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Fünf Lügen, die sie uns über Paris erzählen

Jetzt, da jeder und sein Hund sich in Sachen Paris zu Wort gemeldet haben, mit und ohne Smileys, möchte ich fünf Lügen auflisten, die ich in der Debatte immer wieder gehört haben, was sie nicht besser macht.

Erste Lüge: Der Terror ist auch Ergebnis der Ausgrenzung und Diskriminierung der Muslime in Frankreich.
Unsinn. Viele Minderheiten werden im Westen ausgegrenzt und diskriminiert. Das ist schlimm. Die Juden zum Beispiel wurden über Jahrhunderte in Europa verfolgt. Deshalb griffen sie aber nicht zum Terror. Die Schwarzen in den USA erlitten Jahrhunderte der Sklaverei, ein Apartheidregime in den Südstaaten, ständige Zurücksetzung bis heute. Dennoch griffen sie – von wenigen Ausnahmen in den 1970er Jahren abgesehen – nicht zum Terror.

Hispanics sind oft illegal in den USA und genießen keinen Schutz; und wenn sie Bürger sind, werden sie oft als Bürger zweiter Klasse behandelt. Es gibt keinen mexikanischen Terror. Vietnamesen, Chinesen, Inder und andere werden im Westen diskriminiert. Sie reagieren nicht mit Terror, sondern mit doppelter Arbeit. Nur die Diskriminierung von Muslimen bringt – angeblich – den Terror hervor. Bestimmt nicht deshalb, weil Muslime besonders schlimm diskriminiert werden.
Zweite Lüge: Der Dschihadismus hat nichts mit dem Islam zu tun.
Diese Lüge wird wie eine Mantra heruntergebetet. Das macht sie nur schlimmer. Ganze Bibliotheken sind gefüllt mit Abhandlungen über den Zusammenhang zwischen christlichem Antijudaismus und mörderischem Antisemitismus, über den Zusammenhang zwischen christlichem Fundamentalismus und Hexenwahn, über die üblen Folgen des christlichen Paternalismus und christlicher Homophobie, über die Rechtfertigung von Kolonialismus, Sklaverei und Völkermord durch christliche Ideologen und Kirchen. Aber über den Zusammenhang von Islam und Terror soll man nicht reden? Das erinnert an die Kommunisten, die behaupteten, Stalin habe „nichts mit dem wahren Kommunismus“ zu tun, die DDR-Führung sei ein Haufen von „Arbeiterverrätern“ usw. usf. Selbstverständlich können die 99.9 Prozent gesetzestreue und moderate Muslime nichts für den Terror. Aber sie können aufhören, sich und anderen die Lüge zu erzählen, der Islam habe damit nichts zu tun. Das wäre der erste Schritt zu einer Reform, die diesen Namen verdient.
Dritte Lüge: Mit Krieg und kriegerischen Mitteln kann man dieses Problem nicht lösen.
Gern auch mit dem Einschub „allein“, was die Lüge nicht besser macht. Tatsache ist: Man kann dieses Problem nicht ohne Krieg lösen. Man kann mit einem Krieg nämlich viele Terroristen töten, was eine gute Sache ist. Man kann mit einem Krieg dem Islamischen (ahem!) Staat sein Territorium nehmen, auf dem er unter anderem weitere Terroristen ausbildet, was eine gute Sache ist. Man kann den Terroristen zeigen, dass wir viel stärker sind als sie, was eine gute Sache ist und Möchtegern-Terroristen abschrecken dürfte, was auch eine gute Sache ist. Diese guten Sachen allein rechtfertigen den Krieg gegen den IS. Dass es daneben einen Krieg der Ideen geben muss, einen westlichen Dschihad zur Integration der Muslime und zum Wiederaufbau des Nahen und Mittleren Ostens – Gewiss doch. Aber ohne Krieg gegen die Terroristen ist Entwicklungshilfe nichts.
Vierte Lüge: Wir befinden uns im Notstand. Die Bürgerrechte müssen außer Kraft gesetzt werden.
Gefährlicher Unsinn. Die französischen – und belgischen – Sicherheitskräfte haben vor den Anschlägen total versagt. Fast sämtliche Terroristen waren den Behörden bekannt. Sie wurden nicht ausreichend überwacht. Der Drahtzieher des Angriffs konnte unbehelligt von Syrien nach Frankreich reisen. Waffen und Sprenggürtel konnten beschafft werden. Nach dem Angriff gab es weitere Pannen.  Präsident François Hollande und Innenminister Bernard Cazeneuve, die Hauptversager, versuchen nun, durch hektische Aktivität davon abzulenken. Es geht nicht um die Sicherheit, sondern um die Beschwichtigung des Front National vor den kommenden Wahlen. Die Rechung zahlen vor allem Frankreichs Muslime. Willkürliche Durchsuchungen, unbegründeter Hausarrest, Demonstrationsverbote und dergleichen mehr: Frankreich ist dabei, die Sympathien zu verspielen, die es in aller Welt nach den Pariser Anschlägen erfuhr, und die es braucht, wenn Europa den Bündnisfall ausrufen soll.
Fünfte Lüge: Jetzt sieht man, wie gefährlich offene Grenzen und Flüchtlingsströme sind.
Quark. Die Terroristen waren Einheimische. Vielleicht wurde der eine oder andere Flüchtling rekrutiert. Aber das Problem ist – siehe Punkt vier – die mangelnde Überprüfung der bekannten Gefährder, und nicht die mangelnde Kontrolle der Flüchtlinge, die vor dem mörderischen Wüten des IS und vor dem Schlächter Assad fliehen. Im Gegenteil: diese Flüchtlinge könnten unsere größte Ressource sein, um hiesige Sympathisanten des Terrors aufzuspüren und um potenzielle Sympathisanten vom Schritt hin zum Dschihadismus abzuhalten, wenn wir sie nur als Ressource und nicht als Problem behandeln würden. Die Führung der AfD weiß das alles ganz genau, wie ich im privaten Gespräch feststellen konnte. Aber sie kann der Versuchung nicht widerstehen, mit dem Blut der Pariser Opfer ihr eigenes widerliches Süppchen zu kochen.

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146 Gedanken zu “Fünf Lügen, die sie uns über Paris erzählen;”

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    @Alan Posener: Danke für den Link. Dass Hamas und IS auch ein soziales Programm verfolgen, wird von der Untersuchung nicht bestritten, im Gegenteil: das ist ihr Ausgangspunkt. Die Studie zeigt, dass dies Programm verfehlt wird:
    „Hamas is proud of its reputation for dedication to the public welfare of Palestinians, including provision of a variety of social services. […] The study assesses the extent to which the Hamas government balanced the costs of war-making with the needs of the population it ostensibly served. It shows its failure to balance between the two.“

    Selbstermächtigung und Fürsorge. Die Hamas scheitert daran, eine funktionierende Balance herzustellen; der IS natürlich auch. Das sind alles keine Regierungskünstler. Aber für die Sympathisanten hier in Europa, die unser Hauptproblem darstellen, ist diese soziale Agenda wichtig. Es ist nicht nur Selbstermächtigung.

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    Ihnen wird mulmig, wenn der Staat umfassend zugreifen soll, Herr Posener. Mich kommt das Lachen an, wenn ich mir vorstelle, dass Akkulturation vor allem auf dem freien Markt über das bisschen Konsum erfogen soll, den die staatliche Sozialhilfe oder im besseren Fall der Mindestlohn erlaubt.

    Es ist völlig klar, wer unter diesen Bedingungen die „Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft“, von der das Gesetz spricht, tatsächlich ermöglichen wird.

    So werden wir die Flüchtlingsintegration nicht schaffen! Mit Ihrer Marktideologie und Ihrer Angst vor dem staatlichen „Plan“ nicht, Herr Posener!

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      Nun, lieber Ludger Lüdgenhorst, der Staat scheint schon bei der Flüchtlingsaufnahme überfordert, wie soll da die Integration klappen? Ich habe darüber ausführlicher hier geschreiben, und wenn Sie mir statt „Angst“ und „Ideolöogie“ zu unterstellen, was unter uns Quark ist, einmal meine Argumente auf sich wirken lassen würden, vielleicht bekämen wir einen anderen Ton rein:
      http://www.welt.de/print/welt_.....erung.html

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    Vielleicht haben wir uns irgendwie missverstanden, denn genau das sage ich ja: Selbstermächtigung (bei den Islamisten bedeutet das Terror gegen die Ungläubigen, bei den Nazis Terror gegen die „Schädlinge“) und Fürsorge (für die jeweils „Eigenen“) sind nicht zu trennen. Auch nicht bei Nazis, Mafiosi, Islamisten usw. Sicher liegt bei denen mehr in der Schublade „Selbstermächtigung“ als in der benachbarten „Fürsorge“. Aber ganz ohne Fürsorge (in irgendeinem Sinne) gibt es keine Vision! Und ohne Vision gibt es keine weltweiten Attentate.

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    Meine DDR-Sozialisation haben Sie richtig erkannt, Herr Posener. Dass Kinder und Jugendliche „ihren Vätern entzogen werden“ sollten, haben Sie aber zu wörtlich verstanden. Mir ging es mit der Erwähnung der Väter um das, was andere beispielsweise „Leitkultur“ nennen.

    Sie verstehen Sozialhilfe vor allem als finanzielle Unterstützung, während ich staatliche Sozialhilfe eher wörtlich verstanden wissen möchte, und das besonders angesichts der zu integrierenden Flüchtlinge. „Leitkultur“ gibt es sicher auch auf dem freien Markt. Darauf allein können wir uns aber nicht verlassen. Wo er darf und soll, im Bildungs- und Ausbildungsbereich, muss der Staat umfassend zugreifen.

    Sollte er jedenfalls. Ich bin aber pessimistisch.

    Sie können mir jetzt natürlich wieder meine DDR-Herkunft vorwerfen. Sie werden mir sagen, die Bundesrepublik sei keine Erziehungsdiktatur. Und Sie werden damit das Kind mit dem Bade ausschütten. Ich antworte Ihnen dann: Darin, dass Sozialhilfe immer nur finanziell verstanden wird, sehe ich eine bundesrepublikanisch weit verbreitete politische Gleichgültigkeit und Faulheit. Deshalb hat es bisher mit der DRR-Integration nicht geklappt. Und so wird es in Zukunft auch mit der Flüchtlingsintegration nicht klappen.

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      Ich gebe zu, lieber Ludger Lüdgenhorst, dass „es mit der DDR-Integration nicht geklappt“ hat. Möglicherweise auch deshalb, weil viele DDR-Bürger ruhiggestellt und vollalimentiert statt eben aufgeweckt und ermächtigt wurden. Der verletzte Stolz macht sich nun in rechtem Terror, Pegida usw. Luft. Aber wenn ich höre, dass der Staat „umfassend zugreifen“ muss, da wird mir doch mulmig. Mir reicht es, wenn der Staat gezielt dort zugreift, wo Terroristen sind. Das hat in Paris vor dem 13. November gefehlt.

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    Ich glaube Ihnen gerne, Herr Posener. Aber dann muss ich davon ausgehen, dass die Islamisten schon sehr dumm sind, noch dümmer als ich dachte. Ich befürchte, dass ich sie dadurch unterschätze.

    Islamistische „Sozialdienste“ und Antisemitismus schließen sich nicht aus. Die Nazis haben das auch prima miteinander verbunden. Es ist ja klar, dass all diese „Dienste“ nur den Guten=Rechtgläubigen zur Verfügung stehen.

    Aber vielleicht gibt es sie auch nicht. Werden sie wenigstens propagiert? Was sagen Sie denn zu den Propagandavideos, auf die die FAZ hinweist? In denen der nette Islamistenpapa auf seinem Fronturlaub für seinen Sohn ein paar Windeln und Plastik-MGs einkauft? Gibt es sie, gibt es sie nicht? (Ich selber werde jetzt aber nicht nach IS-Propagandavideos graben, um das zu überprüfen. Wenn hier auch die FAZ lügt, dann habe ich eben Pech gehabt.)

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      Lieber Roland Ziegler, Nazi sein und netter Papa schloss sich nicht aus, und natürlich können auch Islamisten gute Väter sein. Aber man sollte Propagandavideos der Islamisten nicht mehr trauen als Propagandavideos der Sowjetunion, der DDR oder der Nazis. Was die „Sozialarbeit“ der Nazis angeht, so war sie erstens so dolle nicht, zweitens ab 1939 von den besetzten, aussgebeuteten und vernichteten Völkern finanziert, drittens selbst im Inland nicht von den KZ, der Euthanasie, der Indoktrinierung, dem Terror zu trennen. Aber das wissen Sie doch alles.

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    „Dennoch muss in der Tat den Terroristen gezeigt werden, “wo der Hammer hängt”, wie Sie schreiben. Da führt nun einmal kein Weg daran vorbei.“
    Headliner: Frankreich erwägt Allianz mit Assads Streitkräften. Hollande bei Putin.

    Warum führt kein Weg daran vorbei? Wäre es nicht billiger einfach ein paar Salafisten in Paris an die Laterne zu knüpfen?
    Es würde auch keinen Terror verhindern, dem IS wäre es auch ziemlich egal, es würde auch nicht die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher verhindern, Selbstmordattentäter würden auch nicht Angst um ihr Leben bekommen, aber zumindest hätten wir wenigstens etwas Pietät gegenüber den 250.000 Toten des Regimes gezeigt. 250.000Tote, Vergewaltigungen, Folter, Fassbomben und Millionen Flüchtlinge waren keine rote Linie.
    Lieber Herr Posener, es gibt eine Menge Anzeichen, dass das, was gerade passiert, eine unüberlegte Übersprunghandlung ist. Wir reden von einer Gegend, in der 250.000 Menschen tot sind – da werden bereits große Hämmer gezeigt, ohne dass jemand zucken würde. Wen wollen sie denn mit ihrem großen Hammer beeindrucken? Es geht im Moment um europäische Selbstvergewisserung, um Bilder dampfender Flugzeugträger und röhrender Turbinen. Und dafür wollen wir den Syrern in den Rücken fallen? Aus Wut alles vergessen, was die letzten Jahre war?
    Dann lassen sie uns doch wenigsten einen Muselmann auf dem Place de Concorde lynchen, wurde die Alpha-Alis in Frankreich bestimmt mehr beeindrucken.

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      Ja, Stevanovic, wenn wir mit Assad gemeinsame Sache machen, dann können wir Syrien vergessen und den Rest der sunnitischen Welt gleich mit. Da haben Sie Recht.

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    Zur Propaganda des IS: „Glückliche Kinder, volle Läden und Männer, die Windeln kaufen“:

    „Über die Hälfte der Propaganda dagegen widmet sich dem Narrativ eines islamistischen Utopias. Das steht in einem krassen Missverhältnis zur Wahrnehmung in deutschen Medien, die fast ausschließlich über absurde Gewalttaten gegenüber Geiseln und Kriegsgefangenen berichten.“

    http://www.faz.net/aktuell/feu.....62308.html

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    …hier was zum IS:

    „Der IS müht sich, staatsähnliche Strukturen aufzubauen. Berichten zufolge gewährt die Miliz ihren Kämpfern eine eigene Krankenversicherung. Zwischen den vom IS beherrschten Provinzen im Irak gibt es demnach einen Finanzausgleich.“

    http://www.spiegel.de/politik/.....03150.html

    Ist sicherlich nicht so dolle, aber Ansätze sind da.

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      „Berichten zufolge“, lieber Roland Ziegler: Haben Sie sich gefragt, was diese Floskel beim „Spiegel“ heißt? Sie heißt: „… hat jemand neulich in der Kantine gesagt“.

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    Es scheint schon so etwas wie ein soziales Engagement bei den Islamisten zu geben. Ich halte das auch für logisch (sonst gäbe es nicht genügend Unterstützung). Z.B. im Cicero werden die Hamasleute als „Sozialarbeiter mit Raketen“ bezeichnet:

    http://www.cicero.de//weltbueh.....43/seite/2

    Oder zu Hamas bei tagesschau.de:

    „So kümmert sie sich um Ausbildung, Gesundheitsfürsorge, Arbeitsbeschaffung und die Versorgung mit Lebensmitteln. Hamas unterhält auch Kindergärten und steht maßgeblich hinter der Islamischen Universität in Gaza. An der Hochschule lehren führende Hamas-Mitglieder. Auch Hinterbliebene von Opfern im Kampf gegen Israel und Familien von inhaftierten Palästinensern werden unterstützt.“

    https://www.tagesschau.de/ausland/meldung304808.html

    So etwas ähnliches versucht der IS auch darzustellen. Die sorgen nicht nur für Sexskavinnen für die kämpfende Truppe, sondern versuchen, einen islamistischen Staat für die Familien der Kämpfer aufzubauen. Die reisen nämlich teilweise mit Frau und Kindern an. Mag sein dass die islamistische Caritas sehr rudimentär ist, aber sie dürfte im vormaligen Syrien bzw. Irak noch rudimentärer gewesen sein.

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      Lieber Roland Ziegler, die „Tagesschau“ lügt. Jedenfalls teilweise. Was stimmt: „Hinterbliebene von Opfern im Kampf gegen Israel und Familien von inhaftierten Palästinensern werden unterstützt“.Sofern sie von der Hamas sind und nicht von der Fatah. Was stimmt: „Hamas unterhält auch Kindergärten“: Die Indoktrination mit Antisemitismus beginnt schon mit zwei, drei Jahren.Was stimmt: „…und steht maßgeblich hinter der Islamischen Universität in Gaza. An der Hochschule lehren führende Hamas-Mitglieder.“ Weshalb man „Professoren“ dieser Uni nicht als akademische Autoritäten akzeptieren kann. Was nicht stimmt: „So kümmert sie sich um Ausbildung, Gesundheitsfürsorge, Arbeitsbeschaffung und die Versorgung mit Lebensmitteln.“ Die Lebensmittel, sofern sie nicht illegal aus Ägypten geschmuggelt werden, kommen aus Israel. Darum „kümmern sich“ Israelis. „Arbeitsbeschaffung“ gibt es nur im aufgeblähten „öffentlichen Dienst“. Den bezahlt Israel via die PLO. „Gesundheitsfürsorge“ wird von Ärzten und Krankenschwestern bestrieben, die ebenfalls von israel bezahlt werden, mit Medikamenten, die aus Israel kommen. Und „ausbildung“? Was für Ausbildung? Lieber Roland Ziegler, Sie müssen mir nicht glauben. Aber etwas tiefer als „Cicero“ und „Tagesschau“ müssten Sie schon graben, wenn Sie Fakten zutage fördern wollen.

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    Alan Posener: Selbstermächtigung

    Richtig. Aber es wird immer Menschen geben, die dazu nicht oder nur in einer gefährlichen Weise in der Lage sind. Um die muss sich der Staat bemühen. Im eigenen Interesse.

    In der Praxis: Wo das deutlich falsche private Subsidium Defizite ausgleichen soll, z.B. bei weißen rassistischen Polizisten in den USA oder bei schulverweigernden Kindern und Jugendlichen, muss der Staat eingreifen. Und nicht erst nachträglich, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Präventiv!

    Wie die Ausbildung der Polizisten in den USA zu reformieren ist, sind in Deutschland Krippen, Kindergärten, Schulen, Berufsausbildung und Universitäten im Hinblick auf „die Lage“ umfassend zu optimieren. In beiden Fällen also schon angefangen beispielweise beim Lehrpersonal.

    Polemik gegen „Sozialhilfe“ ist in dem Zusammenhang ganz abseitig und nur fehl am Platze. Wenn der Fall aber par­tout merkfähig polemisch abgehandelt werden soll, dann so: Bei dem Problem, um das es hier geht, sollen nicht Mütter entlastet, sondern Kinder und Jugendliche ihren Vätern entzogen werden.

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      Lieber Ludger Lüdgenhorst, dagegen sage ich nichts Grundsätzliches. Was die weißen Polizisten in USA hier zu suchen haben, weiß ich nicht. Aber wenn wir schon dabei sind: die sind doch Teil des Staatsapparats! Ihre Auswahl und Ausbildung lagen in der Hand des Staats. Sie schreiben: angesichts der Lage „sind in Deutschland Krippen, Kindergärten, Schulen, Berufsausbildung und Universitäten umfassend zu optimieren.“ Das ist, mit Velaub, DDR-Sprech. Ich war über ein Jahrzehnt Ldehrer. man kann Schule nicht „umfassend optimieren“, nur schrittweise besser machen. Ähnlich technokratisch-unmenschlich Ihre polemische Zuspitzung: „Bei dem Problem, um das es hier geht, sollen nicht Mütter entlastet, sondern Kinder und Jugendliche ihren Vätern entzogen werden.“ So schnell geht das bei uns erstens nicht, und das ist gut so. Zweitens aber: Würden Sie auch nur ein wenig über die sozialen Verhältnisse in den Haushalten wissen, aus denen die Gefährdeten und die Gefährder kommen, dann würden sie wissen, dass der Vater fast immer abwesend ist.
      Es ist diese Art von social engineering von oben herab, die – ich wiederhole es – Teil des Problems ist, nicht der Lösung.

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    „Die Terroristen – darin der heroischen Linken des 19. Jahrhunderts ähnlich – betrachten Arme als Menschen, die Stolz, Ehre und Transzendenz brauchen, um ihr Leben selbst in den Griff zu bekommen. Sie ermächtigen diese Leute. So lange die Linke nicht begreift, dass Selbstermächtigung, nicht Fürsorge, das ist, was die Menschen brauchen, so lange ist sie Teil des Problems, nicht der Lösung.“
    Jetzt habe ich den Teil mit der Ideologie der Linken auch verstanden. Ja, genau das. Arme nicht als gefährliche Quartalsirre beschreiben, denen ohne Fürsorge alles zuzutrauen ist, nur nicht ein würdiges Leben führen zu können. Stimmt, das Feld hat die organisierte Linke komplett aufgegeben. Zum Beispiel der Begriff der relativen Armut unterstreicht die Fixierung auf die Positionen anderer, so können weder Ehre noch Stolz entstehen. Der Kampf um das relative Stück Kuchen, nicht der Kampf um das eigene Leben. Entweder man ist arm oder man bekommt mit genug Material das Leben trotzdem nicht auf die Reihe. Relative Armut ist Stuss. Du hast genug, bist aber trotzdem nichts wert, weil du nicht Mittelschicht bist. Da waren mir die Punks, bei allen destruktiven Neigungen, immer näher dran, als die organisierte Linke. Nach der destruktiven Phase, haben die meistens angefangen, ihr Ding zu machen, während die organisierte Linke noch heute darauf besteht, dass die Leute Opfer sind. Die Linke ist deswegen als Bewegung der Armen und Selbstbestimmten in Deutschland tot. Die organisierte Linke ist die Lobby der Besitzstandwahrenden, aber eben ohne jede Anziehungskraft außerhalb der eigenen Klientel, ein einziges Betroffenheitsritual. Bei Parteitreffen musste ich immer an die Stimmung in der Glasmenagerie von Williams denken. Großes Thema, stimmt.

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    So, wie die Situation sich jetzt zeigt, stellen Frankreich und die USA zwei weitere Flugverbände für die Assad-Truppen und schiitischen Milizen. Die haben fast 200.000 Menschen getötet und Millionen in die Flucht getrieben und das schlimmste, sie treiben die Sunniten zur IS, im besten Fall zur Al Nusra. Ob der Westen auf einer Absetzung Assads besteht, spielt keine Rolle, es wird schlicht nicht passieren. Der Krieg gegen den Terrorismus von westlicher Seite wird so zu einer Farce, weil mehr Strategie, als dem Muselmann zu zeigen wo der Hammer hängt, sehe zumindest ich noch nicht. Jedes Gerede über eine Anti-IS Koalition ist nur Medienspektakel, wenn die Ursachen nicht bekämpft werden und die hängen in Syrien nicht an der sozialen Frage, sondern an iranischen Revolutionsgarden, der Hisbollah und den Russen, nicht zu vergessen Saudi Arabien und Katar.Zu viele, um etwas mit den Mitteln, die der Westen bereit ist zu investieren, zu gestallten. So schlimm die Anschläge in Paris waren und so sehr mich der Verlust Palmyras schmerzt: Die westliche Anti-Terror Koalition macht gerade einen Fehler. Sie macht sich zum nützlichen Idioten Assads, ohne auch nur den geringsten Einfluss in der Region zu haben und ohne jede Aussicht, den Terror in Europa zu bekämpfen. Woran scheitert der Irak? An der schiitischen Hegemonie. Und wem wird das Engagement ohne jede gestalterische Perspektive in Syrien nun nützen? Vielleicht liegen die Nerven in der Türkei deswegen blank.Natürlich stimmt es nicht, dass es man gegen Terroristen keinen Krieg führen könnte. Man kann und soll. Nur, etwas Sinn muss es ja schon machen und französische Flugzeuge in Syrien machen gerade keinen Sinn.

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      Muss nicht sein, lieber Stevanovic. Das Territorium, das dem IS abgenommen wird, muss ja nicht Assad zurückgegeben werden. Darf ihm nicht zurückgegeben werden, allein weil sich da 70.000 Flüchtlinge befinden, die beim IS Schutz vor Assads Mörderbanden gesucht haben. Dennoch muss in der Tat den Terroristen gezeigt werden, „wo der Hammer hängt“, wie Sie schreiben. Da führt nun einmal kein Weg daran vorbei.

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    68er: ‚Insbesonder beim sog. NSU-Trio sind die sozialen Umstände ähnlich. Da wachsen junge Leute in einem Staat auf, der sich nicht um sie kümmert, mit dem sie sich nicht identifizieren. DIe Eltern sind überfordert, so wohl auch bei Breivik, und die Jugendlichen geraten aussser Kontrolle. In der Nachwendezeit gab es im Osten eine im wahrsten Sinne des Wortes verwahrloste Jugend. Vorher war Jugendarbeit fast ausschießlich in der Hand der SED, des des FDGB oder des Staates und fiel dann in weiten Teilen ersatzlos weg.‘

    … werter 68er, Sie schreiben Besser-Wessi-Quark. Als ob die ‚BRD‘ sich um Heranwachsende mehr oder anders ‚kümmert‘, als die Kommunisten der ‚DDR‘ es taten. Die verwahrloste Jugend nach ’89 ist reine ‚BRD-Kultur‘. Rauschgift, Prostitution und NPD sind in Mitteldeutschland WestImport. (Das könnt ihr euch wieder abholen.) Der NSU ist, samt Schauprozess, ‚BRD‘-Produktion. Böhnhardt war zur Wendezeit 11 Jahre alt.

    … ach ja, das noch: Bei Ihnen ist 11:48 Uhr auch späte Stunde? Bei etwa 10 Fehlern habe ich aufgehört zu zählen, Sie Angeber.

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    Lieber Herr Posener,

    wenn ich SIe richtig verstehe, sind dann die Terroristen von Paris gar keine „gemeinen Verbrecher“, die sie nach dem offiziösen Narrativ sein sollen, sondern Menschen, die – jetzt wird es paradox – mit dem „Märtyrertod“ die extremste Variante der Selbstermächtigung und zugleich Selbstentmächtigung gewählt haben?

    Sie missverstehen mich, als ich nicht so sehr auf wirtschaftliche Ausgrenzungen abgestellt hatte sondern auf emotionale und sozialen Defizite, welche die Attentäter von Paris, das NSU-Trio oder auch Anders Breivik wohl in ihren Gesellschaften erfahren haben. Gehungert hat von denen niemand. Es geht da auch nicht um Sozialhilfe. Es geht um Konsistenz, Redlichkeit, Respekt und Gleichheit (zumindest bei den Startchancen). Und damit sind wir bei den weiteren und von uns noch schwerer zu beeinflussenden Themen, die junge Leute dazu verleiten Terroristen zu werden oder zum internationalen bewaffneten Kampf aufzurufen? Was bringt hochintelligente Personen, wie Ulrike Meinhof oder Gudrun Ensslin (Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes), die Rechtsanwaltstochter Susanne Albrecht, den Arzt Che Guevara, den Rechtsanwalt Fidel Castro oder den Reifeschüler A. P. dazu, zur Waffe zu greifen oder zur internationalen Revolution aufzurufen?

    Ich denke, in den zuvor genannten Fällen klaffte zwischen den Idealen, die den Personen in Schule, Elternhaus und Kirche vermittelt worden waren und der sozialen und militärischen nationalen und internationalen Lage, eine Lücke, die sie mit ihren Worten und Taten schließen wollten.

    Dann gibt es die von Bildung oder wirtschaftlicher Teilhabe Benachteiligten wie Hans-Joachim Klein, Peter-Jürgen Boock oder die Pariser Attentäter oder Beate Zschäpe. Hier spielt wohl auch die persönliche Efahrung der sozialen Ausgrenzung eine Rolle.

    Dann gibt es die Verbrämten, Nationalisten und sonstigen Irrläufer, wie Mundlos, Breivik oder Theodore Kaczynksi, die meist auch nicht ganz unintelligent sind aber irgendwie aus dem Ruder laufen.

    Und ordnen wir die Amokläufer in den USA ein? Irgendwie auch absolute Selbstermächtigung?

    Langsam wird die Diskussion interessant.

    Und last, but not least gibt es da ja noch die absolut oder relativ Fremdeermächtigten, wie Alfred Naujocks, Vincenzo Vincinguerra, Peter Urbach, Josef Karmon, Meir Max Bineth und wie sie alle heißen, die in sog. False Flag-Aktionen im Auftrag internationaler Geheimdienste oder Militärsinstitutionen Terroraktionen durchführten, um den politischen Gegner zu desavouiren.

    Das alles gilt es zu diskutieren.

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    …und das haben übrigens auch solche Organisationen wie die Hamas oder der hier diskutierte IS verstanden, die in ihren Gebieten eine bemerkenswerte Sozial-Infrastruktur aufgebaut haben.

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      Also, lieber Roland Ziegler, die „bemerkenswerte Sozial-Infrastruktur“ von Hamas und IS halte ich für ein Gerücht. Sie verwechseln das Verteilen von Geld mit Sozialarbeit. Gaza würde ohne Strom aus Israel zusammenbrechen; wer ernsthaft krank ist, kommt in israelische Krankenhäuser; 70.000 (!) Beamte bekommen von der PA, und das heißt: von Israel, ihre Gehälter. Und so weiter.
      Zur „Sozialarbeit“ des IS gehört, dass Frauen und Mädchen aus Minderheiten oder oppositionellen Familien zu Sexsklavinnen gemacht werden, was gewiss die Moral der kämpfenden Truppe erhöht: sie bekommen die 72 Jungfrauen schon hier. Nach Gebrauch werden die Frauen getötet. Kinder werden indoktriniert und angehalten, ihre Eltern zu denunzieren. Wie überhaupt die Denunziation gang und gäbe ist, um an das Eigentum der Denunzierten zu kommen. Die eigentliche Sozialarbeit besteht im Verteilen von Cash aus Ölverkäufen (zum Teil an das Assad-Regime). Ich bin weiß Gott ein Kritiker der Sozialarbeit, abe nie wäre es mir in den Sinn gekommen, den Begriff so zu entwerten, indem ich von einer „bemerkenswerten Sozial-Infrastruktur“ des IS spreche!

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    Ich glaube nicht, dass Selbstermächtigung und Fürsorge einander im Wege stehen. Das zu glauben ist ein Problem der „Liberalen“. Im Gegenteil: Selbstermächtigung entsteht aus Fürsorge. Dies ist das Zeil und im Fall des Gelingens die Erfahrung aller Eltern. Selbstverständlich ist ein funtkionierender Sozialstaat, der den Leuten die Angst nimmt, plus Kirchen plus Sportvereine, Musik, Tanzclubs usw. usf. auch für die „Selbstermächtigung“ der Individuen grundlegend.

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    Lieber Herr Posener,

    Sie schreiben:

    „…man kann die Lage der Muslime in einem Sozialstaat wie Belgien damit nicht vergleichen.“

    Wenn man versucht das Handeln von Indiviuen zu verstehen, schaue ich, wo es ähnliches Verhalten gab. Mir fielen bei dem Anschag in Paris zunächst Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe ein ausserdem Anders Breivik. Insbesonder beim sog. NSU-Trio sind die sozialen Umstände ähnlich. Da wachsen junge Leute in einem Staat auf, der sich nicht um sie kümmert, mit dem sie sich nicht identifizieren. DIe Eltern sind überfordert, so wohl auch bei Breivik, und die Jugendlichen geraten aussser Kontrolle. In der Nachwendezeit gab es im Osten eine im wahrsten Sinne des Wortes verwahrloste Jugend. Vorher war Jugendarbeit fast ausschießlich in der Hand der SED, des des FDGB oder des Staates und fiel dann in weiten Teilen ersatzlos weg. Die Infrastruktur, die im Westen Sportvereiene und Kirchen leiste(te)n war fas gar nicht vorhanden. Ich habe eine Menge Jugendstrafakten gelesen, in denen eigentlich immer wieder die Geschichte von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt erzält wurde. Beide Eltern erwerbstätig, die Kinder sind den ganzen Tag auf sich allein gestellt. Die Eltern fühlen sich im „neuen Land“ noch nicht wirklich heimisch und sicher und sind daher auch kein Halt für ihre Kinder. Der Staat wird abgelehnt, und wenn man nichts gelernt hat und nichts kann, ist natürlich ein „Herrenmenschenstaat“, in dem man per Geburt privilegiert ist, natürlich die einfachste Lösung. Bei den muslimischen Kindern, die in unseren europäischen Gesellschaften, auch wenn sie dort geboren wurden, eigentliche nie als Franzosen, Belgier oder Deutsche akzeptiert wurden, ist die Fixierung auf den eigenen „Glauben“, die Verheißung eines muslimischen Staates wohl ähnlich verlockend.

    Das Gefühl in einer Gesellschaft nicht akzeptiert oder benachteiligt zu werden, sich nicht wohl zu fühlen, kann man den Leuten doch nicht einfach absprechen. Das mag zwar teilweise, wie beim markenfixierten Anders Breivik, wahnhaft wirken, aber es ist vorhanden. Daher sollte man aus meiner Sicht eher das Geld, das derzeit in vermeintliche Sicherheit und Rüstung gesteckt wird, in Kindergärten, Schulen und in soziale Einrichtungen sowie in die Entwicklungshilfe stecken. Man sollte die wirklich drängenden Themen angehen. Auch aussenpolitisch. Die Stärkung der UNO auch militärisch, eine massive internationale Einschränkung von Waffenhandel in jeglicher Form, der Rückbesinnung auf klare Regeln des Völkerrechts, die Ächtung von Folter und terroristischer Aktivitäten jeglicher Art, seien sie staatlicher oder nichtstaatlicher Art.

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      Lieber 68er, Sie haben natürlich Recht, dass ein Gefühl der Entfremdung Voraussetzung der Radikalisierung ist. Wer wüsste das besser als ich? Aber damit aus dieser Entfremdung mehr wird, nämlich Terror, müssen Ideologen und Organisatoren hinzutreten.
      Ihre Vorstellung, durch Sozialhilfe sozusagen den Sumpf auszutrocknen, in dem die Ideologen fischen, ehrt Sie. Aber er ist leider typisch für das linke Missverständnis, das mit zu dem Übel beiträgt. Linke wie Sie betrachten nämlich Arme als Objekte der Sozialfürsorge. Die Terroristen – darin der heroischen Linken des 19. Jahrhunderts ähnlich – betrachten Arme als Menschen, die Stolz, Ehre und Transzendenz brauchen, um ihr Leben selbst in den Griff zu bekommen. Sie ermächtigen diese Leute. So lange die Linke nicht begreift, dass Selbstermächtigung, nicht Fürsorge, das ist, was die Menschen brauchen, so lange ist sie Teil des Problems, nicht der Lösung. Großes Thema.

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    APo: ‚Sehnse, lieber blonder Hans, dafür muss man Sie lieben. Wenn sich Katholiken mal als Terroristen betätigen, daa ist das völlig legitim. Und man muss nur “Irland” und die bösen “Engländer und Schotten” durch “Palästina” und die bösen “Zionisten” ersetzen, und schon haben Sie die fertige Legitimation für den Terror gegen Israel. Und so weiter. Merke: der Kampf gegen den Terror ist unteilbar.‘

    … liiieber Alan Posener, “Irland” und die bösen “Engländer und Schotten” im Kontext britischer Politik, können Sie so stehen lassen. Das andere sind Ihre Projektionen, freundlich geschrieben. Nur warum?

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    So wie ich die Äußerungen der IS-Leute verstanden habe, geht es ihnen darum, eine islamistische Vision umzusetzen, und zwar nicht nur im eigenen Kerngebiet, sondern weltweit. Was sie in ihrem Kerngebiet tun wollen, wäre mir relativ egal (es gibt auch andere verbrecherische Regimes auf der Welt). Das „Kalifat“ liefert für diese Vision das operative und ideele Zentrum und den praktischen Beweis, dass eine Umsetzung dieser Vision möglich ist.

    Diese Motivation des Terrors hat nichts oder nicht viel mit einem Widerstand gegen Besatzer, Invasoren, Kreuzritter o.ä. zu tun, sondern sie ist ein eigenständiges, sozusagen positivistisches Konzept: der Kampf gegen die Ungläubigen; das „richtige, gottesfürchtige Leben“. Darin integriert ist auch ein Motiv der Befreiung, aber in erster Linie geht es um die Korrektur der Ungläubigen, d.h. um Dominanz und Unterwerfung.

    Das ist ähnlich wie die internationalistische Möchtegernrevolution der RAF u.ä. Auch die dachten, alle würden bald jubelnd die Kapitalisten an den Laternenpfählen aufknüpfen. So etwas glauben wahrscheinlich auch die Islamisten. Wer nicht jubelt, wird umgelegt, so dass logischerweise nur noch Jubelnde übrigbleiben. Irgendwann haben die RAF-Leute dann begriffen, dass doch nur sehr wenige jubeln und dass es erstmal nichts wird mit der großen Revolution. Und zu genau dieser Erkenntnis müssen wir auch den IS-Anhängern verhelfen. Deshalb sollte man das „Kalifat“ in Syrien/Irak durch eine gemeinsame, quasi-polizeiliche Maßnahme zerschlagen (und sich nicht gegenseitig die Flugzeuge abschießen).

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    Herr Posener, bei allem Respekt: Das ist Sophismus. Ich zitiere Sie, wenn Sie eine angebliche Mainstream-These paraphrasieren: „Nur die Diskriminierung von Muslimen bringt – angeblich – den Terror hervor. Bestimmt nicht deshalb, weil Muslime besonders schlimm diskriminiert werden.“ Nun zeigen die von mir genannten Beispiele deutlich, dass eine Vielzahl von Gruppen auf tatsächliche oder eingebildete Diskriminierung mit Terrorismus reagiert. Worin diese tatsächliche oder selbst suggerierte Diskriminierung besteht, ist damit nichts gesagt. Muss es auch nicht, weil auch die von Ihnen zitierten Gruppen völlig unterschiedlichen Methoden der Benachteiligung ausgesetzt sind bzw. waren. Das im Nachhinein ganz konkret gemeint haben zu wollen, steht Ihnen natürlich zu, ist aber argumentativ unsauber.
    Überhaupt greifen Sie in Ihrer Replik ja wieder eine Propagandathese auf. An den Tibetern gibt es mitnichten einen Genozid. Das behaupten noch nicht mal Free-Tibet-Aktivisten, die in der Regel mit völlig übertriebenen bis frei erfundenen Gräuelgeschichten, die von niemandem überprüft werden, an die Öffentlichkeit gehen. Die sprechen lediglich von einem „kulturellen Genozid“, für den es freilich auch keinerlei Beweise gibt. Tibeter sind den gleichen Restriktionen und Repressalien ausgesetzt wie andere Einwohner Chinas auch. Das ist alles andere als lustig aber eine Politik, die sich spezifisch gegen Tibeter richtet, ist nicht nachweisbar.
    Ich bin von Ihnen bessere Argumente und ernsthaftere Diskussionen gewohnt. Das hier ist allenfalls halbgare Polemik.

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      Lieber Christoph Baumgart, auf meiner Tibet-These will ich nicht beharren; es ist ziemlich lange her (anlässlich des Besuchs des Dalai Lama), dass ich mich mit dem Thema zuletzt beschäftigte, und mir sind die Fakten gerade nicht so geläufig, dass ich Ihnen widersprechen könnte.
      Der Begriff des „Kulturellen Genozids“ ist freilich nicht so völlig abwegig, wie Sie unterstellen. Was die Italiener in den ersten Jahren der Besatzung Südtirols versuchten, lief darauf hinaus. Mit Billigung Hitlers, wie wir wissen, was die Sache nicht besser macht.
      Was nun meine „sophistische“ Argumentation angeht: Grundsätzlich lehne ich die Behauptung ab, die Diskriminierung einer Minderheit führe zu Terror. Es gibt immer andere Möglichkeiten des Widerstands: Gewerkschaften, Vereine, Parteien. Wo es diese Möglichkeiten nicht gibt, wie in Diktaturen, kann der bewaffnete Widerstand legitim sein. (Das Problem in Syrien ist freilich, dass die Grenzen zwischen legitimem Widerstand und Terror verschwimmen.) Sie haben „sophistisch“ die Möglichkeit der Unterscheidung grundsätzlich verwischt, indem Sie gesagt haben, was dem einen Terror ist, sei dem anderen Widerstand.
      Ich muss allerdings, und dafür danke ich Ihnen, nue nachdenken über die Reaktion von Minderheiten auf Diskriminierung. Ich hatte Zuwanderer oder Minderheiten innerhalb einer Mehrheitsgesellschaft im Sinn: Schwarze, Iren, Juden, Vietnamesen usw. in den USA; Juden in Europa. Ihre Beispiele betreffen so genannten „autochthone“ oder „nationale“ Gruppen, die Angst haben, eine unterdrückte Minderheit in ihrem „eigenen“ Land zu werden: Iren, Basken, Korsen, Südtiroler; man könnte auch den deutschen Terror gegen Zuwanderer, vom NSU bis hin zu Brandanschlägegen gegen Asylbewerberheime, in diese Kategorie des „nationalen Widerstands“ einreihen.
      Deshalb stimmt meine Argumentation denn doch: denn keine Zuwanderergruppe, nicht einmal die gewaltsam nach Amerika verschleppten Schwarzen, hat auf ihre unbestrittene Benachteiligung mit Terror reagiert. Darum führt die Frage nach der Benachteiligung in die Irre. Nicht, weil es diese Zurücksetzung nicht gäbe, sondern weil sie wenig erklärt. Es muss die spezifische Ideologie erklärt werden, die „Ressource“ (Timothy Snyder), die es jungen Muslimen ermöglicht, im Terror eine Lösung ihrer Probleme zu sehen; darum ist die Kritik der offenen Flanken des Islam zum Terror so nötig wie die Kritik der ideologie der konservativen Revolution, die eine offene Flanke zum „bewannfeten nationalen Widerstand“ hat.
      Danke noch einmal, dass Sie mich gezwungen haben, meine Argumentation zu überdenken und zu verfeinern.

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    Punkt 2 hat beschäftigt mich schon eine ganze Weile. Ja, der islamistische Terror gehört zum Islam. Posener: „Das wäre der erste Schritt zu einer Reform, die diesen Namen verdient.“ Der Vergleich mit der Untersuchung des Christentums ist legitim. Nur muss man die Zeitachsen im Blick behalten. Über Luther haben sie ja einen ganzen Artikel geschrieben: Antisemitisch, Intolerant – mehr Taliban als Aufklärer. Höhepunkt der europäische Bürgerkrieg im 20Jahrhundert, mit dem Holocaust als Crescendo. Ja und dann, erst dann, füllten sich die Bibliotheken mit diesen Untersuchungen, weil erst dann die Christenheit (nach versuchtem Selbstmord) so etwas hören wollte. Und wie sähe ein europäisches Christentum, ohne den bösen US-Kulturimperialismus aus? Im besten Fall Franco. Eine islamische Reform, die diesen Namen verdient, wäre eine Reform, die Ergebnisse hervorbringt, für die das Christentum unter vielen Rückschlägen Jahrhunderte gebraucht hat und in weiten Teilen nicht freiwillig durchführte. Ernsthafte Reformen einer Weltreligion können schon mal Jahrhunderte dauern und müssen auch nicht in die gewünschte Richtung laufen.
    Wenn wir ehrlich sind, ist es vielleicht im großen Kontext interessant, aber im Grunde suggeriert das Philosophieren über eine Reform des Islam doch nur, das dies zu Lebzeiten erreichbar wäre. Wenn schon die Forderung, Griechenland solle Strukturreformen und Hausaufgaben in paar Jahren machen, im Kern übergriffig und (vor allem) unrealistisch sind, was ist denn dann das Räsonieren über einen Reform-Islam? Alles nicht falsch, sogar sehr richtig, aber irgendwie Einsichten ohne praktischen Wert.

    Punkt3 ist auch so eine Sache. Auch vollkommen richtig. Aber, wie schon im Punkt über offene Grenzen festgestellt, die Terroristen sind home-grown. Das heißt nicht, Krieg sei deswegen abzulehnen, aber eine Stellung in Syrien platt machen, bringt uns hier nicht weiter, solange im Windschatten des Rechtsstaates weiter Irre ihre Lehren verbreiten dürfen. Militärisches Engagement ist gut für Flüchtlinge und die Stabilität (best case), aber sehr sinnlos für die europäische Terrorbekämpfung. Kampf gegen Terroristen kann (und sollte) zwar mit militärischen Mitteln geführt werden, bleibt aber im Charakter ein Polizeieinsatz. D.h. nach kurzer Zeit kommt die Frage auf, was machen wir eigentlich in Lampukistan oder wo gerade unsere Soldaten fallen.

    Auch das mit der Ideologie ist so eine Sache. Man soll nicht relativieren, seh ich ein. Aber die Hispanics und Schwarzen in den USA sind nicht ideologisch vorbelastet, wenn man beim radikal-liberalem „Get Rich or Die Tryin’“ mal ein Auge zu drückt. Oder zwei – egal. Trotzdem produzieren sie Gangs, deren Mitglieder nicht nur im Knast sitzen, weil die Richter immer böse, weiße Alte sind, sondern weil die Jungs auch Sachen machten, die bei uns unter Kriegsverbrechen laufen würden. Mal im Birne/Apfel-Vergleich: New York hat seine Banlieues nicht in den Griff bekommen, weil eine linke Gegenideologie formuliert wurde oder weil es katholische Reformbewegungen gab, auch wurden nicht die Paten in Sizilien bombardiert. Der Papst verurteilt die Mafia und distanziert sich, macht der Zentralrat genauso mit den Islamisten und beide mit dem gleichen Ergebnis.

    Wenn ich so etwas nachdenke: Militärischer Einsatz macht Sinn, aber nicht wegen unserer home-grown Terroristen. Ideologie ist nicht ausschlaggebend, ob der Alpha-Ali in Bielefeld Leute umlegt. Bis der Islam reformiert ist, werden wir so manches Snickers essen, weil es länger dauern wird. Alles ja nicht falsch. Aber irgendwie werden uns die Einsichten nicht weiterbringen, fürchte ich.

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    APo. ‘Die IRA zum Beispiel war eine katholisch-national-sozialistische Organisation, der es gar nicht um die Verbesserung der Situation der Katholiken in Nordirland ging, sondern um den Anschluss Nordirlands an die katholische Republik Irland.‘

    … werter APo, das hatten wir schon. Der Konflikt in Irland ist durch schottische und englische ‚Kolonisten‘ im 17. und 18. Jahrhundert begründet.

    Die Iren blieben katholisch, die ‚Kolonisten‘ waren protestantisch. Die einheimische, katholische Bevölkerung wurde jahrhundertelang diskriminiert und unterdrückt.

    Mit Irlands Souveränität und Teilung [sic!] 1921, blieb die Macht in Nordirland bei den Nachfahren der ‚Kolonisten‘, den Protestanten. DAHER! Kommt es noch heute, vereinzelt, zu Ausschreitungen zwischen diesen Bevölkerungsgruppen.

    Es handelt sich also in erster Linie um einen ethnischen, weniger um einen religiösen Konflikt.

    Wäre Irland von den Engländer und Schotten nicht kolonialisiert und geteilt worden, gäbe es diesen Konflikt nicht. Wobei ich meine, dass Engländer und Schotten keine Kolonisten waren, sondern Land besetzt haben, das anderen gehört(e).

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      Sehnse, lieber blonder Hans, dafür muss man Sie lieben. Wenn sich Katholiken mal als Terroristen betätigen, daa ist das völlig legitim. Und man muss nur „Irland“ und die bösen „Engländer und Schotten“ durch „Palästina“ und die bösen „Zionisten“ ersetzen, und schon haben Sie die fertige Legitimation für den Terror gegen Israel. Und so weiter. Merke: der Kampf gegen den Terror ist unteilbar.

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    Punkt 1 ist inhaltlich falsch. Alan Posener antwortet auf eine allenfalls verkürzte Darstellung mit einer Interpretation, die an Selektivität kaum zu überbieten ist.
    Allein in Europa hatten wir in den vergangenen 30 Jahren an unterdrückten – oder sich unterdrückt fühlenden – Minderheiten, die zu Terrorismus griffen: die Basen (ETA), die Korsen, die Kosovo-Albaner (UCK) und die Nordiren (IRA sowie UDF am anderen Ende des Spektrums), die beide nicht mit übermäßiger Kuran-Treue aufgefallen sind. In China hätten wir noch einen Teil der Tibeter, von denen mir nicht bekannt wäre, dass sie sonderlich zu muslimischem Extremismus neigen würden – im Westen würde man die bewaffneten Banden eher als Freiheitskämpfer sehen, aber das tut nix zur Sache. Des einen Freiheitskämpfer ist bekanntermaßen des anderen Terrorist.
    Nun geht Alan Posener in der Geschichte – oder dem, was er dafür hält – noch weiter zurück, also sei mir auch noch ein Rückgriff gestattet: Da hätten wir in etwas bescheidenerem Ausmaß noch eine terroristische Bewegung in Südtirol in den 60-ern (allein schon die Bärte weisen den Charakter der Ur-Tiroler als Vorläufer des modernen Djihadismus eindeutig nach) und in den späten 30-ern den Terrorismus der Sudetendeutschen, der natürlich in hohem Ausmaß fremdgesteuert war und der sich mit einer weitaus mehr imaginierten denn realen Unterdrückung rechtfertigte.
    Das sind nur die Beispiele, die mir auf die Schnelle einfallen. Eines hätte schon gereicht, um Poseners These zu entkräften.

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      Nein, Herr Baumgarten, Ihre Beispiele entkräften meine These mitnichten. Ich bin doch nicht so blöd, zu behaupten, alle Terroristen wären Muslime. Ich behaupte nur, der Terror sei nicht das Ergebnis einer sozialen Deprivation. Und das war er auch nicht in den von Ihnen benannten Fällen. Die IRA zum Beispiel war eine katholisch-national-sozialistische Organisation, der es gar nicht um die Verbesserung der Situation der Katholiken in Nordirland ging, sondern um den Anschluss Nordirlands an die katholische Republik Irland. Und so kann man es für die meisten anderen so genannten Befreiungsorganisationen durchdeklinieren, die Sie nennen. Allenfalls für die Südtiroler, die UCK und die Tibeter würde ich Ausnahmen machen, denn die Politik der Italienisierung Südtirols, der Unterdrückung der zunächst friedlichen Proteste der Albaner im Kosovo und der Genozid an den Tibetern sind Tatsachen; man kann die Lage der Muslime in einem Sozialstaat wie Belgien damit nicht vergleichen.

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    zu 3.
    Aber muss man, vorallem bei Luftangriffen, nicht auch die zivilen Opfer bedenken? Solche Angriffe führen ja dazu, dass der Westen von der Bevölkerung gehasst wird und erleichtert dem IS die Rekrutierung neuer Kämpfer. Insofern halte ich es schon für möglich, dass die Luftangriffe kontraproduktiv sind…
    Man muss ja auch beachten, dass seit 14 Jahren Krieg gegen den Terror geführt wird und keine wirklichen Erfolge erkennbar sind bzw. der IS erst dadurch entstanden ist.

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      Lieber Peter, der Westen die Zivilbevölkerung, bevor Luftangriffen gegen den IS geflogen werden, deshalb gibt es wenige zivile Tote. Assad und seine russichen und iranischen Unterstützer halten es da anders, deshalb sind in den letzten Wochen und Monaten 70.000 Syrer in die vom IS kontrollierten Gebiete geflohen. (Quelle: Economist) Dass der IS „durch den Krieg gegen den Terror entstanden“ sei, kann nur jemand behaupten, der sich mit der entstehung des IS nie befasst hat. ich empfehle als Einstieg: „Endstation islamischer Staat“ von Rainer Hermann (dtv).

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    Lieber Alan Posener, ungefähr so hatte ich Ihre Antwort erwartet, dennoch gehofft, Sie würden (zumindest ein wenig) für mich den General spielen wollen. Ich bin mir jetzt auch nicht mehr so sicher, ob Sie das mit der dritten Lüge wirklich so meinten oder hier nur als Agent Provocateur auftraten, denn es wäre für einen Menschen der Aufklärung wirklich ein wenig zu einfach. Ein rhetorischer Schachzug? Dieser Blog, auf den ich per Zufall gestoßen bin, ist es wert, ihn weiter zu verfolgen. Normalerweise treibe ich mich auf Facebook rum und studiere mit Hochgenuss des Volkes Sehnsüchte, die aus dem OFF kommen. Herrlich!

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      Lieber Clemens Mitscher, die dritte „Lüge“ ist ernst gemeint. Es darf nicht sein, dass man prinzipiell militärische Mittel ausschließt, wenn man es mit Leuten zu tun hat, die prinzipiell militärischen Mitteln den Vorrang geben. Nur: Indem ich prinzipiell etwas befürworte, muss ich noch lange nicht wissen, wie das im einzelnen geht; diejenigen, die militärische Mittel ablehnen, wissen in aller Regel noch weniger.

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    Eva QUistorp sagt:
    20. November 2015 um 11:19

    Gut gebrüllt, Herr Posener,schon lange argumentiere
    ich wie Sie gegen die ersten drei Lügen, doch leider
    haben Sie vergessen, dass neben den Schwarzen ,meist Christen bzw Erfinder des blues und der spirituals und des gospel, dessen Wirkung bis zu Elvis reichte, in den USA, den europäischen Juden und ihren Kulturen, es auch die Frauen waren,
    die jahrhundertelang unterdrückt waren und heute noch in vielen LÄndern und Milieus diskriminiert werden, auch von dem angeblich ach so friedlichen Islam und vielen Religionen.Die Frauen haben für ihre Befreiungskämpfe aber nie eine Terrorarmee aufgestellt und die neuesten Technologien und Massenmedien zur Zerstörung der Kultur, der Demokratie und der Lebensfreude benutzt. Doch sowohl bei Schwarzen, Juden, Frauen, die viel gemeinsam haben, gab es Sekten, die extremistisch und gewaltbereit waren.Sie fanden aber immer genug engagierte Kritikerinnen im eigenen Milieu und eine starke eigene Gegenkultur, die den extermistischen Sekten nicht so eine internetmacht und Waffenmacht überließ wie es heute leider für den Islamismus zu konstatieren ist. Moscheestatements, islamverbände oder Islamwissenschaftlerinnen die im tv sagen, das ist nicht der Islam,
    wirken selbstgerecht oder
    hilflos, seicht, mutlos, vage ,auch sprachlich. Die Probleme mit einem Islam, der mit der Modernisierung und Aufklärung und GLobalisierung nicht friedlich klar kommt,sofort wieder nur auf Diskriminierung weinerlich zurückzuführen, wie auch gestern in der gemeinsamen Tauerandacht im Berliner Dom, verstärkt Misstrauen und zeigt wenig Kampfbereitschaft gegen den islamistischen Terror .Diese dünnen statements haben nicht einmal eine Orientierung am Niveau der Barmer Erklärung von 1934 noch an dem Barmer Schuldbekenntnisses der evangelischen Kirche von 1945 oder der Kirche von unten im Katholizsimus oder der Theologie der Befreiung .Auch nicht an der Kritik der Linken an reaktionären Formen des Papsttums oder der Inquisition oder der sexuellen Repression erreichen sie und wollen es offensichtlich seit Jahren auch nicht.siehe die exilierten und enthaupteten Kritiker und Refomer im Islam auch in den letzten Jahrzehnten. Das ist die SChwäche auch der deutschen Isalmkonferenz . Da wäre dringed das Forum liberaler Muslime zu stärken und ihm in den Medien, talkshwos und Politik mehr Raum zu geben, statt sich immer nur an Pegida oder der AFD abzuarbeiten polemisch.Denn wie sollen Bürgerrechte ohne Bürgerinnenrechte in den Religionen selbst verteidigt werden?

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    @68er
    Na, wenn PR-Berater von Politikern und Großfirmen, Werbemenschen und Spin-Doktoren sich tatsächlich hier orientieren würden, hätte das natürlich was: Dann wären wir ja alle hier die neuen ‚Bilderberger‘ und würden das Weltgeschehen manipulieren. Leider ist es wohl eher andersherum: Verschwörungstheoretiker bedienen Ängste zwecks Manipulation, ja suchen regelrecht danach, um sie für ihre Vorstellungen zu instrumentalisieren. Sie treten daher verständnisvoll auf – eben nicht ungeduldig usw. Aber das ist ein eigenes Thema.

    Ich finde den Hinweis auf die Freikorps – überhaupt das kramen in der Geschichte auch erhellend. Z.B. die Warlords im 30-jährigen Krieg, Tilly, Wallenstein etc. Wie ist das überwunden worden, was steht uns vielleicht in der Folge bevor?

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    Danke für den Hinweis auf den neuen „Economist“: Eine wirklich aufzählend sachliche Gegenüberstellung von Möglichkeiten, dennoch abschließend auch in Ohnmacht versumpfend. Auch hier vermisse ich den Diskurs in Bezug auf die Distribution von Waffen, ich nenne es mal „sympathy with the devil“ (z.B. von hier: http://www.salon.com/2015/11/1.....n_the_80s/

    bis hier: http://www.zeit.de/politik/aus.....affen-deal)

    Im Moment schließe ich mich aus sicherer Entfernung zum Kriegsgebiet (wobei ich mir im Moment nicht ganz sicher bin, ob ich nicht schon lange darin lebe) dem folgenden an:

    >>>>Some, particularly on the left, argue that military engagement will defend neither Western values nor Western security. Unless it is clear how military action would end, killing people is hard to justify. Moreover, jihadist violence will only rise from the ashes and expose the world to greater danger. That, they say, is what the wars in Afghanistan and Iraq tell you.<<<<<

    …dabei habe ich auch den Bunkerangriff auf Bagdad, bei dem 1991 über 300 Zivilisten umkamen, im Kopf. Seinerzeit hörten wir nur davon, gesehen haben wir nur bunte Klamotten der erstickten Opfer auf einem Lastwagen – ich hatte das 1991 für mich schon einmal zum Thema gemacht http://mitscher.de/content/?page_id=635

    Daher nochmal meine Frage an Sie (auch im Kontext Ihrer eigenen Geschichte vom aufgeputschten Aktivisten zum besonnenen Kommentator): Wie würden Sie selbst vorgehen wollen?

    herzlichst
    Clemens Mitscher

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      Lieber Clemens Mitscher, ich bin kein Militärstratege. Ich weigere mich daher, den Militärstrategen zu spielen. Dafür gibt es ja Generäle.

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    Das ist keine Kritik. SM sind ja gerade deshalb lesenswert. Auch wenn man sich nicht beteiligt und nur mitliest, kommen irgendwann die meisten Argumente auf den Tisch. Irgendwo habe ich mal gehört, dass die Jesuiten der Meinung waren, dass es am besten sei, den Satan zu bekämpfen, indem man ihn gut studiert bzw. bei ihn in die Lehre geht.

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    „Aber es konnte einem auch mit dem Kommunismus so ergehen.“
    Klar. Messianisch kommunizierte Politik als Sammlung so vieler verlorener Seelen.

    (Dazu ein Punkt, der noch zu wenig beachtet wird: Der massive Substanzmittelabusus dieser verlorenen Seelen, auch den finden wir schon im Nationalsozialismus. Die Pervitinenthemmung der deutschen Soldateska. Oder der Alkoholkonsum in Auschwitz – furchtbar…)

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    Lieber Herr Posener,

    Der Terror ist auch Ergebnis der Ausgrenzung und Diskriminierung der Muslimische in Frankreich (1. Lüge)
    Das ist keine Lüge, sondern die blanke Wahrheit! Sie schreiben dich selber, dass Juden, Hispanics, etc., die diskriminiert werden/worden sind NICHT zu Terror greifen! Muslime jedoch greifen augenscheinlich zum Terror, wenn sie benachteiligt werden oder es glauben.

    LG anti3anti

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    Lieber Herr Posener, dann verraten Sie mir doch einmal bitte, wie Sie sich einen Krieg gegen den IS vorstellen, wenn Sie diesem sein Territorium nehmen wollen. Wo genau verorten Sie dieses denn?

    >>>>Man kann mit einem Krieg dem Islamischen (ahem!) Staat sein Territorium nehmen, auf dem er unter anderem weitere Terroristen ausbildet, was eine gute Sache ist<<<<

    Klar, das wäre eine gute Sache und Sie sind nicht Kriegsminister (was ich im Moment befürworte). Nach Ihren Ausführungen und mit unser aller Wissen um gescheiterte militärische Operation von Gottes Gnaden in der jüngeren Vergangenheit: outen Sie sich doch mal! Wie würden Sie es denn anstellen? Ich verbrachte letzten Freitag von 21:45 bis 8:00 morgens mit 50 weiteren Personen die Nacht im Obergeschoss eines Hauses in der Rue de la Folie Méricourt und hatte ein wenig Zeit zum nachdenken (ich musste vorher an zwei Lokalen vorbei, wo es dann 5 Minuten später krachte – ich weiß, ich weiß: Alltag vieler Menschen dort, wo es immer kracht). Mein Geisteszustand war lange nicht so hell und in meiner Vorstellung hätte ich gerne etwas wahrhaft tötendes in Richtung eines dunklen Seat geschleudert. Aber das ist episches Theater. Halten wir uns nicht damit auf.

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      Lieber Clemens Mitscher, im neuen „Economist“ (beispielsweise) finden sich gute Ausführungen dazu, die ich darum hier nicht wiederhole.

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    Zugegeben, ich habe verkürzt. Hier haben nicht nur Jounalisten ihre Argumente gepfrüft sondern auch der ein oder andere PR-Berater. Dialektik war nicht abwertend gemeint. Sie (nicht im Sinne von „man“, sondern im Sinne von AP) haben eine bestimmte Meinung von der Welt, die SIe hier argumentativ abkopfen lassen. SIe prüfen die Gegenargumente und versuchen SIe zur Stärkung Ihres Weltbildes in Ihre Argumentation einzubauen. Was ist das anderes als Dialektik? Aber wir streiten wieder über Definitionen, wozu ich eigentlich keine Lust habe.

    P.S. zum Thema Verschwörungstheorien:

    Ich hätte niemals gedacht, dass ich mit meinen Erklärungsversuchen dieses Etikett gemeinsam mit George Herbert Walker Bush KBE, angeheftet bekommen würde.

    http://www.nytimes.com/2015/11.....nking.html

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      Lieber 68er, ich „prüfe Gegenargumente“: Ist das jetzt eine Kritik? Sollte ich lieber Gegenargumente nicht prüfen?

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    „Viele der Leute, die heute zu Terroristen werden, stammen aus der Halbwelt von Drogen und Kleinkriminalität, haben ihr Leben also schon verpfuscht; der radikale Islam bietet ihnen Sinn, Sauberkeit, Selbstachtung, Stolz. Ein Ventil für Hass und Frustration. Und am Ende das Paradies. Ohne diese Ideologie wären sie weiter Loser, Kleinkriminelle und Drogendealer geblieben. Entscheidend ist also die Ideologie.“
    Vielleicht doch auch einfach das Moment des Losens? Der Verlierer, häufig auch nur der eingebildete Verlierer als Motor des Terrorismus? Dafür spricht einiges. Die Ideologie ist dann zweitrangig, wichtig ist der Faktor GeschwindigkeiT. Mit uns kannst Du in Windeseile aus deinem Loch herauskommen. Das kann den Kleinkriminellen keiner besser bieten, als der IS. Waffen, Wichtigsein, Machtgefühl gegen die tatsächliche Ohnmacht des gescheiterten Lebens. Der IS ist einfach more sexy als der Sozialarbeiter im Wiedereingliederungsprogramm.
    Auf der mittleren Ebene viel arbeitslos gewordenes Militär mit der narzistischen Kränkung eines verlorenen Krieges im Nacken (Saddams Armeereste). Die empfundene, ja nie tatsächlich ausgesprochene oder auch nur so „gemeinte“ Demütigung durch „den Westen“. Das ist alles schon älter als der Golfkrieg (der jetzt immer wieder angeführt wird), älter auch als Saddam, als Nasser. Lesetip: T.E. Lawrence.
    Prototyp des islamischen „Protestes“ gegen die Moderne könnte man im Mahdi-Aufstand sehen.

    Na ja, jedenfalls erinnern mich die – in einem Kommentarteil notwendig nur anskizzierten – Eckpfeiler fatal an die deutschen Freikorpsverbände der 20 er Jahre. Dasselbe Beleidigtsein, dasselbe Gefühl von Zukurzgekommen, dasselbe „die QWelt ist mir was schuldig…“…
    Da verstehe ich meine linken Freunde nicht: Immer auf der Suche nach den Faschismen dieser Welt wird er da geleugnet, wo er doch in Reinkultur vorliegt: Der Faschismus des Namen IS.

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      Guter Hinweis auf die Freikorps. Aber es konnte einem auch mit dem Kommunismus so ergehen. In seinem großen Roman „Söldner und Soldat“ schildert Bodo Uhse seinen Übertritt von einer Nazi- zu einer KPD-Schlägertruppe mit religiöser Inbrunst.
      http://www.zeit.de/1954/33/bodo-uhse
      Weder Linke noch Rechte sind bereit, im Islamisten den Bruder zu sehen.

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    @ KJN

    Hier geht es nur vordergründig um Diskussion. Zweck von SM, so habe ich den Eindruck, ist es, im halböffentlichen Raum Argumente zu prüfen, die dann im „großen öffentlichen“ Scheindiskurs als Wahrheiten an den deutschen Michel verkauft werden sollen. Da ist es gut, wenn man vorher weiß, mit welchen Reaktionen man zu rechnen hat. Das ist Dialektik.

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      Ja klar, 68er. Es lebe die Verschwörungstheorie. Wer ist „man“? Wer ist „der deutsche Michel“? Und: Dialektik ist ganz was Anderes.

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    Was die 5 Märchen angeht, sind sie aus meiner Sicht sehr gut getroffen. Als 6 würde mir noch einfallen, dass es ein Märchen ist, man könne gegen den (unseren) Staat sein und seine Institutionen so schwach zu halten, dass man in der Lage ist, gegen diesen Staat (cyber oder bewaffneten) Wiederstand zu leisten (sollte sich doch herausstellen, dass die Regierung doch von den Lords der Sith unterwandert wurde) und gleichzeitig zu erwarten, dieser Staat solle uns gegen die Leute schützen, die diese Möglichkeiten nutzen.
    Anonymus verfolgt (soweit ich es mitbekomme) gute Ziele. Aber mich beruhigt es überhaupt nicht, dass Cyber-Warlords in der Lage sind, einen Cyber-Bürgerkrieg ohne jegliche demokratische Kontrolle durchzuführen. Staatliche Institutionen so zu beschränken, dass ein unbeaufsichtigtes Schlachtfeld entstehen kann, ist kein Ausdruck von Freiheit, sondern die Privatisierung ideologischer Kriege. Was ist, wenn Anonymus nicht mehr nett ist, was ist mit einem islamistischen Anonymus?

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    „Ohne diese Ideologie wären sie weiter Loser, Kleinkriminelle und Drogendealer geblieben. Entscheidend ist also die Ideologie. Und das Versagen der Linken besteht darin, diesen Leuten, ihrem eigentlichen Klientel, nichts Vergleichbares anzubieten.“

    Gefragt wäre eine Ideologie, die das Leben als Kleinkrimineller und Drogendealer nicht als Loser abstempelt, sondern als das, was es für die meisten da ist: ein hartes selbstbestimmtes Leben. Antiimperialismus ist etwas vergleichbares, mit vergleichbaren Ergebnissen: Die Jungs, die von einem bourgeoisem Leben träumen (nur halt auf ihr eigenes Seelenleben zugeschnitten), aber auch Angst haben, vor den Härten eines Lebens abseits der sicheren Pfade, werden ideologisiert und radikalisiert. Kleinkrimineller und Drogendealer (Gaukler und Beutelschneider) gibt es seit Jahrtausenden, aber erst, seitdem sich Studenten unter sie mischen, gibt es Terrorismus. Die Ideologisierung an sich ist das Problem, nicht die vielfallt der Angebote.Um mal eine Lanze für die Kleinkriminellen zu brechen, die sich nicht in die Luft sprengen.

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    Lieber Herr Posener
    Mal ganz hypothetisch zur dritten Lüge: Sie sind der gewählte Chef eines Landes oder dessen Verteidigungsminister oder der Wortführer oder Oberbefugte aller Chefs oder Verteidigungsminister verschiedener Länder und sie kommen um die Entscheidung Krieg (Erklärung oder/und Ausführung) gegen den IS nicht herum. Sie haben Befugnis über hunderte (tausende) von Kampfjets, Schiffe, militärische Einheiten, etc. Sie müssen das jetzt und sofort entscheiden. Ja oder Nein. Würden Sie es anordnen? Würden Sie in Kauf nehmen, dass pro einem IS Kämpfer, der sich irgendwo versteckt (na ja, erweitern wir das mal auf vielleicht 20 oder 50, die sich irgendwo zusammen verstecken), immer 500 unbeteiligte (mal weniger, mal mehr) nebenbei auf der Strecke bleiben? Vielleicht haben Sie im Vorfeld schon alle Alternativen bedacht: etwa die Ausbildung von (westlichen) Kamikaze Einzelkämpfern (mit Hinterbliebenenversorgung), die sich je an einen potentiellen IS Kämpfer (oder eine kleine Gruppe) heran machen oder (schlimmer) den Abwurf von Nuklearwaffen auf ein Gebiet ab der Türkei abwärts auf alle nordafrikanischen Staaten (natürlich Israel ausgenommen) dann aber weiter ostwärts ab dem Iran bis Pakistan. Ich möchte Ihnen die Entscheidung abnehmen, indem ich Ihnen versichere, dass Sie um die Entscheidung (Krieg oder kein Krieg) herum kommen werden, da diese von anderen im Vorfeld schon längst gefällt wurde (in diesem Fall vielleicht auch von Ihnen, Sie haben es nur vergessen). Vielleicht haben Sie irgendwann einmal (oder gar erst vor kurzer Zeit) Waffenexporten in „Krisengebiete“ zugestimmt. War das nicht schon eine Kriegserklärung? Das Folgende bringt es ganz gut auf den Punkt: http://giphy.com/gifs/loop-war.....bRqqStDp5e

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      Lieber Clemens Mitscher, Ihre Kriegszenarien sind ganz und gar unglaubwürdig. Es gibt in der Region nur zwei Staaten, die in den letzten Jahren mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht haben: Pakistan (gegen Indien) und der Iran (gegen Israel). Saddam Hussein im Irak und Baschar al Assad Syrien haben versucht, ein Atomwaffenprogramm zu entwickeln, was aber durch israelische Einsätze vereitelt wurde. Ghaddafi hat sein geheimes Atomprogramm der CIA offenbart; es wurde abgebaut und lagert zurzeit in Langley. Die Vorstellung, irgendwelche finsteren Mächte (die Weisen von Zion? die Bilderberger?) hätten längst einen Krieg (egal gegen wen, scheint es) beschlossen, verrät einiges über Ihren Geisteszustand, wenig aber über die wirklichen Verhältnisse im Nahen Osten.

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    Einige ethnische Gruppen die sie vom Terror freisprechen sind in den USA sehr aktiv im Bereich Bandenkriminalität was man grob skizziert dann auch wieder dem Terror zuordnen kann. Im Grunde ist es eben nur eine andere Form von Terror vielleicht eine die sich besser mit dem Kapitalismus vereinbaren läßt, weil doch meist gewinnorientiert.

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    Hmm.. so erfreulich deutlich ich Ihren Aufsatz auch fand, lieber Alan Posener, einen Diskurs darüber haben Sie anscheinend nicht gewollt. Sie bügeln alle ab, die nicht 100% Ihren Thesen zuarbeiten, bzw. versuchen eigene Gedanken einzubringen. So wirkt’s jedenfalls gerade auf mich. Daß man auch nach Ursachen für den ‚IS‘ im Westen fragt, heißt noch lange nicht, die persönliche Verantwortung derer, die da Massaker veranstalten zu relativieren. Jedenfalls ist das so, wenn man einen freien Willen beim Menschen voraussetzt. Die Ideologie des ‚IS‘, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen kann ist extrem primitiv und daher muss es es Gründe haben, warum gerade intelligentere Leute (viele IT-Studenten) aus dem Westen dieser Psychopathie folgen. Wenn der Islam in einer bestimmten Weise mit der ‚Sache‘ zu tun hat, dann auch der Westen in einer anderen. Nochmal: Was zieht junge Männer aus dem Westen, oftmals Kinder ehemaliger Flüchtlinge in den Dschihad?
    Hörte ich dazu heute morgen im Auto:
    http://www.deutschlandfunk.de/....._id=337413
    „Zudem werden sie [Männer] in weiblich dominierten Institutionen häufig als aggressive Störer wahrgenommen. Außerdem weigern sie sich mehrheitlich, unseren Vorstellungen einer reiferen, gendersensiblen, bi-sexuellen Geschlechtsidentität zu entsprechen.“

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      Lieber Klaus J. Nick, ich „bügele niemanden ab“. Entweder ich versuche, auf möglichst viele Einwände einzugehen, das muss dann schnell gehen, weil ich einen Job und ein Leben neben der unbezahlten Hobbytätigkeit für „SM“ habe, und kann daher etwas knapp ausfallen; oder ich kommentiere gar nicht und lasse die Kommentatoren im Unklaren darüber, ob ich ihre Argumente überhaupt wahrnehme.
      Ich leugne doch nicht den Einfluss sozialer Faktoren bei der Radikalisierung junger Männer, ebenso wenig wie ich die biologischen Faktoren (Hormone!) leugne. Aber ich lehne es ab, die Rolle der Ideologie hintanzustellen. Möglicherweise deshalb, weil ich aus meinem eigenen Radikalisierungsprozess so gut weiß, welche entscheidende Rolle die Idee spielt. (Darüber habe ich auf SM geschrieben.) Ich behaupte: Wer das nicht an sich erlebt hat, redet wie der Blinde von den Farben. Viele der Leute, die heute zu Terroristen werden, stammen aus der Halbwelt von Drogen und Kleinkriminalität, haben ihr Leben also schon verpfuscht; der radikale Islam bietet ihnen Sinn, Sauberkeit, Selbstachtung, Stolz. Ein Ventil für Hass und Frustration. Und am Ende das Paradies. Ohne diese Ideologie wären sie weiter Loser, Kleinkriminelle und Drogendealer geblieben. Entscheidend ist also die Ideologie. Und das Versagen der Linken besteht darin, diesen Leuten, ihrem eigentlichen Klientel, nichts Vergleichbares anzubieten.

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    @ Sandor Ragaly: Ich weiß nicht, was Herr Posener an Ihrem Text ‚wohlklingend‘ fand, Herr Ragaly (da war er in meinen Augen noch zu gnädig mit Ihnen). Meines Erachtens haben Sie da einen Haufen himmelschreienden Unsinns von sich gegeben (und selbigen nur notdürftig in pseudo-wissenschaftlichen Phrasen verpackt).
    Ich finde es unfassbar, was quantitative Sozialforscher*innen, wie Sie, sich zuweilen einbilden messen zu können. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf das Untersuchungsdesign zu Ihrer Hypothese (die Sie ja behaupten „per Software auch statistisch berechnen lassen“ zu können). Vor allem interessiert mich dabei, wie Sie die „tradierte Demütigung durch uns Europäer“ zu erheben gedenken… Wollen Sie den Terrorist*innen etwa einen Fragebogen vorlegen, auf dem sie den Grad ihrer Demütigung entlang einer Skala von 1 bis 6 abtragen können? Wenn Sie die Diskussion hier schon verwissenschaftlichen wollen, sollten Sie vielleicht mit etwas realistischeren Szenarien daherkommen!?
    Augsteins Freitag und seiner antiimperialistischen Entourage können Sie so einen Humbug vielleicht verkaufen (Ihre Texte dort zeugen auch nicht gerade von geistiger Klar- oder gar Weitsicht: https://www.freitag.de/autoren/src/wir-rechsradikale). Bei Herrn Posener werden Sie da meiner Erfahrung nach aber auf Granit beißen. Als Liebhaber der Sozialwissenschaft (wenn auch in ihrer qualitativen Ausrichtung) möchte ich Sie eindringlich bitten, deren Ruf mit solchen hanebüchenen Ausführungen nicht weiter in den Dreck zu ziehen!

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    Ich teile ihre Ansichten leider nur in zwei Punkten, aber immerhin:
    1)„Wir befinden uns im Notstand, die Bürgerrechte müssen außer Kraft gesetzt werden.“
    Ich halte das auch wie Sie für gefährlichen Unsinn. Diese Forderungen erinnern mich leider an die Ereignisse rund um den Reichstagsbrand vom 28. Februar 1933. Die Konsequenzen der darauffolgenden politischen Entscheidungen sind uns allen bekannt.
    2)„Jetzt sieht man, wie gefährlich offene Grenzen und Flüchtlingsströme sind.“
    Auch hier stimme ich mit Ihnen überein, dass das völliger Quark ist. Allerdings sehe ich die Flüchtlinge nicht als Ressource, sondern als Menschen, die Schutz suchen und diesen auch erhalten sollen.
    Zu allen anderen Punkten werde ich nicht im Detail eingehen, aber wichtig wäre mir dazu zu sagen: Setzen sie bitte Religion nicht mit Gewaltabsichten gleich und dem Realisieren selbiger. Auch wenn mir wohl bekannt ist, dass Christen im Namen ihrer Religion in der Vergangenheit getötet haben. Weder der Islam, noch das Christentum oder das Judentum sind per se gut oder schlecht oder rufen zu Krieg oder Frieden auf. Sie sind lediglich Religionen. Das Auslegen der Inhalte liegt in den Augen des Interpreten selbst. Jemand, der Krieg und Gewalt will und befürwortet, der findet überall Gründe dafür und Hinweise darauf.
    Krieg kann nicht die Lösung sein. Der Westen hat sich das durch die Erfahrung von 14 Jahren „Anti-Terror-Krieg“ selbst leidvoll bewiesen. Wie lange will die politische und wirtschaftliche Elite des Westens noch weiter so vorgehen? Der Terror ist ein Resultat von Gewalt und Bombardements, von Ressourcenkriegen und er ist auch das Resultat von sozioökonomischer Ausgrenzung. Damit meine ich nicht die Diskriminierung der Muslime in Frankreich, sondern die globale Diskriminierung und Ausgrenzung ganzer Völker und Nationen, bei der Europa und die USA seit Jahrhunderten am Trog vorne stehen. Dass irgendwann mal jemand sagt: „Moment mal, da läuft doch etwas gehörig schief“, musste über kurz oder lang kommen. Das rechtfertigt nicht Gewalt und Terrorismus, erklärt aber Ursachen und die Wurzel des Übels. Natürlich hat die Armut in diesen Ländern nicht nur mit dem westlichen Imperialismus zu tun. Diese Länder haben ihre hausgemachten Probleme und eigenen Hausaufgaben, die sie zu erledigen haben. Der „Westen“ muss aber aktiv hinschauen, um Probleme und deren Ursachen zu erkennen und diese letztendlich anzugehen. Das bedeutet u.a. auch, dass wir ein neues Umverteilungssystem brauchen, aber auch vom Öl als eine der wichtigsten Energiequellen weg müssen. Sie haben recht, wenn sie schreiben, dass viele Völker und Ethnien, die diskriminiert werden, nicht mit Terror reagiert haben oder es derzeit tun. Vielleicht fehlten ihnen aber schlicht die Mittel, Netzwerke und Möglichkeiten dazu. Zum Schluss werfe ich eine Frage in den Raum, ohne zu behaupten, dass ich die Antwort wüsste: Wissen wir mit Sicherheit, dass der Terrorismus nicht gezielt finanziert und unterstützt ist?

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      Liebe Sibylle, meine Lügenmärchen gibt es nur im Fünferpack. Darum geht es gerade. Sich diejenigen herauspicken, die einem gefallen, ist nicht.

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    …sie greifen uns übrigens uns nicht deshalb an, weil wir sie angreifen, sondern weil ihnen unser Leben nicht passt. Sie in Ruhe zu lassen bringt also nichts. Ich hatte mal gedacht, dass es vorteilhaft sein könnte, ihnen ihr Kalifat zu lassen – dann würden wir auf elegante Weise etliche Anhäger los, die dorthin ausreisen würden, um ihr Glück zu finden. Das ist aber falsch.

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    Zu befürchten ist doch, dass die im Rausch ihres Kalifats zur Weltrevolution blasen. Und weil sie so dumm sind, wird es viel Zeit und Menschenleben kosten, bis sie endlich kapieren, dass das Humbug ist. Aber die Beseitigung des „Kalifats“ wäre ein wichtiger Schritt innerhalb dieses „Erkenntnisprozesses“, der wohl eher ein Dämmern ist.

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    Und man sollte die Bedeutung der IS-Terroristen nicht unterschätzen. Dieses „Ärgernis“ beschädigt ständig unsere Alltagskultur – Märkte, Zentren, Fußballspiele, Theater, Musik… Wir wissen nicht, wie wir diese Veranstaltungen beschützen sollen. Sie greifen uns direkt in unserem Alltagsleben an, das ihnen nicht passt. Niemand sonst tut oder will so etwas.

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