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Unheimliche Brüder

Die Muslimbruderschaft ist wie eine Schattenarmee. Niemand bestreitet ihren Einfluss auf die Vertreter des politischen Islam in ganz Europa. Und doch bekennen sich nur sehr wenige Muslime offen zur Bruderschaft. Das ist angesichts der Tatsache, dass die Organisation in Deutschland wie in den meisten anderen europäischen Ländern als antidemokratisch eingestuft wird, die offene Mitgliedschaft also nicht karriereförderlich ist, auch nicht verwunderlich.

Zuweilen hört man in antimuslimischen Kreisen die Meinung, die – sagen wir – Vorsicht der Muslimbrüder sei typisch für Muslime überhaupt, die angehalten würden, die Ungläubigen zu belügen hinsichtlich ihrer wahren Ziele. Der Islam insgesamt sei keine Religion, sondern eine politische Bewegung. Das ist aber – zum Leidwesen der Muslimbrüder – nicht der Fall.

Muslime, Juden, Katholiken, Kommunisten

Ein ähnlicher Vorwurf wurde übrigens früher gegen die Juden erhoben, die angeblich alle Teil einer „Weltverschwörung“ seien, angezettelt von den „Weisen von Zion“; oder in protestantischen Ländern gegen Katholiken, die im 16. Jahrhundert verdächtigt wurden, alle Agenten Spaniens zu sein, und im 19. des Vatikans. Noch John F. Kennedy hatte gegen solche Vorurteile zu kämpfen, und Katholiken in China stehen heute – wie Muslime – unter dem Generalverdacht mangelnder Treue zum Regime.

Während der Kommunistenhysterie, die Anfang der 1950er Jahre die USA ergriff, galt jeder, der nicht zur Denunziation von Kommunisten bereit war, als Kommunist oder „fellow traveller“, also Sympathisant. In den 1970er Jahren glaubte die politische Elite der Bundesrepublik, der lange Marsch der Kommunisten durch die Institutionen sei nur mit den Mitteln des Berufsverbots aufzuhalten. Allein vom 1. Januar 1973 bis zum 30. Juni 1975 kam es laut Wikipedia zu 450.000 Anfragen bei den Nachrichtendiensten, was eine ungeheure Überschätzung des Einflusses der Kommunisten offenbart (und eine ungeheure Verschwendung von Energie beim Aushorchen der eigenen Bevölkerung darstellte).

Was ja alles nicht heißt, dass es keine radikalen Muslime gebe, dass Katholiken nie Landesverräter gewesen wären, oder dass es keine gefährlichen Kommunisten gegeben habe.

Als ich in der maoistischen KPD/AO tätig war, verfolgten wir eine selbstmörderische Strategie. Obwohl unsere einzige Massenbasis in der Studentenschaft lag, und da eher unter Germanisten und anderen Geisteswissenschaftlern, deren Berufsziel in vielen Fällen Lehrer war, verlangten wir von unseren Mitgliedern und Sympathisanten, die vor die Berufsverbotekommissionen geholt wurden, sich offen zu den politischen Grundsätzen der Partei –vor allem zur Diktatur des Proletariats – zu bekennen. Mit vorhersehbaren Konsequenzen. Immerhin wurden laut Wikipedia „1.250 überwiegend als linksextrem bewertete Lehrer und Hochschullehrer nicht eingestellt und rund 260 Personen entlassen.“ Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Kollateralschäden des „roten Jahrzehnts“ waren vermutlich Leute, die wir angehalten hatten, ins offene Messer zu laufen.

Geschickter stellten sich die Kader und Sympathisanten der moskautreuen DKP / SEW an. Sie durften sowohl über ihre Mitgliedschaften lügen als auch mit Verweis auf die Programmatik der Partei ihre Treue zum Grundgesetz bekennen. Dabei stellte die DKP, trotz ihrer weniger martialischen Rhetorik, bestimmt eine größere Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar als die diversen maoistischen Sekten. Immerhin besaß sie, anders als wir, was nicht einmal die meisten DKP-Mitglieder wussten, eine von DDR-Militärs ausgebildete und ausgerüstete Militärorganisation, die im Kriegsfall Sabotage und Morde ausführen sollte: eine hauseigene RAF.

Die Täuschungs-Taktik der DKP war natürlich nicht ihre Erfindung. Sie wurde insbesondere von der Katholischen Kirche entwickelt, um ihren Mitgliedern, die in vielen protestantischen Ländern in der Illegalität lebten und ähnlich wie die DKP als Agenten einer fremden Macht und potenzielle Landesverräter verdächtigt wurden, bei Verhören zu helfen. Insbesondere die Taktik der Äquivokation, der geschickten Doppeldeutigkeit und Sophisterei sollte, es dem gläubigen Katholiken ermöglichen zu täuschen, ohne offen zu lügen; oder die Wahrheit verdeckt zu sagen, für Eingeweihte eindeutig, für Außensteher erkennbar zwar, aber nicht justiziabel.

Und natürlich wird die Taktik auch von den Muslimbrüdern heute verwendet.

Tarnorganisationen der Muslimbrüder

Lorenzo Vidino von der George Washington University hat in Zusammenarbeit mit der Universität Wien und dem österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eine Studie über den Islamismus in Österreich erarbeitet, der diese Taktik beleuchtet.

In dieser Studie (S.22) bezeichnet Vidino einen gewissen Anas Shakfeh  als „arguably the pioneer of the Syrian Brotherhood in Austria“ (vermutlich der Pionier der Syrischen Bruderschaft in Österreich) (S. 22). Vidino bezeichnet auch (auf S.23f.) die österreichische IRPA (Islamische Religionspädagogische Akademie), wo muslimische Religionslehrer ausgebildet werden, als „Brotherhood spawn“, also Ableger der Muslimbruderschaft.

Geleitet wird die IRPA von Amena Shakir, Tochter des Funktionärs der Ägyptischen Bruderschaft Faroul el-Zayat und Schwester des Muslimbruderschaft-Funktionärs und –Finanziers Ibrahim el-Zayat. Amena Shakir war Leiterin der „Deutsch-Islamischen Schule“ in München, der 2010 die Unterrichtsgenehmigung entzogen wurde, weil „der Trägerverein nach Erkenntnissen des bayerischen Verfassungsschutzes islamischen Fundamentalisten verbunden sein soll.“ Es handelt sich beim Trägerverein um das Deutsch-Islamische Bildungswerk (DIBW). Die Verfassungsschützer sehen das DIBW als, so ein Sprecher, „Tarnverein“ der Islamischen Gemeinde in Deutschland (IGD), die ihnen wiederum „als deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der Muslimbruderschaft gilt“.

Und nun zu Farid Hafez …

Warum erzähle ich diese arkanen Details? Weil Farid Hafez, der als Experte für „Islamophobie“ gilt und als solcher Dauergast in österreichischen Talkshows und Gastautor in allerlei Medien ist, gerichtlich dagegen vorgeht, dass ich ihm in einem Artikel „Verbindungen zur Muslimbruderschaft“ unterstellt habe.

Nun will ich diesen Vorwurf, der ja nicht karriereförderlich ist, hier nicht wiederholen. Ich will nur anmerken, dass Hafez‘ Hauptwerk „Islamisch-politische Denker: Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte“ (2014) eine Danksagung enthält, in der Hafez schreibt, das Buch gehe auf eine Unterhaltung mit Anas Shakfeh (siehe oben) zurück. Er dankt auch der IRPA von Amena Shakir (siehe oben), wo er am Manuskript gearbeitet habe. Damit gibt Hafez gleich in der „Danksagung“ seine Verbindungen zu zwei Menschen zu, deren enge Verbundenheit mit der Bruderschaft als bekannt vorausgesetzt werden kann. Ob solche Verbindungen als „Verbindungen zu den Muslimbrüdern“ gelten, muss ich notgedrungen der gerichtlichen Entscheidung überlassen.

Doch stellt das Buch auch inhaltlich faktisch eine Apologie der Muslimbruderschaft und Ihrer Vordenker dar.

Hasan al-Banna: Ein Hitler-Fan gründet die Muslimbruderschaft

Kapitel 9 behandelt Hasan al-Banna, Gründer der Muslimbruderschaft Hafez zitiert eine Schrift al-Bannas, in der dieser fordert, das Mittelmeer müsse (wieder) ein „islamisches Meer“, „das Banner des Islams“  wieder über alle Länder aufgerichtet werden, „die sich für eine gewisse Zeit des Islams erfreuten“, womit Spanien, Sizilien und Süditalien, Griechenland und der Balkan bis Belgrad – und natürlich auch Israel – gemeint sind. Hafez schreibt dazu (S. 56): „Aus einem antiimperialistischen Anspruch heraus werden die imperialistischen Ansprüche eines Mussolinis (sic) mit der gleichen Legitimierung konterkariert.“

Nun kann man mit dem Antiimperialismus einiges legitimieren oder zu legitimieren versuchen. Doch dass die Islamisierung oder Re-Islamisierung der Anrainerländer des Mittelmeers, die sich teilweise in einem jahrhundertelangen Befreiungskampf gegen das Osmanische Reich – man denke an Griechenland – gegen imperialistische Unterdrückung gewehrt haben, als antiimperialistische Tat gelten soll, ist selbst mir neu. als Wenn Hafez die Wiedereroberung der nördlichen Küste des Mittelmeers als „antiimperialistisch“ motiviert rechtfertigt, so zeigt sich hier eine klare ideologische Verbindung zu al-Banna, dem Gründer der Muslimbruderschaft.

(Freilich zeigt sich hier die Taktik der Äquivokation von ihrer schönsten Seite. Denn man könnte auch argumentieren: Da Mussolinis Anspruch auf das Mittelmeer gar nicht legitimiert war, kann es al-Bannas Anspruch auch nicht sein.)

Wenig später (S. 158) zitiert Hafez eine weitere Passage aus Bannas Werk, in der sich der Vordenker der Muslimbrüder auf den dritten Kalifen bezieht: „Wahrlich, Allah verhindert mit den Mitteln der Autorität, was nicht mit den Mitteln des Qu’ran verhindert werden kann.“ Das ist die Begründung für einen Gottesstatt, in dem der Staatsgewalt die Weisungen des Propheten durchsetzt. Hafez stellt fest: „Dieser Ansatz wird seither von vielen AktivistInnen aus dem islamischen Milieu vertreten“. Das ist vermutlich wahr, demonstriert aber nur, dass Leute wie Lorenzo Vidino Recht haben, wenn sie vor dem Einfluss der Muslimbrüder warnen. Nirgends distanziert sich Hafez von dieser Auffassung des dritten Kalifen und des Muslimbruders al-Banna.

Im Gegenteil. Hafez charakterisiert al-Bannas Staatsauffassung als „Rechtsstaat“ und „Demokratie“ (S.164), obwohl aus den von Hafez selbst zitierten Texten hervorgeht, dass bei al-Banna nur die Gemeinschaft der Gläubigen, also die Muslime, in seinem Islamischen Staat das Recht hätte, die Regierung zu bestimmen. Das Parlament soll ja aus (muslimischen) „Rechtsgelehrten“, Spezialisten“ und „Führern unter den Leuten“ (so Hafez) zusammengesetzt, also ausdrücklich nicht gewählt werden. Wenn also Hafez immer wieder betont, dass er für die Demokratie und den Rechtsstaat sei, so sollte man sich klar machen, dass er darunter nicht unbedingt dasselbe versteht wie das Grundgesetz.

Islamisierung der Moderne

Hasan al-Banna habe die „Islamisierung der Moderne“ angestrebt – nicht etwa die Modernisierung des Islam, fasst Hafez die Position des Muslimbruders zusammen. Richtig. Was Hafez dazu meint, bleibt opak. So schreibt er: „Banna entwirft eine globale alternative zum europäischen Imperialismus. Sein islamischer Staat wird zur Grundlage für eine Liga der islamischen Nationen, die sich im Gegensatz zur imperialistischen Erfahrung für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen und schlussendlich die religiösen Grenzen überschreitet, um in einer Weltgemeinschaft aufzugehen.“

Sagen wir es so: für Fälle, in denen ein Akademiker Ideen referiert, die er sich nicht zu eigen machen will, hält die deutsche Sprache den Konjunktiv bereit. Hier wird aber im Indikativ referiert.

Und was Hafez referiert, ist die Vision der Muslimbruderschaft. Man muss sich also fragen, was Hafez meint, wenn er Begriffe wie „Gerechtigkeit“, „Frieden“, „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ sowie „Antiimperialismus“ und „Weltgemeinschaft“ in anderen Kontexten verwendet.

Mindestens so wichtig wie das, was Hafez in seinem Buch schreibt, ist das, was er verschweigt, um den „Antiimperialisten“ Hasan al-Banna zu rechtfertigen. Hafez verschweigt etwa, dass der „Antiimperialist“ al-Banna Hitler und Mussolini verehrte. 1946 publizierte al-Banna eine Lobrede auf den Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, der 1929 Pogrome gegen die Juden in Palästina organisiert und sich später Hitler angeschlossen hatte: „Der Mufti ist so viel wert wie eine ganze Nation. Der Mufti ist Palästina, und Palästina ist der Mufti. O Amin! Was bist Du doch für ein großer, unbeugsamer, großartiger Mann! Hitlers und Mussolinis Niederlage hat Dich nicht geschreckt. Was für ein Held, was für ein Wunder von Mann. Wir wollen wissen, was die arabische Jugend, Kabinettsminister, reiche Leute und die Fürsten von Palästina, Syrien, Irak, Tunesien, Marokko und Tripolis tun werden, um dieses Helden würdig zu sein, ja dieses Helden, der mit der Hilfe Hitlers und Deutschlands ein Empire herausforderte und gegen den Zionismus kämpfte. Deutschland und Hitler sind nicht mehr, aber Amin el-Husseini wird den Kampf fortsetzen.“ Quelle: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte,  Oldenbourg, München April 2010, H. 2, S. 259–286, hier S. 285

Hafez verschweigt auch, dass die Muslimbrüder nach ihrer Beteiligung an den Pogromen an Juden in Palästina maßgeblich von Nazideutschland finanziert wurden: Steven Carol schreibt in „Understanding the Volatile and Dangerous Middle East“ (2015), S. 481: “After ten years, the Ikhwan (al-Bannas Organisation, A.P.)  had only 800 members, but the Muslim Brotherhood became a regional force after receiving massive aid from Nazi Germany. […] In 1939, they transferred to al-Bannah some 1,000 (Egyptian Pounds) per month, a substantial sum at the time. In comparison, the Muslim Brotherhood fundraising for the cause of Palestine yielded only 500 (Egyptian Pounds) for that entire year. This Nazi funding enabled the Muslim Brotherhood to expand internationally. By the end of World War II, it had a million members.”

So viel übrigens zur Behauptung, wir würden einen „muslimischen Antisemitismus importieren“. Es handelt sich allenfalls um einen Re-Import. Aber das nur nebenbei.

Unheimliche Brüder, unheimliche Anstalt

Wer, wie Hafez, zumal in einer Darstellung für deutschsprachige LeserInnen, al-Bannas Bewunderung für den faschistischen Duce und nationalsozialistischen Führer verschweigt; wer verschweigt, dass Nazideutschland die Muslimbrüder maßgeblich finanziert hat; wer verschweigt, dass al-Banna den Kampf Mussolinis und Hitlers gegen die Juden nach 1945 an der Seite des Mufti „fortsetzen“ wollte; wer verschweigt, dass die Hamas als palästinensischer Arm der Muslimbrüder genau das tut; der müsste sich nicht wundern, wenn man ihn als Apologet der Muslimbrüder bezeichnen würde.

Was ein solcher Mann auf einem Podium im Jüdischen Museum sucht, das freilich bleibt das Geheimnis dieser unheimlichen Anstalt.

 

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16 Gedanken zu “Unheimliche Brüder;”

  1. avatar

    „Wahrlich, Allah verhindert mit den Mitteln der Autorität, was nicht mit den Mitteln des Qu’ran verhindert werden kann.“
    Das ist uns in Europa doch alles gut bekannt. In Verbindung mit der Kritik am Imperialismus der anderen, der Verklärung des eigenen Imperialismus, der Forderung nach Restauration und der verklärenden Behauptung, durch gerechte Autorität Widersprüche auflösen zu können, ergibt sich eine Ideologie, die doch unseren eigenen Dämonen doch gar nicht so unähnlich ist. Was kein Kompliment ist. Islamophob wäre die Kritik doch erst, wenn man behauptet, der Islam würde automatisch zu dieser Ideologie führen. Wo diese Ideologie formuliert oder suggeriert wird, hat sie das Recht, wie alle anderen Ideologien behandelt zu werden. Niemand wäre auf die Idee gekommen, Francos Faschismus nicht zu kritisieren, nur weil er katholisch war.
    So weit, so banal. Was jedoch das Jüdische Museum so antreibt, habe ich bis jetzt noch nicht wirklich verstanden.

    1. avatar

      Korrekte Analyse, Stevanovic.
      Meine Behauptung ist: Das Jüdische Museum ist so versessen auf den „jüdisch-muslimischen“ Dialog, den zu führen es freilich weder beauftragt noch befähigt ist, dass es darüber vergisst, das zu tun, wozu es beauftragt, wenn auch nicht befähigt ist, nämlich den Standpunkt des jüdischen Staates zu vertreten. Beauftragt deshalb, weil Herzls Zionismus direkter Ausfluss jener Geschichte ist, die das Museum dokumentiert.

    2. avatar

      „Offenbar haben die Unterzeichner den Schritt ins post-säkulare Zeitalter noch nicht vollzogen, in dem religiöse gleichberechtigt neben säkularen Diskursen geführt werden, und beide gleichermaßen Teil der Öffentlichkeit sind.“ (zu Initiative säkularer Muslime). Religiöse Diskurse sind insoweit eine einsame Sache, als dass nur entsprechend religiöse Menschen sinnvoll an ihnen teilnehmen können. Ob das Kopftuch eine religiöse Pflicht ist, können nur Muslime entscheiden. Wenn das anders wäre, müsste er Sarrazin und dessen Mühe um den Islam begrüßen (tut er nicht), er würde auch den Ausdruck Kulturmuslime nicht benutzen. Es gibt Menschen, deren Rat er sich verbietet (mit Recht), was den Diskurs aber nicht offenlässt, was bei einem säkularem Diskurs aber gerade der Fall ist. Sein Vorwurf, Religion würde politisiert, geht insoweit ins Leere, als die geforderte Gleichberechtigung der Diskurse ja genau das bedeutet, eine Forderung zur Diskussion zu stellen. Würde sie im politischen Raum keine Rolle spielen, gäbe es die Forderung ja nicht. Ob Beamte verschleiert sein dürfen, ist politisch, ob eine Muslima sich verschleiern soll, ist religiös. Wenn wir darüber einen Diskurs führen wird die Antwort schon relativ und das ist dann eben keine Religion (die sind selten relativ). Religiöse Diskurse sind nur dann gleichberechtigt, wenn sie ins politische überführt und damit relativ, verhandelbar werden. Das wäre, wenn ich Hafez richtig verstanden habe, wohl der Kulturislam, der ihm nicht zusagt. Was nicht relativ ist, kann nicht ein Diskurs sein, sondern nur ein Diktat, dass auf den richtigen Zeitpunkt wartet. Ratzinger wollte ähnliches mit seinem Logos. Das Ganze erinnert mich an Szenen aus Unterwerfung von Houellebecq. Die Katholiken (und Rechten) adaptieren die Machtübernahme des Islam ganz gut, weil sie den scheiß Relativismus satt haben, die Liberalen (hier das Museum) relativieren sich zu Tode und akzeptieren Dinge, die sie vorher niemals geschluckt hätten.

      Ich kenne das Jüdische Museum leider nicht. Der Dialog zwischen Juden und Muslimen/Christen verlief in Europa (nicht nur da) 2000 Jahre nicht gerade auf Augenhöhe. Insofern sind Dialoge da durchaus Begrüßenswert (wie jeder Dialog). Die Geschichte der Juden lässt sich aber nicht erzählen, ohne darauf einzugehen, wie die universalistischen Monotheisten den Dialog betrieben, d.h. wie es zB zum Staat Israel gekommen ist. Ob das Judentum gesprächsbereit war, war da nicht das entscheidende. Das Entscheidende war die politische Relativierung des Christentums und seiner Ersatzreligionen (allerdings erst nach dem Holocaust, als es schon fast egal war), aber ob Dr. Hafez da der richtige Gesprächspartner ist, weiß ich nicht.

  2. avatar

    Die IGD heißt jetzt DMG und es fehlt Islamic Relief, die Gelddruckmaschine der MB.
    Mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts.
    Follow the money.

  3. avatar

    „So viel übrigens zur Behauptung, wir würden einen „muslimischen Antisemitismus importieren“. Es handelt sich allenfalls um einen Re-Import.“

    Das haben Sie – auch nur nebenbei – weder belegt noch argumentativ hergeleitet. Eher im Gegenteil – offenbar existierte die MB VOR den Nazis, beteiligte sich an Progromen gegen Juden und nutzte die Finanzierung der Nazis nur, um grösser zu werden.

    Also ist deren Antisemitismus kein Re-Import, sondern ein genuiner Import, nur dessen Umfang könnte (müsste ebenfalls noch belegt werden) eine Folge europäischer (deutscher) Finanzierung sein.

    Was habe ich falsch verstanden?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    1. avatar

      Nun, erstens waren, wenn man Hafez glauben kann, Mussolini und Hitler Vorbilder für al-Banna. Der arabische Antizionismus, der an sich nicht unverständlich ist als Reaktion auf die jüdische Einwanderung, wird durch al-Banna und Husseini rassistisch-antiimperialistisch und islamistisch aufgeladen. Doch wie es scheint, gewinnt al-Banna keine Massenanhängerschaft, bis ihm die finanziellen Mittel der Nazis ermöglichen, sich im großen Stil zu organisieren.

    2. avatar

      Okay, also haben sich muslimische Führer die falschen Vorbilder gesucht. Deren Problem und nicht das Europas. Und die Nazi-Gelder haben den MB geholfen, grösser zu werden. Kann sein (wenn Geld immer und automatisch helfen würde, politische Bewegungen zu stärken, sähe die Welt heute deutlich anders aus).
      Stützt aber beides immer noch nicht die These vom „Re-Import“. Nach Lektüre des Koran (wir hatten das neulich), brauchen Muslime keine Nachhilfe im Antisemitismus, es ist integraler Bestandteil ihres „heiligen“ Buches.
      Sie werden meine Insistentz verzeihen – aber die Bereitschaft, aggressive Menschenfeindlichkeit anderer zu entschuldigen und auf die eigene Kappe zu buchen, ist eine ziemlich ungesunde europäische Angewohnheit.

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        Thorsten Haupts: „Die Bereitschaft, aggressive Menschenfeindlichkeit anderer zu entschuldigen und auf die eigene Kappe zu buchen, ist eine ziemlich ungesunde europäische Angewohnheit.“ Da stimme ich Ihnen unbedingt zu. Ich leugne auch nicht die Existenz eines islamischen Antisemitismus. Der der Islam ja als christliche Häresie beginnt, wäre es geradezu absurd anzunehmen, gerade den Antijudaismus des Originals würde er ausklammern.
        https://www.welt.de/politik/deutschland/plus178802768/David-Nirenberg-Antijudaismus-wird-politisch-wieder-handlungsleitend.html

      2. avatar

        „Der der Islam ja als christliche Häresie beginnt“

        Lieber Herr Posener,
        Sie sind ja ein sehr belesen Mann, gibt es Literatur die sie zu diesem Thema empfehlen können ?

        Danke in Voraus.

      3. avatar

        @ Fantomzeit

        Fantomzeit geht von der These aus, dass die Chronologie nicht stimmt. Im Jahr 600etwas meinte jemand, man müsste nach Christi Geburt rechnen und es sei das Jahr 990 (?), kurz vor Millennium: bereuet Sünder, das Ende ist nah! Danach wurden die 300 Jahre dazwischen mit Geschichten und Legenden aufgefüllt, d.h. was wir von 650-990 wissen, hat vorher oder hinterher stattgefunden, aber zumeist gar nicht. Karl der Große – gab es nicht. Da der verfälschte europäische Kalender dann (Imperialismus) zur Norm wurde, haben alle Kalender eine Fantomzeit, die nie stattgefunden hat. Meine liebste Verschwörungstheorie.
        Die haben sich aber dann mit dem Islam beschäftigt und haben die Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum herausgearbeitet. Denn nach denen gab es keine muslimische Eroberung (die Geschichte hat ja durchaus Lücken), sondern die christlichen Häretiker (Arianer), die Muslime, waren schon immer da. Erst im Laufe der Zeit hätten sie eine eigene Identität zur Abgrenzung entwickelt. D.h. es gab keine Reconquista Spaniens, weil es nie katholisch, sondern arianisch war und sich zum Islam weiterentwickelte.
        Irre Geschichte. Leider nicht zitierfähig, weil, wegen der verschobenen Chronologie, Kausalitäten falsch dargestellt werden. Der Islam selbst hat aber genug Bezüge zum Christentum. Der Streit um die Trinität zwischen Orthodoxie und Arianern, die Ablehnung des Fleischlichen durch die Christen finden sich nicht explizit, aber in der Betonung bestimmter Sätze im Islam kann man folgern, dass er damals durchaus als eine vernünftige und Rationale Version des durchgeknallten christlichen Hühnerhaufens auftrat. Zumal es Hinweise gibt, dass der Koran erst 100-200 Jahre nach Muhamed kanonisiert wurde, als der Islam bereits eine eigene Identität hatte. Der Respekt vor den Buchreligionen ist noch ein Echo. Also nicht unähnlich der christlichen Entstehung aus dem Judentum.

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