avatar

Antisemitismus ohne Antisemiten

In Deutschland ist der Antisemitismus tabuisiert. Gut so. Das ist ein historischer Fortschritt. Verschwunden ist er deshalb natürlich nicht. Womit wir es immer wieder zu tun haben ist ein Antisemitismus ohne Antisemiten.

Beispiel Nummer eins: Nach dem Verbrennen israelischer Fahnen bei der Al-Quds-Demo in Berlin vor zwei Jahren konnte man im „Spiegel“ Folgendes lesen: „Manchmal lässt sich die Wahrheit kurz zusammenfassen: ‚Friedens-Demos, auf denen Hass gegen Juden gepredigt wird, sind Kriegsdemos.‘ (…)  Ganz gleich ob es sich um muslimische Einwanderer oder um einheimische Judenfeinde handelt: Im Antisemitismus fließen Menschenhass, Rassismus, Esoterik und Verschwörungstheorien zusammen. (…) Weder die ‚Aufarbeitung‘ der Nazi-Vergangenheit im Westen noch die Tradition des ‚Antifaschismus‘ im Osten haben Deutschland immun gemacht gegen den Antisemitismus. Es gibt ihn. Wir müssen ihn bekämpfen.“

Das Beispiel Jakob Augstein

Richtig. Wer schrieb diese Zeilen? Es war Jakob Augstein, Mitbesitzer und Kolumnist des „Spiegel“, Verleger und Chefredakteur des „Freitag“ und nach Meinung meines Freundes und Kollegen Henryk M. Broder ein „lupenreiner Antisemit, eine antisemitische Dreckschleuder“. Henryk sagte das im Zusammenhang mit Äußerungen Augsteins, die darauf hinausliefen, die Juden würden die US-Außenpolitik kontrollieren, und die ihm einen Platz auf den „Top Ten Anti-Semitic and Anti-Israel Slurs 2012“ des Simon-Wiesenthal-Zentrums einbrachten.

Hören wir uns einige andere Wortmeldungen Augsteins an: Am 6. April 2012 schrieb Augstein über das antiisraelische Prosa-Gedicht von Günter Grass ‚Was gesagt werden muss‘: „Es ist dieser eine Satz, hinter den wir künftig nicht mehr zurückkommen: ,Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden.‘ Dieser Satz hat einen Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt, ein Schriftsteller, ein Nobelpreisträger, weil Günter Grass ihn sagt. Darin liegt ein Einschnitt. Dafür muss man Grass danken. Der hat es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen.“

Die schwülstige Prosa ist bezeichnend. Sie muss so sein, um über den offenkundigen Unsinn hinwegzutäuschen, der da verbreitet wird: Nicht China oder Russland, Nordkorea oder der Iran, meinethalben die lose Kanone Donald Trump – nein, sechs Millionen Juden in einem der kleinsten Länder der Welt „gefährden den Weltfrieden“. Irre.

In einer weiteren Augstein-Kolumne heißt es im Zusammenhang mit der deutschen U-Boot-Lieferung, die Grass in Rage versetzt hatte: „Israel bekommt, was es will. (…) Wenn es um Israel geht, gilt keine Regel mehr: Politik, Recht, Ökonomie—wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen.“

Wie soll das gehen? Wie kontrolliert „Jerusalem“ die deutsche Politik und sorgt dafür, dass sie das Recht bricht? Vermutlich durch moralische Erpressung; eine alte Trope des so genannten „sekundären Antisemitismus“.

Und im „Spiegel“-Gespräch zwischen Augstein und dem damaligen Zentralratsvorsitzenden Dieter Graumann gab es folgenden Wortwechsel:  

Spiegel: Herr Augstein, sind Sie gelegentlich in Israel?
Augstein: Beruflich hat es sich nie ergeben, und privat möchte ich nicht.
Graumann: Warum?
Augstein: Ich wäre in den Zeiten der Apartheid auch nicht nach Südafrika gefahren.

Wir haben gerade erlebt, wie bei den Wahlen zur Knesset die arabischen Parteien, die etwa 20 Prozent der Bevölkerung vertreten, zu einer entscheidenden politischen Kraft avancierten. Die Situation in Israel, wo die arabischen Bürger die gleichen Rechte genießen wie die jüdischen, und viel mehr Rechte als Araber in den arabischen Nachbarländern, mit der Apartheid in Südafrika zu vergleichen, ist schlicht unsinnig. Die Dämonisierung Israels ist laut der Arbeitsdefinition, die auch die Europäische Union übernommen hat, eine moderne Form des Antisemitismus.

Und dennoch: Augstein hält sich für einen Anti-Antisemiten. Neulich kritisierte er auf Twitter Außenminister Heiko Maas, weil der zum Jahrestag des Zweiten Weltkriegs schrieb, die Deutschen hätten „aus Frust“ Hitler gewählt:  Augstein dazu: „‘Frust‘. Nicht Antisemitismus, Militarismus, Faschismus, Revanchismus – sondern ‚Frust‘. Diese Leuchte ist unser Außenminister.“ Die Kritik ist richtig. Und zugleich äußert sich Augstein immer wieder auf eine Art und Weise, die in der Tat, da hat Henryk Broder Recht, lupenreiner Antisemitismus ist.

Augstein ist das herausragende Beispiel eines Antisemitismus ohne Antisemiten; denn er glaubt selbst aufrichtig, kein Antisemit zu sein.

Aber Augstein ist nur die Spitze des deutschen Eisbergs.

Der Wilhelm-Heyne-Verlag

Noch ein Beispiel. Der Wilhelm-Heyne-Verlag ist ein anständiges Haus, Teil des internationalen Verlags-Molochs Random House, der wiederum von Bertelsmann kontrolliert wird. Heyne hat eine klare Haltung zum Antisemitismus. Der Verlag biete „ein Forum für viele unterschiedliche, auch streitbare Meinungen und Positionen“, schrieb mir die Pressereferentin, jedoch: „Antisemitismus ist keine Meinung und hat bei Heyne keinen Platz.“ Richtig: Antisemitismus ist keine Meinung. Falsch: Bei Heyne hat er zuweilen doch Platz. So publizierte der Verlag dieses Jahr das Buch des spanischen Ex-Soldaten und Hochstaplers Pedro Baños, „So beherrscht man die Welt“. In diesem Machwerk kann man lesen, dass alle Kriege und Revolutionen des 20. Jahrhunderts letztendlich von Juden angezettelt wurden: von den Rothschilds, von George Soros oder anderen Finanziers. Auch Hitler war, Baños zufolge, letztendlich ein Opfer der Machenschaften dieser Plutokraten. 

Die Frage ist ja nicht, ob Baños solchen Unsinn verbreiten darf. Natürlich darf er das. Die Frage ist, warum es niemandem bei Heyne auffiel, dass hier eine verschwurbelte Neuauflage der „Protokolle der Weisen von Zion“ vorlag. Übrigens fiel es auch den deutschen Rezensenten nicht auf, darunter der verdienstvolle Historiker Herfried Münkler.

Nachdem ich vor einigen Wochen in der WELT das Buch kritisiert hatte, zog der Verlag das Werk stillschweigend aus dem Verkehr. Wenn Sie heute auf der Webseite von Random House den Titel eingeben, bekommen Sie die Meldung: „Der von Ihnen gesuchte Inhalt ist derzeit leider nicht im Katalog enthalten.“

Derzeit? Leider? Nun ja. Dafür konnte man den Titel kurzfristig woanders bekommen.  Der Antaios-Verlag des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek schrieb: „Was @APosener in der Welt zur Weißglut treibt, kann nie uninteressant sein. Dennoch war sein Empörungseifer so folgenschwer, dass der deutsche Verlag des spanischen Autors Pedro Baños das Buch aus dem Sortiment strich. Wir haben die letzten 100 Exemplare!“ Die waren binnen weniger Minuten vergriffen. So viel zur Behauptung der Neuen Rechten, sie seien nicht antisemitisch.

Gut, von Leuten wie Alexander Gauland, der vor Jahren Israel als amerikanisch gesteuerten „Fremdkörper“ im Nahen Osten bezeichnete, die zwölf Nazi-Jahre als Vogelschiss in der deutschen Geschichte abtut, mithin die tiefen Wurzeln des Nationalsozialismus schlicht nicht sehen will, der den Deutschen rät, stolz auf  die Leistungen ihrer Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg zu sein, und der über den inzwischen bei der AfD gelandeten Martin Hohmann, Erfinder des „jüdischen Tätervolks“, schrieb, „man muss auch begründen, warum in Deutschland einer wie Hohmann keine zweite Chance bekommt, während Michel Friedman die seine bereits nutzt“ – von solchen Leuten sollte man nichts erwarten, und mich wundert nur, wie manche Juden in Deutschland den pro-israelischen Äußerungen eines Teils der Partei Glauben schenken bzw. glauben, sie könnten mit der AfD gemeinsame Sache gegen den linken und muslimischen Antisemitismus machen. Aber das nur nebenbei.

Das Jüdische Museum Berlin usw.

Ich rede auch nur nebenbei über den christlichen Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, der den iranischen Kulturattaché einlädt und nicht einmal widerspricht, wenn dieser meint, der Zionismus habe ungefähr so viel mit dem Judentum zu tun wie der IS mit dem Islam; der in seinem Haus eine Jerusalem-Ausstellung macht, in der Israels Anspruch auf seine Hauptstadt ebenso wenig vorkommt wie die Tatsache, dass der Großmufti Amin Al-Husseini mit Hitler paktierte und den Holocaust in Palästina organisieren wollte; der eine so genannte Akademie für jüdisch-muslimischen Dialog betreibt, in der zwar viele Muslime Israel kritisieren dürfen, in der aber der muslimische Antisemitismus geleugnet wird, dessen Presseabteilung einen Tweet absetzt, in dem eine Kritik der Anti-BDS-Resolution des Bundestags als „Pflichtlektüre“ empfohlen wird. Und der dennoch überzeugt ist, kein Antisemit zu sein. Wie die ehemalige Präsidentin der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim, die jahrelang eine Dozentin beschäftigt, die angehende Sozialarbeiter mit Fake News antizionistisch indoktriniert, etwa mit der Behauptung, israelische Soldaten würden Araber töten und ihnen die Organe entnehmen, aber mir gegenüber sagt, sie könne keine Antisemitin sein, schließlich habe sie ihren Kindern jüdische Namen gegeben.

Es ist Zeit, von den Beispielen zur Erklärung überzugehen. Wie kommt es, dass Leute, die aufrichtig glauben, keine Antisemiten zu sein, sich als – ich zitiere Broder – „Dreckschleuder“ betätigen?

Denn ich wiederhole es: Man kann natürlich glauben, dass diese Leute sich nur verstellen; dass sie beim Blick in den Spiegel sehr wohl den Antisemiten erkennen und ihm zulächeln: Und wieder haben wir sie alle hereingelegt! Ich aber glaube, sie sind wirklich keine Antisemiten und verbreiten gerade deshalb so effektiv das Gift des Antisemitismus, weil sie ein schrecklich gutes Gewissen haben.

Der Antisemitismus als Mem

Eine Erklärung für dieses Paradoxon bietet ein Phänomen, das der Biologe Richard Dawkins 1982 beschrieben hat. Einfache Parasiten oder auch Viren können das Verhalten höherer Tiere steuern, so dass dieses Verhalten eher als Verhalten des Parasiten verstanden werden muss. Das bekannteste Beispiel ist Dicrocoelium dentriticum, ein Mikroparasit, dessen Eier im Darm einer Kuh reifen und dann ausgeschieden werden. Gelangen die erwachsenen Parasiten in den Verdauungstrakt einer Ameise, legt die Ameisen ein geradezu suizidales Verhalten an den Tag: Sie klettert auf die Spitze eines Grashalms und hängt dort, als wartete sie darauf, von einer Kuh gefressen zu werden. Was oft genug geschieht: nicht im Interesse der Ameise, sondern von Dicrocoelium dentriticum, das zum Eierlegen zurück in den Darm einer Kuh gelangen muss.

Dawkins und andere haben Religionen und andere Ideologien, die Menschen oft zu irrationalen, ja suizidalen Verhaltensweisen treiben, mit solchen Parasiten verglichen; ein Mensch, der von diesen Parasiten – Dawkins nennt sie Meme, weil sie in Ergänzung der Gene unser Verhalten steuern – ein also von bestimmten Memen infizierter Mensch ist nicht mehr Herr seiner selbst; was er tut, nützt dem egoistischen Mem, nicht ihm selbst als Individuum. Religionen brauchen Märtyrer; ob der Tod dem Märtyrer selbst nutzt, darf man bezweifeln.

Auch den Antisemitismus kann man als Mem oder Bündel von Memen betrachten. Wie die Gene eines Virus oder Parasiten sich entwickeln, um die Abwehrkräfte des Wirtstiers zu überlisten, so entwickeln sich die Meme und immunisieren sich so gegen Kritik. Als sich der christliche Antijudaismus mit der Herausforderung des wissenschaftlichen Zeitalters konfrontiert sieht, verwandelt er sich in den vermeintlich wissenschaftlichen Rassenantisemitismus; als dieser Antisemitismus mit dem Niedergang des Dritten Reichs diskreditiert wird, entsteht er neu als Antizionismus – nicht zufällig im Darm, metaphorisch gesprochen, jener Generation, die in der Studentenbewegung allen Ernstes und guten Glaubens meinte, mit dem Nazismus ihrer Eltern endgültig Schluss zu machen.

Übrigens wird die sich inzwischen langsam durchsetzende Erkenntnis, dass Israel nicht das Hauptproblem im Nahen Osten darstellt, nicht das Ende des Mems Antisemitismus bedeuten. Er wird sich wieder wandeln, ja er ist schon dabei, sich zu wandeln, indem etwa der europäische Rechtspopulismus als eine Erfindung Binyamin Netanyahus dargestellt wird, während George Soros für den linken Populismus verantwortlich gemacht wird. Dies ist übrigens besonders perfide, da es viele jüdische Soros-hasser und viele jüdische Netanyahu-Hasser gibt, so dass sich das Mem noch besser immunisieren kann:  „Ich habe viele israelische Freunde, und die sagen auch, dass …“

Nicht die Menschen bekämpfen, sondern die Krankheit

Natürlich ist der Vorgang komplexer, und es kommt hinzu, dass die Entwicklung neuer Mem-Formen nie bedeutet, dass die alten Formen verschwinden; aber worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Es kann jemand relativ immun sein gegen bestimmte Äußerungen und Formen des Parasiten oder Virus Antisemitismus und doch anderen Formen erliegen. Die Frage also, ob jemand Antisemit sei oder nicht, ist so unergiebig wie die Frage, ob die Ameise an der Blattspitze als dumme Ameise oder – wie Dawkins vorschlägt – als verlängerter Arm eines cleveren Parasiten betrachtet wird. Konkret: Ob Jakob Augstein ein lupenreiner Antisemit ist, mag sein oder nicht sein. Dass er lupenrein antisemitische Äußerungen absondert, ist feststellbar. Peter Schäfer mag selbst glauben, dass er das Opfer einer Verschwörung von Netanyahu-Anhängern sei, die ihn, den wohlmeinenden und international anerkannten Talmud-Gelehrten, aus dem Jüdischen Museum gejagt haben; in Wirklichkeit aber ist er, der das Judentum aufrichtig bewundert und liebt, von einer Form des Antisemitismus-Mems befallen, gegen die er keine Abwehrkräfte besaß.

Jeder, der gegen den Antisemitismus kämpft, kennt das Gefühl der Hilflosigkeit: Kaum hat man an einer Stelle einen Erfolg errungen, einen Kopf der Schlange abgeschlagen, erhebt er an anderer Stelle das Haupt, wie eine Hydra. Man muss das eben epidemiologisch betrachten. Stets muss man die Impfstoffe weiterentwickeln, und wenn sich Impfmüdigkeit oder gar Impfwiderstand entwickelt, kann sich die Epidemie wieder ausbreiten. Man wird auch müde, immer wieder „Antisemitismus!“ zu schreien, hat Angst, eindimensional und paranoid zu wirken, nein zu werden. Aber man bekämpft nicht Menschen, wie jene Rechtspopulisten, die den Hinweis auf den unter Muslimen verbreiteten Antisemitismus nur instrumentalisieren, um Migranten aus dem Land zu jagen, sondern einen perfiden Parasiten. Man leistet Immunisierungsarbeit.

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

43 Gedanken zu “Antisemitismus ohne Antisemiten;”

  1. avatar

    Was wollen Sie eigentlich mit diesem Vergleich provozieren?
    Oder wollen Sie beweisen, dass Sie mit Sarrazin auf Augenhöhe diskutieren können?

  2. avatar

    Ja, darüber sind wir uns einig und natürlich ist in den USA nicht alles bestens, auch vor Trump nicht und nach ihm wird es das auch nicht sein. Aber es wäre eben der beste Ansatz. Für den modernen Nationalstaat. Und das gehört natürlich zum Ihrem Text über ‚Verfassungspatriotismus‘.

  3. avatar

    Zu 1.) Vielleicht habe ich etwas in den Links zu Dawkins übersehen. Mir ging es jedenfalls nicht um seine Ansichten zu Gott, sondern um seine Äußerung, wie „überaus erfolgreich“ doch die „jüdische Lobby“ sei. („When you think about how fantastically successful the Jewish lobby has been …“ siehe Wikipedia Link)

    Zu 2.) Eine empirische Fundierung wäre, wenn man durch die Untersuchung bspw. menschlicher Kommunikation immer wieder eine Wesenseigenschaft herauspräparieren könnte, die von keinem Wort oder keiner Methode besser beschrieben wird, als dem(der) des Mem(s). Oder aber man könnte herausarbeiten, dass sich Kommunikationsinhalte immer wieder als Ergebnis der Wechselwirkung verschiedener, der Kommunikation zugrundeliegender Meme reproduzieren lassen. Eine theoretische Fundierung wäre beispielsweise, wenn die Memhypothese zwei oder mehr bereits bestätigte Theorien vereinigen könnte, sodass sie vllt. den Fußpunkt der beiden (oder mehreren) Theorien bildet.
    Aber die Memtheorie ist nunmal weit entfernt von irgendetwas. Die Idee ist ja verlockend, der Physik ähnlich, nach den mutmaßlichen Fundamentalbausteinen der Dinge zu suchen. Wenn dabei aber wenig mehr herauskommt als eine sehr schwammige Definition des Begriffs, keine wie auch immer geartete Prognosekraft und fast keine Kraft, reale Phänomene durch Abstraktion zu erklären, dann nenne ich das – mit Verlaub – Laberwissenschaft. Ich räume ein, dass ich in diesen Dingen etwas harsch bin.

    Zu 3.) Ich kann ihnen in diesem Punkt nicht widersprechen, denn es macht alles Sinn, was Sie hier schreiben. Weiterhin sehe ich es auch nicht so, dass der Begriff „Antisemitismus“ bereits im Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ enthalten ist. Dennoch möchte ich anmerken: Es ist bei der Fremdenfeindlichkeit nicht von Belang, ob Sie jemanden deshalb verachten oder „weghaben wollen“, weil er ihnen nach ihrer Vorstellung unterlegen oder überlegen ist – es ist von Belang, dass Sie ihn aufgrund seiner „Andersartigkeit“ (was auch immer das konkret bedeuten mag) mit stark negativen Attributen bedenken und folglich verachten oder bekämpfen. Ich wollte mit meiner Anmerkung, der Antisemitismus unterscheide sich nicht wesentlich von der Fremdenfeindlichkeit, darauf abzielen, dass beide Phänomene auf soziologisch sehr ähnliche Phänomene zurückgehen.

    Vielen Dank im Übrigen für ihre Antwort. Ich bin ja nur auf starke-Meinungen aufmerksam geworden, weil ich ihre Einschätzungen und Artikel sehr schätze.

    1. avatar

      Lieber Thomas Reichert, erstens danke für die sachliche Antwort. Um mit dem Letzten zu beginnen: Gewiss haben Judenhass und Fremdenhass (die Juden sind ja meistens nicht „Fremde“) ähnliche psychosoziale Ursachen. Deshalb schreibe ich immer wieder, dass sich die Juden in Deutschland nicht freuen sollten über eine wachsende Skepsis gegenüber Muslimen freuen sollten, auch wenn ein Resultat davon eine größere Sympathie für Israel in unerwarteten Kreisen sein mag. Front National, Vlaams Belang und FPÖ, waren bis vor Kurzem antisemitisch, sie sind nun antiislamisch, aber man sieht schon an der Gestalt des George Soros, wie sich der Antisemitismus sozusagen in den antiislamischen Diskurs wieder einschleicht.
      Soros ist auch deshalb interessant, weil er eine überlegen Gestalt ist; jemand, der aufgrund seiner Intelligenz, seines Geldes, seiner Beziehungen usw. die Welt lenken kann. Die Muslime sind hingegen wie die europäischen Völker nur Objekte seiner Manipulationen. In Soros zeigt sich die Weiterentwicklung des Mems „Gottesmörder“, „Teufelsdiener“, ja „Teufel“ selbst, das die abendländisch-christliche Kultur den Juden angehängt hat. Die Juden niederzuhalten war ein Gebot Gottes, wie das auch Adolf Hitler in „Mein Kampf“ formuliert. Die Entwicklung und Wandlung dieses Mems zu verfolgen, ist hoch aufschlussreich; ich bestehe aber nicht darauf, von einem Mem zu reden, wir können auch „Idee“ sagen. Nur finde ich, dass das Wort „Mem“ in Anlehnung an das „egoistische Gen“ die Tatsache besser fasst, dass unser kulturelles Umfeld – Popper sprach von der „Dritten Welt“ neben der natürlichen Umwelt und unserem individuellen Bewusstsein – unabhängig von uns existiert. Wie bei Freud mag vieles unterhalb dessen liegen, was als streng wissenschaftlich gelten kann; fruchtbar finde ich das dennoch.

      1. avatar

        Ich bin in religiösen Dingen wirklich nicht bewandert. Aber es ist ja bekannt und oft benutzt, dass man auf bekannte Muster Bezug nimmt und sie modifiziert und in Narrative einpasst. Und ich erfahre immer wieder leidvoll, wie sehr sich Menschen von Anekdoten führen lassen, gerade so, als seien Sie nicht fähig, mal etwas ernsthaft durchzudenken. Auch deutliche Hinweise darauf, dass das alles ja aus dieser oder jener Perspektive ganz anders aussehen mag oder gar darauf, dass es ziemlich unlogisch ist, was die entsprechende Anekdote offenbart, helfen oftmals nicht (ganz im Gegenteil). Also frage ich mich eher, aus welchen Gründen es mit den entsprechenden Idiomen und dem richtigen Sound so einfach gelingt, aus vielen Menschen auch die abgedroschensten Vorurteile zu Tage zu befördern. In Sachen Antisemitismus fällt mir allerdings nicht mehr ein, dass Juden wohl weitläufig als etwas „konstant Anderes“ gesehen werden, was zum einen heißen soll, dass dieses konstant Andere geistesgeschichtlich seit langer Zeit stark verankert zu sein scheint und zum anderen, dass es schlechthin an Normalität oder Normalisierung im Umgang und Zusammenleben mit Juden fehlt.

      2. avatar

        „Aber es ist ja bekannt und oft benutzt, dass man auf bekannte Muster Bezug nimmt und sie modifiziert und in Narrative einpasst.“ Richtig, Thomas Reichert. Die Mem-Theorie, oder nennen wir sie lieber die Mem-Erzählung, transferiert nur das Subjekt, das Sie recht unpersönlich mit „man“ angeben; in der Memtheorie ist es das Mem, das sich modifiziert und anpasst. Natürlich müssen das Menschen tun, so wie Lebewesen nötig sind, um das Gen – auch ein modifiziertes Gen – weiterzugeben. Aber so wie man die Evolution als Geschichte des „egoistischen Gens“ erzählen kann, kann man die Geistesgeschichte – und zumal die Geschichte des Antisemitismus – als Geschichte des egoistischen Mems erzählen.

      3. avatar

        Ich kann mit „Theorien“ nichts anfangen, die nur sich selbst zu erklären versuchen – da beißt die Maus keinen Faden ab. Mir reicht es einfach nicht, etwas bekanntes in immer neuen Analogien zu betrachten und sich möglichst fernzuhalten von argumentativer Strenge und Gegenbeispielen. Ich kann aber zugestehen, dass man um des Denkanstoß willen einen Perspektivwechsel oder das Imaginieren einer Geschichte um den Sachverhalt herum begrüßen mag.

  4. avatar

    Lieber Herr Posener,

    möglicherweise gehört Richard Dawkins selbst in die Reihe der nicht-antisemitischen Antisemitismusschleudern (siehe https://bit.ly/2IHc7iP und https://bit.ly/2B14kYV). Darüberhinaus ist die Theorie der Meme selbst Mist – reine Laberwissenschaft ohne irgendeine empirische oder sozialtheoretische Fundierung.

    Meiner Ansicht nach unterscheidet sich Antisemitismus nicht wesentlich von Fremdenangst/Fremdenfeindlichkeit, denn hauptsächlich steht doch hier die Ausgrenzung/Verachtung aufgrund von stereotyp zugeschriebenen negativen Eigenschaften im Vordergrund. Auch zugewanderte Menschen werden je nach Umfeld von manchen Einheimischen noch nach Generationen als konstant andersartig betrachtet bzw. missachtet und zwar selbst dann noch, wenn sie dem Aussehen, der Sprache, dem Habitus, dem sozioökonomischen Status (etc.) nach kaum mehr vom Rest der Gesellschaft zu unterscheiden sind. Der Vergleich mit einer Krankheit ist ja meinetwegen ok, aber naja. Fremdenfeindlichkeit ist ein fester Bestandteil der Menschheitsgeschichte und was nun der Grund dafür sein mag, dass aus einer harmlosen kritischen Aufmerksamheit gegenüber Fremden ein bis zum Vernichtungswille ausufernder Hass werden kann, ist überaus fraglich. Es ist wohl ein emergentes Phänomen.

    1. avatar

      Lieber Herr (?) Reichert,
      1. Dawkins‘ Äußerungen zum Gott des Alten Testaments sind grenzwertig, aber im Großen und Ganzen m. E. richtig.
      2. Die Theorie – nein, besser: Hypothese – der Meme als „Laberwissenschaft“ abzutun, ist ebenfalls grenzwertig, wenn Sie nicht sagen, wie eine „empirische oder sozialtheoretische Fundierung“ aussehen sollte. Manchmal sind Hypothesen auch dann hilfreich, wenn sie nicht fundiert werden können, ich erinnere an Freuds Theorien, die in den seltensten Fällen genauer Prüfung standhalten und doch insgesamt unser Verständnis der Zusammenhänge von Sexualität, Familie, Neurose, Gesellschaft erweitert haben. Weites Feld.
      3. Judenhass ist eben nicht einfach eine Variante der Fremdenfeindlichkeit, die eine menschliche Konstante ist. DAS ist empirisch fundiert. Beispiel Nummer eins: Juden wurden von den Nazis nicht angegriffen, weil sie sich zu wenig assimiliert hätten, sondern weil sie sich so sehr assimiliert hätten, dass sie als Juden nicht erkennbar seien. Ein zweites Beispiel: Als die Juden den Antisemiten den Gefallen taten, auswanderten und einen eigenen Staat gründeten, wurde dieser Staat umgehend – obwohl er der einzige demokratische Staat in der Region ist – zum Pariah-Staat der internationalen Gemeinschaft. Alle anderen Rassismen gehen davon aus, dass die verabscheute Gruppe irgendwie minderwertig sei, siehe Sarrazins Klage über die kleinen Kopftuchmädchen; der Antisemitismus geht davon aus, dass die Juden überlegen und deshalb gefährlich seien. Deshalb gab es an amerikanischen Eliteuniversitäten zeitweilig Juden-Quoten. Falls Sie das Thema wirklich interessiert, empfehle ich (neben der Lektüre meiner Artikel oder der Bücher von Henryk M. Broder, etwa „Der ewige Antisemit“) das Buch „Antijudaismus“ von David Nirenberg. Falls Ihnen die Lektüre eines ganzen Buchs zu lästig ist: Nirenberg hat ja auch Interviews gegeben.

  5. avatar

    Der Antisemitismus der Mächtigen ist ja wohl der Gefährlichere, da sollten sie doch mal differenzieren, Herr Posener. Ebenso wie Michel Friedman und andere TV-Juden, die sich auf die kleine, ohnmächigte AfD stürzen, aber die regierenden Augsteins und deren millionenköpfige islamischen Schützlinge außer Acht lassen.
    Its not my Cup of Beer, wie der Kelte sagt, aber die Zukunft für Juden in Europa ist düster, und bestimmt nicht wegen Rächtsploplisten.

    1. avatar

      Lieber Gert Weller, die Formulierung „Michel Friedman und andere TV-Juden“ lässt tief blicken, und was ich da sehe, gefällt mir gar nicht. Und Sie schreiben das auch noch nach dem Attentat von Halle. +Kopfschüttel*.

      1. avatar

        Natürlich ist die verwendete Formulierung schlichtweg falsch. Ich frage mich aber, ob sie an einer Formulierung wie „Ein Typ wie Friedman“ nicht auch was antisemitisches finden würden.
        Und es ist doch offensichtlich, daß Friedman nicht wegen seiner gut sitzenden Anzüge, sondern wegen seines Judentums derzeit ein gefragter Interviewpartner ist. Und daß er sich auf die in der Tat vollkommen machtlose AfD stürzt ist seine Tatsache, während ich zumindest keinen Kommentar von ihm gehört habe zu dem Angriff auf die Synagoge in Berlin zwei Tage vor Halle.
        Und daß dieser Angreifer noch nicht mal in U-Haft muß könnte ein verwirrter Geist wie der Täter von Halle durchaus als Bestätigung seines Weltbildes angesehen haben.

      2. avatar

        Danke für den Link. Ist zwar schon etwas länger her, aber immer noch informativ.

  6. avatar

    ..womit ich den Amoklauf keineswegs verharmlosen möchte. Aber er ist eben wahllos. Auch hier mussten zwei Menschen sterben, weil ein Täter nach seinem gescheiterten Versuch, die Gemeinde auszulöschen, noch Amok lief.

  7. avatar

    Wie wahr, wie wahr..
    Auffällig werden die jungen Männer, die nichts aushalten können oder wollen, die sich in schein-Heldenwelten zurückziehen und das für real halten. Siehe Christchurch, Neuseeland. Da befällt die Krankheit (!) Antisemitismus die sowieso geschwächte Persönlichkeit dieser Täter. Sie sind wahrlich selbst schuld, aber das Klima in der Kultur- und Geisteswelt, die sich in ihren moralischen Elfenbeinturm zurückzieht, tut ihren Beitrag dazu. Solche Männer, wie dieser Täter hatten in früheren Tagen vielleicht einen Job, der ihnen Bestätigung gab und schlimmstenfalls begangen sie Selbstmord, wenn sie Liebeskummer hatten und veranstalteten vorher einen Amoklauf. Heute wollen sie gezielt jüdische Gemeinden auslöschen. Was für eine monströse Entwicklung. Es wird mir mulmig.

  8. avatar

    „Am 6. April 2012 schrieb Augstein über das antiisraelische Prosa-Gedicht von Günter Grass ‚Was gesagt werden muss‘: „Es ist dieser eine Satz, hinter den wir künftig nicht mehr zurückkommen: ,Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden.‘ Dieser Satz hat einen Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt, ein Schriftsteller, ein Nobelpreisträger, weil Günter Grass ihn sagt. Darin liegt ein Einschnitt. Dafür muss man Grass danken. Der hat es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen.““
    Es ist doch letztlich egal, ob Augstein Antisemit ist oder nicht. In jedem Falle enthält diese Äußerung, wie jede antisemitische Äußerung, blanken Unsinn. Eine intellektuelle Beleidigung ist vor allem diese „Bild“zeitungsmäßige Ranschmeiße („… dafür muß man Grass danken.“ (Wer ist ‚man‘?)“… für uns alle …“).

    „Aber man bekämpft nicht Menschen, wie jene Rechtspopulisten, die den Hinweis auf den unter Muslimen verbreiteten Antisemitismus nur instrumentalisieren, um Migranten aus dem Land zu jagen, sondern einen perfiden Parasiten.“ Diesen Satz könnten Sie auch und gerade Ihrem „Freund und Kollegen“ Henryk M. Broder ins Stammbuch schreiben.

    1. avatar

      APo, S.T.: “Aber man bekämpft nicht Menschen, wie jene Rechtspopulisten, die den Hinweis auf den unter Muslimen verbreiteten Antisemitismus nur instrumentalisieren, um Migranten aus dem Land zu jagen, sondern einen perfiden Parasiten.” Diesen Satz könnten Sie auch und gerade Ihrem “Freund und Kollegen” Henryk M. Broder ins Stammbuch schreiben.

      … wer was, aus welchen Grund auch immer, instrumentalisiert, das ist eine Diskussion wert – meine ich. Ich fange an; vielleicht können Sie beide, APO & S.T., ja einmal begründen, warum ich eine Ideologie – hier den Mohammedanismus aus jwd. – unbedingt in meiner Heimat haben muss, die mich, als Andersdenkenden, zum Feind erklärt, die mich (und meine Familie) – letztendlich – töten will. Fehlt mir das ‚was im Dachstübchen? Ich denke da, u.a., an Yascha Mounks ‚Menschenexperimenten‘ und das EU-Resettlementprogramm, das die ‚BRD‘ zu einer ‚Zuwanderung‘ mit bis zu 220.000 Personen/Jahr, auf Asien und Afrika, überwiegend Mohammedaner, verpflichtet.

      … in diesem Zusammenhang könnten Sie auch einmal darüber nachdenken, inwieweit Sie mit ‚Gutmenschpolitik‘ eine menschenfeindliche Ideologie, nix anderes ist Mohammedanismus, selber Antisemitismus das Wort reden.

      … und wie immer, stinkt in der ‚BRD‘ der Fisch vom Kopf her. So werden in der Jerusalem Post Wissenschaftler zitiert, die zu dem Schluss kommen, dass die deutsche Bundesregierung unter Merkel offenkundig den internationalen wissenschaftlichen Konsens zur Definition von Antisemitismus verlassen hat und aus Rücksichtnahme gegenüber dem iranischen Mullah-Regime antiisraelische Vernichtungswünsche von Antisemitismus getrennt sehen möchte.

      1. avatar

        … ooops? Korrektur

        Nachtrag

        … damit nicht genug, die wahren Antisemiten und Israelhasser sitzen, nicht als Einzeltäter, sie sitzen en masse im Bundestag. Nein, es ist mitnichten die AfD. Es sind, u.a., die SED-Kommunisten, die sich nun als ‘Die Linke’ um getarnt hat. Die Historie ist der Beweis.

        Dem offiziellen Antifaschismus zum Trotz gehörte Israelfeindlichkeit fast 40 Jahre lang zur Staatsräson der DDR. Die SED unterstützte seit den frühen 1970er Jahren nicht nur die damals noch als Terrororganisation agierende PLO, sondern auch deren Abspaltungen. «Palästinensische Kämpfer», … Gern wurde der jüdische Staat dabei mit Hitler-Deutschland verglichen – etwa wenn das «Neue Deutsch¬land» 1982 titelte: «Israel betreibt die Endlösung der Palästina-Frage.» Die Stasi schrieb sogar Drohbriefe an Überlebende des Holocausts in der Bundesrepublik.

        … ich erlaube mir einen dreifachen Lieberman.

      2. avatar

        Lieber Blonderhans, ich glaube nicht, dass die Muslime in Deutschland Sie und Ihre Familie töten wollen. Es gehört allerdings zur Demokratie, dass wir auch Ideologien tolerieren, die nachweislich Abermillionen Menschen das Leben gekostet haben, ich denke da an den Kommunismus. Mir war es 1990 keineswegs eine Herzensangelegenheit, 17 Millionen Menschen als Staatsbürger mit gleichen Rechten willkommen zu heißen, die seit 1933 ununterbrochen in einer Diktatur gelebt und totalitär berieselt wurden; man sieht jetzt auch, welche Probleme das bereitet. Aber ich vertraue auf die Kraft der Argumente, auf die Stärke der Institutionen, und darauf, dass wir Demokraten die Mehrheit sind.

      3. avatar

        „Mir war es 1990 keineswegs eine Herzensangelegenheit, 17 Millionen Menschen als Staatsbürger mit gleichen Rechten willkommen zu heißen,“

        Mir war es natürlich eine Herzensangelegenheit.
        Dass die CDU allerdings seitdem komplett versagt hat, und das Land zerstört, konnte niemand ahnen. Deshalb mussten aufrechte Leute wie Gauland die AfD als letzte Hoffnung gründen, und die Mitteldeutschen habens am besten verstanden.

      4. avatar

        „Das Land zerstört…“ Sie leben offensichtlich in einem anderen Deutschland als ich; ja vermutlich in einem anderen Universum.

      5. avatar

        Ohne dieselbe Diskussion dauernd aufs Neue zu beginnen, blonderhans: Geht bei Ihnen eigentlich kein Kommentar ohne Islamhaß?

      6. avatar

        … nein, Opa, der ‚Hass‘ der mohammedanischen Ideologie auf Andersdenkende, Andersgläubige, kann nicht oft genug thematisiert werden. Es wundert mich auch nicht, dass Erdogan für den Islam in Anspruch nimmt, Amerika entdeckt zu heben. Ich glaube ihn.

      7. avatar

        APo. ‚Mir war es 1990 keineswegs eine Herzensangelegenheit, 17 Millionen Menschen als Staatsbürger mit gleichen Rechten willkommen zu heißen, … ‚

        … darüber hatten/haben Sie, werter APo, gar nicht zu befinden. Das regelte der Art. 23 GG für mich.

        … und wie schon geschrieben …

      8. avatar

        Ich denke auch, dass (kostet mich Überwindung, nicht ‚daß‘ zu schreiben) wir tödliche (‚toxische‘) Ideologien tolerieren müssen, aber wir müssen gleichermaßen auch Stimmen tolerieren, die diese Ideologien scharf kritisieren und zurückweisen. Die Aussage, z.B. ‚Islamismus hat nichts mit dem Islam zu tun‘ zeigt, dass diese Seite Diskurs verhindern will. Z.B. über die Rolle von DITIB. Und ‚tolerieren‘ kann m.E. auch nicht heißen, bei Straftaten mildernde Umstände aufgrund irgendeiner kulturellen Überprägung auszusprechen. Sonst macht sich die Staatsgewalt, die alle schützen soll, machtlos. Und wer mehr Zuwanderung aus muslmischen Ländern oder anderen Kulturkreisen möchte, muss sich darüber im Klaren sein, daß das nicht auf ein multikulturelles Straßenfest hinausläuft, sondern zumindest in den großen Städten auf eine politisch korrekte und komplett in allen Kleinigkeiten durchregulierte Gesellschaft, wie der Stadtstaat Singapur.

      9. avatar

        Natürlich hat der Islamismus etwas mit dem Islam zu tun. Die Aussage wäre richtig, oder fast richtig, wenn er nicht zur Rechtfertigung, sondern als Selbstkritik gemeint wäre: „Hört mal, Ihr Mit-Muslime! Jene Suren des Korans, die zum Mord an Juden und Christen aufrufen, sind nur historisch zu verstehen und haben keine Gültigkeit für Muslime heute!“
        Singapur ist ein Sonderfall. Das Problem da war nicht der Multikulturalismus an sich, sondern der Gegensatz von Malaien und Chinesen. Weites Feld. Aber gewiss bringt der Multikulturalismus Probleme. Der Monokulturalismus erst recht.

      10. avatar

        Err.:
        „dass diese Seite“ -> dass die linke Seite oder die der Islamverbände Diskurs verhindern will..

      11. avatar

        „Aber gewiss bringt der Multikulturalismus Probleme. Der Monokulturalismus erst recht.“
        Hier, lieber Alan Posener, müsste man m.E. erst mal klären, was ‚Monokulturalismus‘ heißen soll – die von einem genetisch möglichst homogenen Staatsvolk abverlangte Folklore, die auf die Vergangenheit einschwört oder eine weiterentwickelte und übergeordnete Kultur im Sinne einer gemeinsamen Moral. Nennen wir es Patriotismus. Zu Letzterem sehe ich allerdings – denken wir an die USA – kaum eine Alternative.

    2. avatar

      Nachtrag

      … damit nicht genug, die wahren Antisemiten und Israelhasser sitzen, nicht als Einzeltäter, sitzen en masse im Bundestag. Nein, es ist mitnichten die AfD. Es sind, u.a., die SED-Kommunisten, die sich nun als ‚Die Linke‘ um getarnt hat. Die Historie ist der Beweis.
      Dem offiziellen Antifaschismus zum Trotz gehörte Israelfeindlichkeit fast 40 Jahre lang zur Staatsräson der DDR. Die SED unterstützte seit den frühen 1970er Jahren nicht nur die damals noch als Terrororganisation agierende PLO, sondern auch deren Abspaltungen. «Palästinensische Kämpfer», … Gern wurde der jüdische Staat dabei mit Hitler-Deutschland verglichen – etwa wenn das «Neue Deutsch¬land» 1982 titelte: «Israel betreibt die Endlösung der Palästina-Frage.» Die Stasi schrieb sogar Drohbriefe an Überlebende des Holocausts in der Bundesrepublik.

      … ich erlaube mir einen dreifachen Lieberman.

  9. avatar

    Ein entlarvendes Stichwort ist Schlüsselkonflikt. Israel sei das Problem, nach dessen (auf)Lösung sich der Mittlere Osten wieder in das Land der 1000 und einen Nacht verwandeln würde, der Muselmann wieder zur geduldigen Karl May Figur wird und die Völker des Orients ihren eigenen, dann unverdorbenen Weg gehen. Der Jude als Verschmutzer und der Araber als der edle Wilde. Der Türöffner im Gespräch die Besatzung (Apartheid), hindurch kommt immer die Umsiedlung von Millionen von Menschen, die nie dort gelebt haben und nur ein Kriterium erfüllen, nämlich keine Juden zu sein. Das richtet sich dann natürlich nicht gegen Juden persönlich und ist auch kein Antisemitismus, das nennt sich Friedensbewegung. Wer glaubt dabei würde es um weniger Waffen gehen, wird schnell ernüchtert. Es gibt böse Waffen (israelisch) und Menschen, die aus Verzweiflung handeln und nicht kritisiert werden dürfen, bis wir (der Westen) den jüdischen Staat nicht abgewickelt haben. Deren Waffen sind zugegeben nicht gut, aber verständlich. Wer es nicht glaubt, kann gerne googeln: Boykott und Israel, Boykott und Pakistan oder Indien, Boykott Saudi Arabien oder Kathar. Einfach mal die Treffer zählen, bisschen auf Seiten surfen. Aber nirgends Antisemiten zu finden, nur Menschen, die sich um den Frieden sorgen.
    Hab gestern die Parade der Patrioten in Berlin gesehen. Warum setzen manche Juden (wenn auch wortgewaltig, so doch eine durchgeknallte Minderheit) auf diese Leute? Es ist besser den Tieger zu reiten, als von ihm gefressen zu werden und bei der nächsten Runde soll nicht Judenblut vom Messer spritzen, nicht das ihrer Kinder, sondern das meiner Kinder. Das Sankt Florians Prinzip. So kompliziert ist es gar nicht.

    1. avatar

      Ach ja, meine Lieblingsversion lautet ungefähr so: Es geht nicht darum, dass alle Nachkommen von irgendwann in Palästina lebenden Arabern auf einmal umgesiedelt werden, vielmehr soĺl das Rückkehrrecht ihre Rechte wahren, d.h. sie können umsiedeln, wenn sie es wollen, werden aber ansonsten entschädigt, wenn das Eigentum nicht zurückgegeben werden kann. Warum das Modell nicht für Europa taugt, immerhin wurde im letzten Jahrhundert der halbe Kontinent bewegt? Man kann nicht alles rückabwickeln, eben nur das drängende, das den Frieden stört. Tatsächlich so gehört, Deutschland 2018.

      1. avatar

        Wir müssen gar nicht einmal so weit in der Geschichte zurückgehen, da hatten wir mit unseren eigenen Vertriebenen die gleiche Situation: Leute wurden aus ihrer angestammten Heimat vertrieben, nicht zuletzt weil sie dem gleichen Stamm angehörten, der kurz zuvor einen Krieg vom Zaun gebrochen und verloren hatte: Seitens der Palästinenser der Versuch eines Vernichtungsfeldzugs gegen den jüdischen Staat, hierzulande ein über den Versuch hinausgehender Vernichtungsfeldzug gegen ganz Osteuropa und insbesondere dessen jüdische Bevölkerung. Dies hat bis zum Mauerfall, der Anerkennung der Nachkriegsgrenzen durch das wiedervereinigte Deutschland und der sich danach abzeichnenden Einigung Europas keine Bundesregierung davon abgehalten, sich die Forderungen der Vertriebenen nach uneingeschränkter Rückkehr zu eigen zu machen.
        Die Lage in den ersten vier Jahrzehnten der BRD könnte auch erklären, warum die Palästinenser damals so toll als Projektionsfläche taugten: Man konnte gegen Vertreibung sein, ohne dauernd an die eigenen Untaten erinnert zu werden, die der Grund für die eigenen Vertriebenen waren.

      2. avatar

        Die „eigenen Untaten“ waren nicht der Grund für die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und aus Tschechien, lieber Opa Krempel. Grund für dieses schreiende Unrecht war Stalins Politik der Westverschiebung der Ukraine und Polens und die Bereitschaft der Westalliierten, ihm das auf Kosten der Deutschen zu gestatten; sowie in der Tschechoslowakei, Rumänien usw. die damals in Ost wie West vorherrschende Vorstellung, die ethnisch homogene Nation sei quasi die natürlich Grundeinheit der internationalen Ordnung (mit Ausnahme allerdings der Supermächte USA, Sowjetunion, britisches Weltreich und China…). Diese Vorstellung liegt natürlich auch dem Zionismus zugrunde.

  10. avatar

    Respekt! Eine hochinteressante Hypothese.
    Das muss ich jetzt erst einmal auf die mir bekannten Beispiele für Antisemitismen anwenden. Dem ersten Eindruck nach scheint da durchaus was dran zu sein.

  11. avatar

    Eine fantastisch gute Zusammenfassung. Danke, lieber Herr Posener!!
    Ich selbst habe es vor vielen Jahren so formuliert: Die jahrhundertelange systematische Seelenvergiftung durch die Kirche(n) wirkt heute noch. Eine Generation gibt es der nächsten weiter, oft ohne es zu wissen oder zu wollen. Als Kind übernimmt man die Gefühle der Eltern und anderer für das kindliche Erleben wichtiger Personen, wie man es aus der diesbezüglichen Forschung weiß, schon im Mutterleib. Es ist einem nicht bewußt und glaubt ehrlich, das es wahr ist. So selbstverständlich, wie Zucker süß ist oder Wasser naß. Man spricht das Aufgenommene aus, ohne darüber nachzudenken, ob das auch wahr ist.

    Ich vermute, bei Jakob Augstein und anderen ist das der Fall. Was sie mitgebracht haben, geben sie ohne Bedenken weiter. Was an ihrem Denken richtig ist, ist Neuerwerbung. Ich kenne auch Personen, die sich am besten unter Juden fühlen (komisch, sage ich, eine gottlose Jüdin) und doch entschlüpft ihnen von Zeit zu Zeit der eine oder andere Satz, was dem total widerspricht.

    Was ich da verzapfte, ist nicht sehr wissenschaftlich, bin aber weder Wissenschaftler noch überhaupt eine Studierte. Trotzdem glaube ich, daß es nicht ganz falsch ist.
    lg
    caruso

    1. avatar

      Nun sind Vorurteile auch nötig, um überhaupt schnell reagieren zu können, z.B. um erkennen zu können, ob zu erwarten ist, daß ich angegriffen werde. Das eigene Denken führt zwar am ehesten zu richtigen Einschätzungen und Urteilen, ist aber nicht immer möglich. Wer aber gar nicht denkt, ist ein Reiz-Reaktionswesen und vergibt die Chance, auf Erkenntnis, zumindest was andere Menschen betrifft. Es sagt auch viel über den Gemütszustand. Wer ängstlich ist, ist anfälliger. Und einem Kind (ich beziehe mich mal auf Poseners WELT-Artikel) kann man wohl kaum vorwerfen, Vorurteile zu übernehmen. Was den Antisemitismus angeht, so haben meine Eltern, insbesondere mein Vater, ‚es‘ laufenlassen, obwohl gerade er es aufgrund seines jüdischen Vaters hätte besser wissen können. Ich weiß, wenn ich die Einzelerinnerungen zusammenfüge – es waren die 60er, 70er – daß das auch ein Schutz sein sollte, sowas, wie vollständige Assimilation sozusagen, aber es geht ja im Leben weiter: Ich selber muss mir schon vorwerfen, einiges von dem dummen Zeug, erst aus rechtem, dann aus linkem Milieu nachgeplappert (und geglaubt) zu haben, bis in die 00er Jahre hinein und es hat schon die Lektüre einiger Brachialtexte von Broder bedurft, um überhaupt auch nur ansatzweise zu verstehen, was da eigentlich immer noch abgeht. Ich sage nur ‚Philosemitismus‘, an den unpassendsten Stellen und zu politischen Zwecken und – ehrlich gesagt – meine ich damit nicht in erster Linie die AfD. Es ist die Denkfigur, ein angenommener Zusammenhang zwischen, sagen wir ‚jüdischen Genen‘ und Persönlichkeitsmerkmalen. So oder so. Und nach dem Motto: ‚Wir sind doch jetzt alle gute Menschen und es gibt so viele nette und tolle Juden (Einstein und so) und da werden wir doch auch einen Friedman ertragen können..‘
      Der lustige Punkt dabei: Es sind die eigenen Vorurteile, die diesen scheinbaren Widerspruch konstruieren..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top