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Die nächsten Wochen zeigen, ob zu Guttenberg „Kanzler-Material“ ist

Wann gab es schon mal eine derartige „Feuertaufe“ im Wortsinn für einen Minister? Wer den begeisterten Weltpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg aus seiner Zeit als „normaler Abgeordneter“ kennt, weiß, dass der das Verteidigungsministerium gern übernommen hat.

Dass er dabei in den ersten 100 Tagen derart unter Beschuss kommt, wird er sich wohl nicht vorgestellt haben. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, ob „KT“, wie er von seinen Freunden genannt wird, Kanzler-Material ist.

Die Frage, wer wann welche Berichte bekommen, gelesen und richtig verstanden hat, wird dabei zweifelsohne tagelang den Untersuchungsausschuss beschäftigen. Für die Öffentlichkeit wichtiger – und noch völlig offen – ist, ob die Bundeswehr in Afghanistan gezielte Tötungen ausführt oder ausführen lässt. „Abwegig“ nannte das heute Regierungssprecher Ulrich.

Der Verteidigungsminister selbst sagte, er habe die Opposition und den Verteidigungsausschuss schon vor Wochen informiert, dass nicht nur die beiden Tanklastzüge in Kundus das Ziel gewesen seien, sondern auch die Taliban dort. Das „auch“ hier ist bedeutsam. Dass zwei Tanklastzüge nicht einfach so allein rumstehen, dürfte klar sein. Wenn die beiden Lastwagen aber nur deshalb beschossen wurden, weil  seit langem gesuchte Terroristen zufällig dort waren, ist die Lage dramatisch anders.  Dann müssten wir über gezielte Tötungen debattieren.

Selbst wenn das vom Afghanistan-Mandat gedeckt wäre, würde es die deutsche Diskussion über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit noch unabsehbaren Folgen verändern.Dass es in allen Kriegen dieser Welt gezielte Tötungen gibt, dürfte Realpolitikern keine Neuigkeit sein. Das von der Regierung so sorgsam gehütete Image der Bundeswehr als „saubere“ Wiederaufbauhelfer jedoch wäre unwiederruflich dahin.

Zurücktreten muss zu Guttenberg deswegen nicht. Aber vieles erklären, das muss er schon. Vor Weihnachten – und nicht erst, wenn im neuen Jahr der Untersuchungsausschuss zusammenkommt.

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7 Gedanken zu “Die nächsten Wochen zeigen, ob zu Guttenberg „Kanzler-Material“ ist;”

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    @ Dr. Oliver Strebel

    Es ging um die Frage – in Ihren Worten, warum in diesem Zusammenhang immer wieder über gezielte Tötungen geredet werde. Der Entschluss Oberst Kleins, „INS durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten“, dürfte die gesuchte Antwort sein.

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    @EJ und vernichten: Lesen sie hierzu mal den Artikel „Wir müssen auch töten, um uns zu schützen“ in der Welt online vom 16.12.2009. Herr Kirsch vom Bundeswehrverband gibt da Auskunft.

    Vernichten ist ein militärischer Fachbegiff, wie Stören, Niederhalten, Zerschlagen. Zusammen mit einer Zielgrösse impliziert er einen Munitionseinsatz, den Oberst Klein dann den US-Bombern befohlen hat.

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    Offenkundig ist der Bundesregierung, insbesondere dem BM für Verteidigung, nichts rechtserhebliches anzuhängen. Sicher lässt sich darüber streiten, ob die Tötung von Zivilisten moralisch vertretbar ist. Aber aufgrund von welchem Kalkül? Gehts tatsächlich um die politische Macht im Bundestag oder bloß um fundamentale Opposition gegenüber der Bundesregierung? Für was soll Pazifismus noch alles herhalten? Pazifismus wird fragwürdig wenn´s dogmatisch wird. Neu wird die Erkenntnis sein, dass es beim Einsatz von Waffen nicht unbedingt bloß schon mit dem Druck auf den roten Knopf getan ist. KTG wird sich zum Beispiel für seine Entscheidungen in den letzten Wochen gegenüber den sogenannten Parteifreunden gut erklären müssen. Für die Gesamtstrategie dürfte das aus Sicht der Bundesregierung jedoch das geringste Problem sein.

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    Es ist schon die vierte Generation der Deutschen unterwegs nach dem zweiten Weltkrieg, aber in Sache Krieg und Frieden werden die Menschen noch immer schlechter als ihre Kinder behandelt. Die kleinen Kinder wissen ja (seit 60er Jahren zumindest), dass man Sex haben muss um Kinder zu bekommen. Und viele Deutsche meinen dass man im Krieg (bzw. bei den „kriegsähnlichen Umständen“) etwas erreichen kann ohne töten zu müssen. Noch schlimmer ist, dass die Politiker (die meistens klassische Zyniker sind) und leider auch einige Medien diese Naivität schamlos ausnutzen um politische Konkurrenten loszuwerden. Können Sie sich einen deutschen Politiker vorstellen der sich wagen würde öffentlich zu sagen, dass Pazifismus für Frieden und Freiheit schädlich ist? – Ich nicht mehr.

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    Dr. Oliver Strebel: Ich verstehe nicht, warum in diesem Zusammenhang immer wieder über gezielte Tötungen geredet wird.

    Von gezielten Tötungen sprach ja auch niemand, bis bekannt wurde, dass Oberst Klein es offenbar tat. Er hat gestohlene Tanklastwagen und Insurgents gleichermaßen „vernichten“ wollen.

    Oberst Klein: „Am 4. September um 1 Uhr 51 entschloss ich mich, zwei am Abend des 3. September entführte Tanklastwagen sowie an den Fahrzeugen befindliche INS [= Insurgents] durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten.“

  6. avatar

    Sie schreiben: „Wenn die beiden Lastwagen aber nur deshalb beschossen wurden, weil seit langem gesuchte Terroristen zufällig dort waren, ist die Lage dramatisch anders. Dann müssten wir über gezielte Tötungen debattieren.“

    Ist es nicht einfach so, daß die zwei Tanklastwagen eine potentielle Massenmordgefahr für Afghanen darstellten. 4 berüchtigte und hochrangige Anführer von Mordbanden bei den Tanklastwagen steigerten diese Gefahr immens.

    Ich verstehe nicht, warum in diesem Zusammenhang immer wieder über gezielte Tötungen geredet wird.

  7. avatar

    Aber zu Guttenberg ist doch nur ein Randproblem, Frau Heckel.

    Entweder er hilft mit zu verdecken, was da in der Truppe und/oder im Verteidigungsministerium und/oder im Bundeskanzleramt und/oder im Parlament läuft oder er hilft mit, es aufzudecken. Tertium non datur. Und das wird über seine weitere Karriere entscheiden. (Und es ist noch keinesfalls ausgemacht, welches Verhalten ihn auf der Karriereleiter höher steigen lassen wird.)

    Das eigentliche Problem jedoch ist: Was läuft da? Geht es schlicht um Dummheit (und um deren Vertuschung)? Fehlen Sicherheitsstrukturen, die menschliches Versagen, Fehlentscheidungen, Insubordination Einzelner abfangen bzw. neutralisieren können? Und/oder spielt die Bundeswehr Staat im Staate? Und/oder spielt das Verteidigungsministerium Staat im Staate? Und/oder führt das Bundeskanzleramt Parlament und Öffentlichkeit hinters Licht? Und/oder – kaum auszudenken! – ist das Parlament (über den alten Verteidigungsausschuss) daran beteiligt? Diese Fragen haben eine ganz andere Qualität und sind ungleich dringlicher zu klären als die Personalie zu Guttenberg (von der noch nicht mal wirklich geklärt ist, ob sie nicht eher in die bunten als in die seriösen politischen Blätter gehört).

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