr *Nichtwissen* auch noch als besonders aufmerksame Lektüre aus… Eigentlich unfaßbar.
    (4.) „Die Denker, die er zitiert, sind mit einer Ausnahme – Frantz Fanon – sämtlich europäische Denker“, schreiben Sie – worauf schon der ’68er‘ richtigerweise repliziert hat, „Mbembe bezieht sich nicht nur auf “europäische” Denker, sondern u. a. auch auf “amerikanische”…“ (13. Juli, 21:21 Uhr); worauf Sie wiederum keine bessere Antwort wußten als „Mir muss … entgangen sein, dass Mbembe amerikanische Denker zitiert. Wen meinen Sie?“ (14. Juli, 9:41 Uhr)
    Sie mögen ja mit einem gewissen Recht meinen, daß es einen Unterschied macht, ob man einen Philosophen wie Heidegger oder einen Staats- und Verfassungsrechtler wie Schmitt heranzieht, um mit ihren Konzepten zu arbeiten oder sie zum Gegenstand eigener Überlegungen zu machen, oder ob man Forscher aus den Geschichts- und Sozialwissenschaften anführt, um irgendwelche Behauptungen durch Verweis auf weiterführende Literatur abzusichern. Tatsächlich erliegen Sie da aber einer optischen Täuschung, denn es macht im Prinzip eben *keinen* Unterschied, ob Mbembe nun ‚Sein und Zeit‘ zitiert mit Heideggers berühmter Auslegung des Daseins als einem ‚Sein zum Tode‘ oder ob er – ich greife willkürlich heraus – auf Seite 28 Eyal Weizmans Konzept der ‚politics of verticality‘ oder das Schlagwort ’splintering occupation‘ der Autoren Graham und Marvin aufnimmt. Und in diesem Sinne ist Herr Mbembe keineswegs so eindeutig einer kontinentaleuropäischen Denkströmung zuzuordnen, wie Sie das suggerieren, sondern genauso sehr von der angloamerikanischen Forschung beeinflußt, die – und das ist der Punkt! – in den Fußnoten zu seinem Aufsatz ja noch und nöcher vorkommt: nimmt man zum Kriterium, daß ein Buch in einem U.S.-amerikanischen Verlag herausgekommen ist (und streicht weg, was offenkundig bloße Übersetzungen von Klassikern wie Hannah Arendt, Jürgen Habermas, Jean Baudrillard, Georges Bataille usw. sind), dann würde man in dieser Hinsicht (ohne *irgendeine* inhaltliche Beschäftigung mit dem Text) in den Fußnoten 6, 7, 8, 10, 26, 29, 30, 31, 32, 34, 36, 38, 41, 43, 46, 53, 59, 60, 61, 62, 65, und 67 fündig werden. (Die Veröffentlichungen im südafrikanischen Kontext in Fn. 47, 50 und 68 führen natürlich genauso aus dem eurozentristischen Blick auf Mbembe heraus.) So etwas *nicht* zu sehen, obwohl es sich bereits bei einem allerersten Lese-Eindruck förmlich aufdrängt, ist handwerkliche Schlamperei, die man von jemandem, der gut bezahlt für eine der auflagenstärksten Tageszeitungen in Deutschland schreibt, eigentlich nicht erwarten würde…
    (5.) Nur als kleines Schmankerl, um an einem fast schon beliebig herausgegriffenen Befund, der auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen mag, noch einmal Ihre Technik der andauernden Unterstellungen und böswilligen Verunglimpfungen aufzuzeigen: „Mit dem Nazi-Juristen Schmitt definiert er [Mbembe] staatliche Souveränität als die Fähigkeit, den Ausnahmezustand zu verhängen…“ Nun: hätten Sie sich, was man durchaus erwarten dürfte, einfach mal darüber informiert, welche Schmitt-Bücher Achille Mbembe denn da (ausweislich der Fußnote 3) zu Rate gezogen hat, dann hätten Sie bemerken müssen, daß ‚Die Diktatur‘ bereits 1921 herauskam, als von den Nazis noch kaum die Rede war, und die ‚Theorie des Partisanen‘ 1963, als… nun, in gewisser Weise: von den Nazis kaum mehr die Rede war. Schmitt in diesem Zusammenhang als ‚Nazi-Juristen‘ anzuführen, hat keinerlei sachliche Gründe – im Gegenteil: an dieser Stelle ist der Hinweis völlig unsinnig -, sondern ist nichts anderem als Ihrer Freude geschuldet, Ihnen unliebsame Figuren möglichst abwertend zu charakterisieren.

    Um mal zum Schluß zu kommen: Bleiben Sie doch einfach mal bei Themen, zu denen Sie tatsächlich etwas zu sagen haben, weil Sie dabei auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können und mit selber journalistischen Texten zu tun haben, mit denen Sie umzugehen wissen! Ihre Zeilen für ‚Zeit online‘ über das Polizeibashung etwa finde ich – ganz unabhängig übrigens, ob man nun gleicher Meinung wie Sie ist oder nicht – tadellos! Ihre Versessenheit darauf, Herrn Mbembe eine Anti-Haltung von A wie Aufklärung bis Z wie Zionismus nachzuweisen und so zu tun, als sei der schwarzafrikanische Postkolonialist im Ernst so etwas wie ein auf links gedrehter Götz Kubitschek, macht nur in immer peinlicherer Weise deutlich, daß Sie über das Handwerk nicht verfügen, das Sie für Herrn Mbembes Texte bräuchten; und – schlimmer noch – daß Sie über diese Obsession schlichtes journalistisches Handwerk vernachlässigen.

    Hier mal eine Lektüreempfehlung, die Ihnen vielleicht eine etwas andere, weniger konfrontative Sicht der Dinge nahelegt, was Zionismusforschung und Postcolonial Studies angeht: https://werkstattgeschichte.de/wp-content/uploads/2018/04/WG76_043-058_VOGT_ZIONISMUS.pdf – Hat natürlich nicht unmittelbar mit Ihrem aktuellen Blog-Beitrag zu tun, fügt sich aber sehr selbstverständlich in Ihre, man möchte sagen, *ungezählten* Schriften zum Themenfeld Postkolonialismus und Antisemitismus ein.Ich hoffe, Sie lesen es mit Gewinn.

    P.S.: Damit kein falscher Eindruck entsteht, setze ich mal ausdrücklich hinzu, daß ich bis zum heutigen Tage den ‚Necropolitics‘-Aufsatz kein einzigesmal gelesen hatte oder ihm irgendwo im Zitat begegnet wäre; sprich: alles, was ich an Textbeobachtungen formuliert habe, ist das Ergebnis eines einzigen (zugegeben: langen) Nachmittags. Es ist also keineswegs eine Zumutung, wenn ich von Ihnen (oder auch anderen Kolumnisten) eine vergleichbare Informiertheit erwarte…

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      Herr Nottelmann, haben Sie oder haben Sie nicht geschrieben, dass Sie „bis zum heutigen Tage den ‘Necropolitics’-Aufsatz kein einzigesmal gelesen hatte oder ihm irgendwo im Zitat begegnet wäre“? Sie geben also zu, dass Sie vom Gegenstand keine Ahnung haben. Mir das zu unterstellen, was Sie wortreich, aber beleglos tun, entpuppt sich mithin als das, was Sigmund Freund eine Projektion nannte.

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    Das Zitat „(L)ate-modern political criticism has unfortunately privileged normative theories of democracy and has made the concept of reason one of the most important elements of both the project of modernity and of the topos of sovereignty“… wird hier aus dem Kontext gerissen.

    Wenn man Mbembes Argument vollständig liest und zitiert, dann geht es in ihm um eine Vernunftkritik: Nämlich dass das Konzept der Vernunft als normative Grundlage von Demokratie nicht ausreicht, weil man auch Völkermorde mit Vernunftargumenten rechtfertigen kann.

    Das ist übrigens kein neues Argument, sondern von Adorno und Horkheimer bereits in den 1940er Jahren als „Dialektik der Aufklärung“ beschrieben und analysiert. Die Behauptung, dass dies ein Schmittianismus sei, ist ziemlich abenteuerlich.

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      Nein, lieber Herr Cramer, Sie irren. An keinem Punkt kritisiert Mbembe, dass man Völkermorde auch mit der Vernunft begründen könnte; nirgends bekennt er sich zur Demokratie. Mithin ist Ihr Hinweis auf Adorno und Horkheimer gegenstandslos, weil sich Mbembe nicht auf sie, sondern auf Carl Schmitt bezieht. Nicht mich trifft daher der Vorwurf des aus-dem-Kontext-Reißens, sondern Sie.
      Die „Dialektik der Aufklärung“ verdiente, davon abgesehen, eine eigene und ausführliche Kritik, weil sie faktisch die theoretische Grundlage für die reaktionäre Wende der Linken bot, die 1968 eingeleitet wurde. Einstweilen empfehle ich dazu Richard Herzingers Kritik.

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    Die jüdische Position zum Thema Attentat ist im Kern: Attentate sind okay, solange sie von Juden gegen Nichtjuden (nicht bloß Deutsche, auch Russen, Araber, Briten) ausgeübt werden und die Juden dabei nicht umkommen. (Aber über jüdische Attentate gegen Araber oder Briten wollen wir doch nicht reden, oder?)
    Das ist schon verständlich. Aber kann man dadurch eine moralische Überlegenheit der Juden gegenüber den Mbembes definieren?
    Die Leute, die auch akzeptieren, dass sie selber beim Attentat mit umkommen, sind vielleicht bloß verweifelter als die anderen? Und wer hat sie in diese Verzweiflung getrieben?

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    Kurze Korrektur, Litzmann ist erst nach Ihrem Artikel zurück getreten, die Meldung über seinen Tempelbesuch ohne Schutzmaßnahmen ging aber schon vor Ihrem Artikel durch alle Medien. Und ja, Litzmann ist im Wortsinne kein Corona-Leugner, das hatte ich falsch in Erinnerung, er scherte sich aber einen Dreck um seine eigenen Corona-Regeln und stellte seine religiösen Überzeugungen über seine von ihm selbst erlassenen weltlichen Gesetze und ging ohne Schutzmaßnahmen in den Tempel. Was es aus meiner Sicht nicht besser macht.

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    Ohne mich näher mit Mbembes Texten beschäftigt zu haben — ich muss zugeben mit fehlt dazu aktuell die Zeit und daher verfolge ich diese Debatte nur vom Rande — muss ich bei ihren Zitaten unweigerlich an Ernst Jünger denken. Vermutlich liegt dies am Rückgriff auf Carl Schmitt und an dem Nihilismus, der hier vertreten wird. Ohne dies jetzt näher zu untersuchen, frage ich mich dennoch wie der eine verteufelt werden konnte und der andere aktuell von allen Seiten verteidigt wird.

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        Auch da widerspreche ich Ihnen entschieden. Mit seinen kriegsverherrlichenden Schriften hat er sehr viele Junge Menschen in den „Heldentod“ getrieben. Wenn Sie meinen, dass er 1941 bei der Erschießung eines Deserteurs nur zugegen war und weder geschossen hat, noch Eingregriffen hat, mögen Sie recht haben.

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        Was ich meinte, war: Carl Schmitt „engagierte sich ab 1933 für das NS-Regime: Am 1. Mai 1933 trat er in die NSDAP ein und gehörte ihr bis zum Ende der NS-Herrschaft an. Den sogenannten Röhm-Putsch von 1934 rechtfertigte Schmitt durch sein juristisches Prinzip der „Führer-Ordnung“. Die antisemitischen Nürnberger Gesetze von 1935 nannte er eine „Verfassung der Freiheit“. Im Jahr 1936 wurde ihm jedoch Opportunismus vorgeworfen, und er verlor seine Parteiämter, blieb aber bis 1945 Mitglied der NSDAP und des Preußischen Staatsrats.“ (So Wikipedia)
        Jüngers Vergehen war anderer Art. Wie ich schrieb: „Er machte sich die Hände nicht schmutzig“. Haben Sie „In Stahlgewittern“ gelesen? Ich fand das Buch nicht „kriegsverherrlichend“. In vielem ist es erschreckender als „Im Westen nichts Neues“. Ich mag ihn nicht, und ich finde die Verehrung seiner Person und seines Werks dégoutant. Aber er ist von anderem Kaliber als Carl Schmitt, den Mbembe als Kronzeugen für sein Staatsverständnis zitiert. Vielleicht verhalten Sie sich mal dazu, statt am Details herumzumäkeln?

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        Es gibt ein Essay, ich Walter Benjamin, das auch von einem der französischen Denkern, die Sie nicht mögen, aufgegriffen wird, in dem es um Macht und Legitimität geht. Ich weiß auch nicht mehr, ob dort Schmitt explizit zitiert wird, aber seine (Schmitts) Analyse von Macht, Gewalt und Leigitimität fand ich damals glaube ich, dass ist aber schon lange her durchaus diskussionswürdig. Das heißt nicht, dass ich sie für richtig gehalten hätte, das müsste ich noch einmal nachlesen, und daraus eine Handlungsempfehlung zu machen, wäre sicherlich problematisch.

        Ich schau das noch einmal nach.

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        Hier:

        https://starke-meinungen.de/blog/2010/02/10/nicht-die-padophilen-priester-sind-das-problem-%e2%80%93-der-deutsche-papst-ist-das-problem/#comment-867

        hatte ich schon einmal Benjamins Aufsatz zitiert und Schmitt erwähnt. Leider habe ich da nicht ausgeführt, was ich davon halte. Ich muss die Texte von Benjamin, Schmitt, der auch nicht so einfach zugänglich ist und wohl Derrida, wenn ich mich richtig erinnere, also noch einmal lesen. Von den Franzosen habe ich allerdings einige Bücher an meinen Sohn verliehen.

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        Lieber 68er, ich fürchte in der Tat, dass Benjamin einer näheren Betrachtung nicht unbeschädigt standhält. Sein schlimmes Schicksal darf ihn vor Kritik nicht immunisieren.

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      B.F.: ‚In der Folge entwickelt er‘ – Mbembe – eine universale Theorie der Gewalt, mit der er Vergangenheit, und dass dem eliminatorischen Antisemitismus eine negative Erlösungsfantasie zugrunde liegt, in der die Vernichtung der Juden die Heilung der Welt darstellt.
      Belege sind zahllos vorhanden, vom Johannesevangelium 8, 44 („Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel …“) … ‚

      … werter B.F., Sie wissen schon, dass Ihr Link Quark schreibt? Oder? Dort wird eine Kollektivschuld konstruiert die es nicht gibt. (Übrigens nicht besser als Mbembe.) Vor ‚Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel …‘, oder anderswo ähnlich, steht im Evangelium geschrieben, dass sie, also der Mob, ihn, Jesus, töten wollten. Von Juden lese ich da nix.

      Sie konstruieren eine Kollektivschuld wie Mbembe es tut, die es aber nicht, nirgends, gibt. Allein Ideologie ist schuldig.

      Übrigens waren die ersten Christen Juden.

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    Hallo Herr Posener,

    Israel ist kein säkularer Staat. Was einige der Gründer damals gewollt haben mögen, können Sie Mbembe heute nicht vorhalten:

    https://www.bpb.de/internationales/asien/israel/45108/staat-und-religion

    Was Sie in Bayern kritisieren, übersehen Sie – dafür mag es diskutierbare Gründe geben – in Israel:

    https://www.theeuropean.de/alan-posener/4930-im-gespraech-mit-alan-posener3

    Ich kann leider nicht so gut Englisch wie Sie, so dass ich mich ein wenig schwer tue mit Mbembes Text. Die Textstellen die Sie zitieren, sind – so lese ich es jedenfalls – weitgehend deskriptiv und nicht so affirmativ, wie Sie sie teilweise übersetzen. Ich lese nicht, dass Herr Mbembe Selbstmordanschläge „als Erlösung feiert“.

    Vielmehr „verschwimmen bei ihm Grenzen“ zwischen „Widerstand und Selbstmord, Opfer und Erlösung, Martyrium und Freiheit“.

    Und wenn man den Text einmal abklopft, ob er nicht auch eine Erklärung für Irgun und Lehi sein könnte, merkt man schnell, dass damals ähnliche „Vokalbeln“ benutzt wurden:

    https://www.jewishvirtuallibrary.org/lo-x1e25-amei-x1e24-erut-israel

    Und heute noch werden:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Olei_Hagardom

    https://www.google.de/search?q=Lehi+Commemoration+&tbm=isch&ved=2ahUKEwjFnKbw9srqAhUjMuwKHWvWB4UQ2-cCegQIABAA&oq=Lehi+Commemoration+&gs_lcp=CgNpbWcQA1CUfViUfWCAgQFoAHAAeACAAVeIAVeSAQExmAEAoAEBqgELZ3dzLXdpei1pbWc&sclient=img&ei=aLEMX8XIIaPksAfrrJ-oCA&bih=1098&biw=1920

    Was mich betrifft, ich halte weder etwas von palästinensichen terroristischen Attentaten noch von israelischen terroristischen Attentaten.

    Und im Übrigen, wenn Sie meinen, dass Herr Mbembe antiaufklärerisch sei, was halten Sie dann von Yaakov Litzmann?

    https://de.wikipedia.org/wiki/Yaakov_Litzman

    Ihr Engagement in Ehren, aber in vielen Teilen ist es doch sehr verlogen, oder wenn man es netter formulieren will, einseitig.

    Mit freundlichem Gruß

    Ihr 68er

    P.S.: Da Sie ja bei anderen gerne Erbsen zählen, kurz der Hinweis, Mbembe bezieht sich nicht nur auf „europäische“ Denker, sondern u. a. auch auf „amerikanische“. Sie wollten wohl „westliche“ sagen aber auch das würde es nicht wirklich treffen. Das ist übrigens einer Ihrer angenehmen Züge, wenn Sie als „Kolonialnachfahre“ noch darüber bestimmen wollen, wer ein richtiger „Afrikaner“ ist und wer nicht.

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      Lieber 68er, wenn Sie sich mit Mbembes auf Englisch Text schwer tun und meiner Übersetzung nicht trauen, kaufen Sie doch die deutsche Ausgabe. Ihr Misstrauen mir gegenüber in Ehren, aber ich verstehe nicht, wie Sie schreiben können, Sie verstünden Mbembe nicht, und gleichzeitig behaupten können, ich würde ihn falsch interpretieren.
      Selbst Ihnen mit Ihrem eingebauten Verdacht mir gegenüber als „Kolonialnachfahre“ (Sie sind natürlich keiner), als „Erbsenzähler“, als „verlogener“ Verteidiger Israels müsste auffallen, dass man das Phänomen des islamistischen Selbstmordattentats nicht ohne Rekurs auf den Islamismus adäquat „deskriptiv“ behandeln kann. So wie man die RAF ohne Rekurs auf 68 nicht adäquat beschreiben kann und Anders Breivik usw. nicht ohne Rekurs auf den Rechtsradikalismus, wie ich es ja auch hier auf SM getan habe.
      Was „Irgun und Lehi“ mit alledem zu tun haben, ist mir rätselhaft. Weder habe ich – als Verteidiger des britischen Imperialismus – den jüdischen Terror gegen britische Soldaten je gut geheißen, noch gesteht Mbembe der zionistischen Bewegung den Charakter einer antikolonialen Bewegung zu (die sie allerdings war). Vermutlich wollten Sie bloß wieder einmal loswerden, dass es auch jüdische Terroristen gab, was niemand bestreitet, aber mit dem Gegenstand nichts zu tun hat.
      Ich kenne Yaakov Litzman nicht. Was hat er mit Herrn Mbembe zu tun? Ist Litzman Philosoph? Wird er als großer Denker in Deutschland gefeiert? Erhält er Preise? Hält er hier Reden? Was in Gottes Namen wollen Sie eigentlich sagen? Dass es auch jüdische Arschlöcher gibt? Ist Ihnen das ein Bedürfnis? Dann wollen wir mal feststellen: Ja, es gibt unter Juden einen genau so hohen Prozentsatz Arschlöcher wie unter Ariern. Können wir Ihre Juden-Obsession also abhaken und uns mit Mbembe beschäftigen, der Gegenstand meines Artikels ist?
      Mir muss, um zum Abschluss zu kommen, entgangen sein, dass Mbembe amerikanische Denker zitiert. Wen meinen Sie?

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        Hallo Herr Posener,

        ich habe jetzt mal an den Computer gewechselt, nachdem ich Ihnen in der letzten Stunde auf meinem Handy relativ detailliert eine Erwiderung geschrieben habe, die dann aber aufgrund eines Fehlklicks im Nirwana verschwunden ist.
        Daher jetzt nur ganz kurz.

        Um beim Persönlichen anzufangen. Die Unterstellung (gerade von Ihnen) ich hätte eine „Juden-Obsession“ ist eine Frechheit. Wie man es macht, macht man es Ihnen nicht recht, oder soll ich sagen, macht man es Ihnen gerade recht. Hat man keine Ahnung von Israel, soll man die Klappe halten und wenn man Fakten über Israel in die Diskussion einbringt, hat man eine „Juden-Obsession“. So brauchen Sie sich letztlich mit niemanden ernstlich auseinandersetzen. Und können ohne Scham behaupten, Sie kennen Yaakov Litzmann nicht. Das mag ich Ihnen vielleicht noch glauben, nur würde das dann ein bezeichnendes Licht auf die Qualität Ihrer Texte werfen, wenn man bedenkt, dass Sie Anfang April 2020 einen langen Artikel in der WELT über CORONA und Religionen geschrieben haben, just ein paar Tage nachdem der israelische Gesundheitsminister und CORONA-Leugner Yaakov Litzmann, positiv auf den Corona-Virus getestet worden war und seinen Gesundheits-Ministerposten räumen musste, um dann gleich wieder als Minister für Bau- und Wohnungswesen, die Siedlungspolitik voran zu treiben. Wenn Sie wirklich so wenig Ahnung von der Materie haben, macht es wirklich keinen Sinn, mit Ihnen zu diskutieren.

        Was Irgun und Lechi betrifft, geben Sie mit Ihrem Hinweis auf die koloniale Situation ja zu, dass die Theorie von Mbembe auf die damalige Situation angewendet werden kann. Ich glaube nicht, dass Mbembe die Terrorakte von Begin, Shamir und Co. „feiern“, rechtfertigen oder gutheißen würde. Die Behauptung, in der damaligen Situation seien „the lines between resistance and suicide, sacrifice and redemption, martyrdom and freedom“ … „blurred.“ Erscheint mir aber auf den ersten Blick nicht falsch. Die Grundtheorie von Mbembe also zumindest diskutabel.

        Wenn Sie immer wieder auf die besondere Bedeutung der islamistischen Ideologie für die palästinensischen Terrorakte hinweisen, will ich Ihnen da gar nicht widersprechen. Aber solch einen Terrorakt kann man nicht monokausal begründen. Es spielen da sehr viele Faktoren hinein und die von Mbembe beschriebene Ohnmacht, die kolonialistische Situation, in der die Jugend keine absehbare positive Zukunft haben, spielt da aus meiner Sicht eine nicht zu unterschätzende Rolle.

        Und so kommen wir zu der nach meinem Empfinden zentralen Frage, ob es sich bei der Situation in den Palästinensergebieten um eine koloniale Situation handelt oder obs sie zumindet eine Situation ist, die einer kolonialen Situation ähnlich ist und ob diese Situation mitursächlich für den palästinensischen Terror ist, oder sogar nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Terror in seiner jetzigen Form und in seinem jetzigen Ausmaß wegfiele. Und ich rede jetzt nicht über die Situation der Palästinenser, die direkt in Israel leben. Es geht mir um die Situation der palästinensischen Menschen im Westjordanland und in der Westbank. Und es geht mir auch nicht um Schuldzuweisungen. Ja, es gibt auch bei den Muslimen viele Menschen, die es auf eine Eskalation der Situation anlegen und sich daraus Vorteile erhoffen. Aber die Grundannahme, dass der Konflikt und die sich auf ihn beziehenden Terrorakte auf einer historischen Situation beruht, die koloniale Wesenszüge trägt und im gewissen Sinne auch „postkolonial“ begründet ist, wenn man die Britische Mandatszeit und die Osmanische Besetzung mit hinzudenkt, wird man schwerlich bestreiten können. Hätte es das alles nicht gegeben und hätte es den Holocaust nicht gegeben, sähe es im „heiligen Land“ heute sicher anders aus. Das rechtfertigt, wie gesagt nichts, das mag vielleicht auch eine Binsenwahrheit sein, aber die historische Entwicklung, die in der aktuellen historischen Situation gemündet ist, ist nach meiner Meinung eine Grundvoraussetzung, dass sich die Menschen heute gegenseitig Umbringen, bedrohen und erniedrigen.

        Und was die nicht-europäischen Denker betrifft, wer suchet, der findet:

        https://warwick.ac.uk/fac/arts/english/currentstudents/postgraduate/masters/modules/postcol_theory/mbembe_22necropolitics22.pdf

        Herzliche Grüße

        Ihr 68er

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        Lieber 68er, tatsächlich interessiert mich die jetzige Corona-Situation in Israel nur insofern, als sie meine Verwandten dort betrifft, also unmittelbar persönlich. Ich habe sehr allgemein das Gefühl, dass sich Populisten – Trump, Bolsonaro, Putin, Johnson, Netanyahu – als schlechte Krisenmanager entpuppen. Aber das wäre erstens ein eigener Artikel, und ich hüte mich zweitens ein wenig vor endgültigen Urteilen. Es kann noch viel passieren.
        Jedenfalls hat Corona, so weit ich sehe, nichts mit Mbembes Kritik an der Moderne zu tun.
        Ich weiß nicht, ob Sie den Artikel zu Ende gelesen haben. Den Eindruck machen Ihre Einlassungen nicht. Ich erkläre meine eigenen Artikel ungern, aber Ihnen zuliebe mache ich eine Ausnahme: Meine Hauptthese ist, dass Mbembe zu Unrecht nicht nur den Unterschied zwischen legitimem Widerstand und illegitimem Terror verwischt, sondern, was viel schwerer wiegt (aber damit zusammenhängt), jenen zwischen Demokratie und Faschismus. Wenn es diesen Unterschied nicht gibt, dann ist Israel ein faschistischer Staat, weil es ein moderner westlicher demokratischer Staat ist.
        Und nun kurz zum islamistischen Terror: Wollen Sie ernsthaft behaupten, die Toten vom Berliner Breitscheidplatz (von Madrid, London, Paris, Brüssel …) seien gestorben, weil die Täter unter einer kolonialen Situation litten? Bestimmt nicht. Dasselbe gilt aber auch für die jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die in Israel ermordet werden. Etwas Anderes zu behaupten wäre, um Mbembe zu zitieren, ein „Trennungswahn“. Allesamt wurden sie – und die Toten von 9/11 – Opfer des Fanatismus. Wie die Toten von Hanau. Oder wollen Sie behaupten, ein Massenmord im Namen Allahs des Allbarmherzigen mordet, sei irgendwie nachvollziehbarer als einer im Namen des deutschen Volkes?
        Terror ist nicht das Ergebnis von Verhältnissen. Sonst wäre das Ausmaß des Terrors ein Beleg dafür, wie schlimm die Verhältnisse sind. Das wollen uns alle Terroristen einreden, es ist aber – siehe RAF – einfach unwahr. Terror ist das Ergebnis von Ideologien und Entscheidungen.

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        Hallo Herr Posener,

        ich erkläre ungern Logik, weil das oft falsch verstanden wird. Nicht jedes Auto überfährt ein Kind. Wenn man aber ein Formel-1 Rennen auf dem Gelände eines Kindergartens veranstaltet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass dabei Kinder sterben, erheblich. Und nicht jedes Kind stirbt dadurch, dass es von einem Auto überfahren wird. Daher erzeugt nicht jede koloniale Situation Attentäter und nicht jeder Attentäter mordet, weil er sich in einer kolonialen Situation befunden hat. Und das hat Herr Mbembe auch nie behauptet. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass in kolonialen Situationen Attentate geschehen, sind nach meiner Einschätzung gesteigert und – da habe ich Ihnen ja schon Recht – gegeben, es hängt auch entscheidend davon ab, welche Ideologie die Menschen beeinflusst, die in einer solchen Situation sind. Es geht ja auch nicht nur um koloniale Situationen sondern um Situationen, in denen Menschen unter fremder Macht stehen. Wahrscheinlich haben Sie Foucaults „Überwachen und Strafen“ gelesen und da wird das ja recht deutlich beschrieben. Auch aus anderer Art fremder Beherrschung entsteht Gewalt als Reaktion. Ja, und auch Ulrike Meinhof hat in ihrem Film Bambule diese Menchanismen genutzt, um revolutionäres Handeln zu rechtfertigen.

        Ich streite mich also gerne mit Ihnen, ob man Gewalt rechtfertigen kann in bestimmten Situationen, ich habe aber keine Lust mich darüber zu streiten, ob die Analyse, dass Unterdrückung, Kolonialisierung und Gewalt als Reaktion Gegengewalt, Aufstand, Revolution und Attentate evozieren können. Wer das leugnet ist entweder dumm oder will die Diskussion in seinem Sinne lenken.

        Um beim Beispiel Meinhof zu bleiben: die Zustände in den Erziehungsheimen in den 60er-Jahren in Westdeutschland (und wahrscheinlich auch in Ostdeutschland) waren, das haben die zwischenzeitlichen Forschungsergebnisse gezeigt, durchaus so, dass sie eine Revolte oder „Bambule“ in diesen Heimen rechtfertigt hätten. Eine Weltrevolution mit den Zuständen in der BRD damals zu rechfertigen, war, nach allem, was ich von der Zeit gelesen habe, in der ich noch nicht gelebt habe, mehr als gewagt, trotz der nationalsozialistischen Durchdringung von weiten Teilen der Gesellschaft, vor allem der Justiz, der Polizei, der Ärzteschaft, der Ministerien, Schulen und anderen Amtsstuben. Ich kann aber durchaus nachvollziehen, dass in der globalen Situation damals, in Anbetracht des Vietnamkrieges und auch wegen der neoliberal-faschistischen Militärputsche in Lateinamerika die Frage der Legitimität von Revolutionen auch mit terroristischen Mitteln diskutiert wurde. Als Pazifist tue ich mich damit sehr schwer genauso wie mit den militärischen Interventionen der Nato-Staaten, an denen die Welt genesen soll.

        Um noch einmal auf Foucault zu kommen, in dem bereits zitierten Buch sieht man auch, dass auch unter der ach so sauberen Haut der „westlichen Zivilisation“ Abründe Schlummern, die man sich heute nur dann vorstellen kann, wenn man genau dahin schaut, wo heute Kriege geführt werden. Und ich tue mich da wirklich schwer Abugraib oder Idlib, Lynndie England und Islamistische Folterer oder die Pfählung Muammar al-Gaddafis in eine moralische Rangfolge zu bringen und zu sagen, welche Seite in der konkreten Situation der Gewaltanwendung die Bessere ist. Ist es humaner, rebbelierende Studenten aus dem Flugzeug zu werfen, wie es in Lateinamerika gehandhabt wurde? Oder ist das Hängen oder Enthaupten, wie es unsere arabischen Freunde praktizieren, besser?

        All die Diskussionen sollen nur davon ablenken, dass Unrecht auf beiden Seiten geschieht. Ich glaube nicht, dass im Konflikt die westliche Welt weniger rigoros ist. Sicherlich ist manim Westen nach Jüngerscher Tradition gerne Ästhetizist und macht sich ungern die Hände selber schmutzig, aber wenn der syrische Geheimdienst für einen die Gefangenen foltert ist das ja OK, wieso soll man die dann nicht, wenn sie schon gefoltert worden sind, nicht als deutscher Geheimdienstler vernehmen?

        Um es noch eimmal auf den Punkt zu bringen. Ich verdamme jede Art von Attentaten und bin auch kein Freund von militärischen Revolutionen. Ich sehe aber, dass es diese Phänomene immer wieder gibt und das in bestimmten Situationen diese davon abhängen, wer wo welche Gewalt ausgeübt hat und, das ist eigentlich das noch Spannendere, wenn man z. B. auf den westlichen Terror in Lateinamerika schaut, dass es auch Situationen gab, wo abscheulichste Terrorakte geschehen sind, ohne dass vorher die Gegenseite lebensbedrohende Gewalt gegen die Folterer ausgeübt hätte und diese – man nehme z. B. die Militärs in Chile und Argentinien – in perspektivlosen Situationen gelebt hätten.

        Oder würden Sie mir da widersprechen, dass die Ideologie der Gier und der Macht in Lateinarmerika ohne nennenswerte Gewalt der Gegenseite zu abscheulichen Greueltaten geführt hat?

        Mit freundlichem Gruß

        68er

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        Lieber 68er, es gibt Situationen, in denen gewaltsamer Widerstand verständlich, vielleicht unausweichlich, und sogar lobenswert ist. Wir dürften uns darin einig sein, dass der Partisanenkampf gegen die Naziherrschaft diese Kriterien erfüllt.
        Doch heißt das erstens keineswegs, dass alle Aktionen aller Partisanen zu rechtfertigen wären. Und zweitens kann man nicht von der Existenz von Partisanen (oder wie man die auch immer nennen will) auf ihre Rechtfertigung schließen.
        Es gibt Abertausende Beispiele für das, was ich gerade gesagt habe. Ich nenne zwei:
        1. Im Zweiten Weltkrieg war die polnische „Heimatarmee“ aktiv an der Verfolgung und Ermordung jüdischer Partisanen beteiligt.
        2. Ebenfalls im Zweiten Weltkrieg arbeiteten die Briten eng mit kommunistischen Partisanen in Malaya zusammen, die ziemlich effektive Sabotageakte gegen die japanischen Besatzer unternahmen. Nach dem Krieg gingen die Kommunisten auf Befehl Maos in den Untergrund und setzten nun ihren Guerillakampf gegen die Briten fort. Er endete mit der völligen Niederlage der Kommunisten. Der bewaffnete Kampf gegen die Japaner war richtig, weil sie anders nicht zu besiegen waren; die Briten haben aber nach 1945 den Bewohnern Malayas und Singapurs die Unabhängigkeit versprochen, und sie haben ihr Versprechen gehalten: 1957 wurde Malaya als demokratischer Staat selbstständig. (Ich war bei den Feierlichkeiten dabei.) Unter diesen Bedingungen war der Kampf der Kommunisten weder vom Ziel her noch in der Wahl ihrer Mittel (Terror gegen Verwalter von Gummiplantagen und gegen nicht kooperierende Plantagenarbeiter) gerechtfertigt. Und das, obwohl es sicher vieles an der britischen Kolonialherrschaft zu kritisieren gab.

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      68er: ‚Vielmehr “verschwimmen bei ihm – (Mbembe) – Grenzen” zwischen “Widerstand und Selbstmord, Opfer und Erlösung, Martyrium und Freiheit”.

      … Mbembe ein Fall für die Psychiatrie? Würde passen. Allein seine Behauptung von besetzten Palästinensergebieten durch Israel … au-haua-ha … machen seinen Dottore der Historie fragwürdig.

      … ohne die Angriffskriege, Terroranschläge, Bedrohungen gegen Israel seit 1948 zu erwähnen, schwätzt er von besetzten Palästinensergebieten … tatsächlich aber gibt es jüdische Rechte auf ‚Ansiedlung‘ im sogenannten ‚Westjordanland‘. Es kann nicht ernsthaft behauptet werden, wie es die EU, Frankreich, Großbritannien, Russland, China und andere Staaten tun, dass jüdische Gemeinden im Westjordanland illegal sind und dass die Annexion völkerrechtswidrig ist. Diese Position ist politisch motiviert, nicht juristisch. Trotz gegenteiliger UN-Resolutionen ist die Errichtung israelischer Zivilsiedlungen im Westjordanland nicht völkerrechtswidrig.

      1. avatar

        Das müssen Sie mir erklären. Woher leiten Sie jüdischer Rechte auf „Ansiedlung“ im Westjordanland in heutigen Ausmaß ab, wenn nicht aus dem UN-Teilungsplan, den Sie ja offensichtlich nicht für wirksam erachten? Aus der Bibel?

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        @68er

        … mit dem Mandat für Palästina, das Grossbritannien im August 1922 erteilt wurde, erkannte der Völkerbund [sic!] ‚die historische Verbindung des jüdischen Volkes mit Palästina an sowie die Grundlagen für die Wiederherstellung seiner nationalen Heimat in diesem Land‘. Das Recht des jüdischen Volkes, sich im Land Palästina, seiner historischen Heimat, niederzulassen und dort seinen Staat zu gründen, ist somit ein völkerrechtlich verankerter Rechtsanspruch.

      3. avatar

        Ihre Quellen sind über jeden Zweifel erhaben. Mich wundert, dass Herr Posener das noch freischaltet. Aber wenn wir schon beim Gatestone Institute gelandet sind, frage ich mich, wieso Sie eigentlich etwas dagegen haben, dass die Nachfahren der ersten Besiedler Europas, die unsere „Heimat“ vor tausendenvo Jahren von Afrika aus besiedelt haben, heute von Ihnen nicht mit offenen Armen empfangen werden?

      4. avatar

        Ich schalte das frei, lieber 68er, weil ich – entgegen Ihren anderswo vorgebrachten Unterstellungen – die Zensur ablehne. Hin und wieder muss ich dbh ermahnen, die Regeln zivilen Diskurses einzuhalten. In der Regel hält er sich dann daran.

      5. avatar

        @68er

        … Hr. Lehrer, … Hr. Lehrer, … Hr. Lehrer, ich weiß was

        … werter 68er, in Kindergarten und Schule haben Sie auch immer Ihre Kitafreunde und Klassenkameraden, wenn die Ihnen ein Keks geklaut oder nicht Ihrer Meinung waren, verpetzt … mhmm?

        … ich kann nicht erkennen, was am von mir verlinkten Artikel, insbesondere die geschilderte Historie oder am ‚Gatestone Institute‘ überhaupt, falsch oder unerhört wäre. Sei denn, bei Ihnen, 68er, dürfen

        Demokratie und Rechtsstaat,
        Menschenrechte,
        freie und starke Wirtschaft,
        ein Militär, das in der Lage ist, den Frieden im eigenen Land und in der freien Welt zu sichern
        Energieunabhängigkeit,
        die Information der Öffentlichkeit über Bedrohungen unserer persönlichen Freiheit, Souveränität und Redefreiheit,

        … nur so aussehen als ob, und in echt müssen aber die Sozialisten alles in der Hand haben. (Frei nach Walter Ulbricht.)

        Vom Völkerrecht, der Souveränität aller Völker und Rechtsstaat, davon haben Sie, 68er, aber schon ‚mal gehört. Oder?

        Was die Menschen aus Ouagadougou und Umgebung mit Europa oder Deutschland in diesem thread zu tun haben … puuuh … linksSozialistische Fantastereien. Wa‘?

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