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Assmann, Brumlik, Leggewie, Neiman und Co.: Beredtes Schweigen

Wie so oft bei deutschen Debatten, gibt es auch bei der Debatte um Achille Mbembe die Neigung, statt über die Sache – die antizionistischen Äußerungen und Handlungen des Philosophen – zu diskutieren, sich über Begriffe zu echauffieren.

Und nicht über Begriffe wie „Antisemitismus“, „Antizionismus“, „Postkolonialismus“, sondern über das Verb „vergleichen“. Weil Mbembe vorgeworfen wird, den Holocaust mit der Apartheid und beide mit der israelischen Politik gegenüber „den“ Palästinensern „verglichen“ zu haben, fühlen sich gleich reihenweise Akademiker berufen, uns lang und breit darüber zu belehren, dass „vergleichen nicht gleichsetzen bedeute“; ja, dass vergleichen die Grundmethode der Wissenschaft sei. Womit insinuiert wird, die Kritiker*innen Mbembes hätten von Wissenschaft keine Ahnung oder lehnten, wenn es um den Holocaust gehe, wissenschaftliche Methoden ab.

Äpfel und Birnen

Das ist ermüdend. Die Belehrenden verwechseln schlicht die Sprache der Wissenschaft und die allgemeinverständliche Sprache des Alltags. Das Sprichwort besagt: „Man kann nicht Äpfel und Birnen vergleichen.“ Aber natürlich kann man das: Beide sind Kernobst, wachsen in ähnlichen Breitengraden, werden für Obstsalat verwendet usw. usf. Aber jeder versteht, was gemeint ist.

Nehmen wir die Popmusik, einfach weil mir das gerade einfällt. In „I Saw Her Standing There” singen die Beatles über eine 17-jährige Schönheit: „And the way she looked / Was way beyond compare.” Gemeint ist doch nicht, dass man das Mädchen mit niemandem vergleichen könne, sondern im Gegenteil, dass sie im Vergleich mit allen anderen Mädchen „unvergleichlich“ besser abschneidet. So auch bei Prince und „Noone compares 2 U“. Und so weiter und so fort. Jeder weiß, was gemeint ist, es sei denn, sie will es nicht verstehen.

So auch beim Vergleich des Holocaust mit der Apartheid. Wenn man sagt, das könne man nicht vergleichen, so meint man in der Alltagssprache, dass da „Welten dazwischen liegen“; dass sowohl von der Motivation der Täter her als auch im Hinblick auf die Folgen für die Opfer ein „wesentlicher“ Unterschied besteht, gerade wenn man beide Verbrechen vergleicht. Da es sich um Verbrechen handelt, sind sie natürlich „vergleichbar“. Die Frage ist allerdings, was ein Vergleich bringen soll.

Holocaust und Apartheid

Kommen wir also an dieser Stelle zum inkriminierten Vergleich („nicht Gleichsetzung“, ja, wir wissen das, Kinder), den Mbembe zwischen Holocaust und Apartheid anstellt: In seinem Buch Politik der Feindschaft (2013)heißt es: „Im kolonialen Kontext war die permanente Trennungs- und damit Differenzierungsarbeit zum Teil die Folge der von den Kolonisten empfundenen Angst vor Vernichtung. […] Das Apartheidregime in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns.“

Halten wir fest: Im Hauptsatz heißt es, Holocaust und Apartheid seien „emblematische Manifestationen“ eines „Trennungswahns“. Der „Trennungswahn“ ist also das „Tertium Comparationis“, das einen Vergleich ermöglicht. So wie „Kernobst“ etwa ein Tertium Comparationis zwischen Äpfeln und Birnen darstellt. Durch diesen Vergleich ergibt sich auch für Mbembe ein Unterschied, jedoch nur in der „Größenordnung und dem Kontext“.

Man darf also schon fragen, ob dieser Vergleich zulässig ist; ob der Holocaust wirklich Ergebnis eines „Trennungswahns“ gewesen ist. Gewiss wurden die Juden „abgesondert“, aber das intendierte Endergebnis war immer die „Sonderbehandlung“: der Tod. Dieser Unterschied ist mehr als ein Unterschied in der „Größenordnung“ und im „Kontext“.

Die Angst der Deutschen vor den Juden

Und da wir von Kontext reden: „Im kolonialen Kontext war die permanente Trennungs- und damit Differenzierungsarbeit zum Teil die Folge der von den Kolonisten empfundenen Angst vor Vernichtung.“ Das ist als Analyse nachvollziehbar. Und diese Angst war real begründet. Es gab ja antikoloniale Aufstände, Sklavenaufstände und dergleichen. Will aber Mbembe sagen, dass die Nazis auch „Angst vor der Vernichtung“ durch die Juden hatten? Oder gilt das nur im „kolonialen Kontext“? Tatsächlich hatten die Nazis ja Angst vor der Vernichtung durch die Juden – durch die „Wallstreetjuden“ und die in ihrem Dienst agierenden „Kremljuden“; und tatsächlich sahen sie Deutschland als potenzielle Kolonie des „internationalen Judentums“. Sie stellten durchaus einen „kolonialen Kontext“ her, aber darin waren sie die Ausgebeuteten, die sich gegen die Herren der Welt erhoben. Und das alles war eine Wahnvorstellung.

Mbembe schreibt so verschwurbelt ungenau, dass es schwer ist, ihn auf irgendeine Aussage festzunageln. Jedenfalls werden auch seine Verteidiger*innen zugeben müssen, dass dieser Vergleich zwischen dem Holocaust und der Apartheid – vielleicht bewusst – so angelegt ist, dass seine Bedeutung unklar bleibt. Natürlich kann man behaupten, dass der „Trennungswahn“ in letzter Instanz bedeutet, eine Trennungslinie zwischen lebenswerten und lebensunwerten Existenzen zu ziehen. Es fragt sich nur, welchen Wert ein Begriff hat, der ungenauer ist als „Rassismus“, „Antisemitismus“, „Sozialdarwinismus“, „Eugenik“ und was der Motive und Techniken der Aussonderung mehr sind, und unter dem sie alle subsumiert werden sollen.

Die Juden sind an allem schuld

Wenn man aber diesen schwammigen Oberbegriff akzeptiert, dann muss man ihn hinsichtlich seiner Entstehung befragen. Das Postulat des Postkolonialismus besagt, dass dieser „Trennungswahn“ von den Europäern in den Kolonien als „Laboratorien der Moderne“ entwickelt und dann auf Europa angewendet wurde. Wenn aber der Antisemitismus Ausdruck des Trennungswahns sein soll, dann ist offenkundig, dass er nicht in den Kolonien entstand, sondern im christlichen Europa. Dann aber – wenn Apartheid und Holocaust letztlich dieselbe Ursache haben, nämlich einen europäischen Trennungswahn – entfällt eine wesentliche Grundlage der postkolonialen Theorie.

In manchen Äußerungen Mbembes allerdings scheint er am Ende weder die Kolonialherrschaft noch das Christentum, sondern „Das Alte Testament“ für den Trennungswahn verantwortlich zu machen: also die Juden. In „Necropolitics“ schreibt er, dass der „Wunsch nach einem Feind, nach Apartheid, die Fantasie der Ausrottung … unweigerlich zum Wunsch nach Zerstörung führen, nach Blutvergießen, nach Blut als Gesetz, in ausdrücklicher Kontinuität mit dem lex talionis (dem Gesetz der Rache A.P.) des Alten Testaments“. Hier wird auch verglichen, nicht gleichgesetzt, nicht wahr, aber dass hier nicht nur Äpfel und Birnen, sondern alles Mögliche mit allem Unmöglichen vermengt wird: das werden doch auch die Brumlik, Neiman, Assmann, Leggewie und wie sie alle heißen zugeben müssen, die behaupten, Mbembe wende eine wissenschaftliche Methode des Vergleichens an.

Übrigens ist diese Denkart keineswegs originell, sondern eine der Grundlagen des moderneren Antisemitismus. So sagt der Tempelherr in Lessings „Nathan der Weise“ (II,5) zum Juden Nathan: „Doch kennt Ihr auch das Volk, / Das diese Menschenmäkelei zuerst / Getrieben? Wisst Ihr, / Nathan, welches Volk / Zuerst das auserwählte Volk sich nannte? / Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht hasste, / Doch wegen seines Stolzes zu verachten, / Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes; / Den es auf Christ und Muselmann vererbte, / Nur sein Gott sei der rechte Gott!“

Den nichtproselytenmachenden Juden vorzuwerfen, sie hätten ihren Stolz auf jene Religionen vererbt, die fast die ganze Erde sich untertan gemacht haben, das ist schon ein starkes Stück; ebenso das bewusste Missverstehen der Rede vom „Auserwählten Volk“:  auserwählt nämlich, um Gottes Willen zu tun, was nicht immer ein leichtes Joch war, und wozu auch jenes „lex talionis“ gehörte, in dem Gott den Juden auferlegte, die Strafe müssen angemessen sein: Ein Auge für ein Auge – nicht, wie im mittelalterlichen christlichen Europa üblich, ein menschenleben für ein gestohlenes Stück Brot! Aber lassen wir Mbembes Vorurteile, vermutlich Ergebnis seiner Erziehung bei den Dominikanern.

Die Skala des Bösen und die Demagogie des Herrn Mbembe

Kehren wir zum Thema „Vergleich“ zurück. Wenn das Tertium Comparationis bei Apartheid und Holocaust der Trennungswahn ist, so ergibt sich beim Vergleich eine Art Skala: An einem Ende der Holocaust, und irgendwo – nicht nötig am ganz anderen Ende, aber „in ganz anderer Größenordnung“ die Apartheid. Diese Skala könnte man also als eine Messlatte des Schlimmen oder Bösen oder Verbrecherischen betrachten, von der Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in Südafrika bis hin zur Vernichtung der Juden in Europa. Wo nun ist auf dieser Messlatte des Bösen die Politik Israels gegenüber „den Palästinensern“ anzusiedeln?

Verteidiger Mbembes sagen immer und immer wieder, Mbembe habe ja nicht die Apartheid mit der israelischen Besatzungspolitik gleichgesetzt; vergleichen werde man aber dürfen. Richtig. Er vergleicht. Und kommt unter anderem im Vorwort des 2015 erschienenen Bandes „Apartheid Israel“ zum Ergebnis, die „Besatzung Palästinas“ sei „der größte moralische Skandal unserer Zeit“, die israelische „Apartheid“ sei „schlimmer“ und „tödlicher“ als jene des rassistischen Südafrikas, denn das israelische Vorgehen ziele auf die „schrittweise Vernichtung“ der Palästinenser.

Also, auf der Skala des Trennungswahns liegt die „Besatzung Palästinas“ (und auch hier wird in typischer Mbembe-Manier unklar gelassen, was damit gemeint sein soll) mit dem Ziel der „Vernichtung“ der Palästinenser irgendwo zwischen Apartheid und Holocaust. Und da Mbembe den Afrikaanern nicht vorwirft, die „schrittweise Vernichtung“ der Schwarzen geplant zu haben, so muss man annehmen, dass Israels Politik auf der Messlatte des Bösen näher am Holocaust liege als an der Apartheid.

Micha Brumlik, Susan Neiman, Aleida Assmann, Claus Leggewie, Stephan Detjen und wie Sie alle heißen, die Sie so eilfertig Herrn Mbembe beigesprungen sind: Ist dieser Vergleich legitim? Ist das noch Wissenschaft, oder ist das schon Demagogie? Warum schweigen Sie so beredt?

Das Bild zeigt die palästinensische Terroristin Leila Khaled bei einer BDS-Veranstaltung in Südafrika

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179 Gedanken zu “Assmann, Brumlik, Leggewie, Neiman und Co.: Beredtes Schweigen;”

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    @Ben Frick (8. Juni, 23.28 Uhr): Ich weiß nicht recht, wen oder was Sie da zusammenfassen, lieber Herr Frick – *meine* Zeilen ganz gewiß nicht! -, aber wie kommen Sie nur wieder auf solche kruden Schlußfolgerungen wie „womit die Farbe Grau eigentlich ein Elefant ist“ bzw. „womit Trennung eigentlich Vernichtung ist“?!?!? Nun gut: Sie werden hoffentlich wissen, was Sie damit meinten…

    @Thorsten Haupts (9. Juni, 18.20 Uhr): Gerne, gerne, lieber Herr Haupts; ich helfe ja, wo ich kann. Auch wenn ich darüber ins Grübeln komme, aus welcher meiner Wortmeldungen Sie entnommen haben wollen, „die Heroen der ‚Postcolonial Studies'“ würden alles mit jedem verquicken, um „sich für den so gerührten Quark einen fadenscheinigen ‚theoretischen‘ Oberbegriff zu suchen“. Offenbar unterlag ich, wie ja schon Herr Fricks Kommentar sehr klar macht, einer Selbsttäuschung, als ich guten Glaubens war, einigermaßen deutlich und unmißverständlich zu schreiben. Sei’s drum. Sollten Sie durch das Ausblenden der Postcolonial Studies mehr Zeit für anderes und Ihnen näher liegendes finden, freut’s mich für Sie. ‚Jeder Jeck is anders‘, wie man in meiner kölner Wahlheimat sagt; was ja nichts anderes meint als das klug zu beherzigende Goethe-Diktum ‚Eines schickt sich nicht für alle’…

    @Alan Posener (8. Juni, 15.45 Uhr): Ob Agamben „zum Verständnis des Kriegs der Deutschen gegen die Juden“ nichts beizutragen hat, weiß ich nicht; es kommt sicher sehr darauf an, *was* man über die nazistische Vernichtungsmaschinerie wissen will, die ja zweifellos unzähligen Forschungsperspektiven Raum gibt. Er zeigt anhand der merkwürdigen Rechtsfigur des ‚homo sacer‘ durchaus, daß das, was gemeinhin für (auf europäischem Boden) undenkbar galt, eben keineswegs undenkbar war, sondern einer bestimmten, strengen Begriffslogik folgt. Und nur um diese (in ihrer Verzahnung von Trennung und Vernichtung) ging es mir, da Herr Frick ja ganz ausdrücklich danach gefragt hatte. – Sie haben aber gewiß ganz recht: zur Klärung der Frage, warum ausgerechnet unter Hitler und seinen willigen Vollstreckern der Krieg gegen die Juden zu so einer mörderischen Obsession geworden ist, reicht der Begriff der ‚Tötbarkeit‘ allein natürlich *nicht* hin. Allerdings geht es Herrn Agamben (so wenig wie Achille Mbembe) um irgendeine Generalthese zur geschichtlichen Genese des Holocaust, daher wird man ihm diesen ‚Mangel‘ nicht als ein Erklärungsdefizit vorhalten können…

    @Ben Frick (5. Juni, 4.35 Uhr): „Wissenschaftliche Definitionen des Konstruktes ‚fantasme de séparation‘ und der ’séparation‘, die Mbembe in seinem Buch synonym zu verwenden scheint, suche ich bisher vergeblich.“ – Ich habe mich schon bei den Kommentaren von Herrn Posener („Es ist nicht ’science'“ und dergleichen mehr) gefragt, wie man nach Lektüre auch nur weniger Abschnitte von ‚Politiques de l’inimitié‘ der Meinung sein kann, Herr Mbembe habe einen wissenschaftlichen Text auch nur vorlegen *wollen*. Es wird schon kein Zufall sein, wenn er von seinem Büchlein als von einem ‚essai‘ spricht – eine literarische Form, die sich im allgemeinen mit jener einer wissenschaftlichen Abhandlung sehr schlecht verträgt; „la réflexion qui suit“, kündigt Mbembe in seiner Vorbemerkung das Folgende an – eine ‚Reflexion‘, ein ‚Nachdenken-über’… Das mag man mögen oder nicht, es sollte jedenfalls hindern, falsche Maßstäbe an diesen Text anzulegen und sich dann über sein vermeintliches Ungenügen zu echauffieren oder über Mißverstandenes zu klagen…
    Allerdings läßt sich mit ein wenig Mühe durchaus das Material zu einer sich aus dem Text ergebenden und sinnvollen Definition zusammentragen. Und Mühe macht weniger das Finden einer Textstelle, die als Definition dienen könnte, sondern sehr viel mehr der theoretische Kontext, in den sie (die Definition) eingebettet ist, namentlich die Psychoanalyse nach Jacques Lacan.
    Dummerweise ist mir, wie ich justament sehe, jene Webseite, die ich nach langem Suchen gefunden hatte – eine Buchhändler-Homepage, die in der Vorschau des Büchleins tatsächlich den gesamten Text der Originalausgabe einsehen ließ – wieder entwischt; sprich: ich muß erst wieder auf die Suche gehen und melde mich nach erfolgreichem Netzfund wieder…

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      Ich antworte ganz kurz auf den Abschnitt zu Agamben, lieber Stefan Nottelmann: „Tötbar“ und insofern homo sacer ist jeder Soldat im Krieg, ja jeder bewaffnete Gegner des Staates, ob er nun aktuell aktiv kämpft oder nicht. Bombardements von Kasernen und Ausbildungslagern sind ja legitim.
      Nun kann man sagen: Siehste: Trennung! Denn der Soldat wird (hoffentlich) ausgesondert vom Rest der Bevölkerung und entsprechend kenntlich gemacht. Ja, das Perfide etwa an der Hamas ist das Fehlen dieser Aussonderung: das Etablieren von Kommandozentralen in Krankenhäusern, das Ausstatten von verhüllten Frauen mit Sprengstoffgürteln usw.
      Freilich ist auch diese „Trennung“ – die, das muss man betonen, eine „gute“ Trennung ist, wie viele Trennungen, so etwa die Trennung von Infizierten und Kranken! – längst in der Praxis überwunden, nicht nur bei den heutigen Terroristen. Im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg genügte es, am falschen Ort zu sein, um tatsächlich oder potenziell Opfer von Bomben zu sein. Jede war potenziell „homo sacer“. Es ist offenkundig aber, dass es nicht das Ziel der Westalliierten war, die Deutschen auszulöschen; das unterscheidet ihre Kriegsverbrechen (denn ich halte die Flächenbombardements für Kriegsverbrechen) vom Holocaust.
      Sie sehen, solche „metaphorischen Zusammenschauen“ bringen wenig, ja verunklaren meistens. Gegen die Juden wurde ein Vernichtungskrieg geführt. Nicht gegen die Slawen, obwohl das, was ihnen angetan wurde, schlimm genug war. Nicht gegen die Briten und Amerikaner. Nicht gegen die Schwarzen in Südafrika. Nicht gegen die Hindus und Muslime in Britisch-Indien. Nicht auf den Sklavenschiffen. Wissenschaft heißt vergleichen und vor allem differenzieren. Da sind wir uns hoffentlich einig.

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      @Stefan Nottelmann
      Ja, lieber Herr Nottelmann. Der Wissenschaftler Mbembe vernachlässigte die wissenschaftliche Methodik und rechtfertigte das mit der Gattung des Essays. Und ich bemerkte, dass er eines seiner gedanklichen Konstrukte nicht klar definierte.

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    @Ben Frick (5. Juni, 4.35 Uhr)
    Eigentlich wollte ich mich – nicht zuletzt aus Zeitgründen – weiterer Kommentare enthalten, aber es wäre unhöflich, auf Ihre freundlichen Nachfragen nicht einzugehen, lieber Herr Frick.
    Heute beschränke ich mich auf Ihre kritische Anfrage ganz zum Schluß Ihres Posts, wie man denn den Begriff der Vernichtung jenem der Trennung unterordnen könne (immer vorausgesetzt, nehme ich an, daß bei dieser Frage der Völkermord an den Juden das Kernthema ist); füge aber gleich hinzu: im Grunde ist ja Herr Mbembe das Thema und nicht meine Fähig- oder Unfähigkeit verschiedene Begriffe einander zu subordinieren, daher versuche ich es kurz zu halten.
    In meinem Post vom 30. Mai hatte ich den Holocaust – ich werde den Begriff seiner Gängig- und Griffigkeit halber weiter verwenden, trotz des Einwands, den ich zum Schluß hin referieren werde -, also ganz ausdrücklich: „die Vernichtung der europäischen Juden“, von der Herr Mbembe schreibt, strikt am Leitfaden des Begriffs der Trennung als stufenweise Eskalation in ein Schema gebracht. Nun lassen sich die verschiedenen Stufen – gerade die ersten drei – umstandslos als Differenzierungen des Begriffs der Trennung bzw. des Trennungswahns lesen. (Damit geht zwar das Moment der zeitlichen Abfolge verloren, das tut den Begriffsverhältnissen, um die allein es Ihnen ja zu tun ist, aber keinen Abbruch.) Nun würde ich beim Unterbegriff ‚räumliche Trennung‘ (wie geschehen) weiter differenzieren: ‚exterritorial (Ausweisung, erzwungene Emigration)‘ bzw. ‚territorial: Internierung in Konzentrationslagern‘ und – da es Ihnen um den Vernichtungsbegriff geht – die ‚territoriale Trennung‘ noch einmal weiter aufsplitten in ‚reversibel – irreversibel‘: reversibel ist eine Internierung (jedenfalls im Prinzip), wenn es sozusagen ‚Haftentlassungsgründe‘ gibt, welche die Internierung für Einzelpersonen oder bestimmte Gruppen aufheben, irreversibel, wenn sich kein Fall denken läßt, in dem ein Wechsel in die reversibel internierte Gruppe möglich ist. Gründe dafür, bereits in KZs verbrachte Insassen wieder aus dem Lager abzuziehen, könnte man etwa in der Sonderqualifikation bestimmter Insassen sehen, die sie für andere Operationen mit hohem Spezialisierungsgrad empfehlen. (Nur als fingiertes Beispiel: Man weiß, daß im Kampf der alliierten Dechiffrierer gegen die Verschlüsselungstechniken des deutschen Militärs polnische Logiker ganz wesentliche Beiträge geleistet haben. Man könnte sich nun vorstellen, daß ein polnischer Jude im KZ durch seine exzeptionellen logisch-mathematischen Fähigkeiten auffällt und von den zuständigen Behörden aus dem Lager abgezogen wird, um fortan die deutschen Kryptologen zu unterstützen.)
    Im Falle der irreversiblen Verbringung von Gefangenen in Internierungs- und Konzentrationslager werden diese Lager mit der Zeit ja wie von selbst – also auch abgesehen von gezielten Tötungen durch die Lagerkommandos – zu Totenhäusern, denn die Unumkehrbarkeit der Einschließung ins Lager heißt ja nichts anderes, als daß man es nicht mehr als Lebender verlassen wird. Damit wäre dann der Vernichtungsbegriff – nicht nominell, aber der Sache nach – erreicht…
    Tatsächlich gibt es aber eine wesentlich einfachere (also: fürchterlichere) Weise, den Trennungs- und den Vernichtungsbegriff so aneinander zu koppeln, daß der letztere aus dem ersteren folgt. Das Euthanasieprogramm der Nazis – das die Tötungsabsicht, wenngleich beschönigend, ja schon im Namen trägt – trifft eine einfache begriffliche Unterscheidung, die ihrerseits eine zwingende soziale Trennung bedingt, nämlich die zwischen ‚lebenswertem‘ und ‚lebensunwertem Leben‘. Da das Programm ausdrücklich die ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens‘ zum Ziel hatte, ist mit der begrifflichen und sozialen Trennung fast unmittelbar die physische Vernichtung mitgedacht, und so ist es in gewisser Weise nicht erstaunlich, daß die Ermordungen solcher Menschen, die in den Augen der Nazi-Eugeniker psychisch oder physisch Degenerierte waren, der Shoah und dem Porajmos um Jahre vorausgingen. In diesem Falle ist übrigens entgegen Ihrer Annahme die Trennung (von all den Menschen nämlich, deren Leben es wert ist gelebt zu werden) auch die Ursache für eine Vernichtung – der ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens‘.
    Es gibt aber auch eine noch grundsätzlichere begriffliche Trennung, die eine drohende Vernichtung unmittelbar mitdenken läßt; Giorgio Agamben hat in seinem schlanken ‚Homo sacer‘-Bändchen darauf hingewiesen (und natürlich fehlt auch das Beispiel der Konzentrationslager nicht): Agamben macht zunächst durch die Interpretation bestimmter Aristoteles-Stelle darauf aufmerksam, daß die alten Griechen unterschieden haben zwischen ‚bíos‘ und ‚zoé‘ – dem politisch schon irgendwie qualifizierten und dem schieren, bloßen, ’nackten‘ Leben (wie es dann bei Agamben heißt). Diese Bestimmungen von ‚Leben‘ sind nicht zur Deckung zu bringen und lassen in menschlichen Gemein- oder Gesellschaften Raum für Menschen, die außerhalb des ‚bíos‘ stehen. Agamben findet eine mit dieser Begriffsunterscheidung vergleichbare Rechtsfigur in der Rede vom ‚homo sacer‘, jenem Menschen, „der getötet werden darf, aber nicht geopfert werden kann“, und führt die ‚Tötbarkeit‘ eines in diesem Sinne vogelfreien Menschen darauf zurück, daß er durch diese eigenartige Rechtsfigur aus dem juridischen Raum herausgerückt wird in den Bereich des nackten Lebens. Hier ist also aus der antiken Begriffsscheidung, der Trennung von ‚bíos‘ und ‚zoé‘, die Vernichtung eines Menschen oder ganzer Menschengruppen in einem ausdrücklich vom Recht ausgenommenen Bereich… nicht vorgedacht, aber grundsätzlich ermöglicht. Es sollte mich wundern, würde Mbembe dieses Büchlein nicht kennen…
    Und weil für Agamben auch die KZ-Insassen unter den Begriff des ‚homo sacer‘ fallen, fällt die Bezeichnung ‚Holocaust‘ (wörtlich: Brandopfer) eigentlich aus: „Unter dem Nazismus ist der Jude … ein flagranter Fall von ‚homo sacer‘, im Sinn eines tötbaren und nicht opferbaren Lebens. Deswegen stellt seine Tötung … weder den Vollzug eines Todesurteils noch eines Opfers dar, sondern die Verwirklichung einer schieren „Tötbarkeit“, die der Bedingung des Juden als solcher inhärent ist“ usw. (bzw. die Fortsetzung, „daß die Juden nicht im Verlauf eines wahnsinnigen und gigantischen Holocaust, sondern buchstäblich, ganz Hitlers Ankündigung gemäß, „wie Läuse“, das heißt als nacktes Leben vernichtet worden sind“).

    Zu allem anderen an einem der nächsten Tage mehr…

    1. avatar

      Ich habe nicht den Eindruck, dass Agamben mit dem Begriff „homo sacer“ irgendetwas zum Verständnis des Kriegs der Deutschen gegen die Juden beigetragen hat. Denn darum ging es, nicht um „Tötbarkeit“ schlechthin. Es ging um einen Vernichtungskrieg, der erst zu Ende gewesen wäre, wenn die verjudete Sowjetunion und die verjudeten USA besiegt gewesen wären.

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      @Stefan Nottelmann
      Danke für Ihre ausführliche Antwort.
      Ich fasse zusammen:
      Der Elefant hat die Farbe Grau, also manifestiert der Elefant die Farbe Grau, womit die Farbe Grau eigentlich ein Elefant ist.
      Vernichtung setzt Trennung voraus, also manifestiert Vernichtung Trennung, womit Trennung eigentlich Vernichtung ist.

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        Mir fällt der fatale Hang zu Umkehrschlüssen immer wieder auf: Er verstellt zunächst den Blick auf die Kausalitäten und lässt in der Folge jeglichen Vergleich zu. Beispiel:
        Es gibt Schwarze, die stehlen, es gibt Zigeuner, die stehlen.
        Umkehrschluss:
        Alle Schwarzen stehlen, alle Zigeuner stehlen.
        Vergleich:
        Wer ist in dieser ‚Disziplin‘ erfolgreicher?

        => Südafrika – Israel..
        => Aktuell: Alle Polizisten unter Generalverdacht des Rassismus.
        Welche Polizei ist rassistischer? USA – D?

        Soviel zum Geisteszustand unserer prominenten linken ‚Denker*innen‘.

        Was Deutschland angeht (auch als Erwiderung auf ihre Antwort an mich um anderen Diskussionsstrang):
        Die Annahme, dass der Holocaust als zwingende Folge eines Trennungswahns auch nur eine Art der Kolonialisierung sei (ich vereinfache etwas), verstellt den Blick auf die von Götz Aly aufgeworfene und immer noch nicht beantwortete Frage, wie es kommen konnte, dass sich im damals vielleicht fortschrittlichsten, kultiviertesten und freiheitlichsten Land der Welt ein so großer Teil der Bevölkerung gleichgeschaltet hat. Um unter vielem Anderem eine mit technokratischer Perfektion emotionslos optimierte Tötungsindustrie in Europa zu errichten.
        Welche Persönlichkeitsmerkmale ermöglichen das?
        Platte linke Wurschtigkeit à la Mbembe (u.v.A.) wird uns diese Frage nicht beantworten können oder wollen.

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        @KJN
        „Mir fällt der fatale Hang zu Umkehrschlüssen immer wieder auf: Er verstellt zunächst den Blick auf die Kausalitäten und lässt in der Folge jeglichen Vergleich zu. Beispiel:
        Es gibt Schwarze, die stehlen, es gibt Zigeuner, die stehlen.
        Umkehrschluss:
        Alle Schwarzen stehlen, alle Zigeuner stehlen.
        Vergleich:
        Wer ist in dieser ‘Disziplin’ erfolgreicher?

        => Südafrika – Israel..
        => Aktuell: Alle Polizisten unter Generalverdacht des Rassismus.
        Welche Polizei ist rassistischer? USA – D?

        Soviel zum Geisteszustand unserer prominenten linken ‘Denker*innen’.“
        Was Sie zur Problematik der Umkehrschlüsse schreiben, findet meine volle Zustimmung. Aber warum verorten Sie diese Art der Argumentation exklusiv bei den „Linken“? Ähnliche Argumentationsmuster finden Sie auch auf der „Rechten“ und in der „Mitte“ (BRD =DDR 2.0, „Die zwei deutschen Diktaturen“, …).
        „… die von Götz Aly aufgeworfene und immer noch nicht beantwortete Frage, wie es kommen konnte, dass sich im damals vielleicht fortschrittlichsten, kultiviertesten und freiheitlichsten Land der Welt ein so großer Teil der Bevölkerung gleichgeschaltet hat. Um unter vielem Anderem eine mit technokratischer Perfektion emotionslos optimierte Tötungsindustrie in Europa zu errichten.
        Welche Persönlichkeitsmerkmale ermöglichen das?“
        Da ist die Geschichtswissenschaft doch schon ein ganzes Stück weiter in der Beantwortung dieser Frage! (War eine „emotionslos optimierte Tötungsindustrie in Europa“ wirklich wesentlich für den Holocaust? Ich meine, nein! Aber das würde hier zu weit führen.) Lesen Sie David Bankier zur öffentlichen Meinung im NS-Staat. Oder Christopher Browning zur Genesis der Endlösung und sein Buch „Ganz normale Männer“. Michael Wildt zur Elitenforschung im NS-Staat. Ian Kershaws Arbeiten zum „Hitler-Mythos“ oder seine nach wie vor unübertroffene Biographie zu Hitler, die gleichzeitig eine Geschichte des „3.Reiches“ ist. Götz Alys „Vordenker der Vernichtung“ (mit Susanne Heim, sein, wie ich finde, bestes Buch). Usw. usf.
        Die Frage, wie „das“ geschehen konnte, wie Sie sie stellen (und viele andere auch), kann man zu einem Gutteil beantworten. Da muss man nichts „verrätseln“.

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        „… wie es kommen konnte, dass sich im damals vielleicht fortschrittlichsten, kultiviertesten und freiheitlichsten Land der Welt ein so großer Teil der Bevölkerung gleichgeschaltet hat. …“

        Diese Frage hat mich lange beschaeftigt. Nach einer langen Kette von Nchrichten aus anderen Teilen der Welt und einigen Rueckblicken in die Historie habe ich sie mir selbst auch befriedigend beantwortet: In Situationen, in denen grosse Teile der funktionalen Eliten (aus welchem Grunde auch immer) Unmenschlichkeit zu einem Gebot der Menschlichkeit umdefinieren, kriegt das sowohl jeder Staat als auch jede Bevoelkerung hin.

        Mir waere es uebrigens lieber gewesen, ich waere zu der Erkenntnis gekommen, dass es etwas spezifisch „Deutsches“ war …

        Gruss,
        Thorsten Haupts

      4. avatar

        @Klaus J. Nick
        Ja, welche Persönlichkeitsmerkmale, welche Erziehung, welche Kultur?
        Meine Meinung: Die Frage/n können wir nicht abstrakt ohne einen Blick in die Familien beantworten. Ich verstehe mehr, wenn ich meine Familie anschaue.
        Die Kinder versäumten es oder scheiterten. Die Enkel, meine Generation, verbocken es gerade.

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        @Stefan Trute
        Ich verorte den Hang zu Umkehrschlüssen keineswegs nur links, wie mein erstes Beispiel ja vermuten lässt. Allerdings lassen sich den real existierenden linken Parteien, deren Milieus, Haltungsfanatikern und Sprachpolizist*innen die sich – ach so moralisch blitzeblank – ‚diesmal‘ auf der richtigen Seite wähnen, eine hässliche Blöße, die nur auf absoluter Überheblichkeit gedeihen kann, nach der anderen nachweisen. Natürlich schwingt da bisweilen noch ein wenig Enttäuschung über diesen ‚elitären‘ dämlichen Narzissmus mit. Die SPD mit Esken & ‚Nowabo‘ stirbt gerade dran.
        Danke für die Buchempfehlungen, ich werde sicher das eine oder andere mal lesen, insbesondere natürlich ‚Vordenker der Vernichtung‘ das ich noch nicht kenne. Allerdings vermute ich stark, dass Historiker alleine die Aufarbeitung nicht leisten können.

        @Thorsten Haupts
        „In Situationen, in denen grosse Teile der funktionalen Eliten (aus welchem Grunde auch immer) Unmenschlichkeit zu einem Gebot der Menschlichkeit umdefinieren, kriegt das sowohl jeder Staat als auch jede Bevoelkerung hin.“
        ..was ja nur mit erheblichem Fanatismus funktioniert.
        „Mir waere es uebrigens lieber gewesen, ich waere zu der Erkenntnis gekommen, dass es etwas spezifisch “Deutsches” war … „
        Das spezifisch Deutsche gibt die Geschichtswissenschaft ja eigentlich nicht her, zumindest, wenn man an das Frankenreich das Heilige Römische Reich und Preußen denkt. Ich habe bisweilen an die moralischen Folgen des 30-Jährigen Krieges gedacht, aber das ist so müßig, wie monokausal. Grüße zurück

        @Ben Frick
        „Die Kinder versäumten es oder scheiterten. Die Enkel, meine Generation, verbocken es gerade.“
        Genau das meine ich. Aber Ihnen zumindest fällt es ja doch auf. Und ja, man kann es nicht abstrakt beantworten, sondern bisweilen nur sehr privat. Und vor allem: Man kann es nicht deligieren – weder an die Historiker, noch an eine Partei, die uns vor so etwas rettet, und schon gar nicht sich durch ‚Haltung‘ dagegen ‚immunisieren‘. Fanatismus scheint mir ein wichtiges Schlüsselwort zu sein.

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        @Ben Frick
        „Die Kinder versäumten es oder scheiterten. Die Enkel, meine Generation, verbocken es gerade.“
        Genau das meine ich. Aber Ihnen zumindest fällt es ja doch auf. Und ja, man kann es nicht abstrakt beantworten, sondern bisweilen nur sehr privat. Und vor allem: Man kann es nicht deligieren – weder an die Historiker, noch an eine Partei, die uns vor so etwas rettet, und schon gar nicht sich durch ‚Haltung‘ dagegen ‚immunisieren‘. Fanatismus scheint mir ein wichtiges Schlüsselwort zu sein.

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        @kjn:

        „Ich habe bisweilen an die moralischen Folgen des 30-Jährigen Krieges gedacht …“

        Völlig irrelevanter Nebenkriegsschauplatz, aber … Sehr interessant, dass Ihnen das in den Kopf kam. Meine Standardantwort seit vielen Jahren auf die Frage, warum Deutschland so spät Nationalstaat wurde, war und bleibt „Der dreissigjährige Krieg natürlich“.
        Historische Beweise für ein warum gibt es zwangsläufig nicht. Ich halte es nur für extrem unwahrscheinlich, dass der für eine Bevölkerung blutigste Krieg Europas in den letzten 500 Jahren (1/3 der Gesamtbevölkerung Deutschlands starb im Krieg. 33% – ein historisch ziemlich einmaliger Blutzoll) keine Spuren hinterlassen haben sollte.
        Und vielleicht hatte er die auch noch woanders, als ich vermuten würde, nur dass mir bei der gedanklichen Verbindung der Zusammenhang weniger einleuchtet. Für die Nationalstaatswerdung dagegen ist er offensichtlich.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

    3. avatar

      Je mehr ich hier ueber die Heroen der „Postcolonial Studies“ erfahre, umso mehr bin ich dankbar dafür, mich mit dem offenkundigen Unsinn nicht näher befasst zu haben. Das war bisher mehr der tatsache geschuldet, WER sich zu welchem Anlass auf irgendwelche Erkenntnisse dieser „Studien“ berief. Aber nach Herrn Nottelmanns Ausführungen hier gehen führende Vertreter des Faches nach der mir hinlänglich bekannten Methode vor, alles mit allem zu verquicken und sich für den so gerührten Quark einen fadenscheinigen „theoretischen“ Oberbegriff zu suchen. Ich kannte das bisher nur von „Antiimperialisten“ oder Rechtsradikalen und lerne jetzt weitere Vertreter eines mühsam als Wissenschaft getarnten politischen Aktivismuszweiges kennen.

      War insoweit die Mühe des Lesens wert, also: Danke, Herr Nottelmann :-).

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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    @ Übersetzung nach Ben Frick
    Ja, zumindest diese Aussagen Mbembes sind überhaupt nicht abwegig, nicht mal falsch, geht man eben nicht ins Detail. Dass Israel als jüdischer Staat als Grundidee eine Trennung von Juden und Nicht-Juden hat, ist unstrittig, sonst wäre es nicht der nationale Staat der Juden. Ägypten ist der Staat der Ägypter, ohne gedankliche Trennung von Ägyptern und nicht-Ägyptern, würde es ja keinen Sinn machen.
    „Zunächst einmal beruht dieses Projekt auf einer sehr einzigartigen metaphysischen und existentiellen Grundlage.“
    Tatsächlich ist das Judentum älter als der südafrikanische Calvinismus, das sind Serben und Ungarn, Orthodoxie und Katholizismus übrigens auch. Nehmen wir den Islam dazu, ist eigentlich fast alle älter, hat apokalyptische Momente (Serben zB Kosovo, Ungarn Trainon etc). Dazu gleich mehr.
    Wie strickt diese Trennung ist, ob sie salopp ein Trennungswahn ist, kann man tatsächlich mit Vergleichen am besten beurteilen. Man könnte den Anteil von Nicht-Juden mit israelischer Staatsbürgerschaft mit den Zahlen von eingebürgerten Migranten oder nationalen Minderheiten in anderen Staaten vergleichen. Dann stellt man fest, dass Israel die Technik der Tröpfchenbewässerung gemeistert, in Fragen der Trennung aber krachend gescheitert ist. In Israel wimmelt es vor nichtjüdischen Israelis.
    „Dann sind die Auswirkungen des israelischen Projekts auf den palästinensischen Körper aufgrund seines High-Tech-Charakters weitaus einschneidender als die relativ primitiven Operationen, die das Apartheidregime in Südafrika zwischen 1948 und Anfang der 1980er Jahre durchführte.“
    For the sake of argument, beziehen wir das auf die besetzten Gebiete, also arabische Palästinenser ohne israelische Staatsbürgerschaft. Auch hier hat er dann doch vollkommen Recht. Während in Südafrika der Andere rein farblich leicht zu erkennen war, es reichte ein Gebiet mit Hunden und Gewehren abzuriegeln, verfolgt Israel aktiv terroristische Zellen. Dazu wird die arabische Bevölkerung in den besetzten Gebieten flächendeckend überwacht. Ziel ist es nicht, Araber zu jagen, sondern gewalttätige Zeitgenossen aufzuspüren. Gerade weil die israelischen Behörden sich mühen, im Einzelfall zu unterscheiden, ist der High-Tech Aufwand notwendig und auf dem modernsten Stand. Das Ermöglicht erst eine Mischung der Gruppen, zB Gastarbeiter in Israel oder Investitionen in den besetzten Gebieten mit gemischten Belegschaften. High-Tech bewirkt nicht Trennung, sondern hilft, sie zum Teil zu überwinden. Richtig, die Mühe wurde in Südafrika nicht aufgebracht.
    „Das Besondere dieser Art von Trennung [„des israelischen Projekts“] ist nicht nur, dass sie sich gerne mit Besatzung und, falls nötig, mit Rückzug zufriedengibt. Vielmehr kann sie sich jederzeit in eine Erdrosselung transformieren. Die Besatzung ist in jeder Hinsicht ein Nahkampf in einem Tunnel.“
    Auch das ist ja richtig. Die Erdrosselung ist die Abschreckung, die dafür gesorgt hat, dass die Serie am Kriegen, geführt von den arabischen Nachbarn, abgerissen ist. Wie groß die Ressourcen waren, die dadurch bei den arabischen Nachbarn in ihre eigenen Länder umgeleitet (oft leider eben nicht) kann man anhand des BIP ausrechnen. Zum Tunnelkampf wird es buchstäblich, weil die Hamas die Fähigkeit, Israel anzugreifen, ja aus Tunneln bezieht. Da erst die Drohung mit der Erdrosselung eine Generation von Juden und Araber vor dem Tod bewahrt hat, macht sie im Kontext einen anderen Sinn. Und Israel besteht auf sie, wen wunderts?

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      Entscheidend ist der Spin. Die Vergleiche und Aussagen sind zum Teil zutreffend, weil sie banal oder ohne Kontext sind. Ja, kann man so sagen. Das Frage ist, warum man es so sagt, auch wenn man die Wahl hätte, es nicht so zu sagen. Und da haben sich diese Aussagen eine Debatte nach den Motiven redlich verdient. „Die apokalyptischen und schrecklichen Ressourcen, die ihm zugrunde liegen, sind weitaus komplexer und in einem längeren Zeitraum verwurzelt als diejenigen, die der südafrikanische Calvinismus ermöglichte.“ Ich kenne den Kontext nicht (kann mich also vollkommen irren), ich bekomme trotzdem hier ein Schaudern, wenn ich das lese. Im besten Fall bezieht er sich auf die Geschichte antisemitischer Verfolgung in Europa (dann nicht zu bestreiten), im schlimmsten Fall ist es Geraune über den archaischen Juden. Liest man die nächsten Zeilen, geht es wohl eher um die Unerbittlichkeit des Judentums. Dann schließt sich auch der Kreis, warum Mbembe nicht bei einer israelischen Friedensgruppe, sondern beim BDS gelandet ist. Ich kann mir vorstellen, dass die Erzählungen der arabischen Palästinenser, die ihr nationalistisches Narrativ lautstark in die Welt tragen, mit einer klassisch-katholischen Sichtweise auf einzelne Religionsgruppen zusammengetroffen sind. Arabische Propaganda und katholischer Antijudaismus. Dass der Spinn dann einem jüdischem Nationalstaat nicht schmeichelt…ganz ehrlich, das ist für Europäer nichts neues. Das hatten wir zuletzt bei der Beschneidungsdebatte vor paar Jahren gesehen, als auch ein aufgeklärtes, humanistisches und universalistisches Publikum sich plötzlich vor archaischen und grimmigen Pimmelabhackern gruselte, die auch noch so verstockt waren, dass sie es nicht einsehen wollen, und das im 21sten Jahrhundert! Geht das Jüdischsein über Kochrezepte oder die jüdische Vuvuzela, die Klezme, hinaus, hört der Spaß auch hier recht schnell auf. Kein Universalist versteht sich als Antisemit. Das universelle Angebot gilt für alle, auch für Juden. Deswegen sind Linke als Parade- Universalisten auf dem Ohr ja so taub. Oder Monotheisten, deren Heil allen offen ist. Was an Juden so unerträglich ist, ist dass sie auf diese Angebote dankend verzichten, es gibt eine lange Tradition an enttäuschter Liebe. Luther als Beispiel. Das Judentum ist die seit tausenden Jahren dokumentierte Ablehnung, gleich den anderen zu sein. Für viele Universalisten, als welcher sich Mbembe ausdrücklich versteht, eine Kränkung. Deswegen beeindrucken mich einige der linken/jüdischen Führsprecher nicht sonderlich, die sind nicht anders als die anderen.

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        Ja. Unbedingt. Und zugleich richtet sich der national-identitäre Kampf ja auch gegen den „jüdischen Universalismus“, verkörpert heute durch George Soros. Der Punkt ist, dass letztlich „der Juden“ oder „die Juden“ tatsächlich ein „Phantasme“ sind, ein Wahn der Antisemiten. Darin übrigens sind sie nichts Besonderes. „Der Schwarze“, „Der Weiße“, „Der Moslem“ „die Frau“ usw. Der Unterschied besteht im Inhalt des Wahns; in dem, was den Juden zugeschrieben wird.

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      Was ich da schreibe, kann auf Mbembe bezogen, vollkommen falsch sein. Ich kenne sein Werk nicht, kann erst recht kein Französisch und lasse mich gerne berichtigen. Nur, ausgehend von den Verteidigern Mbembes, seinen Kritikern und den Textausschnitten, erscheint mir diese Erklärung am schlüssigsten. Ist man linker Universalist (bei aller Dehnbarkeit des Begriffs) und lebt nicht im Keller, gibt es keine Chance, der Propaganda arabische Palästinenser und ihrer Unterstützer zu entgehen. Wer hat sich bei Pallywood-Geschichten nicht schon mal gegruselt? „Der Kampf um Befreiung ist International“ und die richtigen Knöpfe werden gedrückt. Mbembe wäre nicht der erste, der dem arabischen Nationalismus, der so gar nichts universalistisches hat, auf den Leim gegangen ist. Mittlerweile ist der nicht mal mehr links, er hat Gott entdeckt, spukt aber im Westen, wo er die aktivsten Anhänger findet, als emanzipatorische Befreiungsbewegung ungebrochen weiter. Die PLO mag aus ihrer Sicht eine Befreiungsorganisation sein, unsere Brüder sind sie nicht und wollen es auch nicht sein. Die Hisbollah/Hamas sind so links und offen wie die NS-Organisation im Sudetenland der 30er oder Arkans Tiger in Bosnien. Warum dann so viele Linke unbedingt solidarisch sein wollen? Naja, die Antwort ist eklig, aber nicht neu. An ihrem Spin sollt ihr sie erkennen.

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      Ja, die Anwendung der „Trennungswahn“-Theorie auf Israel ist falsch. In Israel gibt es keine Trennung (1), Israel wird nicht wahnhaft, sondern wirklich angegriffen (2), und das führt dann – entsprechend der Theorie übrigens – nicht zu Massenmord (3).

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        …insofern passt die Theorie schon auch auf Israel, nur kann man mit ihrer Hilfe feststellen, dass es keine Trennung, keinen Trennungswahn, keinen Angstwahn und dementsprechend (wie theoretisch prognostiziert) auch keinen Massenmord gibt.

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      @Stevanovic
      Zum Spin:
      „Die apokalyptischen und schrecklichen Ressourcen, die ihm zugrunde liegen, sind weitaus komplexer und in einem längeren Zeitraum verwurzelt als diejenigen, die der südafrikanische Calvinismus ermöglichte.“
      Das lässt mich genauso schaudern. Da spricht Tradition, wobei Mbembe sich in der Fußnote gründet auf: Idith ZERTAL, Israel’s Holocaust and the Politics of Nationhood, Cambridge University Press, Cambridge, 2010 ; Jacqueline ROSE, The Question of Zion, Princeton University Press, Princeton, 2007 ; et Judith BUTLER, Parting Ways. Jewishness and the Critique of Zionism, Columbia University Press, New York, 2012.
      Mbembe bettet Israel ein in den Zusammenhang des zweiten Kapitels „La société d’inimitié“ (übersetzt: die Gesellschaft der Feindschaft oder die Feindseligkeitsgesellschaft) als Manifestation des Trennungswahns. Mehr Kontext schafft er nicht.

      Vermutlich liegen Sie richtig.
      In der selben Textpassage sieht Mmembe “die Dynamik der fürchterlichen Zerstörung, deren Eigenart es ist, das Leben der Palästinenser in ein Trümmerfeld und einen zur Säuberung verdammten Müllhaufen zu verwandeln“. Die Aussage ist Humbug meiner Ansicht nach.
      Die Details des Israelisch-Palästinensischen Konfliktes kann ich nicht verifizieren, ich bin kein Kenner Israels und Palästinas und war nie vor Ort. Mich stören am Text der zugespitzte Kontext, die Vereinfachung, die Schwarz-Weiß-Malerei und die Doppeldeutigkeiten, wenn es um Israel und Palästina geht. Generell widerspreche ich der These, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen Trennung und Vernichtung gibt, dass Vernichtung die Manifestation eines Trennungswahns ist. Trennung und Vernichtung sind zwei verschiedene Vorgänge. Zur Vernichtung gehört der Willen und die Entscheidung zur Vernichtung. Kollektive Wahnvorstellungen spielen eine wichtige Rolle. Sie können Vernichtungswillen nähren.

      Vernichtungsgedanken schätze ich in Israel als wenig bis gar nicht verbreitet ein. Meine Eindrücke speisen sich aus dem bisschen, was ich las und hörte, und auch aus ein paar Begegnungen mit Israelis, die bei mir übernachteten – als ich noch in Deutschland lebte, stellte ich Reisenden regelmäßig ein Zimmer in meiner Wohnung zur Verfügung.
      Unglücklicherweise scheint das bei vielen Palästinensern anders zu sein (keine Ahnung in welchem Ausmaß), die von Ihnen erwähnte Hamas verneint das Existenzrecht Israels. Optimistisch stimmen mich meine wenigen Begegnungen mit Palästinensern nicht, u.a. am Rande eines Seminars an einer französischen Uni, als mir damals (auch schon 20 Jahre her…) zwei Kommilitonen palästinensischer Herkunft zum Holocaust gratulierten und bedauerten, dass „Ihr nicht alle ausgerottet habt“. Klar, das ist alles nicht verallgemeinerbar.

      Der „linken Unversalisten“ scheinen mir ganz vernarrt ins schwarz-weiße Spiel der zu befreienden Opferidentitäten und der zu bändigenden Täteridentäten. Sie neigen wie ihr rechtes Pendant dazu, Menschen vorwiegend als Träger kollektiver Eigenschaften zu betrachten – lieber nicht genau hinschauen, das zerstört nur das Spiel.

      Wie verschwinden Wahn und fantasmes aus den Köpfen? Bis zur Beantwortung braucht es wohl manche Trennung.

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    Sehr geehrter Herr Posener,
    da es nicht möglich ist, das Böse auf einer Art Richterskala zu messen und dann den Wert und die Schäden zu vergleichen, wäre es auch denkbar gewesen, den sprachlichen Ansatz von Mr Mbembe als schlichten Unfug zu bezeichnen. Seine Gedanken zum Vergleich sind intellektuell nicht satisfaktionsfähig und damit maximal für die Yellow Press geeignet.
    Das Böse ist immer singulär, es sind einzelne Ereignisse, deren tatsächlich allein heranziehbare Vergleichsoption ist, dass die Taten von Menschen an Menschen begangen werden. Das Böse sagt also nur sehr viel über den Menschen aus, und hier sind fast alle Menschen angesprochen, weil bekanntlich jeder Mensch zu solchen Taten fähig ist. Das ist erschreckend, gruselig und behagt uns nicht, ist aber so.
    Mr Mbembe macht das, was alle vom Bösen betroffenen machen, er ordnet das bekannte Böse auf einer historischen Skala ein, damit all diejenigen, die nicht betroffen waren und auch nicht erkennen können, wie böse das erlittene war, eine Vorstellung von dem haben und es „einordnen“ können. Menschlich verständlich, wissenschaftlich höchst bedenklich.
    Was also anfangen mit solchen hanebüchenen Vergleichen des Bösen? Ignorieren geht nicht. Dagegen anschreiben geht, hat aber kaum eine Wirkung, weil es polarisiert und am Ende des Tages nicht nach Fakten, sondern nach Emotionen gewichtet wird – denn die Mehrheit der Menschheit denkt nicht wie ein Wissenschaftler.
    Aber, alle herausragenden singulären Ereignisse des Bösen haben eine Vorgeschichte. Die ist völlig unterschiedlich und bedingt, dass viele verschiedene Rahmenbedingungen zueinanderfinden und die bilden dann ein Cluster. Diese Cluster (Ereignisse) zu vergleichen ist unmöglich, die Wege zum Cluster auf die Punkte hin zu analysieren, die es hätten verhindern können, geht. Das wäre ein Weg treffend und unwiderlegbar auf den Unfug von Mr Mbembe zu antworten.
    Also lieber Herr Posener, Sie haben sich wacker im verbalen Kampf gegen den unzulässigen Vergleich geschlagen, aber nicht gesiegt, denn die Argumente eines partiellen Idioten zu widerlegen, heißt ja sie anzunehmen, sie zu wiegen und dann rational auf Idiotie zu antworten. Ich kenne auf Anhieb keinen Versuch, der jemals gelungen ist.

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      … Sie werden ‚Ihren‘ Bürgerkrieg eher in Deutschland bekommen, werter S.T.. Dafür sorgen schon Rechts- und Verfassungsbrüche, Grundrechtseinschränkungen und ‚Menschenexperimente‘ einer sich selbst überhöhten ‚Richtlinienkompetenz‘.

      … und wichtig; als Besatzer sollten die ‚Amis‘ gehen, nix dagegen. Als Bündnispartner sollten/müssen sie bleiben.

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    Entstehung. Der immer stärker werdender Wunsch, daß die Christen von den Juden absondern, besser: daß man die Juden ausgrenzt. Wegen der Unwahrheit, daß die Juden wären schuld an der Kreuzigung Jesu. Die alten Juden hatten keinen Grund gehabt, Jesus den Römern auszuliefern. Aber die Römer hatten einen je-den Grund ihn zu fassen, denn Jesus war ein Freiheitskämpfer, auch wenn er eine andere Strategie verfolgte als viele. Die am Kreuz stehende Schrift, Jesus von Nazareth, König der Juden, was kein Spott, sondern Jesu‘ Anspruch. — Das Ende der Ausgrenzung der Juden kann man in de Apokalypse des Johannes nachlesen.
    Es ist lange her, als ich dieses Buch las, weiß ich es also nur ungefähr. Der Tag des Jüngsten Gerichts is da, Jesus erscheint, um die Bösen zu bestrafen und die Guten zu belohnen. Es ist der Kampf zwischen der Helligkeit und des Finsternis‘. Finsternis – das sind die Juden, von denen einige wenige sich bekehren, die anderen verschwinden auf Ewig in der Hölle. Ergebnis: die Erde ist judenfrei. – Das, was Hitler mit der „Endlösung“ beabsichtigte, war genau dies: die Erde judenfrei zu machen. Eine Vorwegnahme von Gottes oder Jesu‘ angeblichem Plan. der nichts anderes war, als der Plan oder der Traum der Kirche. Der Rassismus kam erst viel viel später dazu. Und diese innere Einstellung der Kirche, damit auch der europäischen Christenheit, war der Grund, warum die Kirche so zögerlich war bei der Verurteilung der Nazis, warum der diesbezügliche christliche Widerstand so schwach war. Denn es war – bewußt / unbewußt – das, was sie ersehnt haben. — Es waren Jahrzehnte des Nachdenkens, des Lesens sehr vieler Bücher notwendig, bis ich diesen Zusammenhang erkannte. So etwas war auch für mich denkunmöglich. Zum Schluß mußte ich meine eigene Erkenntnisse akzeptieren, wenn ich mich nicht selbst belügen wollte. Das es mir leicht fiel, kann ich wahrlich nicht sagen. – Daß Mbembe, der bei den Dominkanern in die Schule ging, diese Dinge nicht erkennen konnte und kann, sei zu seiner Verteidigung gesagt. Aber diese Verteidigung ist keine Entschuldigung. Heutzutage hat ein jeder die Möglichkeit nachzuschauen, sich informieren, ob das alles, was er im Lauf der Jahrzehnte mitbekommen hat, den Tatsachen entspicht oder nicht oder evtl. halb-halb. Einem Menschen, dessen Beruf das Wort, das Schreiben ist, noch dazu einem Wissenschaftler, verzeihe ich nicht, wenn er das nicht tut.
    lg
    caruso

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    Ich bin gefährlich? Donnerwetter! Da muß ich mich ja fast geschmeichelt fühlen, denn *das* hätte ich nun wirklich nicht von mir gedacht! So kann man sich täuschen…

    „Dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, worum es Ihnen überhaupt geht.“ – Ja, den Eindruck habe ich allerdings auch; obwohl eine Antwort ja (beispielsweise) in eben jenem Sätzchen zu finden gewesen wäre, an das sich *Ihr* Kommentar unmittelbar anschließt, lieber Herr Posener. Aber sei’s drum. Werde ich halt ein letztesmal so knapp wie möglich, so ausführlich wie nötig zu erklären versuchen, warum Sie falsch liegen, und mich dann aus den Kommentaren zurückziehen; man muß fruchtlose Diskussionen auch nicht über Gebühr in die Länge ziehen…

    Zuvor eine oder zwei Bemerkungen zu Herrn Haupts: Was Sie als ‚Quark‘ abtun, ist nicht etwa eine persönliche Marotte, die ich liebevoll pflegen würde, sondern Stand der Dinge seit mindestens 2300 Jahren, wie Sie wissen könnten, würden Sie in irgendeine – wirklich: *irgendeine* – Einführung in die formale Logik (die ja nicht umsonst so heißt) einen Blick hineinwerfen wollen. – Natürlich kann man *nicht* jeden Begriff nach Belieben einem anderen subordinieren – auch nicht, wenn man ihn ‚bloß‘ definiert: unterscheide ich zum Oberbegriff der Farbe überhaupt dessen Artbegriffe – Blau, Grün, Gelb, Rot usw., dann hat der Begriff des Elefanten dort nichts zu suchen; wenn ich den Begriff mathematischer Zahlbereiche bilden will, dann werde ich neben den natürlichen und ganzen, den rationalen und reellen Zahlen den Begriff des Audi A3 nicht unterbringen können… Die Frage, ob die Logik eine Wissenschaft ist oder nicht, lasse ich mal beiseite, denn das führt hier zu weit (auch wenn natürlich völliger Nonsens ist, sie trage zur menschlichen Erkenntnis „schlicht gar nichts“ bei; woher nehmen Sie nur solchen Unsinn???)… Sie ist allerdings – da stimme ich Ihnen unbedingt zu – sehr hilfreich, will man überprüfen, „wo man bei der logischen Verknüpfung von Fakten und Schlussfolgerungen einen Fehler macht.“ – Um nichts anderes geht es in meinen Einlassungen zu Herrn Poseners Behauptungen.

    1. Herrn Mbembe wird verdächtigt, ein Antizionist, ein ‚Israelhasser‘, ja, ein Antisemit zu sein. Das sind schwerwiegende Vorwürfe, denn im Land der Täter haben Antisemiten aus gutem Grund und völlig zu Recht mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen.
    2. Als Corpus delicti im Sinne der Anklage dienen ein kleines Konvolut von Textauszügen sowie Mbembes Unterzeichnung mehrerer Petitionen, die jene der BDS-Bewegung flankieren.
    3. Unter den inkriminierten Textstellen nimmt bei Herrn Posener in mehreren seiner Blog-Einträge der folgende Satz eine zentrale Stelle ein (ich bringe jene deutsche Übersetzung, die Herr Posener gebraucht; dazu später mehr): „Das Apartheidregime in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns“, von dem Achille Mbembes Buch (oder jedenfalls dessen zweites Kapitel) vornehmlich zu handeln scheint.
    4. Herr Posener sieht an dieser Stelle den Holocaust auf unzulässige Weise mit der Apartheidspolitik Südafrikas in Beziehung gesetzt und dadurch relativiert. Er gesteht den Verteidigern Herrn Mbembes (unmittelbar wohl vor allem Herrn Aguigah vom Deutschlandfunk), die sagen: „Vergleichen ist nicht gleichsetzen!“, zwar zu: ja, gleichgesetzt habe Herr Mbembe an dieser Stelle wohl nichts, aber er habe eben – „Vergleich ist nicht gleich Vergleich“ – unzulässig verglichen. Er stellt sich dabei vor, daß man einen Begriff dadurch gewinnt, daß man zwei (oder mehr) Dinge miteinander vergleicht, eines Gleichen an ihnen gewahr wird und dieses Gleiche in einem Begriff fixiert. Er bestreitet vehement, der Begriff des von Herrn Mbembe ins Spiel gebrachten Trennungswahns lasse sich in diesem Sinne als ein Gleiches auf Apartheid und Holocaust beziehen, denn der Holocaust sei durch eine Vernichtungsabsicht bewirkt worden, die an der beanstandeten Textstelle unterschlagen werde: „Dieser Unterschied ist mehr als ein Unterschied in der ‚Größenordnung‘ und im ‚Kontext‘.“
    5. Wie schon in den Blog-Posts selbst, so hat auch die anschließende Diskussion in den Kommentaren gezeigt, daß Herr Posener in der Tendenz als einzigen zulässigen Oberbegriff für den Holocaust den Begriff des Genozids anerkennen und somit Vergleiche, die den Holocaust miteinbeziehen, lediglich der Vergleichenden Genozidforschung überlassen möchte; was den anscheinend wünschenswerten Effekt hat, den Postcolonial Studies mit ihren Thesen zu Kolonialismus und Rassismus den vergleichenden Zugriff auf den Holocaust zu entziehen. (‚In der Tendenz‘, weil Sie durchaus einräumen, auch „Massenmorde, die nicht unbedingt als Völkermord gelten können, wie Stalins Auslöschung der ‚Kulaken‘, die systematische Vernichtung der Intellektuellen durch die Roten Khmer in Kambodscha usw. usf., sind mit dem Holocaust ‚vergleichbar‘.“): siehe Ihre Antworten auf Herrn Ziegler vom 31. Mai (11.34 und 11.41 Uhr).
    6. Es ist klar, daß das Argument Herrn Poseners – so fragwürdig es in sich schon ist: verschiedene Begriffe für ein- und denselben Gegenstand besetzen ihn nicht ‚exklusiv‘; den Holocaust als Trennungswahn zu begreifen, hindert nicht, ihn auch als Völkermord zu begreifen (und umgekehrt), sie machen lediglich jeweils anderes zum leitenden Gesichtspunkt… – zur wesentlichen Voraussetzung hat, daß es sich bei dem Satz aus ‚Politiques de l’inimitié‘ um einen Vergleich handelt. Läßt sich zeigen, daß es sich *nicht* um einen Vergleich handelt, ist das Argument gegenstandslos geworden und damit auch der sich an dieser Textstelle entzündende Vorwurf der Holocaustrelativierung gegen Herrn Mbembe.
    7. Es kann nun leicht gezeigt werden, daß es sich in der Tat nicht um einen Vergleich, sondern um eine zweimalig vorgenommene Subsumption handelt (wie Gottlob Frege gesagt hätte): um das Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff. – Der Mbembe-Satz, der diese Subsumptionen grammatisch in einen einzigen Satz zusammenfaßt, zerfällt logisch in die zwei Sätze: (a) ‚Die Apartheid ist eine Manifestation des Trennungswahns.‘; (b) ‚Die Vernichtung der europäischen Juden ist eine Manifestation des Trennungswahns.‘ Daß es sich dabei um unverbundene, bis auf Weiteres beziehungslose Sätze handelt, kann man sich umstandslos dadurch vor Augen führen, wahlweise (a) oder (b) wegzustreichen: der jeweils stehenbleibende Satz wird durch das Wegstreichen des anderen in keinster Weise berührt. Dies liegt daran, daß es sich in formaler Analyse (also unter Ersetzung aller konkret benannten Individuen durch Variablen) um einen Prädikatausdruck handelt, der nur auf *einen* Gegenstand zielt (einstelliges Prädikat).
    Wäre der grammatische Satz dagegen als ein Vergleich aufzufassen – ‚Die Vernichtung der europäischen Juden war ein schlimmerer Trennungswahn als die Apartheid.‘ -, hätte man es – wie bei allen Relationen – nach Ersetzung durch Variablen mit einem mindestens (und in diesem Falle: genau) *zweistelligen* Prädikat zu tun; der entsprechende Prädikatausdruck ließe sich nur in einen vollständigen Satz überführen, wenn *beide* Gegenstände benannt sind, für die der Vergleich gelten soll; ein Wegstreichen des einen oder anderen würde den Vergleich unvollständig machen (‚Die Vernichtung der europäischen Juden war ein schlimmerer Trennungswahn als ….‘; ‚… war ein schlimmerer Trennungswahn als die Apartheid.‘), man vergleicht also im Endeffekt gar nichts. Es *kann* sich also – da das Wegstreichen von (a) oder (b) ja problemlos möglich ist – nicht um einen Vergleich handeln, und damit ist *Ihr* Argument, lieber Herr Posener, widerlegt.
    8. Nun zum ‚bis auf Weiteres beziehungslos‘: Herr Mbembe scheint ja selber (sozusagen nachträglich) einen Bezug zwischen den beiden Sätzen herzustellen, den die von Herrn Posener (und auch sonst in der Feuilleton-Debatte) verwendete Übersetzung als Parenthese bringt: „in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext“. Ich habe mir mal die Mühe gemacht (und bin damit, wie mir scheint, ziemlich allein), das französische Original zu befragen; dort steht zu lesen: „Le système de l’apartheid en Afrique du Sud et, sur le mode paroxystique et dans un contexte distinct, la destruction des juifs d’Europe constituèrent deux manifestations emblématiques de ce fantasme de séparation.“ Da ‚paroxystique‘ auf das ‚fantasme de séparation‘ rückzubeziehen ist, wird – analog zum ‚Trennungswahn‘ als eines psychopathologischen Befundes – die medizinische (und nicht die geografische) Bedeutung aufzurufen sein; dann würde ich übersetzen: „Das Apartheidssystem in Südafrika und – das Krankheitsbild [des Trennungswahns] bis ins Letzte steigernd und in einem dagegen [das Apartheidssystem] abzusetzenden Kontext – die Vernichtung der Juden von Europa haben zwei sinnbildhafte Manifestationen des Trennungswahns hervorgebracht.“ Da, wie gesagt, ‚le mode paroxystique‘ als eine Erläuterung zum Begriff des Trennungswahns und nicht zum Apartheidssystem aufzufassen ist – denn es gilt ja, den Trennungswahn zu veranschaulichen anhand schon vor Augen stehender Geschehnisse wie jenem der Rassentrennung in Südafrika -, bleibt als einzige Beziehung von Apartheid und Holocaust aufeinander, die man als einen Vergleich interpretieren könnte, ‚dans un contexte distinct‘ – nicht etwa ‚dans un autre contexte‘ oder ‚dans un contexte différent‘ (‚in einem anderen Kontext‘), sondern ‚distinct‘ – was das einschlägige Wörterbuch des Französischen, der ‚Larousse‘, mit „qui ne se confond pas avec quelque chose“ erläutert, also ‚was nicht mit etwas anderem zu verwechseln ist‘. Mit anderen Worten: an der einzigen Stelle des Mbembe-Satzes, der überhaupt einen Vergleich nahelegen könnte, schiebt Herrn Mbembe dem Vergleich einen Riegel vor… Das von Ihnen durchgehaltene Mißverständnis, es handele sich hier um einen Vergleich, ist allerdings, sollte die Übersetzung nicht von Ihnen stammen, jener Übertragung anzulasten, die Sie benutzen: ‚in einer ganz anderen Größenordnung‘ ist nicht nur klarerweise (als Komparativ) ein Vergleichsausdruck, den man *dann* natürlich nur noch (fälschlicherweise) auf die Apartheid beziehen kann, er bringt auch ein quantitatives Moment ins Spiel, welches der Originaltext nicht kennt.

    Sie sehen, lieber Herr Posener: Sie werden aus diesen Mbembe-Zeilen keinen Vergleich herauspressen. Und daher sollten Sie es zukünftig unterlassen, sich bei Ihren Vorwürfen auf diese Stelle zu beziehen… (Ähnlich müßte man dann die anderen Textauszüge durchgehen.)

    Ach ja: da Herr Haupts sich solche Mühe gegeben hat, die Unzulänglichkeit meines Vorschlags, den Mbembe-Satz als Ausdruck einer Subsumption zu analysieren, dadurch aufzuzeigen, daß er ein scheinbar abstruses Beispiel konstruiert (das mich, das will ich gerne zugeben, in seiner hübschen Abwegigkeit doch sehr hat schmunzeln lassen): darüber, ob man den Feminismus wie auch die Roten Khmer sinnvoll unter den Begriff des Gleichheitswahns fallen lassen kann oder nicht, entscheidet in der Wissenschaft nicht ausbleibender oder eben doch gespendeter Applaus, sondern die Überzeugungskraft einer Argumentation. Ja, auch ich würde, sollte mir das Buch von Herrn X (‚Gleichheitswahn – der Feminismus und die Roten Khmer‘) in die Hände fallen, skeptischen Blicks und die Stirne runzelnd denken: ‚Potzblitz! Ein wahrhaft kühnes Unterfangen!‘, mich dann aber auf eine Kulturtechnik besinnen, die einen ein Buch dadurch besser kennenlernen läßt, daß man es einfach aufschlägt und liest. Und erst am Ende wird man beurteilen können, ob es dem Autoren durch ingeniösen Aufweis gelungen ist, zu zeigen, was er zeigen wollte, oder ob er ein Schwadroneur war, der einen wertvolle Lebenszeit gekostet hat. Was Sie machen, lieber Herr Haupts, ist der Appell an eingeschliffene Reaktionen (‚Waaaas?!?!? Man kann doch nicht eine Emanzipationsbewegung und die Steinzeit-Kommunisten unter Pol Pot in einem Atemzuge nennen!!!‘) – aber was soll das denn für ein Argument sein?

    1. avatar

      “ … Oberbegriff der Farbe überhaupt dessen Artbegriffe – Blau, Grün, Gelb, Rot usw., dann hat der Begriff des Elefanten dort nichts zu suchen; …“

      Hey Mann, super. Weil genau zu dieser Unterscheidung brauchen Sie jenes begriffslogisch gester noch angeblich überflüssige Teil namens „Realität“. Quod erat demonstrandum :-).

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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      @Stefan Nottelmann
      Wer die Form zerstört, beschädigt auch den Inhalt. Lassen Sie uns bitte die Sprache nicht malträtieren.
      Bitte achten Sie auf die Bezüge und bitte übersetzen Sie „sur le mode paroxystique“ und „constituèrent“ richtig.
      Betrachten Sie bitte die Interpunktion: „Sur le mode paroxystoque“ bezieht sich wie „dans un contexte distinct“ auf „la destruction des juifs d’Europe“.
      Paroxystique bedeutet caractère de ce qui présente des paroxysmes ou se manifeste par des paroxysmes, und paroxysme ist période d’une maladie ou d’une douleur où les signes atteignent leur maximum d’intensité bzw. le plus haut degré d’un état affectif oder le plus haut degré d’un phénomène. Sur le mode paroxystique meint also einigermaßen wörtlich übersetzt in diesem Kontext: im Modus der höchsten Stufe [der Vernichtung der europäischen Juden].
      „Constituèrent“ ist passé simple und mit hervorbringen eher unglücklich übersetzt.

      Eine korrekte, sinngemäße und verständliche Übersetzung: „Das Apartheidregime in Südafrika und – auf dem Höhepunkt und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden waren zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns.“

      Im Gegensatz zu Mbembe betont die lesbare deutsche Buchübersetzung immerhin die ganz andere Größenordnung des Holocausts:„Das Apartheidregime in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns.“

      Wissenschaftliche Definitionen des Konstruktes „fantasme de séparation“ und der „séparation“, die Mbembe in seinem Buch synonym zu verwenden scheint, suche ich bisher vergeblich. Stattdessen finde ich weitere Erkenntnisse über Israel, die sein Vorwort zum Buch „Apartheid Israel“ konkretisieren. Israel verfolgt seiner Ansicht nach ein Trennungsprojekt. Ich habe eine kurze Passage übersetzt:

      „Die Metapher der Apartheid reicht jedoch nicht aus, um das israelische Trennungsprojekt zu erklären. Zunächst einmal beruht dieses Projekt auf einer sehr einzigartigen metaphysischen und existentiellen Grundlage. Die apokalyptischen und schrecklichen Ressourcen, die ihm zugrunde liegen, sind weitaus komplexer und in einem längeren Zeitraum verwurzelt als diejenigen, die der südafrikanische Calvinismus ermöglichte.
      Dann sind die Auswirkungen des israelischen Projekts auf den palästinensischen Körper aufgrund seines High-Tech-Charakters weitaus einschneidender als die relativ primitiven Operationen, die das Apartheidregime in Südafrika zwischen 1948 und Anfang der 1980er Jahre durchführte.
      Dies ist der Fall bei der Miniaturisierung der Gewalt, ihrer Zellularisierung und Molekularisierung sowie bei den Techniken der materiellen und zugleich symbolischen Auslöschung. Und das gilt auch für die Verfahren und Techniken zum Abriss von fast allem – Infrastruktur, Häuser, Straßen, Landschaften – und für die Dynamik der fürchterlichen Zerstörung, deren Eigenart es ist, das Leben der Palästinenser in ein Trümmerfeld und einen zur Säuberung verdammten Müllhaufen zu verwandeln. In Südafrika haben die Ruinenfelder nie solche Dimensionen erreicht.
      […]
      Das Besondere dieser Art von Trennung [„des israelischen Projekts“] ist nicht nur, dass sie sich gerne mit Besatzung und, falls nötig, mit Rückzug zufriedengibt. Vielmehr kann sie sich jederzeit in eine Erdrosselung transformieren. Die Besatzung ist in jeder Hinsicht ein Nahkampf in einem Tunnel.“

      Was denken Sie über diese Aussagen, Herr Nottelmann? Klingen sie plausibel? Wie steht es mit der Empirie? Gibt es ein Trennungsprojekt Israel? Erscheinen Mbembes Ausführungen zum Trennungsprojekt Israel empirisch gehaltvoll, sind sie belegt, sind sie nachprüfbar?

      Mbembe definiert zwar nicht klar, was er unter Trennungen versteht, subordiniert jedoch in seinem Buch einige soziale Phänomene darunter, z.B. das, was er als das israelische Trennungsprojekt bezeichnet und den Holocaust.

      Die Soziologie kennt die Segregation (nicht jedoch Mbembe, dabei gehört die ségrégacion social zur gängigen Terminologie der französischen Sozialwissenschaften). Darunter werden Vorgänge der Entmischung/Trennung verschiedener sozialer Elemente in einem Beobachtungsgebiet verstanden. Die Apartheid gilt als ein Extremfall der Segregation.
      Vernichtung dagegen bezeichnet Vorgänge der Auslöschung verschiedener sozialer Elemente.
      Der Holocaust war der deutsche Völkermord an den europäischen Juden. Das war Vernichtung auch mit industriellen Methoden mit dem Ziel alle Juden im deutschen Machtbereich auszulöschen.

      Eine Vernichtung kann auf eine Trennung folgen.
      Eine Trennung ist keine Ursache für eine Vernichtung.
      Eine Vernichtung ist keine Form der Trennung.
      Trennungen und Vernichtungen sind vollkommen unterschiedliche soziale Phänomene, Vorgänge, die jeweils verschiedene Motive haben können.

      Sie erklären sehr anschaulich: „unterscheide ich zum Oberbegriff der Farbe überhaupt dessen Artbegriffe – Blau, Grün, Gelb, Rot usw., dann hat der Begriff des Elefanten dort nichts zu suchen“
      Herr Nottelmann, bitte erklären mir: Wie kann ich eine Vernichtung der Trennung subordonieren?

      1. avatar

        Korrekturen – mit ‚hervorbringen‘ liegen Sie doch ganz ok, Herr Nottelmann. und ’sinnbildlich‘ für ‚emblematisch‘ klingt schöner.
        Eine korrekte, sinngemäße und verständliche Übersetzung: “Das Apartheidregime in Südafrika und – auf ihrem Höhepunkt und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden schufen zwei sinnbildliche Manifestationen dieses Trennungswahns.“

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    Zwei Anmerkungen zur Argumentation des blog-Betreibers – nicht nur hier, sondern – tendenziell – im blog insgesamt.

    Ich schätze die engagierte Haltung des Betreibers im Hinblick auf das „Lebensrecht“ des Staates Israel, würde aber doch gern einmal zwei sozusagen „angesammelte“ Einwände vorbringen.

    1. Zum Stil, nur am Rande. Ich bin der Meinung, dass klischee-bestätigende Äußerungen über Wissenschaftler, die „uns belehren“ wollen, wie auch immer sie nun „alle heißen mögen“ (zweimal), fehl am Platze sind. Also: egal, sind doch alle gleich …

    2. Zur auch hier wieder – wie schon in vielen früheren Beiträgen – empfohlenen, den veralteten „Rassenantisemitismuss“ ablösenden „deutschen Staatsräson“ gegenüber Israel. Diese müsse sich für die „Sicherheit Israels“ und „Der Juden“ insgesamt einsetzen. Weltweit? Sie müsse sich gegen den „Israelbezogenen Antisemitismus“ wenden.

    Dazu möchte ich anmerken, dass der leider auch von der Bundeskanzlerin, im Israel-Kontext, applizierte – hochangesiedelte – Begriff „Staatsräson“ vornehmlich ein Begriff aus dem Weltbild des im 16./17. Jh. entstehenden absolutistischen, dh durchaus nicht demokratischen Landesherren-Staates ist.

    Zudem: eine eingreifende deutsche „Staatsräson“, im hier relevanten Politikfeld, kann doch nur militärisches Eingreifen bedeuten. Damit Schluss der „Staatsräson“. –

    Weiterhin: es wird von einer besonderen deutschen „Staatsbürger“-Pflicht gegenüber „D e n Juden“ gesprochen. Wenn ich einen Menschen in Gefahr sehe, frage ich doch nicht erst, ob er „Jude“ oder „Christ“ oder, um Gottes Willen, „Moslem“ ist. (Ich bin seit 2014 amtlich bestellter Migrantenhelfer – mit Dank-Urkunde!; ich frage doch nicht: Sind Sie Christ? Eventuell: Jude? Oder schon wieder so ein fragwürdiger Moslem? Solange die in ihren Moscheen den Männern den prächtigen Kuppelsaal vorbehalten, den Frauen aber das Hinterhofstübchen anbieten, bleibe ich skeptisch – „gott“ hin oder her) … Im übrigen: ist das irgendwie relevant? Ich bin weder Christ, noch Jude, noch Moslem; möchte es – Gott behüte – auch nicht sein. Mit-Mensch genügt mir. ich bin Historiker und Journalist. Ich war einst Mitglied in einem „Jüdisch-christlichen“ Verein. Nie wieder. Da geht es nur um irgendwelche peinlichst zu beachtenden Sitten u Gebräuche; und um das penetrante Schwenken von Israel-Flaggen: was hat „Jüdisch-Sein“ mit irgend einem Staat zu tun? Wenn ich mich für den jüdischen „Glauben“ interessiere: wieso muss ich dann automatisch ein Pro-Israel-Demonstrant sein? Wieso muss ich dann eine Kippa aufsetzen? Ich verärgere doch dann das „gott“, oder was immer, da ich ja den Kippa-Zauber, wie auch den christlichen Abendessenszauber, oder den muslim. Teppichzauber, z. B., nicht verstehe. Ich weigere mich, diese Zeremonialien mitzumachen – gläubig kann man sehr gut ohne „Die Kirche“ und ohne „Kippa“ und „Gebetsteppich“ sein .. .Im Grundbuch der Christen ist die pisteia – meist pastoral als „Glauben-an- gott“ übersetzt – nichts anderes als „Vertrauen-zwischen-den-Menschen“ …

    Also „Jude“ . Was ist das? Definition? Die kann ja nur „ethnisch“ (was immer das sein soll) oder „religiös“ (was immer das sein soll) ausgerichtet sein. Oft wird da auf die „jüdische Mutter“ verwiesen. Damit wird das Problem „Jüdisch“ ja nur wieder ein Stück weiter aufbewahrt …Ich würde gern einmal Näheres – insbesondere juristisch Relevantes – über diese sagenhafte Figur hören. Vllt. hätte ich gern eine jüdische Mt. gehabt. Philipp Roth beschreibt die ja als sehr liebevoll. – Jedenfalls: In PL leben die Polen. In B leben die Belgier. In DK leben die Dänen. Für mich sind Menschen, die in Israel leben, nicht Juden, sondern Israelis. Ich nehme an, das steht so im Pass. Die Streitkräfte heißen eben nicht Jewish Defence Forces, sondern Israel D. F. – Im übrigen: Israel ist auch nur einer von ca. 200 ordinären Staaten auf dieser Welt. –

    Und warum, bitte, muss ständig – nahezu penetrant – betont werden, dass I. ein demokratischer Staat ist? Es gibt ja auch noch – Gott behüte – weitere demokratische Staaten. Allerdings ist, laut Bundeszentrale für Polit. Bldg., israel ein „jüdisch-demokratischer“ Staat: warum muss die Demokratie noch durch ein magisches Jüdischsein geadelt werden? Aha: jüdisch! Die DDR war ja ein „volks“-dem. Staat. Aha: Volk! Ja dann. Dänemark also: ein normannisch-demokratischer Staat; Polen: ein slawisch-demokratischer Staat?

    Schließlich : Ich bin der Meinung, dass eine demokratische – von uns aus also strikt Grundgesetz-fundierte (außer Art. 4: am besten streichen) -, gegenwartsbezogene, pragmatische deutsche Haltung gegenüber dem Land Israel sowie gegenüber Menschen in Deutschland, die als „jüdisch“ gelten möchten, nicht auf einem regierungsamtlich verordneten – bloß noch zeremonialen, peinvoll sakralen, völlig ahistorisierten, „SS/NS/KZ“-versteinerten, wohlfeil aus moderner deutscher Geschichte herausgehebelten „Gedenken“ und „Erinnern“ fußen kann, sondern endlich einmal den Sprung in die harte, aber heilsame E r k e n n t n i s traditional deutscher – massenmörderisch „reinmenschlicher“ und „sittlicher“ und „idealischer“ – Kultur des späten 18./frühen 19., (Kant, Herder, Schiller, Fichte, Hegel: die Juden „wohnen im Kot“) bis frühen 20. Jh. wagen muss.

    Dazu, als erste Hilfe: das nach wie vor exzellente und unübertroffene Werk von Raul Hilberg, The Destruction of the European Jews, zuerst 1969. Nicht Shoah, nicht Holocaust. Einfach: Vernichtung. So Hilberg, schon im Titel. Und diese Vernichtung entsprang eben nicht, wie heute verkündet, einer wohlfeil entlastenden, 1933 aus der Hölle auftauchenden Nazi-„Ideologie“ und Nazi-„Indoktrination“, schon gar nicht einer gutbürgerlichen „Verstrickung“: es war ein gesamt-deutsches „Erlebnis“ (Hilberg)! Ein zwanglos freudiges Reinigungsfest idealischen „deutschen Menschentums“ gegenüber den „Judenschweinen“ im „verdreckten“ und „verlausten Osten“ – s. deutsche Feldpostbriefe.

    Mit den völlig deplazierten ahistorischen Begriffen Holocaust u. Shoah (beide nichtssagend: Untergang, Unheil …) verhöhnen wir die Opfer.

    Und wenn wir die einmalig deutsche Reinheits- und Ekel-Dimension des deutschen Antijudaismus nicht beachten, sondern fromm – aber ahnungslos gedenkend – beim gespenstischen, uns gute Deutsche aus dem Nichts heraus überfallenden „NS“ verbleiben, verstehen wir den deutschen Antijudaismus nicht.

    Ich erlaube mir noch, auf die urdeutsche Geschichte vom Hasen und vom Igel hinzuweisen. Wir armen Deutschen sind der Hase. Israel und die Staatsräson: das ist der Igel. Er wird vom Zweit-Igel, dem Über-Igel, der US-Regierung, unterstützt und unterhalten. (Wozu soll die Jerusalem-Hauptstadt-Provokation gut sein? Bitte erklären Sie mir das. Staatsräson?)

    Hase u Doppel-Igel also. Wir Hasen sind im Diskurs Juden/Deutsche/Israel/Staatsräson etc. etc. immer die Verlierer. Egal, wie sehr wir uns anstrengen – mittels Staatsräson, oder Kippa-Tragen oder Schwenken israelischer Fähnchen, oder mittels Reisen an „heilige Stätten“ und dergleichen Schmuse-Allotria -, dem Doppelten Igel zuvorzukommen, ihn zu erreichen, ihm Genüge zu tun …immer ist der Igel schon da. Wenn nicht der israelische, dann der amerikanische. Er sagt: Na, ihr Deutschen, dann versucht es eben noch mal, wird schon gehen …und reibt sich die Hände. Er hat ja sein unsichtbares Doppel hinter sich …

    Und kaum haben wir den ordinären altmodischen „Antisemitismus“ aufgegeben, wird uns nun – vom doppelten Igel – der neue, der staatsräsonale, der t o t a l e, der „Israelbezogene Antisemitismus“, um Gottes Willen, vor die Füße gelegt .

    Israelbezogen! Endlich sind wir angekommen. Wir sind umzingelt. Keine Fragen mehr. Warum noch differenzieren, eventuell sogar noch vom – es könnte ja, Gott behüte, sein – guten Willen mancher Deutscher sprechen?

    Was sind da noch Tatsachenmeldungen – von amnesty international, von Jewish Voice for Peace, von addameer … ? Über die seit Jahrzehnten anhaltende falsche Grenzziehung, über „Siedlungen“, Landraub, Wasserentzug, Hauszerstörungen, Menschenrechtsverletzungen zuhauf, über die „administrative detention“ (rechtswidrig zeitlich unbegrenzte Haft), über Folter, Erschießungen von Kindern …

    Ich bitte um Gnade. – Aber nein, wir dürfen dem vom Doppel- Igel geleiteten gesamt-schlechten Gewissen nicht entgehen …

    Der Doppel-Igel ist die entsetzliche, die „unbewältigte deutsche Vergangenheit“.

    Sie ist immer da – egal, wie schnell und schlau der Hase sich anstellt, indem er nämlich mittels aufgesetzt pastoralen „Gedenkens“ – und peinlichst touristisch effekthaschender Zurschaustellung, in „Gedenkstätten“, von Koffern und Essgeschirr der Gequälten und Gemordeten – den Doppel-Igel zu bezwingen sucht.

    Das schafft der deutsche Hase nie und nimmer.

    Er wird es schaffen, wenn er anfängt, sich selbst und die furchtbar irregehende moderne deutsche Geschichte mitsamt ihren Größen der deutschen „Absonderung“, der Reinmenschlichkeit, der heroischen Mitleidlosigkeit, des aufgeputzten Volkstums und des theatralischen Heldentums (ja, Kant, Goethe, Schiller …über Hegel u. Wagner zum salonheroischen Ernst Jünger bis zum „entschlossenen“ Heidegger – man lese die Einführung in die Metaphysik der 30er Jahre -.. bis zum gnadenlos frommen Heinrich Himmler und bis zum gutbürgerlich-gebildeten aber stockverhagelt idealischen Oberstudiendirektor …etc…)

    zu erkennen – und anzuerkennen.

    Shalom! Und mit der Bitte um Aufnahme in den Kreis der Ständigen Starken Meinungsmacher…

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      Lieber Andreas Hermann, Sie müssen nicht darum bitten, hier „aufgenommen“ zu werden. Es reicht, einfach einen Kommentar zu schreiben, der wird dann, sofern er nicht Beleidigungen usw. enthält, von der jeweiligen Autor*in freigeschaltet. Auch der Gruß „Shalom“ ist hier weder Brauch noch gar vorgeschrieben. Ich bin nicht Jude, falls sie das glauben sollten.
      Ansonsten aber: ich habe Ihren Beitrag gelesen und verstehe nicht ganz, worauf Sie hinaus wollen. Sie scheinen zu glauben, Israel nicht so heftig kritisieren zu dürfen, wie es Ihnen offenkundig ein Bedürfnis ist. Ich kann Sie beruhigen. Sie dürfen.
      Ansonsten der Hinweis: Je kürzer und klarer und sachbezogener ein Kommentar ist, desto eher dürfte er für mich und die anderen Kommentatoren interessant sein. Wenn Sie also zum Beitrag Stellung nehmen wollten …? Bitte.

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      Lieber Andreas Hermann, ich finde Ihren Beitrag durchaus anregend. Natürlich darf (und muss) man Israel kritisieren und Philosemitismus, sowie alle anderen Versuche, vergangene oder noch bestehende Diskriminierungen durch bevorteilende Überkompensation, seien sie nun tatsächlich (z.B. Sozialleistungen an nicht anerkannte Asylbewerber vs. Sanktionen gegen Harz4-Empfänger) oder vermeintlich (Beistand zu Israel als „Staatsraison“ vs. Appeasement gegenüber dem Mullah-Regime) zeugen in ihrer Hilflosigkeit mehr von der eigenen Gefühlslage, endlich die weltbeste Moral haben zu wollen, um genau dem Dämon, den Sie mit der Hase-und-Igel-Fabel durchaus treffend beschreiben , zu entkommen. Nur dass dieser Dämon nicht des vermeintlichen Igels doppelte Botschaft ist, sondern des Hasen Depressionen geschuldet, die ,natürlich’ z.B. durch Antipoden mit, ähem , jüdischem Hintergrund, wie der Zentralrat der Juden und dem früheren Henryk Broder befeuert werden (Ironie!). So sind’se halt. Dass da jeder seine eigenen Erkenntnisse und Interessen äußern könnte, ist im konsensbetonten Deutschland, wo von jedem staatstragendes erwartet wird (-> Alan Poseners „Kant‘sche Republik“ hier) und ‚Die Zeit‘ sich Christian Drosten als Kanzler wünscht, schwer zu vermitteln. Dieser Perfektionismus mit dem Druck, stets die richtige Lösung zu haben und – durchzusetzen – mag zwar bei der Automobilproduktion hilfreich sein, ist bei der Politik , wo es auf tragfähige Analyse mehr ankäme, nunja- dysfunktional. Ich glaube, es war Nethanjahu, der vor Jahren, anlässlich des offenen Briefes oder Gedichtes von Günter Grass an Israel („mit letzter Tinte“) von „innerdeutschen Befindlichkeiten“ sprach und damit den Nagel auf den Kopf traf. Kurz: Weniger ‚allen alles recht machen wollen‘ wäre wohl der richtige Ansatz und kein Igel der Welt (auch kein jüdischer) kann einen Blitz vom Himmel herabfahren lassen, wenn ihm was nicht passt. Ich selber sehe immer mehr eine Gefahr in (freiwilligem) Gleichklang. Mbembe (z.B.) singt da ganz fein im Chor.

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      Nachtrag: Weniger allen alles recht machen zu wollen, der hypermoralische Anspruch, würde vor allem grobe Fehler verhindern, die derzeit begangen werden:
      – Einem Land, das seit seinem Bestehen ums Überleben kämpft immer wieder, z.B. in der UNO in den Rücken zu fallen
      – Die bilateralen Beziehungen zum wichtigsten (noch) Verbündeten in der Welt in einer schweren Krise erheblich zu gefährden, weil er aus der Sicht der Mehrheit der hiesigen Medien den ‚falschen‘ Präsidenten hat. Warum ist wohl Botschafter Grenell zurückgetreten (worden?)
      – Dem iranischen Volk in den Rücken zu fallen, indem man seine Machthaber hofiert
      – aus politischer Opportunität („EU-Rettung“) einen Emanuel Macron, der sein Volk in der Covid19-Krise mit Ausgangssperren und Kontrollen erheblich drangsalieren lässt, kritiklos gewähren lassen
      Eine Liste, die man beliebig fortsetzen könnte.

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    Nachdem ich einige Kommentare las – einfache Erklärungssätze für gesellschaftliche und historische Phänomene finde ich gefährlich:
    Aus dem Konstrukt des Trennungswahns lassen sich keine Vernichtungen ableiten.
    Nehmen wir eine der letzten regionalen Hexenverfolgungswellen in Europa als Beispiel. Die koloniale Praxis der Neuzeit hatte keinen Einfluss auf die Hexenverfolgungen der Neuzeit und umgekehrt sehe ich keinen Einfluss der europäischen Hexenverfolgungen auf die Kolonialisierung. Das Konstrukt des Trennungswahns ist kein gemeinsames Element. Zur Zeit Lessings und Kants ereignete sich die letzte Hexenverbrennung auf deutschem Boden im Jahr 1756 in Landshut, dort wo später Heinrich Himmler seine Schulbank drückte, ein Zufall der Geschichte. Die Landshuter verfolgten jahrelang Waisenmädchen als Hexen, nicht um sie aus irgendwelchen Gründen von der Gesellschaft zu trennen, sie lebten bereits abseits und waren schon stigmatisiert, sondern mit der Absicht, sie zu vernichten, sie restlos zu beseitigen. Können wir diese Hinrichtungen dann daraus ableiten, aus etwas, was wir als Vernichtungswahn bezeichnen könnten? Nein, das wäre zu vereinfachend. Zur Hexenverfolgungswelle in Landshut fallen mir mindestens acht wichtige Voraussetzungen ein (sehr verkürzt, stichpunktartig, kein Anspruch auf Vollständigkeit):
    1. Wahnhaftes Glaubenssystem
    Volksglaube an Zauber, Magie und Hexen
    Frauenfeindlichkeit
    2. Institutionalisierter Hexenwahn
    Rechtfertigung der Hexenverfolgung durch den Vatikan, beginnend mit der sog. „Hexenbulle“ aus dem Jahr 1484
    Werke, wie die Bedrohung zu bekämpfen und zu beseitigen sei, der „Hexenhammer“ des Dominikaners Heinrich Kramer war das Einflussreichste
    regionale Hexengesetzgebung
    3.) Gesellschaftskrise
    in Stadt und Umgebung: u.a. österreichischer Erbfolgekrieg, zeitweise Besetzung der Stadt, hohe Sterblichkeitsrate, Seuchen, Armut, Hunger, Missernten
    4.) Existenzängste
    Krisenzeiten sind Angstzeiten. Auch die höhere Schicht befürchtete, dass alles noch schlimmer werden könnte
    5.) Strategie des Menschenopfers / Vernichtungswahn
    eine der ältesten bekannten Strategien zur Angstabwehr ist die Opferung (die übrigens in den Zauberglauben mündete). Das Menschenopfer sollte eine Wende zum Positiven herbeiführen.
    6.) Hilflose, weibliche Minderheiten als potenzielle Opfer
    Waisenmädchen waren der Gesellschaft am wenigsten „wert“.
    7.) Anschuldigungen, Beschimpfungen der Minderheit
    Einwohner beschuldigten die Waisenmädchen u.a. im Bund mit dem Teufel zu sein, das Wetter zu verzaubern (Missernten), Menschen zu verhexen und zu töten, der Teilnahme am Hexensabbat (ein antisemitisches Element des Hexenglaubens, wie übrigens auch viele die jüdischen Mitbürger im Teufelspakt sahen)
    8.) Obrigkeit unter Druck
    Obrigkeit (zur damaligen Zeit dort identisch mit der Justiz) war der Lage nicht mehr Herr, war zum Handeln gezwungen, auch zur Wahrung der Machtstellung

    Bei den Hexenverfolgungen der Neuzeit ging es nicht um die Trennung der Hexen von anderen Gesellschaftsgruppen. Die Beseitigung der Hexen und der Zauberei war das Ziel. Keiner möge mir jetzt bitte daher kommen und behaupten, dies sei doch auch als eine Form und/ oder als eine Folge der Trennung zu verstehen. Nein, alle Hexen sollten ausfindig gemacht und vollständig vernichtet, ausgelöscht, verbrannt werden. Das Konstrukt des Trennungswahns ist zur Ableitung und Erklärung dieser Vernichtungen vollkommen irrelevant. Doch auch die Deduktion aus dem Konstrukt des Vernichtungswahns kann keine der regional sehr unterschiedlichen Hexenverfolgungen erklären. Nur im Zusammenspiel mit anderen Faktoren und sozialen Phänomenen setzten sich regionale Gesellschaften in Bewegung, Menschen als Hexen zu verfolgen, sie zu foltern, ihnen den Prozess zu machen und sie zu vernichten.

    Den Holocaust, den Völkermord an den europäischen Juden, den finde ich wesentlich schwieriger zu erfassen und zu erklären. Ich habe ihn nicht vollständig verstanden. Wir können ihn genauso wenig wie die Hexenverfolgungen vom Trennungswahn ableiten. Herr Posener führte das mehrmals aus, der Holocaust geht besonders aus vom Antisemitismus (diesem wahnhaften, internationalen Glaubenssystem), der Institutionalisierung des Antisemitismus (staatliche Propaganda und NS-Gesetzgebung) und vom Vernichtungswahn, der sich immer weiter steigerte. Die Vernichtung menschlichen Lebens bedarf nicht einer durch die Kolonialisierung gewonnenen Idee und Entscheidung zur Trennung, sondern letztendlich dem Wahn und dem Entschluss, Leben zu vernichten, weil sich eine Gruppe dadurch die Verbesserung ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Situation erhofft.

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      Sehr richtig, lieber Ben Frick. Tatsächlich sind die Parallelen zwischen Hexenwahn und Judenverfolgung auffälliger und tiefer als die unterstellte Gemeinsamkeit von Apartheid und Holocaust.
      Nur an einem Punkt würde ich Ihnen widersprechen. Sie scheinen die Hexenverfolgung vor allem als katholische Unsitte zu begreifen. Tatsächlich grassierte sie stärker in protestantischen Gebieten – zum Beispiel im puritanischen Salem.

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        Lieber Herr Posener, der Eindruck mag entstehen, da ich mögliche Voraussetzungen für die letzte Hexenverfolgungswelle im katholischen Landshut auflistete. Katholiken rechtfertigten die Hexenverbrennungen katholisch. Protestanten begründeten die Hexenverfolgungen protestantisch. Die einflussreichsten Reformatoren glaubten fest an Hexen und waren glühende Befürworter der Hexenverbrennungen. Das erleichterte ihren Schäfchen Menschen als Hexen zu verfolgen und zu vernichten. Ich vermute keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Hexenverfolgungen und der Konfession und denke, dass der regional unterschiedlich stark verbreitete Glaube an Hexen, Magie und Zauber ausschlaggebender für den Beginn einer Hexenverfolgung war.

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        @Ben Frick

        … die überwiegende Auffassung im Christentum war stets, dass es keine Hexen gebe. Mit Rassentrennung usw., hat der Hexenwahn – etwa 80% der Opfer waren Frauen, 20 % Männer, in ganz Europa um die 40.000 Menschen – ja wohl nix zu tun. Der Hexenwahn war auch kein katholischer, sondern ein altgermanischer Aberglaube, der nach dem Rückgang des Glaubens, Luther lässt grüßen, in Deutschland wieder auflebte.

        Die Hexenverfolgung wurde von weltlichen Gerichten, nicht ausschließlich, aber überwiegend in protestantischen Regionen ‚praktiziert‘. (APo hat ’s geschrieben.)

        In katholischen Ländern, wie Spanien und Italien, wurde keine einzige ‚Hexe‘ verfolgt.

        … interessant, werter Ben Frick, ist, wie Sie Alfred Rosenbergs Argumentation zureden; die ’schwarze Legende‘ wider die Kirche sprach noch im 19. Jahrhundert von 9 Mio. hingerichteten Hexen (so G.Chr. Voigt, 1786). Noch der Chefideologe des Nationalsozialismus, Alfred Rosenberg, übernahm 1930 dankbar diese ‚Schätzung‘. (Für ihn stammte der Hexenglaube aus dem päpstlichen Rom, dazu eingesetzt, das ‚durch innigste Naturbetrachtung‘ geistig überlegene Germanentum auszurotten. In Wahrheit hat Rom den Hexenglauben zumeist als peinlichen Rückfall in den germanischen Aberglauben empfunden.) Auch der Mythos von der Hebammen-Hexe gilt mittlerweile als widerlegt. (Aus Kathpedia)

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        @blonder Hans
        Bitte lesen Sie aufmerksamer, was die Leute hier schreiben, und bitte nutzen Sie Ihren Klarnamen, wahrscheinlich hören Sie dann auf, die Aussagen anderer zu ignorieren und zu verfälschen, Halbwahrheiten zu verbreiten und wie ein Troll zu agieren.

        1. Ich zitiere mich: „Ich vermute keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Hexenverfolgungen und der Konfession und denke, dass der regional unterschiedlich stark verbreitete Glaube an Hexen, Magie und Zauber ausschlaggebender für den Beginn einer Hexenverfolgung war.“
        Selbstverständlich ist der Hexenglaube älter als das Christentum und unabhängig jeder Religion verbreitet. Selbst heute werden Menschen noch als Hexen gejagt, besonders in Afrika, Lateinamerika und Südostasien.
        2. In einem Punkt haben Sie sogar Recht: Mit Rassentrennung hat Vernichtung nichts zu tun. Ich behauptete nie das Gegenteil.
        Ich zitiere mich: „Keiner möge mir jetzt bitte daher kommen und behaupten, dies sei doch auch als eine Form und/ oder als eine Folge der Trennung zu verstehen“
        3. Zu den Zahlen: es gibt unterschiedliche Schätzungen. Manche gehen von einem Männeranteil von bis zu 25% und von bis zu 60.000 Toten in Europa aus.
        4. „Die Hexenverfolgung wurde von weltlichen Gerichten […] ‚praktiziert‘.
        Nein. Bei den regionalen Hexenverfolgungen zogen alle Stände an einem Strang. Die Gerichte kamen erst ins Spiel, als die Hexen gejagt, aufgespürt und häufig schon gefoltert waren. Die Hexenprozesse fanden fast nur an weltlichen Gerichten statt. Die Inquisition verurteilte lediglich 97 Hexen zum Tode. Vor Gerichten katholischer Gegenden zitierten die Juristen die Werke katholischer Hexentheoretiker, z.B. den Hexenhammer des Dominikaners Heinrich Kramer oder den „Antipalus maleficiorum“ (Gegner der Hexereien) des Benediktiners Johannes Trithemius.
        5. „aber überwiegend in protestantischen Regionen ‘praktiziert’. (APo hat ‘s geschrieben.). In katholischen Ländern, wie Spanien und Italien, wurde keine einzige ‘Hexe’ verfolgt. “
        Das stimmt nicht. In Ländern, wo sich die Inquisition dauerhaft durchsetzte, also wie in Spanien und Italien, bedeutete das auf der einen Seite weniger Hexenprozesse, auf der anderen Seite mehr Druck auf jüdische Gemeinden, Ketzerverfolgungen, Vertreibungen und Hinrichtungen im Rahmen der Inquisition. Anderswo, u.a. im deutschen Sprachraum, fanden Hexenverfolgungen gleichermaßen in katholischen und protestantischen Orten statt.
        6. Hexenverfolgungen sind regionale Phänomene. Ich schrieb nicht über die Hexenverfolgung in Europa, sondern ich listete mögliche Einflussfaktoren und Voraussetzungen einer Hexenverfolgungswelle im katholischen Landshut auf, die einzige die ich etwas detaillierter kenne. Katholiken rechtfertigten die Hexenverbrennungen katholisch. Die Niederbayern hätten die Hexen eher freigesprochen als sich auf die Hexenaussagen Luthers zu stützen.

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        Stimme allem zu, Ben Frick. Ein Gedanke zu den Protestanten, der zwar spekulativ ist, mir aber einleuchtet. Die Reformation war betont frauenfeindlich. Maria wurde vom Thron der Himmelskönigin gestürzt, die Nonnenklöster wurden aufgelöst und im Englischen wurde das Wort „nunnery“ sogar zum Synonym für Bordell. Das Puritanertum verdammte die Lust schlechthin, die mit der Frau assoziiert wurde. (Dass gleichzeitig mit der Förderung der Lesekultur die Grundlage für die Emanzipation der bürgerlichen Frau gelegt wurde, widerspricht diesem Befund nicht.) Das Verdrängte aber kehrt nach Freud wieder: die Himmelskönigin als Hexe, das Weibliche als Bedrohung, das Unbürgerliche als das zu Vernichtende.

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        B.F.: ‚Katholiken rechtfertigten die Hexenverbrennungen katholisch …

        … das ist völliger Unsinn.

        B.F.: … In Ländern, wo sich die Inquisition dauerhaft durchsetzte, also wie in Spanien und Italien, bedeutete das auf der einen Seite weniger Hexenprozesse, auf der anderen Seite mehr Druck auf jüdische Gemeinden, Ketzerverfolgungen, Vertreibungen und Hinrichtungen im Rahmen der Inquisition.‘

        … Die antispanische und antikatholische Propaganda Englands und der Niederlande in der frühen Neuzeit, die in protestantischen Kreisen anderer Länder und dann vor allem von den Aufklärern übernommen und verbreitet wurde, schuf ein Klischee von der Inquisition, … richtig daran ist, daß sich die Inquisition in dieser Phase fast ausschließlich mit Conversos und Moriscos befaßte, also Juden und Muslimen, die zum Christentum konvertiert waren. Allerdings lassen sich für diese Phase kaum konkrete Belege für Hinrichtungen finden. Das Bild von der blutrünstigen und willkürlichen Hinrichtungsmaschinerie läßt sich auch damit nicht bestätigen …

        … dazu zitiere ich Prof. G. May aus ‚Schuldbekenntnisse‘; ‚… ebenso unbegreiflich sind mir die Entschuldigungen wegen der Bekämpfung der Häretiker durch die Kirche und den mit ihr verbündeten Staat, gewöhnlich zusammengefaßt unter dem Namen der Inquisition. Der Angriff ging von den Ketzern aus. Man wird ja doch wohl der Kirche das Recht der Selbstverteidigung zubilligen. Dies und nichts anderes war die Inquisition.‘

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        Ja, Alan Posener, sehr wahrscheinlich beeinflusste die protestantische Sexualmoral und Triebunterdrückung viele Hexenverfolgungen.
        Das ist generell ein wichtiges Thema, auch in Bezug auf das dritte Reich und den Holocaust. Wilhelm Reich blickte 1933 als Erster in diese Richtung, als er die Bedeutung der kleinbürgerlichen Familie für den NS-Staat aufzeigte.

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        @blonder Hans
        Kathpedia schweigt da lieber. Gehen Sie in ein Stadtarchiv einer katholisch geprägten Stadt und lesen Sie ein bisschen in Hexenprozessakten. Die bekanntesten Hexentheoretiker wurden immer zitiert (in Latein).

        Veronika Zeritsch bekannte sich nach einem Jahr Gefangenschaft, Folter und Obhut bei den Franziskanern in Landshut in allen Anklagepunkten für schuldig: den Teufelsbund eingegangen, mit dem Teufel Unzucht getrieben, Gott und die heilige Jungfrau Maria verleugnet, heilige Hostien entehrt, das Wetter verzaubert und Unwetter hergestellt, Kinder und Jugendliche verhext und ein Kleinkind ermordet zu haben. Außerdem diagnostizierte ein Chirurg ein Teufelsmal. Die Landshuter beschuldigten sie nicht der Teilnahme am Hexensabbat. Somit waren mit der Verbrennung Veronikas aus ihrer Sicht die Hexen in ihrer Gegend vorerst ausgerottet. Der Prozess wurde Anfang des 19. Jahrhundert wieder aufgerollt und sie wurde in allen Punkten freigesprochen. Ein paar Hostien hatte sie sicherlich verputzt.

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        @B.F.

        … und zu Innozenz VIII. schreibt daselbst Wikipedia: ‚Mit der Hexenbulle plante Institoris, die bis dahin eher mühsame Hexenjagd zu rechtfertigen und zu vereinfachen. Die Bulle verlieh ihm zwar die Vollmacht zur Zurechtweisung, Inhaftierung und Bestrafung verdächtiger Personen, jedoch nicht zur Hexenverbrennung.‘

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      Frauen und Männer waren sehr stark voneinander „getrennt“, ohne dass es dafür rationale Gründe gab. Es gab keine Gleichberechtigung, Frauen galten als minderwertig. Als ein Angstwahn (in diesem Fall: ein Aberglaube) hinzukam, wurden Scheiterhaufen errichtet. Trennungswahn + Angstwahn = Massenmord.
      Dies ist bestimmt keine grundstürzende Erkenntnis, aber doch nennenswert. Es werden sich auch Fälle finden, bei denen es anders ist. Aber viele passen in das Schema, Hexenverfolgung zum Beispiel.

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        Man könnte sich ja auch fragen, warum es nicht z.B. die Gruppe der 20-30jährigen Männer getroffen hat, die damals als Hexer massenhaft verbrannt wurden? Das wäre die objektiv gefährlichste Gruppe gewesen, von dieser Gruppe gehen die meisten Verbrechen (Morde/Diebstähle/Vergewaltigungen) aus. Aber es hat stattdessen die bereits entrechteten Frauen getroffen. Wieso, wenn nicht durch jenen vorgängigen „Trennungswahn“?

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        Un, ähm, warum wurden Hexer verbrannt? Lieber Roland Ziegler, Sie wollen unbedingt den Begriff „Trennungswahn“ retten, auch um den Preis, dass Ihre eigenen Argumente immer abstruser werden. Das kommt aber davon (das hatten wir schon öfter), dass Sie dazu neigen, sich an Begriffen aufzuhängen, statt die Wirklichkeit zu betrachten. Die es – das sage ich als „naiver Realist“, wie es der gelehrte Herr Nottelmann formuliert – eben unabhängig von unseren Begriffen gibt.

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        Vor allem traf es die Frauen. Deshalb heißt es Hexen- (und nicht Hexer-) verfolgung. Ich finde es nicht so abstrus, hierfür die soziale Stellung und Wertigkeit der Frau in der damaligen Zeit als Teil der Erklärung zu nehmen. Auch wenn es nicht nur Frauen traf.

        Den Realismus als Ansatz teile ich. Ich frage mich, was „Trennungswahn“ bedeutet und ob dieser Begriff die Massenmorde und Genozide erhellen kann. Und komme da zu einem anderen Ergebnis als Sie. Tut mir leid.

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        3/4 aller Opfer in Mitteleuropa waren Frauen.
        https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung

        Normalerweise müssten es 20-30jährige Männer sein. Dies müssten Sie irgendwie anders erklären, sofern dies Beispiel als Gegenbeispiel dienen soll.

        Es kann sein, dass in Afrika mehr männliche „Zauberer“ ermordert werden. Aber dann würde sich ein genauerer Blick lohnen, wer das denn eigentlich ist, der da als „Zauberer“ vernichtet wird.

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        Es lag gewiss nicht an der „Trennung“ der Frauen von den Männern, sonst hätte man die meisten Hexen in Nonnenklöstern und Bordellen finden müssen, was nicht der Fall war. Es lag an der Vorstellung der Frau als Verführerin im Bunde mit dem Satan; eine Vorstellung, die auffällige Ähnlichkeit mit Angstbildern vom Juden als Gottesmörder. Beide Wahnvorstellungen waren feste Bestandteile der christlichen Religion. Der Begriff „Trennung“ verunklart mehr als er erklären kann. Lesen Sie noch einmal meinen Beitrag zur „Hexenjagd“:
        https://starke-meinungen.de/blog/2020/04/30/andreas-eckert-der-antisemitismus-und-der-hexenwahn/

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        Trennungen sind unerheblich. Bei einer Hexenverfolgung geht es darum, alle Hexen aufzuspüren und zu beseitigen. Soziale Trennungen konnten in der Neuzeit dazu führen, dass die Bürger im Hexenwahn Mitglieder schwächerer sozialer Gruppen bevorzugt der Hexerei beschuldigten. Übrigens denunzierten die Leute sehr oft aus materiellen und persönlichen Motiven.

        Eine Vernichtung kann auf eine Trennung folgen.
        Eine Trennung ist keine Ursache für eine Vernichtung.
        Eine Vernichtung ist keine Form der Trennung.

      7. avatar

        @Ben Frick: „Eine Trennung ist keine Ursache für eine Vernichtung.“ Das ist eine interessante Behauptung. Ich weiß nicht, ob sie in dieser Allgemeinheit wahr ist. Ich für meinen Teil habe von „notwendiger Bedingung“ gesprochen. Aber Sie lesen wohl nicht gerne Krimis? Für viele Mörder ist eine Trennung die Ursache für die Vernichtung. Aber das ist natürlich ein anderer Fall. Jedenfalls bezweifele ich, dass diese Behauptung wahr ist.

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        …der logische Zusammenhang ist umgekehrt: Bevor ich eine Menschenmasse (oder auch einen einzelnen Menschen) ermorden kann, muss ich sie/ihn von mir abtrennen. Ich muss mich distanzieren von dem Opfer, erst dann kann ich es töten. Am besten ist es, wenn das Opfer von vornherein von mir und den meinen abgetrennt ist. Wenn es ein Tier oder ein Ungeziefer ist. Niemand geht auf seine eigenen Leute los. Es sind immer „die anderen“. Die Fremden, die Verächtlichen, die plötzlich (denn das sind tendenziell sprunghafte Geschehnisse) eine Gefahr darstellen. Vorher konnte man über die lachen, aber plötzlich droht die Kontrolle zu entgleiten. Man ist doch nicht mächtig wie der liebe Gott. Dann wird es gefährlich. Und wenn z.B. ein Ehemann seine Exfrau tötet, so hat er sie vorher von sich (oder sie von ihm) irgendwie abgetrennt. Jedenfalls gab es erst eine Trennung und dann die Vernichtung. Und bei Menschengruppen ist dies nicht anders.

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        Der entscheidende Punkt in unserem Zusammenhang ist, dass den Opfern bereits vor der Tat ihr Menschsein abgesprochen worden ist. Bei Hexen ist dies unmittelbar einsichtig, hoffe ich. Bei Sklaven aber auch: Es sind Untermenschen, Halbmenschen. Es war auch in der Sklaverei verboten, sie einfach so umzubringen. Wenn aber Gründe da sind – und bereits wenn der Sklave fliehen wollte, wäre dies ein solcher Grund – dann darf ihn sein Besitzer töten. Dass man ihn nicht einfach so töten darf, ist kein Zeichen dafür, dass er irgendwie noch innerhalb der Gemeinschaft der Weißen, vielleicht nur ganz klein am Rand, stehen würde. Nein, er steht komplett draußen, er ist nicht einen von ihnen.
        Und auch wenn Herr Posener gleich wieder Einspruch erhebt, dies war auch beim Holocaust nicht anders. Und dieses Abgetrenntsein stellt – um diese These meinem Verprechen zum Trotz abermals zu wiederholen – einen Grundstein – eine „notwendige Bedingung“ – für den folgenden Holocaust dar. Meinetwegen keine Ursache im kausalen Sinn. Aber ohne ging es nicht.
        Klar, das Abgetrenntsein hat bestimmte Gründe (Antijudaismus), die man erläutern kann. Und es gibt andernorts Fälle, in denen Gruppen ebenso abgetrennt waren und in denen trotzdem nichts passiert ist. Alles klar, xmal zugegeben, das sind keine Einwände.

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        Die Kausalität ist umgekehrt, lieber R.Z. Wir reden wohlgemerkt von den Nazis, nicht vom Mittelalter. Die Nazis trennten, um zu vernichten. Das heißt, zuerst war der Wille da, die Juden „aus dem Volkskörper zu entfernen“, dazu mussten sie ausgesondert werde und dann eine „Sonderbehandlung“ erfahren. Dies nicht erkannt zu haben, den Antisemitismus der Nazis für „Trennungswahn“ gehalten zu haben, den man zur Not aushalten und überleben kann – das kostete Hunderttausende, vielleicht Millionen Juden das Leben.

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        Was die Bordelle und Nonnenklöster angeht, Herr Posener: Es waren die Waisenhäuser. Lesen Sie die Punkte 6 und 7 in Ben Fricks Darstellung.

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        Die Juden waren bereits vorher vom Volkskörper „abgetrennt“, Herr Posener. Diese Arbeit war bereits getan – das mussten die Nazis nicht mehr bewerkstelligen. Das hat der Alltagsantisemitismus über die Jahrhunderte ganz von alleine zustande gebracht. Auf diese längst vollzogene Trennung konnten die Nazis dann zwecks Eskalation zugreifen. Der „Angstwahn“ der Nazis hat diesen längst existierenden, uralten „Trennungswahn“ dann zur Katastrophe gebracht. Ohne diese vorgängige – bereits geleistete – Trennung wäre das nicht möglich gewesen.

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        Das stimmt nicht, lieber Roland Ziegler. und – bei allem schuldigen Respekt – da weiß ich etwas mehr darüber als Sie.

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        Die Nazis haben mit dem Judenstern die bereits vorhandene Trennung vertieft und festgeschrieben (explizit gemacht). Was vorher aus verächtlichen Gerüchten und Geraune bestand, wurde nun offensichtlich. Gegenstand der Trennung war die Fragen: Wer ist jude? Wer ist Deutscher? Das konnte man vorher so nicht sehen. Jetzt aber schon. Das war das Ziel: aus der verborgenen Trennung eine offensichtliche zu machen. Dabei gleichzeitig die Abgetrennten zu entwürdigen.
        Und erst dann, darauf aufbauend, wurde vernichtet.

        Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wieso diese Reihenfolge angezweifelt oder gar bestritten wird. Von der Logik her und auch in der realen Abfolge in der Historie ist das doch eindeutig.

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        Es ist völlig anders gewesen, lieber Roland Ziegler, und ich muss Sie bitten, sich mit der Geschichte der Juden in Deutschland etwas zu befassen, bevor Sie – nur um einen Begriff zu retten, der verunklaren soll und bei Ihnen für Unklarheit sorgt – gewagte Thesen in die Welt setzen. Tatsächlich hatten die Juden seit dem 18. Jahrhundert in Deutschland gewaltige Fortschritte erreicht. Und erst recht seit dem Ersten Weltkrieg. Immerhin war mit Walter Rathenau 1922 ein Jude Reichsaußenminister geworden. Gegen diese Assimilation, gegen diese Erfolgsgeschichte, richtete sich die exterminatorische Wut der Nazis.

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        …der Judenstern ist doch geradezu der Beweis dafür, dass es vor der Vernichtung eine Trennung gegeben hat! Mit einem dazugehörigen Trennungswahn (darum geht es hier ja schließlich). Diese Markierung mit einem gelben Stern ist doch der Wahnsinn par excellence! Es war auch kein Zufallsgenerator, mit dem da markiert wurde, sondern man hat eben die Juden markiert, die bereits vorher getrennt und also identifizierbar waren. Andernfalls hätte man sie gar nicht markieren können. Dass diese Trennung zu dem Zweck der Vernichtung gemacht wurde, ändert daran gar nichts. Das Prinzip ist: erst Trennung, dann Vernichtung.

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        Lieber RZ, wenn ich jemandem eine Zielscheibe auf die Brust setze und sage: Schießt doch diesen Mann tot! – Dann habe ich ihn ausgesondert, abgetrennt usw. Aber UM ihn als Ziel zu markieren. Genau darum ging es bei der Apartheid NICHT. Mehr sage ich nicht.

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        @Roland Ziegler
        Ich stellte nicht die Hexenverfolgung generell dar, sondern ich listete mögliche Einflussfaktoren und Voraussetzungen einer Hexenverfolgung in Landshut auf. Dort verfolgten die Bürger Waisenmädchen als Hexen nur in der letzten Welle.
        „Soziale Trennungen konnten in der Neuzeit dazu führen, dass die Bürger im Hexenwahn Mitglieder schwächerer sozialer Gruppen bevorzugt der Hexerei beschuldigten. Übrigens denunzierten die Leute sehr oft aus materiellen und persönlichen Motiven.“

        Trennungen können einer Vernichtung voraus gehen, sind aber keine Bedingung für Vernichtung. Wenn jede Trennung zur Vernichtung führte, dann wäre die Menschheit seit Ewigkeiten ausgestorben. Wir leben in einer Welt der Trennungen. Zur Vernichtung gehört der Wille und die Entscheidung zur Vernichtung. Wer Spaltungen bejammert und sich einheitliche Gesellschaften ersehnt, schreckt oft vor Vernichtung nicht zurück. Das zeigt die Geschichte. Hinter Beseitigung und Vernichtung finden sich keine Trennungsmotive, sehr häufig jedoch Ideen der Ganzheit, der Gemeinsamkeit, des Gleichklangs, der Reinheit.

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        Wenn man auf der Suche nach einer Kurzformel ist, die den Unterschied zwischen Apartheid und Holocaust mit einem einzigen Wort auf den Punkt bringt, dann landet man bei dem, was Ihnen hier vorschwebt: „Trennungswahn“ auf der einen, „Vernichtungswahn“ auf der anderen Seite. Zack, fertig. Solche Kurzformeln sind vielleicht in der politischen Auseinandersetzung, aber nicht in der Wissenschaft das Ziel. Bei näherer Betrachtung sieht alles eben komplizierter aus.

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        Das Problem liegt an der Intention. Wie hängen Intention und Handeln zusammen? Meine eigene Kurzformel könnte lauten: „Die Nazis haben wahnhaft getrennt, um zu vernichten. Die Kolonialisten haben wahnhaft getrennt, um auszubeuten.“ Im Vergleich Ihrer (bzw. zu der Ihnen unterstellten) ist hier ein optisch kleiner, aber für diese Diskussion wesentlicher Unterschied festzustellen: In beiden Fällen wird wahnhaft getrennt. Die Intention unterscheidet sich. Das ist z.B. bei einem Mord oder einer Scheidung – die ja auch eine Trennung darstellt – nicht anders. Die Paare trennen sich aus allen möglichen Gründen – netten, bösartigen, rationalen… Z.B. aus Eifersucht, aus Grausamkeit in der Ehe, wegen Lieblosigkeit – warum auch immer. Die Intention ist jedesmal anders, individuell also. Aber in allen Fällen ist es eine Scheidung.

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        Lieber Herr Posener,

        ich habe Zweifel, ob Ihre These, dass „der Nationalsozialismus“ – und so muss man Sie verstehen, wenn man hier alles zusammen liest – von Anfang an die Trennung der Juden nur deshalb anstrebte, um sie später zu vernichten.

        Es mag sein, dass Hitler persönlich dieses Ziel von Anfang an hatte und sehr taktisch „sein Volk“ an dieses Ziel heranführte und letztlich dann auch genügend Helfer fand, die bereit waren zu Morden.

        Zu behaupten die Trennungsmaßnahmen „des Nationalsozialismus“ gegenüber den Juden hätten von Anfang an nur das Ziel gehabt, die Juden auszulöschen, ist eine ziemlich steile These und passt zumindest zu einigen historisch verbrieften Begebenheiten nicht zu 100 Prozent:

        https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2019-01/adolf-hitler-reichstagsrede-1939-juden-holocaust-nationalsozialismus

        Ich habe den Eindruck, Sie verrennen sich da ein wenig.

        Die ganze Sache ist leider nicht so einfach. Ich denke, dass Mbembe mit der Trennung von Menschengruppen einen ganz wichtigen Punkt anspricht, der ganz oft zu verheerenden Katastrophen führen kann. Das Wort Wahn in diesem Zusammenhang etwas unglücklich. In den von Mbembe genannten Situationen mag es zwar meist richtig sein, da aber nicht jede Trennung aufgrund einem Wahn basiert, zumal wenn sich eine Gruppe gegenüber dem Rest selbst abgrenzt, ist es aus meiner Sicht genauer als wenn Mbembe behaupten würde, jede Trennung berge die Tendenz zur Vernichtung in sich.

        Interessant fände ich zu wissen, welches Wort Mbembe in seiner Muttersprache oder im Englischen für „Trennungswahn“ benutzt.

        Wenn ich auf Trump (Mauer zu Mexico) und Bolsonaro schaue, frage ich mich auch, was zuerst da war, der Rassismus und die Verachtung für das Gegenüber oder der Trennungswahn und wann und wie bei Bolsonaro der Vernichtungsgedanke aufkam.

        https://www.survivalinternational.org/articles/3540-Bolsonaro

        Mit freundlichem Gruß

        68er

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        Lieber 68er, es gibt einen Streit in der Wissenschaft im Hinblick auf den Holocaust zwischen „Intentionalisten“ und „Funktionalisten“. Hatte Hitler von Anfang an die Vernichtung der Juden vor? Oder ergab sich der Holocaust aus einer Mischung aus Gelegenheit und Radikalisierung? Der Streit ist m.E. interessant, aber für unseren Gegenstand nicht wesentlich.
        In seiner allerersten uns überlieferten schriftlichen Äußerung – aus dem Jahr 1919 – spricht sich Hitler gegen „Pogrome“ aus und für die „Entfernung der Juden aus dem Volkskörper“. Wie das zu geschehen hatte, das war dann kontingent. Jedoch geht es weder Trump noch Bolsonaro, ging es weder den weißen Sklavenhaltern noch den Apartheidleuten um die „Entfernung“ von Bürgern anderer „Rasse“.

        Ach, und was die Nazis angeht, so wusste Himmler Bescheid. In seiner Posener (!) Rede sagte er:
        „Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. – „Das jüdische Volk wird ausgerottet“, sagt ein jeder Parteigenosse, „ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir.““
        https://www.1000dokumente.de/pdf/dok_0008_pos_de.pdf

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        Trotz aller Reformulierungsversuche werde ich das Gefühl nicht los, nicht richtig verstanden zu werden. In aller Kürze zu zwei Punkten:

        @Ben Frick: Vom allerletzen Satz Ihres Beitrags abgesehen (den ich jetzt mal unkommentiert lasse) kann ich nirgends einen Widerspruch zu dem erkennen, was ich gesagt habe. Allerdings vemrute ich, dass Sie widersprechen wollten. Ich habe aber bereits mehrmals betont, dass nicht jeder „Trennungswahn“ in die Vernichtung führt und schon gar nicht jede Trennung. Das heißt es gibt Trennungen und auch Trennungswahn ohne Vernichtung. Es handelt sich – so mein Ausdruck – um eine „notwendige“, nicht um eine „hinreichende“ Bedingung. Was ich damit meine, ist, dass eine absichtliche Vernichtung – Mord – jedenfalls in psychologischer Hinsicht eine Trennung voraussetzt. Bei Massenmord ebenfalls. Jeder Amoklauf – um mal ein weiteres Beispiel zu bemühen – basiert auf einer vorgängigen Trennung. Jeder Terrorist – noch ein weiteres Beispiel – hat sich von der Gesellschaft, der er Schaden zufügt, innerlich abgewendet = getrennt. Und Sie werden vielleicht auch akzeptieren können, dass, wenn man jemanden als Hexe umbringt, man ihn ebenfalls aus der (mit-)menschlichen Gemeinschaft herausgetrennt hat?
        Wenn man nach Hexen sucht, um sie zu töten, dann hat man vor dem Mord – vorgängig also – bereits Hexen von Menschen abgetrennt. Sonst würde man nicht nach Hexen suchen. Also: Erst gibt es eine Trennung und dann gibt es – vielleicht – den Mord. Aber der Mord findet nicht einfach so voraussetzungslos statt.

        @Alan Posener: „wenn ich jemandem eine Zielscheibe auf die Brust setze und sage: Schießt doch diesen Mann tot!“ – dann werden Sie in 99% aller Fälle, Zeiten und Orte ins Irrenhaus oder Gefängnis gesteckt. Wenn das nicht passiert, ist die Trennung, die diese Solidarität unter Menschen verhindert, bereits geschehen.

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        …Korrektur: nicht 99%, Kriege sind zu häufig. Auch dort gibt es erst Trennung in Freund/Feind und dann Vernichtung, übrigens. Sagen wir: in 80 % aller Fälle.

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        R.Z.; ‚Die Nazis haben mit dem Judenstern die bereits vorhandene Trennung vertieft und festgeschrieben (explizit gemacht).

        … der ‚gelbe Flicken‘ wurde im 9. Jahrhundert vom Islam, den Kalifen al-Mutawakkil, ‚eingeführt‘. Den Judenstern im Nationalsozialismus hatten ‚wir‘ 2011, ff im thread.

        (Nein, werter APo, ich krame nicht. Ich habe ein gutes Gedächtnis. 😉 )

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        …doch noch zu Ihrem letzten Gedanken, @Ben Frick: die Idee der Ganzheit, des Gleichklangs, der Gemeinsamkeit und Reinheit. Diese Idee führen Sie an als ein Beispiel für Vernichtung ohne vorgängige Trennung. Diese Idee (es sind eigentlich vier) lässt sich aber nur verwirklichen, indem man die nicht zur „Ganzheit“ dazugehörigen Teile entfernt, die Dishamonien im „Gleichklang“ beseitigt, die Unpassenden aus der „Gemeinschaft“ beiseite schafft und den „Schmutz“ von der Reinheit abwäscht. Dies alles sind Akte der Trennung, also finden wir auch hier wieder die „notwendige Bedingung“: Trennung vor Vernichtung.

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        Was ich als Kritik akzeptieren kann ist zu sagen: „Trennung“, „Tremnnungswahn“ – das ist ja so alltäglich und allgemein, dass es fast nichtssagend ist! „Wir leben in einer Welt der Trennungen“ , sagen Sie. Ja, das stimmt. Aber dann sollte man der These, dass es Trennung braucht, um morden zu können, doch problemlos zustimmen können? Aber obwohl es so alltäglich ist und so wenig aussagen kann, ist es offenbar doch möglich, sich hier tagelang darüber zu streiten, ob und in welcher Form Trennung vor den Morden stattgefunden hat und stattfindet. Soo selbstverständlich, alltäglich und nicht der Rede wert sind Trennungen, jedenfalls wenn es um Mord geht, offenbar doch nicht.

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        …vielleicht ist es für das Verständnis hilfreich wenn ich betone, dass Trennungen nichts Schlechtes sind, viele Trennungen sogar direkt ins Glück führen! Trennung ist nicht halber Mord. Das ist doch klar und ergibt sich auch gar nicht. Aber jeder Mord benötigt seine Trennung und jeder Massenmord seinen Trennungswahn.

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        Hm, ich fürchte, so wird es auch nicht verständlicher. Bei Massenmord führt die dazugehörige Trennung natürlich nicht ins Glück, sondern in den Untergang. Ich wollte nur ganz allgemein den Begriff nach beiden Seiten offenhalten. Trennung ist an sich weder gut noch schlecht. Ich rede hier nicht gegen Trennungen an. Polizeiliche Profiler orientieren sich jedenfalls zurecht an Trennungsmustern in Chatgroups. Wer hat sich offensiv getrennt von seiner Schule/seiner Gesellschaft/seiner Drogenkarriere usw. und versucht das zu vertiefen – das ist hier Kriterium. Damit versucht man, einen eventuellen späteren Anschlag aufgrund des vorgängigen Trennungsverhaltens zu verhindern. Das ist ein Radikalisierungsprozess, und die Trennung oder der Trennungswahn spielt hier eine wichtige Rolle.

        Damit will ich das Thema beenden, wer das alles unsinnig findet, soll das gerne so halten.

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        Lieber Herr Posener,

        wenn Sie schreiben würden, Hitler hätte von Anfang an vorgehabt, die Juden zu vernichten, würde ich Ihnen nicht widersprechen. Sie schreiben aber „die Nazis“ und das nicht nur einmal. Und das ist schlichtweg, um es jetzt einmal deutlicher zu sagen, falsch.

        Und die Posener Rede von Himmler, auf die Sie verweisen, hielt er im Jahr 1943. Und bevor Ihr Einwand kommt, Himmler einer der ekelhaftesten Geschöpfe unserer Gattung, mag das auch von Anfang an so angestrebt haben, ja das kann ich mir vorstellen. Aber für „die Nazis“ gilt das so uneingeschränkt nicht.

        Trump ist einfach nur widerwärtig und prinzipienlos, und Gelegenheitsrassist. Bei Bolsonaro sieht das schon anders aus. Wenn Sie meinem Link zu ihm folgen, gibt es von ihm durchaus Zitate, von denen man ableiten kann, dass er die Indigene Bevölkerung Brasilien als minderwertig betrachtet und eine Ausrottung als wünschenswert betrachtet.

        Wieso es hier den Streit gibt, liegt wohl auch daran, dass Sie Mbembe missverstehen wollen. Ich glaube nicht, dass Mbembe behauptet, der Trennungswahn wäre die einzige Ursache für die Vernichtung missliebiger Gruppen. Aber dieser führt allzu oft zu Tod und Vernichtung. Bei Bolsonaro, und da wollte ich eigentlich hinaus, ist die Triebfeder für seinen Rassismus keine Separation im Sinne von räumlicher Trennung sondern im Sinne einer imaginierten Separation von angeblich minderwertigen vs. höherwertigen Rassen. Er ist der Massa und die Indigenen und Afrobrasilianer sind „Nichts“. Sicherlich gibt es gerade in Südamerika auch viel räumliche Trennnung, z. B. Gated Communitys, aber das Beispiel der Indigenen im Amazonas zeigt, dass Bolsonaro weniger Angst vor einer Mischung der Bevölkerungsgruppen hat, vielmehr stört es ihn, dass diese Menschen überhaupt Rechte haben und damit den Raubbau im Amazonasgebiet behindern. Bolsonaro ist ein Rassist und White Suprematist. Und es ist gar nicht notwendig, dass man einen Mord oder viele Morde anordnet. Wenn man die Stimmung genug anheizt, finden sich immer mehr, die einen verstehen oder missverstehen und andere vemeintlich für einen umbringen. Ihnen sagen die Namen Marielle Franco und Adriano da Nóbrega sicher etwas.

        Und das gibt es natürlich nicht nur bei den Rechten. Man kann auch vemeintliche Klassengrenzen ziehen und die Leute deswegen umbringen oder entrechten.

        Beste Grüße

        Ihr 68er

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        Lieber 68er, ohne Hitler hätte es den Holocaust nicht gegeben. Völlig klar. Ein Beispiel für die Wirksamkeit des Individuums in der Geschichte. Und ob Hitler „von Anfang an“ ein solches gewaltiges Verbrechen vorhatte, weiß ich nicht einmal. Zweifellos aber hätte er nichts erreicht ohne Millionen „willige Vollstrecker“ (Daniel Goldhagen). Mehr behaupte ich ja nicht.
        Bevor Sie mir unterstellen, dass ich Mbembe „missverstehen will“, würde ich Sie bitten, meine inzwischen doch zahlreichen Äußerungen zu ihm nachzulesen. Ginge es nur um den „Trennungswahn“, so würde ich einräumen, dass man das so und so lesen kann. Aber im Kontext anderer Äußerungen meine ich, dass nur eine Lesart möglich ist. Aber noch einmal: Hängen wir uns nicht an einem Begriff auf. Betrachten wir den Gesamtzusammenhang von Worten und Taten Mbembes. Hier stehe nicht ich in der Lieferpflicht, sondern – da Sie mir unlautere Motive unterstellen – Sie.

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        „Politik der Feindschaft“ habe ich gerade eben schnell digital im Original („politiques de l’inimitié“) quer gelesen. Mbembe schreibt:
        „Le système de l’apartheid en Afrique du Sud et, sur le mode paroxystique et dans un contexte distinct, la destruction des juifs d’Europe constituèrent deux manifestations emblématiques de ce fantasme de séparation.“
        Fantasme lässt sich ins Deutsche übersetzen u.a. mit Phantasievorstellung, Phantasterei, Hirngespinst, Wahnvorstellung. Trennungswahn ist also eine gute Übersetzung. Ich kann keine klare, geschweige denn wissenschaftliche Definition des Konstruktes „fantasme de séparation“ finden, die sich dann empirische prüfen ließe.

        Auch in „politiques de l’inimitié“ thematisiert Mbembe Israel ähnlich wie in seinem Vorwort zum Buch „Apartheid Israel“ (2015). Israel verfolgt seinem fantasme nach ein Trennungsprojekt. Ich habe eine kurze Passage übersetzt:

        „Die Metapher der Apartheid reicht jedoch nicht aus, um das israelische Trennungsprojekt zu erklären. Zunächst einmal beruht dieses Projekt auf einer sehr einzigartigen metaphysischen und existentiellen Grundlage. Die apokalyptischen und schrecklichen Ressourcen, die ihm zugrunde liegen, sind weitaus komplexer und in einem längeren Zeitraum verwurzelt als diejenigen, die der südafrikanische Calvinismus ermöglichte.
        Dann sind die Auswirkungen des israelischen Projekts auf den palästinensischen Körper aufgrund seines High-Tech-Charakters weitaus einschneidender als die relativ primitiven Operationen, die das Apartheidregime in Südafrika zwischen 1948 und Anfang der 1980er Jahre durchführte.
        Dies ist der Fall bei der Miniaturisierung der Gewalt, ihrer Zellularisierung und Molekularisierung sowie bei den Techniken der materiellen und zugleich symbolischen Auslöschung. Und das gilt auch für die Verfahren und Techniken zum Abriss von fast allem – Infrastruktur, Häuser, Straßen, Landschaften – und für die Dynamik der fürchterlichen Zerstörung, deren Eigenart es ist, das Leben der Palästinenser in ein Trümmerfeld und einen zur Säuberung verdammten Müllhaufen zu verwandeln. In Südafrika haben die Ruinenfelder nie solche Dimensionen erreicht.
        […]
        Das Besondere dieser Art von Trennung [„des israelischen Projekts“] ist nicht nur, dass sie sich gerne mit Besatzung und, falls nötig, mit Rückzug zufriedengibt. Vielmehr kann sie sich jederzeit in eine Erdrosselung transformieren. Die Besatzung ist in jeder Hinsicht ein Nahkampf in einem Tunnel.“

        Das ist keine Wissenschaft. C‘est un fantasme.

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        Eine Sache meinerseits noch zur Situation der Juden vor den Nazis: Ich will mir hier gar nicht ein historisches Wissen anmaßen, das ich nicht habe. Das hat wohl einen falschen Eindruck gemacht. Was ich aber weiß (aus literarischen Quellen, aus biografischen Texten wie z.B. das zitierte Erlebnis Cassirers, aus Ihren eigenen Darstellungen, Herr Posener, und allen möglichen anderen Quellen) ist, dass es vor der Machtergreifung Hitlers einen Antisemitismus gegeben hat. Mich wundert, dass Sie diesen bestehenden, „vorgängigen“ Antisemitismus mit Hinweis auf einen erfolgreichen Prozess der Assimilation plötzlich infrage stellen. Um dies festzustellen, muss ich kein umfangreiches Quellenstudioum durchführen, wie Sie mir es nahelegen. Es ergibt sich analytisch aus de Tatsache, dass z.B. Adolf Hitler und seine Leute Antisemiten waren. Irgendwo müssen die ihren Antisemitismus ja her haben, der ist nicht vom Himmel gefallen. Und da sie mit diesem Antisemitismus an die Macht kamen, muss es außer ihnen noch andere gegeben haben, die diesen Antisemitismus vielleichtn in abgeschwächter Form geteilt oder sich zumindest daran nicht gestört haben. Möchten Sie dies bestreiten?
        Und daraus folgt nun einmal analytisch, dass ein vorgängiger (d.h. vor der Machtergreifung im Volk virulenter) Antisemitismus vorhanden war, auf den dier Nazisd aufbauen konnten.

        Diese sehr schwach formulierten, sehr allgemeinen, beinah nichtssagenden Thesen müssten doch konsensfähig sein? Oder ist das schon wieder alles völlig falsch?

        Dann gehen wir einen Schritt weiter. Das darauf aufbauende Argument ist dasselbe wie bei den Hexen: Im Mittelalter glaubten ausreichend viele oder ausreichend mächtige Leute kurz vor der Hexenverfolgung an Hexen. Sonst hätte es keine Hexenverfolgung geben können.

        Und nun die Parallele: Bei den Nazis wurden Juden verfolgt. Ergo waren ausreichend viele/mächtige Leute bereits vor der Judenverfolgung Antisemiten. die sind nicht alle plötzlich mutiert.

        Wenn man dies akzeptiert, dann besteht die logische Folgerung in dem behaupteten vorgängigen Trennungswahn.

        Wenn Sie die „Trennungswahntheorie“ trotzdem effektiv kritisieren wollen, rate ich zu der Strategie, lieber auf die Schwammigkeit/Allgemeinheit des Begriffs zu setzen statt auf seine Abwegigkeit. Aber bei einer neuen Theoriebildung fängt man eben mit einem weiten Begriff an. Man dehnt ihn, passt ihn den Situationen an, guckt, ob sich logische Widersrpüche ergeben. Und wenn nicht, wird er irgendwann zu einem definierten Terminus Technicus. Soweit ist die Theorie mit dem Trennungswahn nicht. Es gibt keine Definition. Das kann man kritisieren.

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        Ich stelle den Antisemitismus vor 33 nicht infrage, lieber Roland Ziegler. Ich stellte die Trennung infrage. In dieser Hinsicht besserte sich das Los der Juden erheblich und kontinuierlich im Kaiserreich und erst recht in der Republik, und gerade deshalb war die „verjudete“ Republik bei den Nazis so verhasst.

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        Sie haben mich auf Goldhagen verwiesen. (Ich habe ihn nicht gelesen und fidne das Thema auch zu traurig, um mich damit in meinem regelmäßig Alltag zubeschäftigen)
        Im Spiegel liest man dazu Folgendes: „“Eliminatorischer“ (Ausgrenzungs-) und auch „exterminatorischer“ (Ausrottungs-)Antisemitismus habe längst in den Köpfen der meisten Deutschen existiert, Hitler und sein Apparat hätten ihn nur noch in Aktion setzen müssen.“

        Ist das abstrus? Dies ist doch genau das, was ich hier sage! Außer dass ich annehme, dass die Nazis den vorherigen Alltagsantisemitismus bewusst eskaliert haben. Aber das ist für diese Diskussion eigentlich völlig egal.

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        Lieber R.Z., Sie schreiben: „Ich habe (Goldhagen) nicht gelesen und finde das Thema auch zu traurig, um mich damit in meinem regelmäßig Alltag zu beschäftigen.“ Ich habe viele deutsche Freunde, denen es ähnlich geht. Und glauben Sie, mir ginge es anders? Nur: Wenn man mitdiskutieren will, dann muss man sich vorher informieren.

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        So falsch finde ich RZs Begriff ‚Trennungswahn‘ nicht, zumindest, was die Nazizeit betrifft: Nach seiner Ausbildung als Marinefunker (1942) musste mein Vater einen Ariernachweis beibringen und wenn die damaligen Kommunalbehörden an der Mosel nicht bei allen unseren Verwandten die Religionszugehörigkeit verschleiert hätten, würde ich wohl gar nicht existieren.
        Ich denke daher, es gab diesen Trennungswahn im nationalsozialistischen Deutschland und er hat in diesem Fall durch die Obstruktion subalterner Behörden – ich vermute auch aus gesundem Eigeninteresse – seine Grenzen gefunden. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es erst eine Art ‚Putzzwang‘ war, der aber infolge der daraus erwachsenden Enteignungen, Vorteilnahmen, Übergriffe und Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung, vielleicht so ab ’39..’40 aus Angst vor möglicher Vergeltung, zu einem unbedingten, nun ja, als ‚alternativlos‘ angesehenen Vernichtungswillen eskalierte. Ich glaube aber nicht, dass einem Trennungswillen per se schon ein Wille zur Vernichtung innewohnt. Unter den (gesellschaftlichen und ökonomischen) Bedingungen des Nationalsozialismus ist aber einer daraus geworden.

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        @Roland Ziegler
        Ich denke, wir schreiben teilweise aneinander vorbei.

        Nirgendwo in Mbembes Buch finde ich eine klare Definition der Trennung und des Trennungswahns, er verwendet beide weitgehend synonym und subordiniert einige soziale Phänomene, z.B. das, was er als das israelische Trennungsprojekt bezeichnet, und den Holocaust. Nach dem Querlesen habe ich den Eindruck, dass Vernichtung für ihn lediglich die zwingende Konsequenz und das Endstadium einer Trennung zu sein scheint. In anderen Worten: jede andauernde Trennung führt für ihn zur Vernichtung. So dichtet er Israel, er nennt es das „israelische Trennungsprojekt“, das Ziel der Vernichtung an, wenn er u.a. „Techniken der materiellen und zugleich symbolischen Auslöschung“ unterstellt und fiebert: „Das Besondere dieser Art von Trennung [„des israelischen Projekts“] ist nicht nur, dass sie sich gerne mit Besatzung und, falls nötig, mit Rückzug zufriedengibt. Vielmehr kann sie sich jederzeit in eine Erdrosselung transformieren. Die Besatzung ist in jeder Hinsicht ein Nahkampf in einem Tunnel.“

        Es geht mir nicht um die temporale Abfolge der Vorgänge, sondern um Kausalitäten, Motive, Intentionen und Ursachen. Natürlich, der Vorgang einer Trennung geht dem Vorgang einer Vernichtung zeitlich voraus. Und @Klaus J. Nick, ja, Trennungsmaßnahmen setzte das NS-Regime von Anfang durch, z.B. 1933 mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, was die Grundlage für die Entfernung „nicht-arischer“ öffentlicher Angestellter und Beamten aus dem Dienst bildete. Nur die Vernichtung ergibt sich nicht aus der Trennung oder aus einem Trennungswahn. Jede Vernichtung geschieht aus bestimmten Absichten und Motiven. Zur Vernichtung gehört der Wille und die Entscheidung zur Vernichtung. Zum Beispiel war die Absicht einer Hexenverfolgung alle Hexen aufzuspüren und auszurotten, das Böse zu beseitigen, um die Wende zum Guten herbeizuführen. Selbstverständlich trennten die Hexenverfolger die Hexe vor ihrer Verbrennung von der Gesellschaft und folterten sie gewöhnlicherweise bis zum Geständnis. Ganz eindeutig löste kein Trennungswahn ihre Verbrennung aus. Der Vernichtungswille der Bevölkerung und der Obrigkeit sorgte für ihre Vernichtung.

        Die Soziologie kennt die Segregation – nicht jedoch Mbembe; der selbstreferentielle Zirkel der postcolonial studies scheint Terminologie und (empirische) Erkenntnisse der Sozialwissenschaften abseits des (Postpostpost-)Poststrukturalismus nur in begrenztem Maße zur Kenntnis zu nehmen. Darunter werden Vorgänge der Entmischung und Trennung verschiedener sozialer Elemente in einem Beobachtungsgebiet verstanden. Die Apartheid gilt als ein Extremfall der Segregation.
        Vernichtung dagegen bezeichnet Vorgänge der Auslöschung verschiedener sozialer Elemente in einem bestimmten Gebiet.
        Der Holocaust war der deutsche Völkermord an den europäischen Juden. Das war Vernichtung auch mit industriellen Methoden mit dem Ziel alle Juden im deutschen Machtbereich auszulöschen.
        Eine Vernichtung kann auf eine Trennung folgen.
        Eine Trennung ist keine Ursache für eine Vernichtung.
        Eine Vernichtung ist keine Form der Trennung.
        Trennungen und Vernichtungen sind unterschiedliche soziale Phänomene, Vorgänge, die jeweils verschiedene Motive, Absichten und Ursachen haben können.

        Mbembes fantasmes erscheinen mir formallogisch als Harlekinade und empirisch als Humbug.

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        Lieber Ben Frick, vielen Dank für Ihre ausführlichen Bemerkungen: „jede andauernde Trennung führt für ihn zur Vernichtung“ – ist das bei Mbembe wirklich so? Ich kann es kaum glauben, habe aber weder Zeit noch Lust, das bei Mbembe selber nachzulesen.
        Zu Israel: Diesen Konflikt scheint er tatsächlich in die Kategorie „Trennungswahn“ einzureihen. Das wäre aus verschiedenen Gründen falsch (in Israel herrscht keine Rassentrennung und Israel wird tatsächlich – nicht wahnhaft – angegriffen). Mich würde interessieren, ob er sich aktuell immer noch so dazu äußert.
        Kausalitäten: Es ist schwierig herauszufinden, was eine Kausalität und was ein „Faktor“ ist. War z.B. der Börsencrash eine Kausalität? Besser ist der Begriff „Intention“: Hier muss man aber auch aufpassen. Nicht jeder hat dieselben Intentionen, und Intentionen sind keine konstante Größe. Grundsätzlich stimme ich aber zu: Ja, die Nazis hatten als Intention die Vernichtungsabsicht. Natürlich, sonst hätten sie nicht vernichtet. Das war ja kein unbeabsichtigter Zufall oder eine Naturkatastrophe. In der Apartheid wurde ebenfalls vernichtet, sobald es zu Aufständen kam (Herero-Massaker), dann herrschte dort ebenfalls eine Vernichtungsabsicht.
        Soziologie/Segregation: Ehrlich gesagt scheint mir Soziologie auf einem sehr unsicheren Erklärungsfundament zu gründen, nämlich dem des menschlichen Verhaltens und Intendierens. Die grundsätzlichen Ausssagen, die Sie über Trennung und Vernichtung wiederholen, erscheinen mir nach wie vor fraglich. Mich überzeugen am meisten diejenigen soziologischen Aussagen, die mit statistischen Methoden getroffen werden.

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        Noch eine Bemerkung zu dem Begriff „Kausalität“: der lässt immer an eine höchst komplizierte Maschine denken, bei der das eine in das andere greift und einen Ablauf bewirkt, der gar nicht anders hätte ablaufen können. Das führt aber in die Irre. Es ist der menschliche Geist, der die Geschehnisse der Geschichte maßgeblich bewirkt. Genauer gesagt viele menschliche Geister, mit ihren Weltsichten, Absichten, Eitelkeiten, ihrem Wahn usw., die über Generationen ihre geistigen Inhalte weitervererben. Was man also bräuchte, wäre eine Theorie des Geistes. In diese müssten sich dann auch jene Überlegungen zum „Trennungswahn“ eingliedern lassen.

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      Wo fangen wir mit dem Trennen eigentlich an? In der Bronzezeit nach der Arbeitsteilung und der Gerinnung von hierarchischen Strukturen oder beim Sklavenhandel der Kelten, Griechen und Römer? Wir könnten auch die gesetzliche Abgrenzung von Goten und Römern zu Zeiten Theoderichs des Großen nehmen oder, gehen wir könnte im Nahen Osten bleiben, mit seinen Kulten und Mysterien, von denen das monotheistische Judentum ja nur eines von vielen (damals) war. Die Nachfolgenden Jahrhunderte des islamischen Sklavenhandels sind in Süd und Osteuropa noch sehr gut im Gedächtnis, inklusive der Einfälle der Steppen-Krieger und der Hierarchien in ihren Reichen. Oder gehen wir ganz zurück: DNA-Analysen weisen darauf hin, dass es Jahrhunderte keine Vermischung von Jäger/Sammlern und Bauern in Europa gegeben hat. Sie lebten getrennt. „Sich trennen“ ist etwas so Banales und in der Geschichte belegbares, dass das Trennen als Kategorie vollkommen unbrauchbar ist, außer man Definiert so lange den Begriff, bis er einen spezifischen Zusammenhang beschreibt. Auch der Vorgang wäre ja nicht neu oder ungewöhnlich, ist aber für nicht eigeweihte schwer nachvollziehbar.
      Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass ein Kriegsschiff im Zeitalter des Kolonialismus für eine Gruppe, die all das nicht aus erster Hand erlebt hat, etwas ganz Neues und Einschneidendes war – ich weiß es nicht. Aber vom Nordkap bis zum Atlas-Gebirge, von Irland bis zum Kaukasus ist die Geschichte gut erforscht und Kolonialismus in seinen Facetten ist in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht so neu. Insofern wäre der Kolonialismus erst die Form, in der afrikanische Kulturen einer viel, viel älteren Entwicklung begegnet sind, was aber die These, der Kolonialismus der Neuzeit wäre der Begründer etwas gänzlich Neuem, wiedersprechen würde. Die These, in Afrika sei etwas durch den Kolonialismus entstanden, was dann übertragen wurde, stimmt erst dann, wenn es vorher dort nicht da war und das wird durch unzählige Schriften und Funde wiederlegt.
      Beispiel: Die Nordmänner benutzten Langschiffe, die Briten Segelschiffe, um Sklaven aus Irland beziehungsweise Afrika abzuholen. In beiden Fällen waren die Eliten der Herkunftsländer die Kollaborateure, ohne die es nicht gegangen wäre. Briten hatten in Afrika eigene Siedlungen mit Sonderrechten, die Nordmänner in Irland auch. Dazwischen liegen fast 1000 Jahre. War der Polytheismus der Nordmänner ursächlich für den Sklavenhandel der Briten? Naja, 1000 Jahr vorher hatten wir das gleiche Situation mit anderen Mitspielern, usw.

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        Das alles macht es sehr, sehr schwer aus verschiedenen Ereignissen eine Kausalität herzustellen und es muss so sehr gekürzt und weggelassen werden, dass die Muster, die sich durch Verkürzung offenbaren, die berühmten Muster ohne Wert sind. Da irgendwie alles mit allem zusammenhängt, sind die Gedenkanspiele ja auch faszinierend, aber dann wird aus dem Muster ein Hammer und alle Sachverhalte zu Nägeln. Und dann passt es auch auf das arabisch/jüdische Verhältnis, wenn man nicht genau hinschaut. Der Antisemitismus eines arabischen Bauern, der mehrmals am Tag von israelischen Soldaten an einer Straßensperre kontrolliert wird, ist ein anderer, als der eines europäischen Bauern, der gehört hat, Juden hätten Jesus umgebracht. Der Grund für diese israelische Straßensperre ist ein grundlegend anderer, als für das Verbot, aus dem gleichem Wasserhahn zu trinken, wie seinerzeit in Südafrika. Und auf einmal machen die Vergleiche keinen oder jeden Sinn. Womit wir wieder bei der Beliebigkeit historischer Muster sind.

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        Genau, Stevanovic. Anders gesagt: Man vergleicht hauptsächlich, weil man Differenzen erkennen will. Jedenfalls, wenn man Wissenschaftler ist.

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        Nur als Anregung: Beim Brexit wurde diskutiert, inwiefern die EU der Kriegsgefahr der europäischen Nationalstaaten entgegenwirke und ob durch die Brexit-Trennung diese Gefahr nicht wieder wächst. Hier haben Sie dasselbe Thema „Trennung“ in einer anderen Spielart.

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        Für die Wissenschaft ist es genauso wichtig zu erkennen, dass diese beiden unterschiedlichen Individual-Dinge da zwei Äpfel sind und nicht ein Apfel und eine Birne.

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        Ich war als Kind einmal sehr krank, mit hohem Fieber. Es wurden zwei Ärzte konsultiert, die verschiedener Meinung waren. Der eine verwies auf untypische Smptome und sagte: „Das ist keine Angina! Vielleicht ist es Diphterie!“ Der andere, unser alter Hausarzt, bestand darauf, das es trotz individuell abweichender Merkmale trotzdem eine schlichte, schwere Angina wäre. Meine Eltern haben ihm geglaubt, und ich bin ihm für sein Verständnis von Wissenschaft dankbar.

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        Ich war mal als Jugendlicher sehr krank. Die Hausärztin meinte, es sei eine Angina und pinselte mir den Rachen aus. Ich starb fast vor Schmerzen. Da das Fieber nicht besser wurde, rief man einen HNO-Spezialisten. Es war Pfeiffersches Drüsenfieber. Rachen auspinseln war kontraindiziert. Antibiotika waren angesagt. Ich bin diesem Arzt bis heute dankbar.

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    Eieiei… Da wäre ja schon wieder so vieles zu sagen; aber das spare ich mir heute und morgen mal. – Nur ein paar Kleinigkeiten, lieber Herr Posener:
    1. Warum nur müssen Sie immer derart über das hinausschießen, was in einem Text tatsächlich zu lesen steht? Wenn *wir* beide diskutieren, dann lassen Sie irgendwelche Unbeteiligten, die an unserer Auseinandersetzung gar nicht teilnehmen, doch einfach außen vor: ich spreche weder für Herrn Mbembe noch für Herrn Speer, die ja womöglich ganz anderer Ansicht sind als ich es bin.
    2. Die Rede von einem ’naiven‘ Realismus ist nicht irgendeiner persönlichen Überheblichkeit geschuldet, sondern nutzt eine geläufige Bezeichnung für eine bestimmte erkenntnistheoretische Position, die im Wettstreit mit anderen Positionen – idealistischen etwa, konstruktivistischen, aber auch anderen realistischen – steht. Und *Ihre* Vorstellungen würde ich in diesem Sinne als ’naiv realistisch‘ einschätzen; das ist alles. Sollten Sie sich durch diese meine Redeweise beleidigt gefühlt haben, dann entschuldigen Sie bitte; das war nicht meine Absicht.
    3. Aus dem Vorangegangenen wird wohl auch sofort klar, daß Erkenntnistheorien nicht irgendwie per se bestreiten, daß es die Wirklichkeit und (als einen Ausschnitt daraus: sechs Millionen Opfer der nazistischen Judenmorde) *gibt*, sondern was das eigentlich heißt und wie und warum Wirklichkeitserkenntnis überhaupt möglich ist.
    4. Ich weiß ehrlicherweise nicht, was *Ihnen* klarer geworden ist, denn leider verraten Sie es ja nicht, kann aber auch so sehr präzise benennen, was ich so vehement verteidige, nämlich den Anspruch eines jeden ernst gemeinten Textes, so gründlich gelesen zu werden, daß zumindest flagranteste Mißverständnisse und Fehldeutungen weitgehend ausgeschlossen werden können; daß jeder Leser anspruchsvoller Texte zunächst einmal gehalten ist, den Text sagen zu lassen, was dieser von sich selbst her sagen will, und ihm als Interpret nicht etwas zu soufflieren, was man gerne selber gesagt haben würde.
    Es ist klar, daß dieser Anspruch in der durch und durch unseligen Feuilleton-Debatte um Herrn Mbembe laufend mit Füßen getreten wird, denn außer den paar mühsam rausgekramten Stellen, die stets wieder genannt werden (und von denen die Hälfte sofort wieder gestrichen werden müßte), hat ja niemand seine Schriften gelesen. Ich übrigens auch nicht, falls Sie in mir einen Verteidiger Herrn Mbembes vermuten: meine einzige Begegnung mit ihm fand in einer Bahnhofsbuchhandlung statt, in der mir (als geneigtem Kant-Leser) seine ‚Kritik der schwarzen Vernunft‘ aufgefallen war, die ich aber nach einigem Durchstöbern wieder auf den Büchertisch zurückgelegt habe. Es liegt mir also auch nichts an einer Einebnung irgendwelcher Unterschiede, wie Sie nun nicht mehr nur mit Blick auf Herrn Mbembe, sondern auch auf mich insinuieren, und ich auf bestimmten Punkten so insistieren, so nur, weil ich gehofft hatte, an einer einzigen kleinen Textstelle ein in der Zeitungsdebatte sehr wichtig gewordenes Mißverständnis korrigieren zu können…

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      Dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, worum es Ihnen überhaupt geht. Gut, Sie sind gegen „naiven Realismus“. Ich bin dafür. Es gab den Sklavenhandel. Es gab den Holocaust. Es gibt den Klimawandel. Aber der Klimawandel ist kein „Klimaholocaust“, der Sklavenhandel war nicht Vorläufer des Holocaust, und wenn wir das alles subsumieren unter „Verbrechen der Moderne“, was sie zweifellos sind, haben wir wenig gewonnen. Mein naiver Realismus geht im Popper’schen Sinne davon aus, dass man sich mit jedem vernunftbegabten Menschen über Fakten verständigen kann. Das ist die Grundlage jener Moderne, von der oben die Rede war. Wenn Sie das bezweifeln und als naiv hinstellen, so bin ich gern naiv; Sie aber sind gefährlich.

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    Es ist Pfingsten, da werde ich mich an keine lange Antwort machen; nur so viel, lieber Herr Posener: Sie begreifen ganz offensichtlich nicht, daß für begriffslogische Fragen *nur* die Logik zuständig ist und irgendeine Wirklichkeit dabei überhaupt keine Rolle spielt – egal, ob es dabei um ein Buch von Herrn Mbembe oder die Erforschung von Menschenaffen geht. Ebendrum ist die Logik ja eine *formale* Wissenschaft, die bei der Untersuchung von Begriffsverhältnissen von aller Begriffs*materie* absieht! Das hat mit irgendeiner Willkürlichkeit rein gar nichts zu tun.
    Und um mal an den Ausgangspunkt Ihrer Mbembe-Kritik und meiner Kommentare dazu zu erinnern: es ging darum, ob es sich bei einem bestimmten Satz – wie Sie vermeinten – um einen Vergleich handele oder – wie ich glaube dargelegt zu haben – um eine Subsumption. Und zur Klärung *dieser* Frage braucht es keine inhaltliche Kennzeichnung, sondern ’nur‘ eine rein formale Reflexion…
    (Die bereichsspezifischen Probleme der Begriffsbildung, die *Sie* dauernd geltend machen wollen, werden nicht in der formalen Logik, sondern unter Zuhilfenahme der logischen und mit Blick auf die jeweiligen empirischen Theorien in der Wissenschaftstheorie untersucht.)
    Ich muß mal schauen, ob ich auch auf Ihren… – ich sage mal freundlich: sehr robusten (aber eigentlich doch recht naiven) erkenntnistheoretischen Realismus eingehe, der Ihnen das Verständnis von Texten wie denen Herrn Mbembes erheblich erschwert, wie mir immer klarer – die ‚Wirklichkeit‘ ist, gerade für eine wissenschaftliche Weltauffassung – keineswegs einfach *da*….
    Aber dies und anderes mehr ein anderesmal.

    Ach so: Ja, das bin tatsächlich ich; allerdings bin ich schon seit vielen Jahren nicht mehr an der Universität. – Es ist meines Wissens übrigens ganz wesentlich dem Leiter des Thomas-Instituts, Herrn Prof. Dr. Speer, zu verdanken, daß die Veranstaltungsreihe der Albertus-Magnus-Professur eingerichtet worden ist, bei der im Sommer vergangenen Jahres Herr Mbembe der Gast war… Ich habe die Vorlesungen seinerzeit nicht mitbekommen, sehe aber, daß sie als Video-Aufzeichnungen ins Netz gestellt worden sind:
    https://amp.phil-fak.uni-koeln.de/professorinnen/2019-achille-mbembe

    Schöne Feiertage!

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      „Ich muß mal schauen, ob ich auch auf Ihren… – ich sage mal freundlich: sehr robusten (aber eigentlich doch recht naiven) erkenntnistheoretischen Realismus eingehe, der Ihnen das Verständnis von Texten wie denen Herrn Mbembes erheblich erschwert, wie mir immer klarer – die ‘Wirklichkeit’ ist, gerade für eine wissenschaftliche Weltauffassung – keineswegs einfach *da*….“
      Und sehen Sie, Stefan Nottelmann, die Wirklichkeit IST da. Ob Herr Mbembe oder Herr Nottelmann oder Herr Speer das begreift oder nicht. Sie mögen mit einer Überheblichkeit, die ich Ihnen als der Ältere nachsehe, diese Auffassung für „naiv“ halten, aber sie ist die Auffassung der Wissenschaft. Und wir reden, wenn wir über die Geschichte reden, von Wissenschaft. Von dem, was Fakt war. Es mag ja sein, dass Sie „rein logisch“ alles unter allem subsumieren können, etwa „Europa“ unter „blau“; und es mag sein, dass es „gängige Praxis“ in manchen geistes“wissenschaftlichen“ Bereichen ist, Begriffe wie „Trennungswahn“ zu erfinden und dann zu schauen, was man alles darunter subsumieren mag. Aber Letzteres spricht gegen jene akademischen Bereiche, nicht gegen den „naiven Realismus“, der da sagt: sechs Millionen Männer, Frauen und Kinder innerhalb von fünf Jahren ermorden, das ist etwas qualititiv, nicht nur quantitativ Anderes als eine Mauer bauen, um Terroristen abzuhalten; und auch qualitativ Anderes als die Behandlung von Menschen als Ware oder ihre Segregation in schlechtere Wohngebiete, mit schlechterer materieller Versorgung, Schulen usw. usf. Und dass die Erfindung des Begriffs „Trennungswahn“ nichts Anderes bezweckt als die Einebnung dieser qualitativen Differenz.
      Warum Sie das so vehement verteidigen, wird nun auch klarer.

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      Ich kann „logisch“ jeden Begriff unter jeden anderen subsumieren, das ist eine reine Frage der Definition dieser Begriffe. Kein Problem. Wenn diese Subsumption allerdings überhaupt keinen Bezug zur Realität hat, dann fällt sie unter „Fantasy“ und nicht unter „Wissenschaft“. Wenn also Herr Mbembe Fantasyromane geschrieben hat, ist die Kritik an ihm ebenso unverständlich, wie eine Einladung zum Vortrag auf einem wissenschaftlichenSymposion.

      „Ebendrum ist die Logik ja eine *formale* Wissenschaft, die bei der Untersuchung von Begriffsverhältnissen von aller Begriffs*materie* absieht!“ Das ist schlicht Quark. Die Logik ist als Hilfswissenschaft bei der Erkenntnis hilfreich, wann und wo man bei der logischen Verknüpfung von Fakten und Schlussfolgerungen einen Fehler macht. OHNE Fakten ist Logik überhaupt keine Wissenschaft, weil sie zur menschlichen Erkenntnis schlicht gar nicht beiträgt.

      Im übrigen ist die Verteidigung „Er hat doch nur logisch subsumiert“ ohnehin dünn wie Seidenpapier. Um das zu illustrieren, ein kurzes Beispiel:
      1) Herr X postuliert einen Gleichheitswahn der Menschheit
      2) Feminismus und der mörderische Agrarkommunismus der Roen Khmer Kambodschas sind nach Herrn X Beispiele dieses Gleichheitswahns, die sich nur in ihrer Intensität unterscheiden
      Ich bezweifle, dass irgend jemand in diesem Fall die Verteidigung „Er hat doch nur logisch subsumiert“ auch nur zulassen, geschweige denn mittragen würde. Völlig zu recht übrigens.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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        Super Beispiel mit dem „Gleichheitswahn“, lieber Thorsten Haupts. Das Argument klaue ich bei Gelegenheit.

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        Das Argument stimmt nur an der Oberfläche, weil es annimmt, Feminismus beruhe auf dem Wahn, „gleich“ zu sein (exakt so wie Männer). Es geht beim Feminismus jedoch um gleiche Rechte, nicht um gleiche Eigenschaften. Im Gegenteil ist Feminismus oft damit verbunden zu erforschen, was spezifisch weibliche Eigenschaften sind, die Männer eben nicht haben. Daher ist der Feminismus auch kein Wahn, sondern eine „Forderungsbewegung“.
        Auch z.B. beim Wahlrecht haben wir gleiche Rechte, aber nicht gleiche Eigenschaften.

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        Lieber Roland Ziegler, es kommt nicht darauf an, ob die Subsumierung einleuchtend ist; das ist sie eben nicht; und eben auch nicht beim „Trennungswahn“. Das ist nun wirklich nicht so schwer zu begreifen.

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        Der „Trennungswahn“, um den es hier geht – Frauen/Männer, Weiße/Schwarze, Juden/Arier, Hutu/&Tutsi… – ist immer mit einer Abwertung verbunden. Der Feminismus behauptet und bekämpft diese vorgängige Abwertung. Das ist kein „Gleichheitswahn“.

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        Die Trennung Juden / Arier war eben nicht „mit einer Abwertung verbunden“. Ich weiß nicht, warum Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Lesen Sie doch EIN Buch über den Antisemitismus, etwa „Nationalsozialistische Moral“ von Raphael Groß; dann sind Sie klüger, und wir müssen nicht immer wieder hier die gleiche Diskussion führen.

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        Soll ich jetzt Beispiele von antisemitischen Klischees zum Beispiel aus der Literatur heraussuchen, in denen die von mir behauptete Abwertung der Juden zum Ausdruck kommt? Dazu habe ich keine Lust. Aber da ist doch nicht immer nur Angst vor einem übermächtigen Gegner artikuliert. Sondern oft auch Verachtung, Geringschätzung, Selbstüberhebung gegenüber vermeintlich Minderwertigen. Das liegt doch auf der Hand.

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        Wir hatten das, lieber Roland Ziegler. Es gibt sicher einen „normalen“ Rassenantisemitismus. Um den geht es Herrn Mbembe nicht. Es geht um den „exterminatorischen Antisemitismus“, um einen Begriff von Daniel Goldhagen zu verwenden, dessen Buch ich bei allen Vorbehalten im Einzelnen jedem Deutschen empfehlen möchte.

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        Die Nazis haben den bestehenden Alltags-Antisemitismus mit einem Angstwahn tödlich aufgeladen. Dabei wurden die vorher bereits abgewerteten und getrennten Juden dann zu auszurottendem Ungeziefer.
        Ich habe gerade eine Darstellung des (bewundernswerten) Philosophen Ernst Cassirer gelesen – dort finden Sie genau diese Abtrennung in Gestalt eines antisemitisch pöbelnden Nachbarn wieder. Das war vor den Nazis. Von Angst nicht die geringste Spur. Von Geringschätzung und Trennungswahn im wahrsten Sinne (ein Nachbar, wie gesagt) nur so triefend! Und später kamen die Nazis und haben die abgewerteten jüdischen Mitbürger zu Dämonen stilisiert. Ist diese Darstellung wirklich falsch? Hier sehen Sie – wenn Sie denn möchten -, wie ein Trennungswahn mit Abwertung von dem anschließend darübergestülpten Angstwahn (der Nazis) in den Genozid geführt hat.

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        Der Punkt ist der, dass die Nazis diese „Aufladung“ nur bewirken konnten, weil schon die christliche Religion den Juden einen besonderen Platz als Gottesmörder zuweist. Der Rassenantisemitismus ist nicht primär, er ist sekundär. Primär ist der Antijudaismus. Das Thema scheint Sie sehjr zu interessieren. Dann empfehle ich Ihnen neben Groß und Goldhagen noch David Nirenberg, Antijudaismus.

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        Aber ich wiederhole mich nur seit einiger Zeit und stoße dabei nicht auf Verständnis, was an der Position liegt und weniger daran, dass ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt habe. Eine neue Idee ist nicht in Sicht, dann möchte ich aufhören. Sie sind hier der Chef und haben das letzte Wort.

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        Lieber Roland Ziegler, zur Widerlegung meiner fiktiven Subsunmption rekurrieren Sie … auf die Realität. Quod erat demonstrandum :-).

        Gruss,
        Thorsten Haupts

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    Sie sind noch nicht überzeugt? – Nun, dann werde ich es wohl nochmal versuchen müssen, lieber Herr Posener!
    Vorab rasch zu Lessing: Ja, natürlich, da gibt es keinen Dissens. Ich hatte mir die Meinung des Tempelherrn nicht zu eigen machen, sondern lediglich referieren wollen und dachte, das sei durch den eingeschobenen Klammerausdruck klar gewesen; und wiederholt habe ich, was als sozusagen reiner Informationsgehalt aus der Rede gegen Ihre überschießende Interpretation (Juden, die keine Proselyten machen vs. Christen und Muslime, die sich die Erde unterwerfen) festgehalten werden sollte… – Vielen Dank trotzdem für den Hinweis auf das schöne Feature von Jens Rosbach! Mir hat besonders gut der verschmitzte Walter Rothschild gefallen…

    Ihr Mißverständnis dessen, was Subsumption und Subordination begriffslogisch leisten, liegt wohl in der Verwechslung solcher logischen Funktionen mit der praktischen Begriffsbildung in empirischen Wissenschaften begründet.
    ‚Wozu nehme ich eine Subsumption vor? Um zu vergleichen.‘
    Nein. – Man kann den Begriff der Farbe ‚blau‘ bilden. Unter diesen Begriff fallen alle möglichen Dinge: die EU-Flagge, Käpt’n Blaubär, Tinte aus Füller-Patronen, manche Lagunen, der Himmel, Mystique aus den ‚X-Men‘-Filmen, viele Yves Klein-Gemälde, ‚Wick blau‘-Bonbons, der Allzweckreiniger von Mr. Proper usw. usf. – Es ist nun offenkundig sinnlos, sich zu fragen, was zum Teufel denn die EU-Flagge mit Mystique, Käpt’n Blaubär mit der blauen Lagune und Mr. Proper mit Yves Klein-Gemälden zu tun hat. Es ist auch schlicht und einfach wurscht: sie fallen deshalb unter den gegebenen Begriff, weil sich an all diesen Dingen das Merkmal der Bläue ausmachen läßt.
    Natürlich kann man munter nach irgendwelchen Beziehungen suchen oder Vergleiche anstellen. Man könnte, wie Sie es aus irgendwelchen Gründen Herrn Mbembe unterstellen, assoziativ verfahren: Mystique in die EU-Flagge gehüllt – das wäre doch was! Die Sterne auf der Fahne passen doch wunderbar zu ihren gelben Augen, und ultramariner Stoff harmoniert doch sicher nicht schlecht mit dem Kobaltblau ihrer Haut! Oder man könnte mutmaßen, daß Käpt’n Blaubär sich bestimmt darüber freuen würde, zur Abwechslung mal nicht seinen Enkelchen, sondern mit im Lagunenwasser planschenden Beinen Brooke Shields das Ohr abzuquatschen! Man könnte auch meinen, daß man mit Mr. Proper zur Hand endlich mal gründlich auf Yves Klein-Gemälden aufräumen und unter all dem ‚International Klein Blue‘ die leuchtend weiße Leinwand wieder zum Vorschein bringen könnte (die Beuys’sche Fettecke; Sie wissen schon)…
    Man kann durch Vergleich auch auf den Gedanken kommen, einen Unterbegriff zu bilden; den Begriff der blauen Superhelden etwa. Mystique? Klar, keine Frage. Käpt’n Blaubär? Naaa – von einer Welt, in der gemütliche Sabbeligkeit zum Superhelden qualifiziert, sind wir noch ein gutes Stück entfernt… Mr. Proper? Aber sicher! Wer Fliesen derart blitzeblank macht, kann kein normales Wesen sein! Aber andererseits: die Figur des Mr. Proper *ist* ja gar nicht blau…
    Dennoch gilt: Mystique fällt nicht ‚in-Bezug-auf‘ oder ‚im-Vergleich-mit‘ unter den Begriff der blauen Superhelden, sondern weil sie die Merkmale aufweist, eine Superheldin und blaufarben zu sein. Punkt.
    Dies gilt auch für Ihr Menschenaffen-Beispiel. Und genau an diesem Beispiel kann man Ihr Mißverständnis aufklären. – Ja, wenn das so ist, wie Sie sagen, wird es wohl so gewesen sein, daß Anthropologen und Primatenforscher durch Auswertung genetischer Befunde eine Verwandtschaft zwischen Menschen und Schimpansen festgestellt haben und diese Verwandtschaft durch die Einführung eines neuen Oberbegriffs festhalten wollten, nämlich den der Menschenaffen. Sie abstrahieren aus schon selber begrifflich vermittelten Bestimmungen – ‚Menschen‘, ‚Schimpansen‘ – ein *noch* allgemeineres Merkmal. Daß der Begriff der Schimpansen dem Begriff der Menschenaffen subordiniert werden kann, liegt nun aber nicht etwa an dem Vergleich des jeweiligen Erbguts, der die Verwandtschaft überhaupt erst offengelegt haben mag, sondern daran, daß der Unterbegriff *unter anderem* den Oberbegriff in sich enthält – welcher die Menschenaffen beispielsweise darüber bestimmen könnte (ich fabuliere einfach vor mich hin), daß nur sie in ihrem Genom ganz bestimmte Gen-Sequenzen aufweisen. Ob das auch für den Begriff des Menschen gilt, ist dann dabei völlig egal…
    Gleiches gälte für das Subsumieren von Apartheid und Holocaust unter den Begriff des Trennungswahns: die Apartheid müßte nicht deswegen Manifestation eines Trennungswahns sein, weil es daneben auch noch den Holocaust gibt, der ebenfalls eine solche Manifestation wäre, sondern weil die Apartheid all jene Merkmale aufweist, die in dem Begriff des Trennungswahns gedacht werden. Nicht mehr und nicht weniger. (Und genau in der strikten, unabgelenkten Beschränkung auf *dieses* Merkmal ist Herr Mbembe sehr viel rigoroser als Sie glauben… )
    (Nach meinem Eindruck verfährt Herr Mbembe ohnehin ganz anders, als Sie es in der Orientierung an der nominalistischen Begriffsbildung in den empirischen Wissenschaften vermuten, dies nur nebenbei – obwohl es natürlich von grundsätzlicher Bedeutung wäre: er gewinnt den Begriff des Trennungswahns nicht durch Abstraktion aus empirischen Einzelbefunden, sondern er verleiht diesem zunächst noch relativ leeren Begriff immer komplexere Bedeutung, indem er nach und nach exemplarische Einzelfälle – die Apartheid; den Holocaust; israelische Sperranlagen… – unter diesen Begriff fallen läßt, insofern sich an ihnen jene Trennungsstruktur zeigt, um die es ihm geht. Das Verfahren, einen Begriff nicht definitorisch einzuführen – Farben als Wellenlängen beispielsweise -, sondern stets mehr zu explizieren, ohne daß er jemals definit abgeschlossen wäre, ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften, gerade aber in aller spekulativen Begriffsentwicklung, ein durchaus gängiges Verfahren.)
    Genau in diesem Sinne ließe sich der Holocaust doch erschreckend mühelos als Manifestation eines in fortgesetzter Eskalation betriebenen Trennungswahns explizieren:

    (I) begriffliche Trennung: Unterscheidung der Arier von den Nicht-Ariern; u.a. Forderung des Arier-Nachweises mit der möglichen Folge eines Berufsverbots (als einer Abtrennung der zum Beruf zugelassenen von den nicht zugelassenen Amts- und Funktionsträgern)
    (II) anschaulich-soziale Trennung: Verpflichtung zum Tragen des ‚Judensterns‘
    (III) zweistufige (extraterritoriale/territoriale) räumliche Abtrennung (über die traditionelle Absonderung durch Ghettoisierung hinaus): (1) erzwungene Auswanderung in nichtdeutsches Herrschaftsgebiet; (2) auf deutschem Herrschaftsgebiet: Internierung der Juden in Konzentrationslagern
    (IV) Abtrennung der jüdischen Nekro- von der Biomasse des gesunden deutschen Volkskörpers im Zuge der ‚Endlösung‘

    (Man verzeihe mir die barbarische Formulierung unter (IV); aber das Fürchterliche ist ja, daß wohl aus genau dieser Haltung heraus mißhandelt und gemordet worden ist… )
    Ich kann nicht erkennen, daß dieses Schema im Mindesten hinter Ihrer Kennzeichnung des Holocausts („Die Nazis wollten die Juden entfernen.“) zurückbleibt, obwohl es konsequent entlang des Trennungsgedankens entwickelt ist. Auch sehe ich nicht, wie das Monströse der immer perverser werdenden Nazi-Greuel in diesem Schema weniger zutage treten würde als in Ihrer Formulierung… – Was also sollte Herrn Mbembes Begriff in diesem Zusammenhang irgendwie untauglich (oder, mehr noch: relativierend) machen?

    Ein schönes Wochenende.

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      Lieber Stefan Nottelmann,

      danke für Ihre Mühe. Aber die Verwirrung liegt nicht bei mir, sondern bei Ihnen:
      1. „Man kann den Begriff der Farbe ‘blau’ bilden.“ Der Bereich „blau“ im Spektrum ist bestimmt durch eine ganz bestimmte Wellenlänge. Es handelt sich um eine Naturtatsache, für die ich einen Begriff suche. Das ist nicht das Gleiche wie die Bildung eines Oberbegriffs wie „Trennungswahn“. Denn jenen Wahn gibt es vielleicht nur im Kopf des Begriffsbildenden.
      2. Beispiel Menschenaffen (oder „Primaten“): „Sie abstrahieren aus schon selber begrifflich vermittelten Bestimmungen – ‘Menschen’, ‘Schimpansen’ – ein *noch* allgemeineres Merkmal.“ Gewiss doch. Aber ich beschreibe damit eine Natur-Tatsache. Bei Ihnen scheint jede Begriffsbildung willkürlich zu sein. Sie blenden die Wirklichkeit aus. Und das ist natürlich eine Gefahr bei allen Geisteswissenschaften. Es gibt aber Menschen, und es gibt Schimpansen, und sie haben Gemeinsamkeiten, ganz gleich, ob Sie oder ich einen Begriff dafür haben.
      3. Sie sagen es ja selbst: „Nach meinem Eindruck verfährt Herr Mbembe ohnehin ganz anders, als Sie es in der Orientierung an der nominalistischen Begriffsbildung in den empirischen Wissenschaften vermuten, dies nur nebenbei – obwohl es natürlich von grundsätzlicher Bedeutung wäre: er gewinnt den Begriff des Trennungswahns nicht durch Abstraktion aus empirischen Einzelbefunden, sondern er verleiht diesem zunächst noch relativ leeren Begriff immer komplexere Bedeutung, indem er nach und nach exemplarische Einzelfälle – die Apartheid; den Holocaust; israelische Sperranlagen… – unter diesen Begriff fallen läßt, insofern sich an ihnen jene Trennungsstruktur zeigt, um die es ihm geht. Das Verfahren, einen Begriff nicht definitorisch einzuführen – Farben als Wellenlängen beispielsweise -, sondern stets mehr zu explizieren, ohne daß er jemals definit abgeschlossen wäre, ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften, gerade aber in aller spekulativen Begriffsentwicklung, ein durchaus gängiges Verfahren.)“ Und das ist genau das Problem: Ich bilde mir einen Begriff und suche dann die Beispiele. Ob die passen oder nicht, bestimmt nicht die Wirklichkeit; das bestimme ich. Damit ist jede Diskussion, die sich an der Wirklichkeit orientiert, hinfällig. Und genau darum geht es: Um die Immunisierung der eigenen Begriffswelt. Das hat weder mit Logik noch mit empirischer Wissenschaft zu tun. Wie Sie ja zugeben. Wenn es ein „gängiges Verfahren“ ist, umso schlimmer. „Gängig“ ist keine Rechtfertigung. In Südafrika war die Apartheid „gängig“; das macht sie nicht legitim.
      4. „Genau in diesem Sinne ließe sich der Holocaust doch erschreckend mühelos als Manifestation eines in fortgesetzter Eskalation betriebenen Trennungswahns explizieren.“ Das habe ich ja geschrieben. Nur habe ich gefragt, was das an Erkenntnisgewinn bringt.
      5. „Abtrennung der jüdischen Nekro- von der Biomasse des gesunden deutschen Volkskörpers im Zuge der ‘Endlösung’.“ Ja. und das gab es eben weder bei der Sklaverei, wo es ja darum ging, die Schwarzen als Biomasse zu erhalten, noch bei der Apartheid, wo nie an eine biologische „Endlösung“ der Rassenfrage gedacht wurde, noch gibt es das bei der israelischen Politik in Bezug auf die Araber; aber Mbembe unterstellt genau das. Und genau darin besteht die Relativierung des Holocausts und zugleich die Dämonisierung der israelischen Politik.

      By the way: Sind Sie das?
      http://ti-intern.uni-koeln.de/.....lmann.html

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    Vielleicht lässt sich der Disput zum „Trennungswahn“ so klären, dass man die These von Mbembe als eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung begreift, die Holocaust und Apartheidsregime gemeinsam haben. Um sie dann genauer zu verstehen, müssen weitere, hinreichende Bedingungen hinzukommen. Aber Mbembes Hinweis auf eine gemeinsame notwerndige Bedingung und Sturktur ist trotzdem sinnvoll und richtig.

    Beides waren bzw. sind ja ganz eindeutig wahnhafte Systeme. Dass also der Ternnungswahn etwas Grundsätzliches ist, was sowohl Apartheid als auch Holocaust zugrunde liegt, scheint mir tatsächlich gegeben. Trennung ist eine gemeinsame Wurzel. „Dieses sind meine Leute, diese sind die anderen.“ Freunde-Feinde/Fremde. Die eigenen – die anderen. Wir und Die.

    Vor der Vernichtung kommt die Trennung. Und auch wenn das politische System der Rassentrennung nicht auf die Entfernung oder gar Vernichtung der Schwarzen abzielte, so erleben doch viele Schwarze im Alltag nicht nur eine Trennung von bestimmten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, sondern, wie es gerade durch die Medien geht, die physische Vernichtung (ich meine die Polizeigewalt in den USA).

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      …um dem Einwand: „Nicht jede Trennung führt zur Vernichtung“ zu begegnen: Manche aber schon. Insbesonderer wenn die Trennung wahnhaft ist. Natürlich führt auch nicht jeder Trennungswahn zur Vernichtung. Aber mancher schon.
      Wie sich das im einzelnen Beispiel genau verhält und was wohin geführt hat, dazu muss man eben weitere Bedingungen hinzunehmen, bis man eine hinreichende Erklärung hat.

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      Lieber Roland Ziegler, man kann die Polizeigewalt in den USA mit dem Holocaust vergleichen. Aber dabei wird klar, dass es einen himmelweiten Unterschied gibt. Deshalb sage ich ja, dass der Oberbegriff „Trennungswahn“ so schwammig ist, dass man darunter alles und nichts verstehen kann. Muslime und Juden sondern sich durch Essgewohnheiten und Beschneidung von anderen ab. Ist das „Trennungswahn“? katholiken und Protestanten beten nicht in den selben Kirchen: Trennungswahn? Wir haben ein dreigliedriges Schulwesen: Trennungswahn? Israel hat eine Mauer gebaut, um die Grenze zu schützen: Trennungswahn? Die DDR baute eine Mauer, um das eigene Volk einzusperren: Trennungswahn? Sie sehen, der Begriff ist nicht brauchbar.

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        Beim Holocaust und beim Apartheidsregime ist die Trennung der Bevölkerungsgruppen eindeutig wahnhaft. Wenn ich recht erinnere, weisen Sie doch auch daraufhin, dass der Anisemitismus ganz wesentlich ein Wahn ist, und fragen sich zurecht, wie es kommt, dass so viele von einem Wahn betroffen sein können. Der Begriff „Wahn“, den Sie selber verwenden (sofern mich mein Gedächtnis nicht täuscht), ist aber noch viel schwammiger als der Begriff „Trennungswahn“, der den Wahn spezifiziert. Trotzdem halten sie ihn für brauchbar.

        Dann ist der Begriff „Trennungswahn“ noch brauchbarer. Ob er zutrifft, ist eine andere Frage. „Trennung“ ist in der Tat etwas, das sich wirklich überall durchzieht und auch sinnvoll sein kann. Bei den Beispielen, die Sie anführen, ist es fraglich, inwiefern diese Trennungen auf Wahn beruhen. Das Schulwesen beruht sicher nicht auf Wahn. Bei den Religiösen kann man sich darüber streiten (und tut das auch permanent bis ins Groteske), ob das wahnhaft ist oder auf Wahrheit beruht. Bei der DDR ist die Trennung nicht wahnhaft, sondern beruht auf einer ganz simplen Wahrheit: Ohne Mauer wäre dem Regime die Bevölkerung abhandengekommen. Also hat es eine gebaut.

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        Vielleicht sollte man hier noch etwas zum Wahn anfügen. Wahn ist etwas ganz anderes als Irrtum. Kant irrte, als er annahm, es gäbe mehrere menschliche oder auch vormenschliche Rassen. Der kam sein ganzes Leben nicht aus Königsberg heraus. Hätte er die Informationen, die wir heute haben, hätte er anders geschrieben. Das unterscheidet ihn von einem (wahnhaften) Rassisten. Einen Rassisten von heute wird man mit Informationen nicht „kurieren“ können, genauso wenig wie den Verschwörungstheoretiker, den Antisemiten und andere illustre Gestalten. Die hängen an ihrem Wahn wie Süchtige an der Droge. Anhänger eines Wahns und (gesteigert) Wahnsinnige haben kein Informatiosndefizit, sondern ganz andere Probleme.

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        Lieber Roland Ziegler, Sie behaupten da etwas über Kant, was Sie nicht wissen können.

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        Noch eine Bermerkung zu den himmelweiten Unterschieden. Die sind zwar himmelweit, aber das ist nicht alles. In der Biologie geht es z.B. darum – oder könnte es darum gehen – darüber nachzudenken, was eine Mikrobe, der Knollenblätterpilz, wir Menschen und ein wundersames Tiefseegeschöpf gemeinsam haben. Hier gibt es ebenfalls himmelweite Unterschiede. Trotzdem sucht man nach Verbindungen und Mustern. Auch nach Differenzen, klar, aber die liegen hier ja auf der Hand. So ist Wissenschaft eben.

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        Ja. Alle Lebewesen haben eine DNA z.B. Daraus folgt für die Erkenntnis enorm viel.
        Die Behauptung, Apartheid und Holocaust seien Ausdruck des gleichen „Trennungswahns“, ist hingegen erkenntnishindernd. Sie soll vielmehr bewusstseinsbildend wirken; und zwar dahingehend, dass im Grunde genommen die Europäer, die auf der Besonderheit des Holocaust beharren, rassistisch ihre weißen Leiden als schlimmer ansehen als die Leiden der Schwarzen.

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        Apropos himmelweiter Unterschied: In der Physik erklärt man die größten von uns erfassbaren Strukturen, Superhaufen mit unvorstellbaren Dimensionen, mit denselben Gesetzen wie den kleinen Apfel, der vom Baum fällt! Und der Erkenntnisgewinn, um den es dabei geht, ist eben, dass diese himmelweiten Unterschiede, dem Augenschein zum Trotz, ein und dasselbe Gravitationsgesetz repräsentieren.

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        Richtig. Aber bei der Sklaverei und dem Holocaust war eben nicht das gleiche Gesetz wirksam.

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        Das weiß ich auch nicht, aber ich vermute es. Es geht nicht um Kant, er dient nur als Beispiel. Es ging mir um den Unterschied zwischen Wahn und Irrtum. Vielleicht war Kant wahnhaft, es deutet aber wenig darauf hin. Als rationaler Mensch gründete er seine Überlegungen auf die ihm zur Verfügung stehenden Tatsachen bzw. das, was man für solche hielt. Und die wiederum spiegeln den Stand der Naturerkenntnis und des Weltbildes der Zeit.

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        Zu Kants Zeiten war es Tatsache, dass Schwarze nicht so hochstehend sind wie Weiße? Mir neu.

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        Dass Sklaverei und Holocaust kein gemeinsames Gesetz haben, welches als „notwendige Bedingung“ zu der jeweiligen Erklärung dazugehört – dies ist eben der Dissens.

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        Nein, das ist nicht der Dissens. Denn die Antwort „Rassismus“ würde schon reichen. Ein wenig differenzierter, lieber RZ, habe ich schon argumentiert.

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        Ja, Rassismus ist ein gemeinsames „Gesetz“, d.h. eine gemeinsame notwendige Bedingung, ohne die weder Holocaust noch Sklaverei erklärbar sind. Ich glaube, genau dies hat Mbembe mit seinem Begriff „Trennungswahn“ ebenfalls gesagt. Außerdem führt er Rassismus auf etwas Allgemeines, nämlich auf eine Wahnstruktur zurück. Rassismus ist ein Wahn. Antisemitismus – die wesensverwandte Spielart – ist ebenfalls ein Wahn. Rassismus liegt Holocaust und Aaprtheid zugrunde. Diese drei Thesen unterschreibt Ihnen Mbembe sofort, vermute ich. Das mag nicht viel Konsens und Erkenntnis sein. Aber der Fortschritt ist ja eine Schnecke.

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        Der Antisemitismus ist keine „Spielart“ des Rassismus. Da genau liegt eine der wesentlichen Differenzen zwischen Mbembe und der Wirklichkeit. Der Antisemitismus war da, bevor der Rassismus im 18. / 19. Jahrhundert erfunden wurde, und er dauert fort, nachdem der Rassismus zumindest offiziell überwunden wurde. Und genau dies kann und will Mbembe – und der Postkolonialismus – nicht verstehen. Denn für sie ist es wichtig, dass der Rassismus primär und der Antisemitismus sekundär ist. Für sie ist die Subsumierung des Holocaust als „koloniales Verbrechen“ wichtig, weil dann die Überwindung des Kolonialismus sozusagen den Holocaust mit überwindet – und gleichzeitig können sie den Juden in Israel vorwerfen, Kolonialisten zu sein; Israelkritik wird also vom Makel des Antisemitismus befreit.

        Die christlichen und muslimischen Sklavenhändler waren Anhänger von Religionen, in die bereits der Antijudaismus eingeschrieben war. Aber die Differenz ist die: Christen fürchteten und hassten die Juden als „Gottesmörder“: Muslime verachteten und fürchteten sie als Mörder ihrer eigenen Propheten. Weder Christen noch Muslime empfanden die Juden als Menschen zweiter Klasse. Und wenn Kant – um den Königsberger wieder zu bemühen – ähnlich wie die Moslemhasser heute, den der jüdischen Religion eine ethische Komponente absprach, sie als „Religionswahn“ (sic!) bezeichnete, der in einen „Afterdienst“, eine nur vermeintliche Verehrung Gottes, münde“, wenn er gar einer „Euthanasie des
        Judenthums“ das Wort redet, dann sieht mand deutlich, wie verschieden sein Antijudaismus von seinem Rassismus war. Übrigens unterstelle ich Kant nicht, er rede dem Judenmord das Wort. er wollte die Religion „euthanisieren“, nicht deren Träger.
        Die Nazis haben dann die wirklichen Juden „euthanisiert“ als Träger des „Judentums“, worunter sie das verstanden, was Rechte heute vielleicht als „Globalismus“ bezeichnen. Kein Europäer hat je der Euthanisierung der Schwarzen das Wort geredet.
        Das sind qualitative Unterschiede, lieber Roland Ziegler.
        Das ging in meiner flapsigen Antwort „Rassismus“, die ironisch gemeint war, unter. Das tut mir Leid. Wenn Juden sagen, dass man aus dem Holocaust lernen müsse, dann meinen sie nicht, dass man nicht Rassist sein soll. Dazu braucht’s keinen Holocaust. Sie meinen, dass der Wahn, ein Volk meine es böse mit einem, letztlich zur Vernichtung dieses Volkes führen könnte. Es gibt also einen Unterschied zwischen dem Alltagsrassismus, der sagt, es sollen nicht zu viele Muslime in der Klasse meines Kindes sitzen, und der Islamophobie, die besagt, die Muslime wollen uns letztlich unterwerfen. Es gibt auch einen alltäglichen rassistischen Antisemitismus – Juden sind geldgierig, sexsüchtig, egoistisch – und es gibt jenen Antisemitismus, der zum Holocaust führte: Die Juden sind unser Unglück, das Judenthum muss euthanisiert werden.

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        Nur um ein paar Beispiele dieses Angst-Wahns zu nennen, der zu Genozid führt: Der Völkermord an den Armeniern (angeblich Agenten des Zaren); der Völkermord an den Bosniaken, gipfelnd in Srebrenica („Türken“ würden sonst die Serben ausrotten); Völkermord an den Tutsi (weil die Tutsi angeblich einen Völkermord an den Hutu planten). Sie sehen, ich habe nichts gegen Vergleiche.

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        Zu Kant: Was, glauben Sie, haben die Leute aus dem 18. Jahrhundert in Königsberg über „Neger“ in Afrika gedacht? Was denken viele heute noch?

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        Klar. Und einer der Punkte, bei denen ich mit den Postkolonialisten einer Meinung bin, ist: da muss man den „schwarzen Blick“ übernehmen. Die Schwarzen haben sich vermutlich auch damals nicht als Untermenschen gesehen; und sie waren es auch nicht.

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        Nicht jede Form von Antisemitismus ist rassistisch. Aber es gibt rassistischen Antisemititmus. Und dieser war für den Holocaust grundlegend.
        Apartheid liegt ebenfalls Rassismus zugrunde. Das ist keine postkolonialistische Begriffshuberei, sondern das sind Fakten.
        Außerdem sollten wir festhalten: Den Begriff „Rassismus“ haben Sie in diese Diskussion eingeführt. Ich habe ihn lediglich aufgegriffen. Nun kritisieren Sie Mbembe dafür, dass er den Rassismus als originären Wahn ansieht. Dabei spricht der doch ausdrücklich von „Trennungswahn“ und eben nicht von Rassismus. Sie könnten also sagen, dass Antisemitismus noch vor dem Trennungswahn in die Welt gesetzt worden ist. Sozusagen der Urknall im Trennungsgeschehen. Mbembe würde sagen, Antisemitismus beruht auf Trennungswahn. Ich finde diese Frage nicht sehr ergiebig, aber jedenfalls kein Grund, dem Kontrahenten seine Kompetenzen abzusprechen.

        Im Grunde wird diese Frage, was zuerst war – Antisemitismus oder Rassismus – durch den Begriff „Trennungswahn“ aufgehoben. Dieser Begriff ist ein systematischer, überhistorischer Begriff, etwa wie ein Naturgesetz oder ein existenzialistischer Begriff wie z.B. Anschauung (sofern ich ihn richtig verstehe – ich kenne ihn nur aus nur dieser Diskussion hier).

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        Der Rassenantisemitismus ist eben etwas ganz Anderes als der Rassismus gegen Schwarze. Wenn allerdings ein Herr Höcke vom „schwarzen Ausbreitungstypus“ schwadroniert – dann nimmt er einen Faktor hinzu, nämlich den Angstfaktor, der aus dem Rassismus, der im Schwarzen einen Untermenschen sieht, einen Rassismus macht, der ihn wenigstens tendenziell zum Übermenschen macht.

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        Achso, und was Euthanasie angeht: Es gibt eben, wie Sie sagten, himmelweite Unterschiede. So wie zwischen einem galaktischen Superhaufen und einem Apfel.

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        Und zu Ihrem Schlussargument: Ja, es gibt rassistischen Antisemitismus, der nicht zum Holocaust führt. Natürlich. Aber der Holocaust ist ohne rassistischen Anisemitismus schlicht nicht denkbar! Dies ist der Punkt, der den rassistischen Antisemitismus zu einer notwendigen Bedingung für den Holocaust macht. Um den Holocaust zu eklären, müssen noch andere Gründe und Ursachen hinzukommen. Das habe ich doch von Anfang an betont. Aber ohne den Grund „rassistischer Antisemitismus“ geht es gar nicht. Er ist auch nicht irgendeine sekundäre Randursache wie z.B. der Börsencrash, sondern absolut zentral.

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        Ja, diese Abwertung zum Untermenschen oder, noch extremer, zum biologischen Schädling, der ausgerottet werden muss! Darum geht es aber auch beim Rassismus. Klar sagen die weißen Supremalisten, dass die Schwarzen weniger wert sind. Manche sagen, dass man sie zurückbringen oder ausrotten muss. Da ist dann überhaupt kein Unterschied mehr.
        Kants Rassismus hatte, soweit ich ihn überhaupt kenne, davon nichts. Der einen Schwarzen vielleicht mal auf irgendeiner kitschigen Reise-Abbildung gesehen und gedacht, naja, das ist so eine Zwischenstufe zwischen dem Affen aus dem Königsberger Zoo, den ich neulich angestaunt habe, und uns. Es ist nicht gut, sein ganzes Leben nicht aus dem Quark seiner nächsten Umgebung zu kommen.

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        Ich denke eigentlich, dass der ominöse „Wahn“, von dem hier die Rede ist, mit dieser Abwertung zusammenfällt. Das würde auch erklären, warum der Wahn so faktenresitent ist, dass er durch Information alleine nicht kuriert werden kann. Fakten geben einem nicht das Gefühl, wertvoll zu sein. Aber die Trennung, Abwertung, Herabwürdigung, Entfernung und Auslöschung (das ist eine Eskalationskette) schon. Zumal diese Leute nicht die hellsten sind.

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        Also denke ich, dass man dem „Trennungswahn“ wie einer Droge verfällt, mit der Wirkung, sich scheinbar selber aufzuwerten. Da das direkt nicht möglich ist, macht man es indirekt: durch Grenzziehung + Abwertung der anderen. Man wird groß, wenn die anderen klein werden.

        Durch Überlegungen dieser Sorte wird der Holocaust schon relativiert (weil man ihn in eine Beziehung setzt), aber es wird ihm nicht seine Ungeheurlichkeit genommen. Im Gegenteil: Wer den Holocaust NICHT einordnet in die menschliche Psyche, kann ihn leicht entsorgen, so wie einen Angriff von durchgeknallten Marsianer, der mit unserem Alltagsgeschehen nicht das geringste zu tun hat. Der Holocaust hat eben doch etwas mit vielen kleinen, alltäglichen Widerwärtigkeiten von heute zu tun.

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        Für mich bleibt eigentlich nur noch die Frage, inwieweit Überlegungen zu Trennungswahn usw. tatsächlich den Unterschied zwischen Holocaust und Apartheid oder anderen Manifestationen illegitim oder gar für andere empörend einebnet. Dass dieser Unterschied besteht, habe ich ja anerkannt (iund hat womöglich Mbembe ebenfalls anerkannt?).
        Wird der Unterschied irgendwie kleiner, wenn man sich überlegt, dass vHolocaust und Apartheid miteinander verbunden sind? Das kann ich nicht erkennen. Im Gegenteil: Es stellt sich doch dann die Frage, wieso dasselbe Prinzip vderartig eskalieren konnte. D.h. die Frage nach den ins Auge springenden Besonderheiten tritt von selber in den Vordergrund, gerade dann, wenn wichtige gemeinsame Ursachen geklärt wurden.

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        Siehe den Kommentar von Thorsten Haupts. Gewerkschaften und Bolschewismus, Gender-Mainstreaming und Rote Khmer: Alles Ausdruck von „Gleichheitswahn“. Kann man machen, und ich kenne Leute in der AfD, die so argumentieren; muss man aber nicht, wenn es einem um mehr geht als Polemik.

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        …womit ich Ihnen für die Diskussion danken und zum Abschluss Frohe Pfingsten wünschen möchte, da ich jetzt endlich den Computer für den Rest des Tages zuklappe.

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        …kurzer Nachtrag: Ich hatte die Angst nicht berücksichtigt, die für Sie aber bgrundlegend für die Tödlichkeit des Wahns ist, der zum Holocaust geführt hat. Das wollte ich kurz nachholen. Ja, Angst und Selbstaufwertung passen gut zusammen. Wenn Angst hinzukommt, ist das womöglich genau der „Brandbeschleuniger“, der jene Eskalation erklären kann. Angst kann immer hinzukommen, auch z.B. bei den Sklavenaufständen. Zunächst stolziert man als Herrenmensch über die Plantage und fühlt sich wie der liebe Gott. Wenn dann noch Angst hinzukommt, rottet man aus. Angst lässt sich das gut in die Gedankenskizze integrieren.

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        Es gab aber keinen „Judenaufstand“. Das war der Gedankentrick Ernst Noltes, der den Holocaust erklären wollte als Angstreaktion auf den „jüdischen“ Bolschewismus.

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        Ja, weder gab es einen Judenaufstand noch irgendeinen anderen Grund, vor Juden Angst zu haben. Für Leute, die es „offiziell“ an Selbstbewusstsein nicht mangeln ließen und sich als Herrenrasse bezeichneten, schon gar nicht. Deshalb gab es ja, wie Sie sagen, einen Angst-Wahn. Es gab auch keine Hexen, um dieses Beispiel aufzunehmen, trotzdem hatte man Angst vor diesen Frauen. Es waren ja in erster Linie Frauen, die die Männer als Hexen umgebracht hat. Hier gibt es also auch eine vorgängige Trennung. Mit Angst wird es dann tödlich. Die Angst benötigt keine reale Grundlage. Angst ist immer parat und kann sich blind auf alles Mögliche richten – oder auch gerichtet werden. (Heidegger meint, unser ganzes Sein, das sich als Gegenpol auf dem Nichts gründen würde, sei von vorne bis hinten durchsetzt von der Angst.)

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      R.Z.: ‚… hinreichende Bedingung begreift, die Holocaust und Apartheidsregime … so erleben doch viele Schwarze im Alltag nicht nur eine Trennung von bestimmten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, sondern, wie es gerade durch die Medien geht, die physische Vernichtung (ich meine die Polizeigewalt in den USA).‘

      … so ein Quark. In welchen ‚ bestimmten Bereichen‘ werden Schwarze denn ‚im gesellschaftlichen Leben im Alltag‘ getrennt?

      In den USA, starb ein ‚mutmaßlich Krimineller‘ bei einer Polizeimaßnahme … aaaber CNN: The preliminary autopsy report found „no physical findings that support a diagnosis of traumatic asphyxia or strangulation,“ according to the criminal complaint released by the Hennepin County Attorney’s Office.

      The report added: „The combined effects of Mr. Floyd being restrained by the police, his underlying health conditions and any potential intoxicants in his system likely contributed to his death.“

      … wie Sie, werter R.Z., das mit ‚Holocaust und Apartheidsregime‘ verbinden, ist mehr als abenteuerlich. Das ist auch kein Vergleich. Das ist Hetze.

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        Hetze gegen wen soll das Ihrer Ansicht nach sein? Vergessen Sie am besten den Punkt, er ist anekdotisch-unwichtig und für die Diskussion ablenkend. Vielleicht verstehen Sie ohne diese Ablenkung besser, was ich sagen wollte.

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        ….Ihr Katholizismus, blonderhans, lässt mich immer wieder den Kopf schütteln. Da drückt der Officer 8 Minuten lang sein Knie auf den Hals des Schwarzen in Handschellen, der sowewit es möglich ist, um sein Leben bettelt. Die letzten zwei Minuten sagt er schon nichts mehr. Der Officer drückt weiter mit dem Knie. Dann ist der Mann tot. Und was sagt dazu der Katholik zu Pfingsten? Sagt er etwa „du sollst nicht töten“? Nein, er erzählt was von einer „polizeilichen Maßnahme“ gegen einen „mutmaßlich Kriminellen“. Na da bleibt mir als Agnostiker (nennen Sie mich gerne Atheist) nur noch, ein frohes Pfingstfest zu wünschen. Möge so etwas wie eine Erleuchtung über Sie kommen.

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        R.Z.: ‚….Ihr Katholizismus, blonderhans, lässt mich immer wieder den Kopf schütteln.‘

        … meinetwegen, schütteln Sie sich was auch immer Sie wollen. Was aber haben meine Fragen mit Katholizismus und was mit Minneapolis zu tun? Meine Frage war, in welchen ‚ bestimmten Bereichen‘ werden Schwarze ‚im gesellschaftlichen Leben im Alltag‘ von wem für was und warum überhaupt getrennt – die haben Sie nicht beantwortet. Ist das Absicht?

        Über die Umstände, meinetwegen auch ‚überzogene‘ Maßnahmen der Polizei, bei der Festnahme eines ‚mutmaßlichen Kriminellen‘, wird ein Gericht entscheiden – ganz bestimmt aber nicht Roland Ziegler aus Börlin oder die ‚Wahrheitsmedien‘ der ‚BRD‘ mit ihren tagtäglichen Amerika- und Trump-Bashing.

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        Ja, es ist Absicht, diese Frage nicht zu beantworten, weil ich jetzt keine Diskussion über den Alltagsrassismus in den USA führen will. Ich habe diesen Alltagsrassismus selber gesehen und lasse mir von Ihnen nicht erzählen, ich hätte Gespenster gesehen. Damit lasse ich es zu diesem Thema bewenden.

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        R.Z.: ‚… Ja, es ist Absicht, diese Frage nicht zu beantworten, weil ich … ‚ bla, bla, bla, hu, hu, hu … schwarze Schuhe sind wärmer als gefütterte und je höher desto klatsch.

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    Nur ganz rasch…
    Hat Herr Mbembe sich zum innerafrikanischen Sklavenhandel geäußert? – Anscheinend schon; so lese ich jedenfalls das Referat von Ulrike Schmieder in ihrer, wie es scheint, ausgesprochen kompetenten Besprechung von Egon Flaigs ‚Weltgeschichte der Sklaverei‘:
    „Das Kapitel “Gedächtnispolitik gegen historische Wahrheit und Menschenrechte” kommt gänzlich ohne Belege aus und verlässt damit gänzlich das Terrain seriöser akademischer Arbeit. Flaig nennt die „Intellektuellen afrikanischer Abstammung“ nicht beim Namen, die die autochthone Sklaverei in Afrika, die Sklavenausfuhr in die „islamische Welt“ und die Rolle von Afrikanern beim Sklavenexport verschweigen und ignoriert aktuelle Gegenstimmen, die den afrikanischen Eliten die Verantwortung für die Erfüllung der europäischen Nachfrage nach Sklaven durch Verschleppung von Afrikaner/innen an die Küste zu den Sklavenforts (Ibrahima Thioub, Achille Mbembe) zuweisen…“ – mit Verweis auf: „Mbembe, Achille, The Subject of the World, in: Oostindie, Gert (Hrsg.), Facing up. Perspectives on the the commemoration of Slavery from Africa, the Americas and Europe, Kingston 2001, S. 21-34.“
    https://www.connections.clio-online.net/publicationreview/id/reb-13299

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      Danke für den Hinweis. Ich halte das für möglich. Aber wie kann Mbembe dann erklären, die Sklaverei sei Ergebnis eines europäischen Konstrukts, das zusammen mit dem Kapitalismus die Rasse erfindet? (Antwort: Er kann das, weil er nicht rigoros denkt, sondern assoziativ schreibt.)

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    Einige „Free Palestine“-Aktivisten und manche Förderer scheinen Mbembe zustimmend gelesen zu haben. Viele seiner Verteidiger hingegen beurteilen ihn wohl eher nach seinen positiv wahrgenommenen Identitäten als nach seinen Worten und Taten, die oft andere Identitäten brandmarken.
    Es ist eine faule und dumme Angewohnheit, Menschen vorwiegend als Träger kollektiver Eigenschaften zu sehen und zu behandeln, sei es mit wohlwollender oder feindseliger Haltung, aus linker oder rechter Perspektive oder mit intellektuellem Anstrich (siehe den Wissenschaftsboykott) etc. Sie geht jeder Trennungs- oder gar Vernichtungsidee voraus.
    Einfache Konstruktionen mögen das Leben erleichtern. Komplexe historische Wirklichkeiten können sie nicht erklären.

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    @ Herr Haupts/Herr Posener
    „Ich muss – virtuell oder real – den Politik- oder Sozialwissenschaftler noch finden, der einen klaren Standpunkt bezieht und ihn danach offen und argumentativ gegen Kritik verteidigt.“ (Hr. Haupts)
    Da fallen mir wahllos schon ein paar Namen ein:
    Ernst Nolte (wurde hier ja gerade diskutiert. Ok,wenn man will, kann man ihn auch dem lunatic fringe zuordnen.) Hans Ulrich Wehler. Jürgen Kuczynski. Christoph Butterwegge. Weil wir hier auch das Thema Brendan Simms und seine Hitler-Biographie angerissen haben, möchte ich Ihnen das Buch „Adolf Hitler nach-gedacht“ von Klaus Weber ans Herz legen.
    Über Götz Aly, lieber Herr Posener, denke ich in Bezug auf seine NS-Forschung sehr kritisch, seine Erklärungsmodelle variieren da in erstaunlicher Weise.

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      Danke für die Hinweise. Wobei Nolte eher nicht „Wissenschaftler“ im strengen Sinne ist und Kuczynski Wissenschaft im Dienste der SED betrieb, also sehr selektiv die Fakten interpretiert hat, um ein von der Parteilinie vorgegebenes Ergebnis zu bestätigen.

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    Eigentlich hatte ich auf Ihre Erwiderung zum ‚Vergleich ist nicht gleich Vergleich‘-Post antworten wollen, lieber Alan Posener, will heute aber nur – tempus fugit usw. – rasch auf einen in sämtlichen Ihrer Einlassungen zur Diskussion um Herrn Mbembe (und so auch im neuesten Text) auftretenden Fehler aufmerksam machen (den keinesfalls nur Sie begehen, sondern auch alle die von Ihnen Angesprochenen)…
    Ich glaube, ich verkürze nicht unzulässig, wenn ich als das für Sie (in diesem Post) zentrale Mbembe-Zitat das folgende herausgreife: „Das Apartheidregime in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses [schon zuvor angesprochenen] Trennungswahns“.
    Sie wollen nun darin einen Vergleich von Apartheid und Holocaust über das Vergleichsmoment des Trennungswahns sehen und schließen daran die Frage an, ob ein solcher Vergleich zulässig sei.
    Tatsächlich aber handelt es sich dabei um gar keinen Vergleich. Der Satz von Herrn Mbembe wäre wohl viel eher nach dem Schema einer logischen Subsumption zu analysieren, die – so schon von Kant in der ‚Jäsche-Logik‘ vorbereitet, wenn meine Erinnerung nicht trügt; will aber nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, ich brauche sie schließlich noch… – bei Gottlob Frege die klassische Formulierung vom ‚Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff‘ gefunden hat (im Unterschied und Gegensatz zur Subordination als der Unterordnung des niederen Begriffs unter einen höheren). Mit der Feststellung des ‚unter-einen-Begriff-Fallens‘ ist die Subsumption aber abgeschlossen (der Begriff, unter den subsumiert wird, also auch kein tertium comparationis); ein Vergleich zwischen den unter den gleichen Begriff fallenden Gegenständen findet nicht statt. (Man kann solche Vergleiche nachträglich natürlich anstellen, das hat dann aber nichts mehr mit der Subsumption zu tun.) Genau das machen Sie aber.
    Um dies am Mbembe-Zitat vorzuführen: Anscheinend sieht Herrn Mbembe in der Geschichte auf vielfältige Weise einen Trennungswahn am Werk. Es ist klar, daß dieser Trennungswahn selber (als etwas nur abstrakt zu Begreifendes) nicht Gegenstand empirischer Erkenntnis werden kann. Er muß also, um erfahrbar und in diesem Sinne gegenständlich werden zu können, aus der Latenz einer bloß spekulativ vermuteten Begriffsstruktur heraustreten, in konkreten, beschreibbaren, individualisierbaren Situationen manifest werden. Mbembe bemüht als „zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns“ „das Apartheidsregime in Südafrika“ und „die Vernichtung der europäischen Juden“, subsumiert damit zwei (im logischen Sinne) individuelle Gegenstände unter den Begriff des Trennungswahns. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger. Ein Vergleich wird nicht vorgenommen. (Was das emblematische Moment an diesen Manifestationen ist, weiß ich nicht; ich kenne das Buch nicht und kann nicht sagen, ob der Begriff zuvor schon irgendwie eingeführt war, erkennbar auf die Begrifflichkeit anderer Theoretiker anspielt, einen unterstellten landläufigen Gebrauch von ‚emblematisch‘ in Anspruch nimmt oder was auch immer; spielt hier auch keine Rolle.) Insbesondere ist an dieser Stelle für Herrn Mbembe irrelevant, was man noch überdies über die Apartheid oder den Holocaust sagen kann, denn diese Geschehnisse illustrieren an dieser Stelle lediglich einen für ihn offenbar zentralen Begriff, der ohne solche Illustration im Unkonkreten verbleiben müßte.
    Sie fragen sich, „welchen Wert ein Begriff hat, der ungenauer ist als „Rassismus“, „Antisemitismus“, „Sozialdarwinismus“, „Eugenik“ und was der Motive und Techniken der Aussonderung mehr sind, und unter dem sie alle subsumiert werden sollen.“
    An dieser Stelle habe ich dann doch sehr gestutzt: Daß ein Begriff, unter den (nach dem oben genannten Vorgang der Subordination) andere Begriffe subsumiert werden – in einem allgemeineren, älteren Sprachgebrauch ist das Subsumieren jede logische Unterordnung eines Niederen unter ein Höheres; in diesem Sinne kann man (sozusagen diesseits von Freges präzisierter Terminologie) auch die Subordination ein Subsumieren nennen… – ‚ungenauer‘, weil allgemeiner sein *muß*, liegt in der Natur der Sache und spricht weder für noch gegen ihn. Aufgabe von Philosophen ist nicht zuletzt – viele würden mit einer schönen Heidegger-Wendung sagen: zunächst und zumeist – Begriffsanalyse, und dazu gehört ganz vornehmlich, möglichst grundlegende, also zuhöchst allgemeine Begriffe zu finden (jedenfalls zu suchen). Für Mbembe empfiehlt sich dieser Begriff vermutlich, weil er eben nicht mehr gesondert Rassismus usw. ansprechen müssen will, um das Grundübel dieser Welt ansprechen zu können, sondern auf etwas anderes zeigen kann, das man bekämpfen muß, um das Übel bei der Wurzel zu packen…

    Man könnte noch einiges sagen, aber der Text ist schon wieder viel zu lang; je suis desolé…
    Nur noch dies: Vielleicht kommt man im Journalistischen nicht ohne Überspitzungen und Übertreibungen hinaus, aber man sollte sich doch immer wieder mal daran erinnern, daß das nicht dazu führen sollte, jemandem irgendetwas mutwillig anzudichten. Beispiel ‚Nathan der Weise‘. Ein „starkes Stück“ sei es, was Lessing da mache, schreiben Sie – was sich im Kontext Ihrer Ausführungen nur aus dem Gegensatz des ’nicht proselytenmachend‘ und ’sich die Erde untertan machend‘ ergibt. Was davon steht in der zitierten Lessing-Stelle? Nichts. Der Vorwurf an die Juden ergibt sich aus dem (so der Tempelherr) erstmalig bei ihnen aufgekommenden Anspruch, der allein selig machenden Religion anzugehören; ein Anspruch, der den jüngeren abrahamitischen Religionen mitgegeben wurde. Punkt.

    Nun soll’s genug sein. Mich freut’s zu sehen, daß Sie verbal abzurüsten beginnen und endlich wieder die Diskussion suchen (so verstehe ich Ihre implizite Aufforderung zum Schluß); bis vor kurzem waren Sie sich ja leider nicht zu schade, mit anderen Kollegen von der ‚Welt‘ von Mbembe als einem ‚Israelhasser‘ zu sprechen (was für ein scheußliches Wort), insofern ist’s ein großer Schritt nach vorn!

    Aber wer Prince hört, kann ja auch kein schlechter Mensch sein…

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      Lieber Stefan Nottelmann: ich rüste nicht verbal ab. Mbembe ist Israelhasser. Das vorweg. Das war nur nicht Gegenstand dieses Essays.Ich nehme Ihre sorgfältige Begriffsklärung dankend zur Kenntnis, ohne jedoch überzeugt zu sein. Dass es sich beim untersuchten Hauptsatz Mbembes um eine Subsumption handelt, habe ich ja selbst geschrieben. Wozu aber nehme ich diese Subsumption vor? Um zu vergleichen. Oder anders: wie kann ich eine Subsumption begründen? Nur durch Vergleich. Menschen und Schimpansen kann ich beide als Menschenaffen bezeichnen: das ergibt sich aus einem Vergleich der DNA.
      Und nur, wo ein legitimer Vergleich vorliegt, ist auch die Subsumption legitim. Ich kann nicht sagen: „Birnen und Äpfel sind emblematische Manifestationen der Beere.“ Beide sind Kernobst, schmecken gut, werden gezüchtet, geerntet usw. Nur der Vergleich begründet die Subsumption. So, und möglicherweise habe ich nicht klar genug begründet, weshalb die Subsumption unter einen so allgemeinen Begriff wie „Trennungswahn“ unzulässig ist. Ich mache es kurz: Die Apartheid wollte die Schwarzen von den Weißen trennen. Die Nazis wollten die Juden entfernen. Zunächst aus dem Land, später aus dem Leben. „Trennung“ ist daher – wie sich aus dem Vergleich ergibt – ein unzulässiger Oberbegriff.
      So viel dazu.
      Was nun der Tempelherr – nicht die sympathischste Gestalt bei Lessing – sagt, ist falsch, und Sie wiederholen es: „Der Vorwurf an die Juden ergibt sich aus dem (so der Tempelherr) erstmalig bei ihnen aufgekommenden (sic) Anspruch, der allein selig machenden Religion anzugehören.“ Genau so denken die Juden nicht. Das ist, wenn Sie so wollen „Orientalismus“ in Reinkultur. Die Juden meinen, dass Gott sie ausgewählt habe, seine Gebote zu erfüllen. Nicht mehr und nicht weniger. von „selig machend“ ist da nicht die Rede. Hier ist das allgemeinverständlich erklärt:
      https://www.deutschlandfunkkultur.de/fluch-oder-segen.1079.de.html?dram:article_id=176190

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    Wie die meisten im Land, kenne ich Mbembes Werk nur aus den Zitaten der Kritiker, was aber für den Großteil aller Debatten gelten dürfte. Was mir hier jetzt auffällt, ist die fehlende Verteidigung von Mbembes Werk an sich. Der „Aufruf: Solidarität mit Achille Mbembe“ bezieht sich auf anerkannte Prinzipien (um die es gar nicht geht), aber ich lese wenig über die korrekten Anwendungen dieser Prinzipien an Beispielen von Mbembes Schriften. Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Zahl der Leute, die sich tatsächlich damit auskennen, in Deutschland doch sehr gering ist. Dafür, dass er immer wieder als bedeutender Denker Afrikas bezeichnet wird, scheint sein Denken nicht gerade viele Spuren in Deutschland hinterlassen zu haben, zumindest nicht genug, um die Debatte anhand seines Werkes und nicht über ihn als Platzhalter für Prinzipien der Wissenschaftlichkeit zu führen. Das habe ich zum Beispiel in Bezug auf Judith Butler oder Chomski anders erlebt. Zumindest in groben Zügen wurde den Lesern ihr Werk und ihre Denkweise erklärt und inhaltlich verteidigt. Bei Mbembe fällt tatsächlich auf, dass seine Stellung als Kenianer und afrikanischer Denker betont wird, er als Wissenschaftler aber so gut wie nicht vorkommt. Sollte das so sein (ich lese ja nicht jede Zeitung), wäre es ja noch trauriger, dann erfüllt Mbembe lediglich die Funktion des Vorzeigedenkers aus Afrika, moderne Völkerschau. Und dann wäre der Eindruck, man schiebe einen afrikanischen Wissenschaftler vor, um endlich mal Tacheles über Israel sprechen zu können, ja gar nicht mal so falsch. Kindermund tut Wahrheit kund. Das wäre aber tatsächlich die größte Beleidigung, die man dem Wissenschaftler Mbembe und seinem Werk antun könnte, als ihn inhaltlich zu kritisieren.

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      „Das wäre aber tatsächlich die größte Beleidigung, die man dem Wissenschaftler Mbembe und seinem Werk antun könnte …“

      Absolut D´accord. Kann mich nur des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Artdes Respektes vor Menschen und ihrer Leistung nicht mehr en vogue ist (hmm, vermutlich war sie es nie). Ich nahm immer wie selbstverständlich an, die Bevorzugung sogar beissender Kritik gegenüber einem Sockenpuppendasein sei eines der Zeichen, die Erwachsene von Kindern unterscheidet. Diese Selbstverständlichkeit ist mr mit Lebenserfahrung abhanden gekommen.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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      Naja, ehrlich gesagt glaube ich, dass Mbembe lediglich ein typischer Vertreter dieser neuen Welt der Wissenschaft ist, die ständig neue Sparten mit eigener Begrifflichkeit hervorbringt, sehr selbstbezüglich ist und damit sehr merkbar an intellektueller Schärfe und Relevanz verliert. Statt Erkenntnis werden Narrative produziert und statt Diskurs Nestwärme und Stallgeruch. Dass da relativiert wird, dass sich die Balken biegen und Zeitzeugen wie Kenner der tatsächlichen Verhältnisse damals (ich schätze Götz Aly für Letzteres so ein) sich nur noch angewidert abwenden können, ist wohl ein Kollateralschaden dieser vielleicht verzeihlichen, aber nichtsdestoweniger dreisten Unbekümmertheit. Follow the science? Wohl eher besser nicht!

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        Wie würden Sie es bezeichnen? Ist es nicht so, dass auch Mbembe den Status ‚Wissenschaftler‘ für sich beansprucht? Forschungsschwerpunkt ‚Postcolonial Studies‘. (Für mich ist das auch keine Wissenschaft, sondern Aktivismus, falls ich das eben noch nicht genügend durchblicken ließ. Und es wird mit Steuergeld gefördert und z.B. im Deutschlandfunk protegiert. Nicht nur Mbembe. Dauernd.)

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        Also hier machen Sie beide, KJN und Herr Posener, genau das, was Stevanovic angesprochen hat, und Sie merken es nicht einmal. Was hat denn diese ganze Diskussion rundum BDI und Israel mit dem Werk von Mbembe zu tun? Sie glauben, wenn er hier Unsinn erzählt, dann wird er wohl überall Unsinn erzählen, ergo sortieren Sie sein Werk aus der Wissenschat heraus bzw. in die lustige Geisteswissenschaft hinein, über die sich der Naturwissenschaflter nach getaner Zahlenarbeit beim Bier zu amüsieren pflegt?
        Es ist eine allgemeine Unsitte, die Werke von Leuten, deren politischer Ansicht man nicht ist, gleich mit runterzuziehen und umgekehrt. Das kann man immer wieder beobachten. Wenn irgendein Maler etwas Unsinniges äußert, ist er plötzlich ein Dilettant. Sagt er das Richtige, sind seine Bilder wunderschön. Hätte Grönemeyer warme Worte für die Pegida gefunden, wäre er dort als toller Künstler gefeiert worden, aber so ist er ein alberner Möchtegernbarde. (Ich teile seine Ansichten, mag seine Musik aber trotzdem nicht.) Was haben Thomas Mann oder Dostojewski nicht alles für Blödsinn verzapft! sind das deswegen schlechte Künstler?

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        Das ist eine Unterstellung, erstens, lieber RZ; und zweitens stimmt sie nicht. Wie Sie wissen, habe ich Mbembe das erste Mal hier auf SM im November 2019 in einem ganz anderen Kontext kritisiert; und wie Sie auch wissen, bin ich seit Jahren in kritischen Diskussionen mit Vertretern der Postcolonial Studies verwickelt. Diese Unterstellung ist unter Ihrem Niveau, und sie trifft mich nicht.

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        Das ist keine Unterstellung, Herr Posener. Mbembe ist ausweislich seiner Vita auf wikipedia nicht nur Vertreter der Postkolonialismus-Studien, die man vielleicht als unwissenschaftliches Forschungsgebiet oder „Aktivismus“ (KJN) belächeln oder bekämpfen will (obwohl ich nicht verstehe, warum), sondern auch Historiker und Politikwissenschaftler mit einer respektablen Unikarriere, die jedenfalls ich nicht aufweisen kann. Ich habe keine Ahnung, wie seine wissenschaftlichen Arbeiten insgesamt zu beurteilen sind, aber es gibt keinen Grund zu glauben, dass das alles Humbug ist. KJN glaubt – er weiß es nicht, hat aber „den Eindruck“ -, das sei keine Wissenschaft, was Mbermbe treibt, und Sie sagen dazu, das wäre keine „science“.

        Mit Verlaub, was soll man dazu sagen? Doch wohl, dass Sie beide ihn nicht als Wissenschaftler überzeugend finden, gelinde gesagt. Überzeugende Gründe dafür sind aber nicht zu finden, jedenfalls nicht hier. Mag sein, dass Sie das im November bereits angemessden begründet haben – ich kann mich daran nicht erinnern. Aber hier haben Sie ein solches Urteil jedenfalls nicht begründet. Sondern es fußt darauf, dass Mbembe Unsinn zum Nahostkonfliukt geschrieben hat. Sein Schwerpunkt ist aber Afrika. Woher wollen Sie wissen, dass er als Historiker zu Afrika nur unqualifiziertes Zeug (jedenfalls keine Wissenschaft) geschrieben hat? Falls Sie das wirklich wissen, hätten Sie es wenigstens mit einem kleinen Satz erläutern können, ungefähr so: „Ich habe mich mit seinem Gesamtwerk beschäftigt und bin daher zu dem Schluss gekommen, dass das keine Wissenschaft ist.“ So liest man nur: „Das ist keine scrience“.

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        Lieber RZ,ich habe genug von und über Mbembe gelesen, um der begründeten Meinung zu sein, dass er nicht nur über Palästina Humbug schreibt. Deshalb werde ich mich nicht mit seinem Gesamtwerk näher befassen. Damit – mit diesem Nichtbefassen – befinde ich mich immerhin in guter Gesellschaft, nämlich mit einigen seiner deutschen Verteidiger*innen.
        https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wer-sind-die-700-unterzeichner-fuer-achille-mbembe-16784124.html

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        Lieber Roland Ziegler: “Was hat denn diese ganze Diskussion rundum BDI und Israel mit dem Werk von Mbembe zu tun?“
        Ich schätze Sie so ein, dass Sie sich das auch selber beantworten könnten, bzw. ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die Unterschiede zwischen dem Holocaust durch Nazideutschland, der Sklaverei bestimmter damaliger Wirtschaftsakteure und der Palestina-Politik Israels nicht erkennen, der nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer ist, also in unterschiedlichen Absichten begründet liegt. Und selbst wenn Sie das nicht unterscheiden wollten oder könnten, weil (z.B.) linke Erklärungsmodelle sich gerne ‚Profitdenken‘ oder ,Trennungswahn’ als Ursache aussuchen, würde ich hier im Rahmen des Diskurses Ihnen keinerlei weiteren Absichten unterstellen. Mbembe exponiert sich jedoch als Israelhasser, demonstriert seine Nähe zum BDS und BENUTZT den Holocaust, um seinen Thesen die nötige Wucht zu verleihen, indem er INSINUIERT, also nicht begründet, also es darauf abzielt, Gerüchte zu streuen, auf dass schon etwas hängenbleiben und irgendwann ,Narrativ‘ werde. Es IST Teil seiner Thesen, auch wenn er so argumentiert, dass er sich daraus jederzeit – zumindest sprachlogisch – zurückziehen könnte. Es geht ihm hier hier nicht um Erkenntnis, sondern um die Bedienung seiner ihm gewogenen Rezipienten. Das ist die Visitenkarte eines Demagogen und eines Wissenschaftlers unwürdig, als der er sich ja versteht. Natürlich darf er als Wissenschaftler eine Meinung haben und sie auch öffentlich äußern, aber er darf nicht insinuieren, dass dieses eine wissenschaftliche Aussage wäre. So nach dem Motto: ‚Wenn er das als Professor sagt, dann wird es schon stimmen.‘ Und dieses als Kollateralnutzen zu kalkulieren, genau das werfe ich ihm vor und beileibe nicht nur ihm. Die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft bleibt dabei auf der Strecke. Und wer in diese Lücke springen wird, das wissen Sie auch. Und Mbembe erscheint mir deswegen nicht glaubwürdig, weil er im Zentrum seines Tuns unseriös und berechnend handelt, (s.o.). Und nicht, außerhalb seiner Kunst, die Kunst bleibt, auch wenn sie von Harvey Weinstein produziert wurde. Oder Roger Waters, oder Richard Wagner, um andere als Mbembe mit komischen Ansichten über Israel und Juden zu nennen.

  18. avatar

    Tschuldigung Herr Posener, auch wenn Ihre letzte Frage sicher rhetorisch gemeint war:

    Wann und wo haben Sie in Ihrer Erinnerung (ein paar Jahre mehr all meine) den Ort gefunden, an dem der klassische deutsche Politik- oder Sozialwissenschaftler nicht nach dem Motto „Nagel einen Pudding an die Wand“ argumentiert hätte? Das ist a) deren Geschäftsmodell, b) immunisiert es bereits ganz alleine gegen Kritik und c) ermöglicht es, mit Andeutungen und Geraune andere in Misskredit zu bringen, ohne jemals dafür gerade stehen zu müssen (man hat es ja entweder falsch interpretiert, aus dem Kontext gerissen oder böswillig verstanden).

    Ich muss – virtuell oder real – den Politik- oder Sozialwissenschaftler noch finden, der einen klaren Standpunkt bezieht und ihn danach offen und argumentativ gegen Kritik verteidigt. Nach meiner – inzwischen ziemlich böswilligen – Ansicht hat das zwei sehr nachvollziehbare Gründe: Feigheit, die mit Unfähigkeit gepaart ist. Man will sich eingedenk der eigenen begrenzten Fähigkeiten mit Hilfe enormer Unschärfen gegen jeden Angriff wappnen, weil man keinen Standpunkt beziehen und verteidigen KANN.

    Bekommt man übrigens von der Verteidigerbrigade Mbembes gerade wieder exemplarisch vorgeführt …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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      Ja. Es gibt Ausnahmen: etwa Götz Aly (allerdings kein „klassischer“ Akademiker). Und … ähm …

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    Natürlich kann man vergleichen, man muss sogar. Die Rassengesetze von 35 hatten als Vorbild die Rassentrennung in angloamerikanisch dominierten Gesellschaften und damit einen direkten Bezug zum Kolonialismus, und selbstverständlich kann man damit einen Bezug zur Segregration in Israel herstellen.

    Wer Gemeinsames erkennt, sollte aber auch in der Lage sein, die Unterschiede zu beschreiben, zumindest wenn man sich Philosoph oder Denker nennt. Die Sklavenhalter, Kolonialisten (Belgien einmal ausgenommen) hatten nicht das primäre Ziel ihre „Produktionsmittel“ zu vernichten.

    An dieser Stelle hapert es bei Mbembe. Denn sonst würde er erkennen, dass die Vernichtung von „Produktionsmitteln“, in diesem Fall Menschengruppen, eine sozialistische Spezialität ist und ursächlich nichts mit dem Kolonialismus zu tun hat.

    Außerdem müsste er sich beim Thema Sklavenhalterei endlich mal an die eigene Nase fassen, ohne die aktive Mithilfe von afrikanischen Stämmen, wären die paar Europäer niemals in der Lage gewesen, Millionen von Afrikaner zu versklaven und den Kontinent zu unterwerfen.

    Seine unsinnigen Äußerungen sind deshalb wohl eher auf ein unbewältigtes Trauma zurückzuführen, denn auf Antisemitismus.

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      „Die Rassengesetze von 35 hatten als Vorbild die Rassentrennung in angloamerikanisch dominierten Gesellschaften und damit einen direkten Bezug zum Kolonialismus, und selbstverständlich kann man damit einen Bezug zur Segregration in Israel herstellen.“

      Ähm, nein.
      Whitmans Buch über den Bezug der Rassengesetze der Nazis zu den Rassengesetzen im amerikanischen Süden habe ich geschrieben:
      https://www.welt.de/kultur/plus173016096/Hitlers-Vorbild-Als-Amerika-das-fuehrende-rassistische-Rechtssystem-war.html

      Darin: „Der Zeitraum, den Whitman betrachtet, ist kurz: die Jahre zwischen der Machtübergabe an Hitler 1933 und der Verabschiedung der sogenannten Nürnberger Gesetze nach dem „Parteitag der Freiheit“ 1935. Mit dem „Reichsbürgergesetz“ wurden die Juden zu Bürgern zweiter Klasse, während das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ jegliche „Rassenvermischung“ verbot und den Straftatbestand der „Blutschande“ einführte. Diese Gesetze bildeten die Grundlage für die „endgültige Lösung des Judenproblems“, wie der SS-Jurist Wilhelm Stuckart in seinem Standardkommentar zu den Nürnberger Gesetzen erklärte. Damit war nicht die „Endlösung“, also Vernichtung, gemeint, an deren Planung Stuckart später auch beteiligt war, sondern die erzwungene Auswanderung. Das war auch ein Unterschied zu den amerikanischen Rassegesetzen: Sie zielten auf die Segregation der Schwarzen und die „Aufnordung“ durch Immigration; die deutschen Gesetze auf Entrechtung der Juden und „Aufnordung“ durch Emigration.“

      Kurz: Den Amerikanern (und Afrikaanern, Rhodesiern usw.) ging es um Trennung. Den Nazis um Entfernung. Das ist ein Unterschied.
      Und in Israel gibt es keine „Segregation“. Wo in Gottes Namen haben Sie das her?

    2. avatar

      „Außerdem müsste er sich beim Thema Sklavenhalterei endlich mal an die eigene Nase fassen, ohne die aktive Mithilfe von afrikanischen Stämmen, wären die paar Europäer niemals in der Lage gewesen, Millionen von Afrikaner zu versklaven und den Kontinent zu unterwerfen.“

      Sie wissen, wie die meisten in Deutschland, überhaupt nichts von Mbembe, außer, dass er Kameruner ist und irgendwas zu Kolonialismus forscht. Sie kritisieren nicht den Inhalt seiner Arbeit, es empört Sie, dass ein Afrikaner aufmuckt, freilich ohne irgendeine Ahnung, worüber er überhaupt aufmuckt. Endlich mal an die eigene Nase fassen, so als Neger. Das ist keine Kritik an Werk oder Aussagen, das ist einfach Arschloch.

      1. avatar

        Da liegen Sie absolut richtig und nach den Kritiken, die ich nicht nur von Ihnen gelesen habe, werde ich es wohl auch nie erfahren. Die knappe Zeit gebe ich lieber für andere Sachen aus.

        @Steffen Ehrlich
        Entschuldigen Sie bitte die dumme Bemerkung meinerseits. Steht mir nicht zu, ist schlechter Stil und trägt nichts zur Sache bei.

      2. avatar

        Und ich danke dafür, dass Sie mit dieser Entschuldigung dazu beitragen, das Diskussionsniveau dieses Blogs, von dem ich auch profitiere, zu erhalten.

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