Jeden Tag machen sich von der Öffentlichkeit unbemerkt an den Schulen unserer Republik Lehrkräfte ans Werk, um bei ihren Schülern eine Leitkultur einzuüben. Sie dient dem friedlichen Zusammenleben im Kosmos Schule, der in unseren Großstädten von Kindern aus über 100 Nationen „bevölkert“ wird. Sie dient auch der Festigung der Werte, ohne die ein zivilisatorisches Miteinander in der Gesellschaft nicht möglich wäre. Die Lehrkräfte tun dies, ohne auch nur eine Sekunde lang an die ideologisch aufgeladene Debatte um eine „deutsche Leitkultur“ zu denken. Sie tun dies aus reiner Selbstverständlichkeit und weil eine Werteerziehung der Persönlichkeitsbildung der Schüler dient. Im folgenden Glossar findet man die Werte, die mir in meiner Arbeit als Lehrer besonders wichtig waren. Sie reflektieren natürlich meine Unterrichtsfächer Deutsch, Geschichte und Politik. Aber auch meine Liebe zur Musik. Lehrkräfte anderer Fachrichtungen (Naturwissenschaften, Sprachen, Künste) mögen andere Vorlieben haben. Das zivilisatorische Wertefundament bleibt jedoch stets das gleiche.
A – Aachen: schönstes sakrales Bauwerk in Deutschland, atemberaubende architektonische Vielfalt: römisch, byzantinisch, romanisch, gotisch; Ort von über 30 Königskrönungen; sollte von Schulklassen und nicht nur von chinesischen Touristen besucht werden.
B – Bach, Johann Sebastian: z.B. „Matthäus-Passion“, „Goldbergvariationen“; Ur-Vater der klassischen Musik, der den unendlichen Kosmos der Musik für die Nachfolger erschlossen hat.
C – Chorgesang: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ (Johann Gottfried Seume)
D – Diskussionskultur: für die intellektuelle Selbstverständigung unverzichtbar; im Unterricht wichtige Übung zur Selbstdisziplin.
E – Erfindergeist: (schwäbische) Tüftlermentalität, Ingenieurskunst; Ursache des vom Ausland kritisierten Handelsüberschusses. Es ist wie bei hochbegabten Schülern: Sie sind unbeliebt, weil man ihnen ihre herausragenden Geistesgaben neidet.
F – Friedensbewegung: „Die Deutschen haben im 20. Jahrhundert genug geschossen.“ (Peter Glotz)
G – Gleichberechtigung: Grundgesetz, Art. 3, 2 – Sollte eigentlich selbstverständlich sein.
H – Heine, Heinrich: Jude, Protestant, Deutscher, Franzose, Sozialist, Demokrat, kritischer Patriot: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Beispiel einer „zerrissenen“ Biografie im 19. Jahrhundert
I – „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…“ (Heine); melancholische Seelenlage, romantische Stimmung, die manchmal, wie die deutsche Geschichte lehrt, auch in Aggressivität umschlagen kann.
J – Jüdisches Leben: Sollte gegen alle Angriffe verteidigt werden.
K – Kant, Immanuel: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Kategorischer Imperativ, grundlegendes Gesetz der Ethik)
L – Liebesheirat: Goethes Werther: „Ich habe kein Gebet mehr als an sie…“; wichtige Errungenschaft der Gefühlskultur seit der Empfindsamkeit im 18. Jahrhundert
M – Mann, Thomas: Inbegriff des deutschen Bildungsbürgers, der zugleich Weltbürger ist
N – Nostalgie: rückwärtsgewandte Sehnsucht nach der „guten, alten Zeit“; besser wäre die Beherzigung folgender Maxime: „Es kommt nicht darauf an, in Traditionen zu leben, sondern Traditionen zu schaffen.“ (Franz Marc)
O – Opernhäuser: Orte musikalisch-theatralischer Verzauberung. In Deutschland gibt es mehr als 80 feste Opernensembles, fast so viele wie im gesamten Rest der Welt.
P – Protestkultur: seit der Studentenbewegung (1968) üblich gewordene Kultur vielfältiger Protestformen, die Formen des zivilen Ungehorsams einbezieht
Q – Querkopf: Kann ein produktiver Querdenker sein, aber auch ein nörgelnder Querulant und Dickschädel. Vom ersteren gehen oft kreative Ideen aus, die sich gegen ursprünglichen Widerstand durchsetzten. In der Schule sollte man für solche Geister Geduld aufbringen.
R – Reformpädagogik: „Lernen mit Herz, Kopf und Hand“ – wichtige Strömung der Pädagogik, die sich gegen die rein kognitive Wissensvermittlung richtet; sie dient der Persönlichkeitsbildung nach dem Vorbild der Humboldtschen Pädagogik („Griechisch für den Tischler“).
S – Säkularismus: Trennung von Kirche und Staat; Religion als Privatsache; wichtige Errungenschaft der Aufklärung im 18. Jahrhundert, heute wieder aktuell
T – Toleranz: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden.“ (Fridericus Rex)
U – Ulmer Münster: im gotischen Baustil errichtete Kirche (1890). Es ist die größte evangelische Kirche Deutschlands. Sie hat mit 161,53 Metern den höchsten Kirchturm der Welt. Ein Wunderwerk vorindustrieller Bautechnik. Der Blick bis zu den Alpen ist phänomenal. Ulm ist übrigens der Geburtsort Albert Einsteins.
V – Vaterland: schon im 19. Jahrhundert schwieriger Begriff („Was ist des Deutschen Vaterland?“ – Ernst Moritz Arndt); ständig in Gefahr, von rechten Ideologen nationalistisch missbraucht und von linken Fanatikern verächtlich gemacht zu werden; bestes Gegengift: Völkerverständigung
W – Wald: mystische Verehrung des Waldes als Erbe der deutschen Romantik: „Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben?“ (Eichendorff / Mendelssohn-Bartholdy)
X – Xenophobie: Fremdenfeindlichkeit, häufig sozial, ökonomisch, kulturell und religiös begründet; kann nur durch Toleranz und reale Begegnungen überwunden werden.
Y – Yin und Yang: Gegensatzpaar in der chinesischen Philosophie, bei uns in esoterischen Kreisen sehr beliebt; es versinnbildlicht den Gegensatz von weiblich-männlich, aktiv-passiv, gebend-empfangend; steht im Gegensatz zur modischen Gendertheorie.
Z – Zionismus: Im Jahre 1880 beginnende jüdische Nationalbewegung zur Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina; Antizionismus dient häufig als Tarnung für antisemitischen Hass, auch bei der deutschen Linken.
Unsere Schulen leisten durch ihre positive Leistungsmotivation – im Streben nach Wissen sind alle Kinder gleich – und durch ihre an demokratischen Werten orientierte Erziehung einen wichtigen Beitrag zur Integration aller Kinder, egal aus welcher Schicht oder Ethnie sie stammen. Die Gesellschaft kann sich durchaus etwas von dieser erfolgreichen Kultur der Integration abschauen.
„W wie Wald“ wollte ich schreiben, aber es steht schon da, sehr gut.
Hmm …, lieber Herr Nick, Sie haben eindeutig was gegen Dekonstruktion – mit dem sie klug mein „aufklärend“ übersetzen bzw. umschreiben.
Nur nebenbei: Dekonstruktion macht nicht mal vor Fürsten halt. Das Barock z.B. hat nicht ewig gehalten. Schon der Barock-Fürst musste seine Dekonstruktion aushalten. Und wenn er ein wirklich kultivierter und kein, wie man modern sagen könnte, borniert identitärer Mann war, hat er das verstanden und war neugierig auf das Neue und darauf, was er mit damit und beide aus ihm machen.
Wichtiger finde ich: Weil sie etwas gegen Dekonstruktion haben, schieben sie die Bereitschaft oder Notwendigkeit zur Dekonstruktion immer auf „die Anderen“ der – von wem, mit welcher Kompetenz? – festgelegten Norm. Nicht nur das „Kopftuchmädchen“ muss das, was sie kulturell mitbringt, dekonstruieren, um sich in die Leitkultur zu integrieren. Auch das Kind, das unter vermeintlich abweichenden Geschlechterrollen aufgewachsen ist, muss diese zugunsten seiner Integration in eine kononisierte Normalität dekonstruieren. Und ich verstehe Sie gewiss nicht falsch, wenn ich meine, dass man sich das in Bezug auf alle möglichen zu dekonstruierenden sozialen und kulturellen Mitbringsel weiter ausmalen darf?
Das als gegeben annehmend, würde für mich daraus folgen, dass die Schule, die inzwischen sozial und kulturell „fremde“ Kinder in Massen aufnimmt, dann doch bitte zweckmäßigerweise vor allem auch Dekonstruktion, Aufklärung, zu lehren habe. Sie scheinen diese Konsequenz aber gerade nicht ziehen zu wollen. Ich kann mir das nur als die nicht-aufklärende, als die einbläuende Schule vorstellen: Friss oder stirb! Muss dagegen aber gar nicht argumentieren. Auch wenn unsere Schulen angeblich schlecht sind, einbläuende Schulen, Varianten der Medresse, sind sie zum Glück nicht. Und damit hat auch Rainer Werners Liste nichts zu tun. Sie ist durchaus auf Dekonstruktion angelegt. Ich denke z.B. an den kategorischen Imperativ. Allerdings sagt er das vor dem Hintergrund der Forderung nach Leitkultur mit „zivilisatorischem Miteinander“ leider nur sehr implizit. Das war mein Punkt – den ich hiermit abhake.
Lieber Wolf, ich habe ja nun eindeutig geschrieben, daß ich nicht gegen ‚Dekonstruktion‘ in der Philosophie bin, weswegen ich Ihr
„Sie haben eindeutig was gegen Dekonstruktion“
auch als böswillige Unterstellung werten könnte. Auch habe ich begründet, warum erstmal Inhalte gelernt (darf man das aus Ihrer Sicht noch sagen?) werden müssen, bevor sie dekonstruiert werden, einfach um überhaupt denken zu lernen. Ob der Kategorische Imperativ Kants allerdings ausreicht, um Zivilisation zu erzeugen und ob er nicht alle Beteiligten auch ständig überfordert, ja ich gehe sogar soweit, die Ursache von deutschem Bessermenschentum und folgender Schulmeisterei der Restwelt ist, das mag für Sie eine leicht abzuhakende Frage sein, für mich allerdings nicht. Sie werden mir vielleicht meine sicher aus Ihrer Sicht pathologische Begriffsstutzigkeit nachsehen. Ja, belassen wir’s dabei, denn wir werden da aus eben genanntem Grund nicht weiterkommen.
R: Doppel-R sogar:
Reich-Ranicki, deutsche Leitkultur par excellence. Erstaunlich, eigentlich. Seine Gedichtanthologie mit Kommentaren ein sehr guter Querschnitt, und ja, Blonder Hans, sie fängt bei Walther von der Vogelweide und dem zu Kürenberg an. Echte Freiheit: „Ich zoch mir einen Falken“.
Apropos Ying und Yang, die Übersetzung:
„Und jede nimmt und gibt zugleich und strömt und ruht.“
Conrad Ferdinand Meyer, Der Römische Brunnen
F – Frauenwahlrecht: Ergebnis: Peter Glotz. Joseph D. Unwin (Sex and Culture) bleibt empfehlenswert; im Gegensatz zur Leitkultur.
Früher gab es Lehrer, heutzutage Pädagogen; es ist ein bißchen wie Seelenbildung gegen Kompetenzvermittlung. Viele Lehrer sind verwirrt, und könnten ohne ideologische Zumüllung besser unterrichten. Zuerst haben die Schüler keine Lust mehr, danach die Lehrer. Ich brauche keine Leitkultur, mir recht in diesem Zusammenhang die deutsche K.
GUDE, das, was Sie als Seelenbildung ansehen, nannte man früher schlicht Erziehung. Leider müssen die heute zunehmend die Schulen übernehmen, weil die Eltern sich zunehmend von der Aufgabe zurückziehen, die Kinder so zu erziehen, daß sie sich gesellschaftskonform benehmen – das fängt mit Höflichkeit und Respekt an. Und die Schule muß bei der Erziehung nicht nur gegen Helikopter-Eltern ankommen, sondern auch gegen schlechte Vorbilder, von denen es genügend gibt. Es ist beileibe nicht einfach, von „Üb immer Treu und Redlichkeit“ zu reden, wenn (nur ein Beispiel) Dieter Bohlens unverschämteste Sprüche bei DSDS am nächsten Tag noch in der Zeitung als Kult verehrt werden; oder wenn in den Wirtschaftszeitungen ein Josef Ackermann dafür gelobt wird, nach einem Rekordergebnis 6500 Leute zu entlassen.
F – Föderalismus. Bildungspolitik ist Ländersache. Für die einen ist das ein Relikt der Kleinstaaterei, für die anderen ist ein Zentralabitur der Versuch, die Menschen durch Behördenmitarbeiter normieren zu wollen, ohne Rücksicht auf die individuellen Fähigkeiten.
Was uns der Bildungsföderalismus jedenfalls beschert, ist mit der Kultusministerkonferenz ein Gremium, das weitreichende Entscheidungen fällt, ohne demokratisch dafür legitimiert worden zu sein.
Finden Sie nicht, Roland Ziegler, dass Yingyang was für einfachere esoterische Gemüter ist?
Ich würde ja Dialektik als Begriff vorziehen.
Yingyang scheint mir das Chinesischprogramm einfach gestrickter Seelen zu sein.
Bei Y musste was her. Y heißt auf französisch y grec, griechisches i. Griechische Bildung in diesem Land ist eh dünn geworden. Wo kein Mathe mehr drin ist, da auch kein Latein und Griechisch. Interessiert haben mich daher die Ausführungen über Reformpädagogik als in der Nähe von Humboldt befindlich.
Finde ich auch. Yin & Yang ist langweiliger Dualismus, viel zu harmonisch.
Das Y ist zugegebenermaßen schwierig und am ehesten in den Naturwissenschaften zu finden. Bei der Physik schon im Namen, bei der Biologie im Y-Chromosom und bei der Mathematik in der Form y=f(x). Nur wie man eine pädagogische Leitkultur daraus machen sollte, kann ich auch nicht beantworten.
Opa: ‚Das Y ist zugegebenermaßen schwierig und am ehesten in den Naturwissenschaften zu finden.‘
… richtig, als Symbol für vergewaltigte Natur.
@dbh: Ich sehe Windkraftanlagen entspannt. Ich bin in einer Region aufgewachsen, die auch Jahrzehnte nach dem Zechensterben noch von Abraum- und Schlackensandhalden geprägt ist und in der der Bergbau nach wie vor unangenehme Überraschungen in Form von Tagebrüchen und Schwermetallbelastung bereithält. Nur eines kann ich mit Gewißheit sagen: Wer in meiner alten Heimat seinerzeit gegen einen neuen Förderturm oder Hochofen oder Fabrikschornstein gewesen wäre, weil dieser die Landschaft verschandele, dem wäre nahegelegt worden, woanders hin zu ziehen.
Nein, lieber Herr Nick. Mir geht es um anderes.
Kultur ist unvermeidbar. Den kulturlosen, den „nackten“ Menschen gibt es nicht. Der Fürst, der Souverän, kann entscheiden, ein Barockschloss zu bauen. Aber kein Souverän kann über das historische europaweite Erscheinen des Barock oder über dessen historische Ablösung durch das Rokoko oder den Klassizismus entscheiden. Kultur findet unvermeidbar, aber hinter unserem Rücken statt. Das zu wissen und zuzulassen, ist das Gegenteil von Leitkultur: Hochkultur.
Welche Untaten und Verbrechen aber hätten Kultur und Hochkultur je vermieden? Mit reflektiertem, sittlich besserem Leben hat das alles nichts zu tun. Was wir brauchen, sind demokratisch reflektierte politische Entscheidungen, nicht Leitkultur!
Na, lieber ‚Wolf‘, wer soll denn was gegen reflektierte politische Entscheidungen haben und wenn diese dann noch von Relevanz sind, wäre das wunderbar. Und Hochkulturen haben auch Sklaverei gekannt und Nazi-Täter Bach gehört. Und daß Leitkultur auch zur Leidkultur werden kann ist für mich auch keine Frage. Rainer Werner schrieb aber von Pädagogik (ich glaube jede Schule formuliert doch ihre Leitkultur) und so kritisch ich Pädagogik gegenüberstehe, so denke ich doch, daß sie erforderlich ist (nur nicht alle 5 Jahre eine neue). Ihre Reaktion auf die banalphilosophische Modeerscheinung ‚Yin & Yang‘ habe ich trotzdem nicht verstanden.
Na, lieber Herr Nick, beinahe sagen Sie es doch selbst: „banalphilosophische Modeerscheinung“. Was hätte chinesisches Yin und Yang in deutscher Leitkultur zu suchen? Das wäre gerade die neoliberale Beliebigkeit, die per Leitkultur bekämpft werden soll. Wenn es schon primitiv sein soll, passt eher „Lass jucken, Kumpel!“
Aber noch mal zurück: Vermittelt Rainer Werners Liste
– das „zivilisatorische Wertefundament“ für
– die „erfolgreiche Kultur der Integration“,
die seiner Meinung nach in unseren Schulen geleistet wird?
Kann es bei erfolgreicher Integration um die einseitige Aneignung aufzählbarer kultureller Bestände von A bis Z gehen? Denken so nicht die Ajatollahs, die nur Konversion, die nur „Ja“ oder „Rübe runter“ kennen und mit denen wir genau nichts zu tun haben wollen? Wollen wir Proselyten machen?
Ist es nicht vielmehr so, dass das zivilisatorische Wertefundament, wie es in der deutschen Kultur ebenso gewiss enthalten wie verborgen ist, nur durch einen immer wieder einzuübenden aufklärenden Denkprozess freigelegt werden kann? Von allen am Integrationsprozess Beteiligten! Und dass dabei mythische und quasimythische Bestände wie Aachen und Zionismus ebenso wie Mekka und Kerbala bestenfalls nur als zu problematisierende Bestände eine Rolle zu spielen haben?
„Ist es nicht vielmehr so, dass das zivilisatorische Wertefundament, wie es in der deutschen Kultur ebenso gewiss enthalten wie verborgen ist, nur durch einen immer wieder einzuübenden aufklärenden Denkprozess freigelegt werden kann?“
Das beantworte ich Ihnen gerne mit einem entschiedenen ‚ja‘ für die Philosophie und mit einem genauso entschiedenen ’nein‘ für Politik und Pädagogik:
Politik:
da ich kein Platoniker bin, möchte ich keine Vermischung von Politik und Philosophie, sondern die Angebote macht (Parteien), aus denen der Bürger auswählt (sofern das derzeit bei der alternativlosen Frau Merkel überhaupt noch geht).
So wenig ich einerseits möchte, daß Politiker mir vorschreiben, nach welcher Leitkultur ich mein Leben ausrichten soll (ich z.B. denke da eher an ‚Ökologie‘, als an die Wildecker Herzbuben oder das Oktoberfest), so wenig möchte ich andererseits, daß die Kultur, in der ich aufgewachsen, sozialisiert bin, durch Politik be- bzw. entwertet wird (und dies ständig neu), denn das geht sie erstmal nichts an. Grundsätzlich kann man eine (Leit-)Kultur mögen oder nicht, man kann sie auch dekonstruieren, aber das ist Privatsache von Erwachsenen und das soll es bitte auch bleiben.
Pädagogik:
Leitkultur halte ich im pädagogischen Zusammenhang für richtig. Man könnte das auch ‚Bildungsinhalte‘ oder ‚education‘ nennen. Ich bin der Meinung, daß zu der Entwicklung einer selbstbewussten und stabilen Persönlichkeit eine Einbettung in eine (gewachsene) Kultur mit (verlässlichen) Kategorien gehört, durchaus auch mit der Orientierung an Geschlechterrollen (von wegen Yin & Yang), die man dann als Erwachsene getrost dekonstruieren kann, wenn man damit nicht zurecht kommt. Ich wehre mich aber an dem Punkt vehement dagegen, wenn aus dieser Dekonstruktion ein politisches Programm wird, denn die Selbsterfahrung, die ein ganzes Filmgenre begründet (coming of age) den Heranwachsenden zu nehmen (staatl. Schutz, nicht wahr?) ist übergriffig (-> grüne Politik).
ich erinnere nochmal daran, daß die Leitkultur des Autors pädagogisch gemeint ist und da geht es um Kinderstube, wozu m.E. die gymnasiale Oberstufe auch noch gehört. (Und überghaupt, was soll denn noch dekonstruiert werden, wenn keine Auseinandersetzung mehr mit einer Leitkultur erfolgt. Der Dekalog? Bitte nicht nochmal.
Was diese meine Haltung mit ‚Kopf ab‘ von Andersdenkenden zu tun haben soll erschließt sich mir nicht. Der Unterschied zwischen Kopf-ab-Staaten und dem Westen besteht ja genau darin, daß man (bis dato jedenfalls) Erwachsene eben nicht mit einer Leitkultur versucht zu erziehen. Aber mal sehen (vorsicht Polemik), zu welchen Maßnahmen unsere philosophierende Politik noch fähig sein wird: Zwecks Integration von Flüchtlingen in eine vollständige Kreislaufwirtschaft und in den dämmenden ‚Klimaschutz‘.
sorry, besser lesbar hier:
„Ist es nicht vielmehr so, dass das zivilisatorische Wertefundament, wie es in der deutschen Kultur ebenso gewiss enthalten wie verborgen ist, nur durch einen immer wieder einzuübenden aufklärenden Denkprozess freigelegt werden kann?“
Das beantworte ich Ihnen gerne mit einem entschiedenen ‚ja‘ für die Philosophie und mit einem genauso entschiedenen ’nein‘ für Politik und Pädagogik:
Politik:
da ich kein Platoniker bin, möchte ich keine Vermischung von Politik und Philosophie, sondern die Angebote macht (Parteien), aus denen der Bürger auswählt (sofern das derzeit bei der alternativlosen Frau Merkel überhaupt noch geht).
So wenig ich einerseits möchte, daß Politiker mir vorschreiben, nach welcher Leitkultur ich mein Leben ausrichten soll (ich z.B. denke da eher an ‚Ökologie‘, als an die Wildecker Herzbuben oder das Oktoberfest), so wenig möchte ich andererseits, daß die Kultur, in der ich aufgewachsen, sozialisiert bin, durch Politik be- bzw. entwertet wird (und dies ständig neu), denn das geht sie erstmal nichts an. Grundsätzlich kann man eine (Leit-)Kultur mögen oder nicht, man kann sie auch dekonstruieren, aber das ist Privatsache von Erwachsenen und das soll es bitte auch bleiben.
Pädagogik:
Leitkultur halte ich im pädagogischen Zusammenhang für richtig. Man könnte das auch ‚Bildungsinhalte‘ oder ‚education‘ nennen. Ich bin der Meinung, daß zu der Entwicklung einer selbstbewussten und stabilen Persönlichkeit eine Einbettung in eine (gewachsene) Kultur mit (verlässlichen) Kategorien gehört, durchaus auch mit der Orientierung an Geschlechterrollen (von wegen Yin & Yang), die man dann als Erwachsene getrost dekonstruieren kann, wenn man damit nicht zurecht kommt. Ich wehre mich aber an dem Punkt vehement dagegen, wenn aus dieser Dekonstruktion ein politisches Programm wird, denn die Selbsterfahrung, die ein ganzes Filmgenre begründet (coming of age) den Heranwachsenden zu nehmen (staatl. Schutz, nicht wahr?) ist übergriffig (-> grüne Politik).
ich erinnere nochmal daran, daß die Leitkultur des Autors pädagogisch gemeint ist und da geht es um Kinderstube, wozu m.E. die gymnasiale Oberstufe auch noch gehört. (Und überghaupt, was soll denn noch dekonstruiert werden, wenn keine Auseinandersetzung mehr mit einer Leitkultur erfolgt. Der Dekalog? Bitte nicht nochmal.
Was diese meine Haltung mit ‚Kopf ab‘ von Andersdenkenden zu tun haben soll erschließt sich mir nicht. Der Unterschied zwischen Kopf-ab-Staaten und dem Westen besteht ja genau darin, daß man (bis dato jedenfalls) Erwachsene eben nicht mit einer Leitkultur versucht zu erziehen. Aber mal sehen (vorsicht Polemik), zu welchen Maßnahmen unsere philosophierende Politik noch fähig sein wird: Zwecks Integration von Flüchtlingen in eine vollständige Kreislaufwirtschaft und in den dämmenden ‚Klimaschutz‘.
B wie Burgen. Zugegeben, irgendwann ist es gut, aber für kleine Jungs einfach nur großartig.
Also ich verstehe ‚Der Wolf’s und R.Z.s Anmerkungen so, daß Ying & Yang, was wohl für Komplementarität, z.B. der Geschlechter steht, jetzt auch in den Fokus der linken Gender-Ideologen gerät: Alle müssen natürlich gleich sein – in jeder Beziehung. Alle müssen immer alles machen und machen können. Das scheint mir ist in der Tat die Idee hinter linkem Totalitarismus zu sein, der es nicht dabei belässt, den öffentlichen Raum zu regulieren. Das Private – ganz klar – ‚voll‘ politisch, was mir wohl jetzt eher zu einem pädagogisch dysfunktionalen Beitrag zu dem Alphabet der deutschen Leitkultur hier gerät: V, wie ‚voll‘:
vollständig, Vollkorn, volltrunken, Vollgas, Vollwertkost.
Und jeder muss ‚vollständig‘ beide Geschlechter in sich tragen, alle anderen sind Mängelwesen und das muss natürlich geändert werden und weil wir Deutsche sind, kriegen wir das hin, wie die Energiewende. Vollständig. jedenfalls besser, als alle anderen Nationen. Koste es, was es wolle.
KJN, ich kenne niemanden, der sich für Ying und Yang besonders interessiert, dafür aber viele, die mit Nachdruck Yoga machen. Sogar ich zähle seit Neuestem ein bisschen dazu. Ich hatte gestern meinen zweiten Yogaabend. Ich schlage also vor: statt zu Ying und Yang könnten Sie doch überlegen, welche dysfunktional-linksideologischen Vorstellungen Ihnen beim Yoga erscheinen?
Ich kenne allerdings auch niemanden, der alle gleichmachen oder gleich haben will. Die Linken, die ich kenne, lieben im Gegenteil nicht das Gleiche, die Norm – die verachten sie eher als spießbürgerlich – sondern „das Andere“. Deshalb treten sie für die Rechte von Minderheiten – z.B. auch jenseits klassischer Frau-Mann-Rollenmuster – ein.
@Roland Ziegler
„Ich schlage also vor: statt zu Ying und Yang könnten Sie doch überlegen, welche dysfunktional-linksideologischen Vorstellungen Ihnen beim Yoga erscheinen?“
Da Sie mich offensichtlich für einen Experten in solchen Sachen (bzw. Kritik am dt. Vollständigkeitswahn) erachten, bitte sehr:
Ich bin der beste im Yogakurs
Was??? Yoga?
H wie Hexenverbrennung
Da sind halt einige zugange, die so sind. Sie glauben, die bestünden darauf, dass alle so sind, und das will ich nicht glauben, schon weil sie an ihren anderen Schützlingen scheitern werden. Nein, sie wollen nur volle Anerkennung und übertreiben. Sie wollen nicht, dass ihnen passiert, was ich jetzt beschreibe:
Wir waren ein Haus besichtigen zum Kaufen vor vielen Jahren. Wir heißt Ehepaar mit Kindern. Der Makler hatte sich überreden lassen, dass Besitzix das Haus allein zeigt. Heraus kam ein Mann mit weiblicher Stimme und Minoritenpersönlichkeit. Die Kinder erschraken vor ihm. Wir schauten WZ und Küche an. Schlafzimmer wollte niemand sehen, und wir sagten ab. Was wäre heute? Ich glaube, es wäre nicht mehr ganz so fremd, so ein Szenario. Ich habe das beschrieben, um zu erläutern, dass es zu schwierig für diese Menschen war. Alles.
Wenn Politiker allerdings alle so haben wollen, werden sie verlieren. Jeder ist anders, und für sein Individualsein muss man kämpfen. Und man muss einen Homosexuellen, der übergriffig wird (ist mir einmal passiert, dass mir einer zu sehr ans Hemd fasste) natürlich genauso verklagen können wie einen Heterosexuellen.
Wenn Sie recht haben, sind die von Ihnen Beschriebenen gefährliche Utopisten, die in den eigenen Entscheidungsspielraum eingreifen wollen. Und wenn sie das Geschlecht umdoktern wollen, und es gibt einen Gott, dann hat dieser Gott deshalb die Muslime geschickt. Aber sie können das auch naturwissenschaftlich betrachten: Wenn eine Tierart sich vollkommen schwächt , füllt die nächste den frei werdenden Raum. Da der Mensch ein Säugetier ist, kann ihm das auch geschehen. Der Hauptfehler ist, die Biologie umdichten zu wollen. Etwas anderes wäre, wenn in den von Ihnen beschriebenen Gruppen Individuen wären, die den normalen Menschen und sein animalisches
Erbgut vollkommen abschaffen wollen – die soll es auch geben. Die sollten sich lieber mal ein paar Stories vom IS ansehen. Der IS betrachtet die Jesiden zu Unrecht als Satanisten. Und wie der IS mit Satanisten umgeht, sehen Sie hier:
http://www.dailymail.co.uk/new.....child.html
Ergo: Geht das zu weit, gibt es potente Möglichkeiten, Angst einzuflößen. Die Kinder kann man nur schützen, indem man sie tolerant, aber selbstständig erzieht.
Oleander, ich würde mit Ihnen die Rechte homosexuell und anderweitig orientierter verteidigen, nicht nur hier, sondern auch im Iran, auf der arabischen Halbinsel, in afrikanischen Staaten und Lateinamerika, das ist doch keine Frage. Es ging um Yin & Yang und warum diese, richtig, vielleicht etwas banale und im Westen zusätzlich ’spirutuell‘ aufgeladene Vorstellung von Komplementarität anscheinend auf einmal zum Problem für einige wird.
W: Walther von der Vogelweide
Es ist elegant, wie Sie es drin haben, ohne das Wort auszusprechen. Mit Heine.
„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“
Heinrich Heine
Subtilität eines gebildeten Reformpädagogen. Chapeau.
Wir bräuchten mehr von Ihrem Schlag.
Eine wunderbare Liste. Vielen Dank.
Zu Wald fällt mir auch ein: „Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.“ Ein Lied, das wohl jeder kennt (Der Mond ist aufgegangen von Matthias Claudius).
D wie Dreißigjähriger Krieg. Das deutsche Trauma schlechthin: Erst bekämpfen sich die Deutschen gegenseitig, und dann werden sie zum Spielball der Nachbarstaaten. Als Folge gab es 150 Jahre Kleinstaaterei, und nach der Reichsgründung drei Folgerungen daraus: 1. Selber möglichst mächtig zu werden, damit kein Nachbar auf dumme Gedanken kommt, 2. die inzwischen 200 verpaßten Jahre Nationalstaat alle auf einmal nachzuholen und 3. Streitkultur bloß nicht zu pflegen, denn das könnte als Uneinigkeit aufgefaßt werden.
Hm, ja, Yin u. Yang sollte Yoga weichen. Das ist inzwischen 1a deutsche Leitkultur und würde auch so manch altem Kochen hier guttun.
N wie Nibelungen. Überhaupt das Zwielicht zwischen Heiden und Christentum. Kombiniert mit W wie Wald und A wie Aachen, nur ohne W wie Wagner. Einer der schönsten Geschichten Europas.
Bis auf die asiatische Verschleierung des kernigen deutschen Rein-Raus, sehr schön! Deutsche Leitkultur! Aber wofür soll das gut sein? Gerade auch die Schlächter hatten sie. Mehr Reflexion! Mehr Moral! Wäre besser.
Erstaunlich, Herr Werner: Wo ich doch in vielen Dingen gänzlich anderer Meinung bin als Sie, unterschreibe ich Ihnen diese grundsätlziche Liste. (Ein paar Punkte wären vielleicht bei mir noch anders – etwas mehr Essen, etwas mehr Landschaft- aber nichts Wesentliches.) Auch die besondere Hervorhebung von J.S. Bach unterschreibe ich gern.