Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:
Christian Wulff ist ein guter Kandidat. Er ist ein sehr guter. Zum Verhängnis wird ihm, dass Joachim Gauck ein besserer Kandidat ist. Das Bessere ist bekanntlich des Guten Feind, und so tut der niedersächsische Ministerpräsident gut daran, zu betonen, dass er seine Wahl nicht für ausgemachte – im wahrsten Sinne des Wortes von den Parteien ausgemachte – Sache hält, sondern um die Stimmen derer, die ihn in der Bundesversammlung wählen sollen, werben möchte.
Beispiellos ist in diesen Tagen die FDP. Spitzenpolitiker aus den Bundesländern beerdigen ihren Parteichef in Berlin und beenden die Ära Westerwelle. Sie sagen, dass Joachim Gauck der bessere Kandidat sei und ihre Stimmabgabe für Christian Wulff daher nicht sicher. Haben die Herrschaften nicht gemerkt, dass es im Moment für die FDP, für Guido Westerwelle, in Berlin um alles geht? Scheitert Wulff, scheitert die Koalition.
Wenn ein Parteivorsitzender keine Entscheidungen mehr treffen kann, muss er gehen. Das Ende von Guido Westerwelle wurde schon im Spätwinter eingeläutet, der Verlust der Regierungsbeteiligung in NRW hat es besiegelt. Die Aufstände der Landesverbände sind die Palastrevolution. Für die Drei-Prozent- und Nullthemenpartei FDP steht es Spitz auf Knopf. Indem sie an dem Kandidaten von Christlich-Liberal – nur zur Verdeutlichung: an ihrem eigenen Kandidaten – sägt, beweist sie dem Wählerpublikum, dass sie nicht regierungsfähig ist. Krasse Konsequenz: Die FDP ist so marginalisiert wie Die Linke.
Die Generalsekretärin der bayerischen FDP, Miriam Gruß, sagte: „Es darf sich nicht der Eindruck festsetzen, dass die FDP zuerst Koalitionspartner und dann erst die liberale Partei ist.“ In der Großen Koalition musste mal Rot und mal Schwarz eine Kröte schlucken. Die jeweiligen Niederlagen wurden vor den eigenen Leuten klein- oder schöngeredet. Nur: Beide Parteien waren gleich groß, operierten auf Augenhöhe. Im Ergebnis können beide auf eine passable Regierungszeit zurückblicken. Wort wurde gehalten, es gab ein Vertrauensverhältnis zwischen den Akteuren der Regierungsparteien. Man erinnere sich an Volker Kauder und Peter Struck, die beiden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag.
Die FDP ist jetzt im Bund zuallererst Koalitionspartner. Wenn morgen gewählt würde, käme sie vielleicht nicht einmal mehr in den Bundestag. Bislang hat sie – auf Deutsch gesagt – nur Scheiße gebaut. Die Christdemokraten mussten dafür zahlen. Scheitert der Kandidat von Schwarz-Gelb, scheitert auch Angela Merkel. Auch in der Union gibt es Stimmen, die sich für Joachim Gauck aussprechen.
Das Beste wäre gewesen, die Koalition hätte einen wie Joachim Gauck nominiert. Ein Kabinettsmitglied wie Wolfgang Schäuble wäre möglich gewesen, da das Amt seine letzte berufliche Station geworden wäre. Er hat den Einheitsvertrag mitgeschrieben und kann so Ost und West in seiner Person integrieren. Die Nominierung von Joachim Gauck ist das Meisterstück der Sozialdemokraten. Alle Achtung! Mit der Partei muss man wieder rechnen.
Frau Merkel schätzt Herrn Gauck; das hat sie schon zu Protokoll gegeben. Da ist sie sich mit der SPD-Führung ja seit Langem wieder einmal einig. Die Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten könnte so die nächste Große Koalition vorbereiten.
zuerst erschienen in www.theeuropean.de
Das Problem von Frau Merkel ist, dass Sie alles perfekt machen möchte, deshalb trifft Sie keine Entscheidungen oder wenn dann ist es zu spät. Sie meint es ehrlich mit ihrer politischen Aufgabe, aber das ist ihre Achillesferse: das Perfektionismus-Syndrom der ehemaligen DDR-Bürger, die nach Vollkommenheit streben und sich mit Kompromissen nicht zufrieden geben. Improvisation ist nicht ihre Stärke.
Oder wie der gute Charles de Gaulle es treffend formulierte:“Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“
Wolfgang Schäuble jetzt immer noch für das Amt vorzuschlagen ist aber nicht ihr ernst, oder?