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„Nieder mit dem Frühstücksbüfett!“

Während hier über Petitessen wie Kunduz oder die Klimapolitik gestritten wird, findet sich niemand, der den Skandal geißelt, der sich Hotelfrühstück nennt.

Dabei geht es mir nicht um die Frage, ob man darauf sieben oder neunzehn Prozent Mehrwertsteuer zahlen muss. Das ist eine Sache zwischen dem Hotelbesitzer und meinem Arbeitgeber. Mir geht es ums Prinzip.

Früher – und noch heute in manchen altmodischen Pensionen – war alles klar. Man wachte auf, ging in den Frühstücksraum und aß, was auf den Tisch kam: Brötchen, Wurst, Käse, Marmelade, wenn man Glück hatte ein Ei, dazu Filterkaffee. Dann jedoch machte sich das Frühstücksbüfett breit – im wahrsten Sinne des Wortes. Es begann harmlos, mit einer Wurst- und Käseplatte, wurde jedoch immer üppiger und ausladender, und inzwischen muss man in vielen Hotels extra für das Frühstück bezahlen, auch wenn man eigentlich nur wie bisher einen Kaffee haben will und dazu ein Brötchen gegen das flaue Gefühl am Morgen. Natürlich ist das Zimmer ohne Frühstück nicht billiger als früher mit.

Dabei ist das Frühstücksbüfett eine Einrichtung, die selbst eingefleischte Fortschrittsfreunde wie mich auf den Gedanken bringen kann, dass nicht alles schlecht war an der Vergangenheit. Es bringt Unruhe in eine Verrichtung, die vornehmlich der Ruhe bedarf: das Essen. Erst muss man einen Platz suchen; dann überlegen, wie man ihn sichern kann, während man einen Orangensaft holt; dann sich vor der Kaffeemaschine anstellen, wo es Milchkaffee, Latte Macchiato und Cappucion gibt, was alles die gleiche Plärre ist, aber keinen normalen Filterkaffee. Dann sich überlegen, ob man den Kaffee zum Platz zurückbringt, wo er erkalten wird, während man sich beim Rührei anstellt, oder ob man ihn mitnimmt, was in der Regel zur Folge hat, dass man ihn aus Versehen über den Toast kippt.

Und das ist nur der Anfang. Immer wieder muss man aufstehen, um etwas Neues zu holen, oder weil man etwas vergessen hat. Und wenn man zurückkehrt, hat die Bedienung den Platz abgeräumt, also muss man wieder los. Und wenn man fertig ist, entdeckt man irgendwo das Gericht, das man eigentlich haben wollte, aber nicht gefunden hat im nervösen Gewühl.

Gespräche führen ist unter solchen Bedingungen ohnehin völlig ausgeschlossen. Ein typischer Dialog geht dann etwa so:

Du: „Was halten Sie von Hegels Vorstellung, der Staat sei die Wirklichkeit der sittlichen Idee? Absurd, nicht?“
Dein Gegenüber: „Ähm… also“ (wirkt abgelenkt.) „Wo, sagten Sie, ist der Räucherlachs?“ (Steht auf und geht los. Einige Minuten später kehrt er mit Räucherlachs, Nünberger Rostbratwürsten und einem Muffin zurück) „Also, im Kern finden Sie Hegels Idee in anderer Form bei den Neocons wieder. So absurd finde ich das nicht.“

Du: Häh?
Dein Gegenüber: „Hegel. Sie wissen schon.“
Du: „Ja, klar. Sag ich doch. Ich glaube, ich brauche noch etwas Kaffee“ Und so weiter.

Allein schon unter Gesundheitsgesichtspunkten gehören Büfetts grundsätzlich abgeschafft. Schon die Vorstellung, wer alles im Brotkorb gewühlt, auf die Wurst geatmet, auf den Käse gehustet, auf die Butter geniest hat, verdirbt einem den Appetit. Hat der Typ, der gerade vom Klo kommt und jetzt an der Kaffeemaschine hantiert, die Hände gewaschen? Und die Frau, die jetzt den Quark inspiziert – sieht verdammt danach aus, als hätte sie die Schweinegrippe.

Wahrscheinlich sind die durch Frühstücksbüfetts verursachte nervöse Leiden inklusive Depressionen ein wichtiger Belastungsfaktor unseres Gesundheitssystems. Die Hölle, das wusste Jean-Paul Sarte, das sind die Anderen. Das Frühstücksbüfett ist eine Mahlzeit in der Hölle. Und dafür muss man auch noch zahlen.

Dabei könnte alles so einfach sein. Man bekommt eine Speisekarte, bestellt sein Frühstück in Ruhe und kriegt es anschließend serviert, während man die Zeitung liest oder angenehm über Kunduz und das Klima parliert. Meinetwegen kostenpflichtig und zum erhöhten Mehrwertsteuersatz. Hauptsache, die Barbarei des „reichhaltigen Frühstücksbüfetts“ wird abgeschafft. Und zwar so schnell wie möglich.

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5 Gedanken zu “„Nieder mit dem Frühstücksbüfett!“;”

  1. avatar

    „Das ist eine Sache zwischen dem Hotelbesitzer und meinem Arbeitgeber.“

    Grins. Mittlerweile haben Sie sicher herausgefunden, dass Sie danebenlagen, und Sie in Zukunft Ihr Frühstück im Hotel selbst bezahlen müssen …

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    @ AP: Tja, das Wasser der Moderne predigen und den Wein der Tradition trinken wollen… Zu ganz frühen Uhrzeiten könnte der Mann von (/der) Welt den Taxifahrer einen kleinen Umweg zu den Markthallen machen lassen und sein Frühstück unter Marktbeschickern, den Schönen der Nacht und ihren (Boni beziehenden) Managern einnehmen. Wer dafür zu feige ist, einerseits, und, andererseits, keine „elektrischen Geräte“ (samt eingeschweißter Croissant-Notration) mit sich führen will, der hat’s schwer, in der Tat. Der muss mindestens vorübergehend den Kaffee- und Croissant-Zölibat leben.

    Was Thomas Mann betrifft – dem Mann der „Betrachtungen“ lag nichts ferner als Zivilisation (die war allenfalls für seinen Bruder). Thomas Mann hatte Kultur. Und damit Möglichkeiten, die sich unsereinem verschließen. Der ließ seine Katia das Frühstücks-Séparée vereinbaren und Bedienstete organisieren und, wenn’s nicht anders ging, alles Nötige und Gewünschte auch höchst eigenhändig von seiner Angetrauten holen und bringen. (Letzteres kam wohl allzu häufig vor. Vielleicht träumte er deshalb von Kellnern. Und schrieb – dass es die Nachwelt wisse – in sein Tagebuch, dass es ihn bei gewissen Gelegenheiten vor seiner Katja ekle. Wie gesagt: Der Mann hatte – deutsche – Kultur. Nix – welsche – Zivilisation und so. )

    Um es aber ohne weitere Umschweife zivilisiert auf den Punkt zu bringen: Was hatten Sie denn für einen interessanten Außentermin, der es Ihnen wert sein ließ, die mitleiderregenden Strapazen der geschilderten Unkultur auf sich zu nehmen?

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    @ EJ: Aber stehen Sie mal zu früh auf (zum Beispiel, weil sie einen Flug haben). Dann kriegen Sie gar nichts. Es kann doch nicht sein, dass sich zum Horror des Hotelfrühstücks auch noch der Zwang gesellst, eben jenes Zeitfenster zwischen völliger Ödnis und dem Überfall belgischer Bustouristen zu erwischen, in dem allein ein zivilisiertes Fastenbrechen möglich ist. Und ich werde den Deibel tun, auch noch elektrische Geräte mit mir herumzuführen. Sie zitieren Thomas Mann: Können Sie sich vorstellen, was DER zu diesen Zuständen sagen würde? Ich mir schon. Dabei hat sein Stammhotel in Berlin, das Savoy, längst auch ein Büfett. O tempora! O mores!

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    Ausgeschlafene Jungs kennen Ihr Problem eher nicht, Herr Posener.

    Ich teile mir das Frühstücksbüfett mit zwei, drei anderen Frühaufstehern, die sich möglichst weit voneinander entfernt über den Raum verteilen, und habe, Blätterteig kauend und Kaffee schlürfend, meine Zeitung gerade in aller Ruhe fertig gelesen, wenn die ersten Damen mit den verspachtelten Gesichtsporen eintreffen.

    Das Plärre/Plörre-Problem (das ich bei einem Halb-Angelsachsen nicht erwartet hätte und das sich, insofern es mit deutschem Filterkaffee „gelöst“ werden kann, auch eher als ein Nicht-Problem erweist) hat mir allerdings ebenfalls lange zu schaffen gemacht. Im, wie Thomas Mann in seinen „Berachtungen eines Unpolitischen“ es sah, zivilisierten Ausland kann man es mit einem frühmorgendlichen Barbesuch umgehen. Aber zivilisiertes Ausland ist rar. Seit einigen Jahren führe ich deshalb eine elektrische Bialetti in meiner Reise-Grundausstattung mit mir. Und alle Hotelfrühstücks-Probleme haben sich damit zivilisiert für mich erledigt.

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