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Jörg Häntzschel oder die Unfähigkeit zur Selbstkritik

Der Fall Achille Mbembe ruft die üblichen Reflexe der üblichen Verdächtigen hervor. Als zuerst der NRW-Landtagsabgeordnete Lorenz Deutsch (FDP), dann der Antisemitismus-Beauftragte des Bundes Felix Klein Einwände gegen die Einladung des Philosophen als Hauptredner bei der Eröffnung der diesjährigen Ruhrtriennale erhoben, reagierten die Leiterin der Ruhrtriennale und ihre linken und linksliberalen Freunde nicht etwa mit Betroffenheit und dem Angebot einer Diskussion über die gegen Mbembe erhobenen Vorwürfe des Antisemitismus und der Holocaust-Relativierung. Vorwürfe, die nicht nur in Deutschland, aber gerade hier jeden anständigen Menschen zum Innehalten und Nachdenken bewegen sollten. Stattdessen wurde sofort zurückgeschossen.

Nicht, weil seine Reaktion besonders originell wäre, sondern weil sie typisch ist, nehme ich mir stellvertretend den Kollegen Jörg Häntzschel vom Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) vor.

Ich will hier nicht die Argumente gegen Mbembe wiederholen, die ich zuerst im August letzten Jahres hier auf „Starke Meinungen“ im Rahmen einer Besprechung des „Herrenmenschen“-Buchs des „Spiegel“-Korrespondenten Bartholomäus Grill erhob und seitdem in zwei weiteren Artikeln für die „Welt“ ausführlicher dargelegt habe. Auch andere kommen zum gleichen Ergebnis, hervorzuheben ist etwa Jürgen Kaube, Herausgeber der FAZ, der Mbembes Positionen mit der gebotenen Sorgfalt seziert hat und zum Ergebnis kam, zumindest von einem „Nano-Antisemitismus“ müsse man bei Mbembe ausgehen.

Nun, ob Mikro oder Makro, Nano oder Mega:  Es ist schon bezeichnend, dass es – mit wenigen Ausnahmen – erst der politischen Intervention von Deutsch und Klein bedurfte, damit es überhaupt zu einer journalistischen und intellektuellen Auseinandersetzung mit Mbembe kam; und dies ist auch der eigentliche Skandal. Doch genau diesen Skandal nahm Häntzschel in seiner ersten Stellungnahme am 20. April – zwei Tage nach Erscheinen meines ersten Kommentars in der „Welt“, jedoch ohne auf dessen Argumente einzugehen – zum Anlass, das Vorhandensein eines Skandals zu leugnen.

„Deutschland hat ein wachsendes Antisemitismus-Problem. Übergriffe auf jüdische Bürger und jüdische Einrichtungen häufen sich. Letzter trauriger Höhepunkt war der Angriff auf die Synagoge in Halle im Oktober.“ So steigt Häntzschel ein, um fortzufahren: „Angesichts der grassierenden Hetze und Gewalt gegen Juden in Deutschland ist es umso überraschender, dass für Klein antisemitische Gefahr nun ausgerechnet von einem weltweit bekannten und renommierten Wissenschaftler aus Kamerun ausgeht, dem Historiker, Politikwissenschaftler und Postkolonialismus-Denker Achille Mbembe.“

Antisemiten – das sind die Anderen

Was will uns Häntzschel hiermit sagen? Dass ein „weltweit renommierter Wissenschaftler“ per se kein Antisemit, schon gar nicht eine Gefahr sein könne? Antisemiten, das sind die Anderen, doch nicht „Historiker, Politikwissenschaftler und Postkolonialismus-Denker“: Ist das die Botschaft, trotz Wilhelm Marr, Eugen Dühring, Heinrich von Treitschke, Houston Stewart Chamberlain und wie die zu ihrer Zeit durchaus renommierten Vordenker des modernen europäischen Antisemitismus alle hießen? Oder geht es darum, dass ein Mann aus Kamerun – sozusagen per Abstammung – unmöglich Antisemit sein könne? Und schon gar nicht eine „Gefahr“?

Nun wirft niemand Achille Mbembe vor, „Übergriffe auf jüdische Bürger und jüdische Einrichtungen“ zu planen oder zu verantworten. Für deren Schutz ist ohnehin nicht Felix Klein zuständig, sondern das BKA und die jeweiligen Polizeipräsidenten. Es geht – und in anderen Zusammenhängen, etwa wenn es gegen die AfD oder „die Rechte“ allgemein geht, wissen das auch Häntzschel und Co. – um die intellektuelle Atmosphäre, aus der heraus bestimmte Taten möglich werden.

Wie Mbembe zur Vergiftung der Atmosphäre beiträgt

Wäre nämlich Israels Politik gegenüber den Palästinensern, wie Mbembe behauptet, schlimmer als die Apartheid in Südafrika; wäre sie, wie Mbembe behauptet, ein Labor für die Unterdrückung und Eliminierung von als überflüssig empfundenen Bevölkerungen in der ganzen Welt; wäre sie – wie die ganze „Politik der Feindschaft“, die er kritisiert – nur die zu Ende gedachte Folge des „Gesetzes der Rache“ im Alten Testament, wie Mbembe  behauptet: Dann schiene es kaum übertrieben, zur „globalen Isolierung“ Israels aufzurufen, wie Mbembe es tut; es wäre gerechtfertigt, den Terror von Hamas, Fatah, Hisbollah und anderen gegen den jüdischen Staat zu verschweigen, wie es Mbembe tut, denn er wäre als Widerstand berechtigt oder doch entschuldbar; und deutsche Einrichtungen und Menschen, die den Geboten Moses die Treue halten und Israel verteidigen, könnten als legitime Ziele verbaler, wirtschaftlicher und ja auch körperlicher Angriffe angesehen werden. Was ja für viele Juden heute in Deutschland Alltag ist, und was Häntzschel bedauert.

Nun holt Häntzschel aber sein wichtigstes Argument aus der Schublade: „Wäre (Mbembe) tatsächlich Antisemit, hätte das längst auffallen müssen: als er im letzten Jahr als Gastprofessor in Köln lehrte, als er den Ernst-Bloch- und den Gerda-Henkel-Preis erhielt (die Laudatio hielt die Staatsministerin Michelle Müntefering), bei den ‚Berliner Korrespondenzen‘, veranstaltet von Humboldt-Universität, Gorki-Theater und Auswärtigem Amt, oder als er 2015 mit dem nach den Widerstandskämpfern der Weißen Rose benannten Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet wurde.“

Weil Mbembe Darling der Szene ist, kann er kein Antisemit sein

In der Tat. Das hätte auffallen müssen. Dass es nicht auffiel: Spricht das für Mbembe, oder gegen die Einrichtungen und Personen, die ihn ehrten, ohne dass ihnen seine antisemitischen Positionen negativ auffielen? Spricht das für Mbembe oder für die Tatsache, dass es in weiten Teilen der akademischen Öffentlichkeit Deutschlands kein Sensorium für die spezifische Variante des Antisemitismus, die von „Postkolonialismus-Denkern“ und Nichtdenkern verbreitet wird? Spricht das für Mbembe oder dafür, dass die kleine Minderheit, die sich in Deutschland dem Kampf gegen das Gift des Antisemitismus widmet, einem zutiefst langweiligen und undankbaren Geschäft übrigens, weil sich die Argumente der Antisemiten stets wiederholen, vieles übersieht, was unterhalb der Ebene offener Provokationen passiert?

Kurzum: Häntzschel belegt mit seinen Beispielen, dass die Intervention Felix Kleins eben nicht willkürlich erfolgte; dass es nicht darum geht, einen „Wissenschaftler aus Kamerun“ zu kritisieren, sondern einen Darling der deutschen akademischen Szene. Dass es nicht um den afrikanischen Antisemitismus geht, sondern um deutschen. Dass die Intervention mithin längst fällig war.

Vier Tage später veröffentlichte Häntzschel in der SZ ein „Profil“ Achille Mbembes.

Am 20. April hatte er kommentarlos eine Stellungnahme Mbembes wiedergegeben:  „Mbembe ist angesichts der Vorwürfe fassungslos. „Ich bin kein Mitglied oder Unterstützer des BDS oder sonst einer Organisation, die im israelisch-palästinensischen Konflikt involviert ist“, schreibt er. Und ergänzt: „Ich halte nichts von einem allgemeinen Boykott israelischer Akademiker.“ Er kenne, so Mbembe weiter, „keinen ernsthaften Wissenschaftler, der das Apartheidsystem in Südafrika mit dem Holocaust vergleichen“ würde. Und was seine Kritik an der „kolonialen Besatzung“ angehe – er meint die Politik Israels im Westjordanland: „Auch mit sehr viel Fantasie lässt sich daraus kein Antisemitismus ableiten.““ Häntzschels Artikel greift diese Stellungnahme in der Überschrift zustimmend auf: „Sehr viel Fantasie“.

Vier Tage später scheint Häntzschel immerhin etwas mehr gelesen zu haben. Diese nachgeholte Lektüre unterstellt er freilich den Kritikern Mbembes: „In den letzten Tagen suchten Kritiker weitere Belege für ihre Einschätzung, Mbembe relativiere den Holocaust, sei ein Israelhasser und unterstütze die antiisraelische Bewegung BDS.“ Die Belege referiert er in aller Kürze und natürlich unvollständig: „Im Zentrum seiner Arbeit stehen weder Holocaust noch Israel. Dennoch spielt beides in seiner Geschichte der „Feindschaft“ eine wichtige Rolle.“ (Mit anderen Worten: Mbembe hat keine Ahnung, aber bramarbassiert herum; je weniger Ahnung man hat, desto leichter fällt ja die Kritik.) Häntzschel weiter: „Genau diese Passagen halten Mbembes Kritiker ihm vor: „Die Logik des Konzentrationslagers“, schreibt er etwa, gehe auf die britischen Besatzer in Südafrika zurück, den „geplanten Massenmord“ an den Juden hätten die Deutschen zuvor mit den Herero erprobt. Und was Israel heute den Palästinensern antue, sei „schlimmer als die vergleichsweise primitiven Maßnahmen“ des südafrikanischen Apartheidsregimes. Das sind radikale Urteile, doch handelt es sich dabei wirklich um Antisemitismus?“

Erfanden die Briten die „Logik des KZ“? Erprobten die Deutschen den Holocaust an den Herero?

Offensichtlich handelt es sich bei der Behauptung, die Briten hätten die „Logik des KZ“ erfunden, ein uraltes Argument deutscher Nazi-Verharmloser, nicht um eine antisemitische, sondern um eine antibritische Äußerung. Dass sie falsch ist, steht auf einem anderen Blatt. Auch die Behauptung, den Massenmord an den Juden hätten die Deutschen zuvor „mit (?) den Herero erprobt“, ist nicht per se antisemitisch, wenn sie auch falsch ist und die tiefen Ursachen des Antisemitismus in der europäischen Kultur verkennt. Sie wurde zuerst – allerdings mit einem Fragezeichen versehen – von dem deutschen Historiker Jürgen Zimmerer aufgestellt, auch so ein „Postkolonialismus-Denker“, und übrigens ein sehr netter Mann, mit dem ich gelegentlich die Klingen gekreuzt habe.

Indem er also zwei Behauptungen Mbembes wiedergibt, die niemand als antisemitisch kritisiert hat, will Häntzschel anscheinend erstens ablenken von den Behauptungen Mbembes, die gelogen sind, etwa, dass er nie die BDS-Bewegung unterstützt, nie zu einem Boykott Israels aufgerufen habe und nie den Holocaust mit der Apartheid verglichen habe. An die von ihm zitierten höchst fragwürdigen, aber nicht antisemitischen Behauptungen tackert Häntzschel jedoch eine, die tatsächlich antisemitisch ist: „Was Israel heute den Palästinensern antue, sei „schlimmer als die vergleichsweise primitiven Maßnahmen“ des südafrikanischen Apartheidsregimes.“ Ob diese „radikale“ Behauptung antisemitisch sei, fragt er mit unschuldigem Augenaufschlag. Ja, Herr Häntzschel, und Sie wüssten warum, wenn Sie sich je die Mühe gemacht hätten, sich näher mit der „Israelkritik“ zu beschäftigen.

Israels Politik: „Schlimmer als Apartheid“?

Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen der Entrechtung der schwarzen Mehrheit der Bevölkerung Südafrikas durch die weiße Elite, um ihre Privilegien und Herrschaft zu wahren, und der militärischen Besatzung der 1948 widerrechtlich von Jordanien annektierten Gebiete westlich des Jordans durch Israel infolge eines Abwehrkrieges 1967. Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen der rassistischen Ideologie der weißen Überlegenheit, die der Apartheid zugrunde liegt, und der israelischen Haltung gegenüber den Arabern sowohl in Israel, wo sie gleichberechtigte Bürger sind, als auch in Judäa und Samaria, wo sie schon jetzt weitgehende Selbstverwaltung genießen nebst einem der höchsten Lebensstandards der arabischen Welt, und wo ein palästinensischer Staat entstehen soll. Der weiße Rassenhass in Südafrika konnte mörderische Züge annehmen; darin war er eher dem antijüdischen Rassenhass der Hamas vergleichbar als der kühlen Pragmatik der israelischen Politik gegenüber den Arabern in der Westbank.

Nicht alles, was Israel tut, muss man gutheißen. Aber wer nicht anerkennt, dass die Juden in Palästina seit 1918 immer wieder arabischen Pogromen ausgesetzt waren, und dass der in einem Teil Palästinas auf Beschluss der Vereinten Nationen gegründete jüdische Staat seit 1948 immer wieder Aggressionen seitens der arabischen Staaten erdulden musste; dass der Besatzungsstatut nicht, wie die Apartheid, einer aggressiven rassistischen Ideologie entspringt, sondern legitimen Sicherheitsinteressen; dass Versuche, die für Israel wie für die Palästinenser untragbare Situation zu lösen, immer wieder von arabischer Seite torpediert wurden; dass alle israelischen Regierungen seit Jahrzehnten dem Ziel einer Zweistaatenlösung verpflichtet sind, wie sie die UN 1948 beschlossen hat, während ein Großteil der muslimischen Staaten nicht einmal das Existenzrecht Israels anerkennen – ach, ich will nicht zum x-ten Mal die ganzen Argument aufzählen, aber wer nicht anerkennt, dass es sich beim Konflikt im ehemaligen Mandatsgebiet Palästina um einen Konflikt zwischen zwei Völkern (oder wie man die Entitäten auch immer nennen will) handelt, und nicht um die Unterdrückung eines Teils eines Staatsvolks durch ein anderes, der will den jüdischen Staat dämonisieren und delegitimieren, legt überdies einen doppelten Standard an, indem Besetzungen, Annexionen und dergleichen auf der ganzen Erde, von Kaschmir bis Georgien, von Tibet bis Tschetschenien, von Birma bis zur Krim verschwiegen und allein Israel an den Pranger gestellt wird. Und ja, Herr Kollege: Diffamierung, Delegitimierung und Doppelstandards sind Kennzeichen des israelbezogenen Antisemitismus

Von Selbstkritik keine Spur

Es wäre zu wünschen, dass diejenigen, die – ich unterstelle die besten Absichten (und eine gehörige Portion Unwissen) – Achille Mbembe beigesprungen sind, als die ersten Vorwürfe laut wurden, nun, da mehr als Vorwürfe vorliegen, sondern ausführliche Exegesen seiner Schriften, ein wenig selbstkritischer auftreten würden. Nichts hindert sie, zu einer offenen Diskussion über die Vorwürfe einzuladen. Nirgendwo wäre das nötiger als bei der SZ. Danach sieht es aber nicht aus. Die Selbstgerechtigkeit triumphiert.

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13 Gedanken zu “Jörg Häntzschel oder die Unfähigkeit zur Selbstkritik;”

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    Danke für diese klare Stellungnahme, Herr Posener.

    Mbembe ist ein Verharmloser des ehemaligen Apartheidsystems in Südafrika. Wer solche Positionen herausposaunt, lässt einen tiefen Einblick zu, was von seinen sonstigen Ansichten zu halten ist. Wenn das ein „hervorragender afrikanischer Denker“ ist, dann gute Nacht Afrika. Typisch für (israelbezogene) Antisemiten wie Mbembe, ist das Vernebeln von getanen Aussagen und verbales Lavieren, „kein Antisemit“ zu sein, praktisch aber alle Voraussetzungen für diese Einordnung zu erfüllen.

    Jörg Häntzschel sekundiert und tut alles, um genau diese Offenkundigkeiten zu verwischen.

      1. avatar

        Ich zitiere jetzt aus Ihrem eigenen Blog:

        Mbembe schreibt:
        „(D)ie Auswirkungen des israelischen Projekts (sic) auf den palästinensischen Körper sind viel einschneidender als die relativ primitiven Operationen des Apartheidregimes in Südafrika zwischen 1948 und den frühen 1980er Jahren. (…) Das zeigt sich in seiner fanatischen Politik der Zerstörung, die darauf abzielt, das Leben der Palästinenser in einen Ruinenhaufen zu verwandeln oder in einen Abfallhaufen, der gesäubert werden soll. In Südafrika erreichten die Schutthaufen nie solche Ausmaße.“

        Mbembe vergleicht einen bürgerlichen Rechtstaat wie Israel mit einem ehemaligen Apartheitsstaat wie Südafrika und behauptet, ersterer sei schlimmer. Was anders ist Relativierung und damit Verharmlosung von Apartheid sonst?

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    Ich glaube, ein Teil des Problems liegt darin, daß Antisemitismus sich im Lauf der Jahrhunderte dermaßen in die Sprache hineingebrannt hat, daß Diesbezügliches auch von Menschen verbreitet wird, die nichts gegen die Juden haben oder sogar mit ihnen sympathisieren. Einfachstes, allgemein bekanntes Beispiel: Spricht man über Heuchler, sagt man „Pharisäer“, nicht bedenkend oder nicht wissend, daß Jesu Gedankengut weit überwiegend pharisäisch war. Dazu müßte man auch wissen, daß es mehrere Gruppen von Pharisäern gab und nur eine dieser so war, wie im NT beschrieben. Diese hat Jesu ganz zurecht beschimpft. Auf die andere Gruppen bezog sich die Beschimpfung nicht. — Ein anderer Teil ist, daß Antisemitismus immer wieder sein Gesicht wechselt, je nach Umstände. Beschäftigt man sich nicht eingehender mit der Problematik, merkt man es vielfach nicht. Nun, was ich an Unwissenheit dem „gewöhnlichen Sterblichen“ verzeihen kann, kann ich jenen, deren Werkzeug das Wort ist, nicht verzeihen. Heute hat jeder die Möglichkeit sich zu informieren, nachzuschauen, wie weit es der Realität entspricht, was sie von Kind an offen oder versteckt mitbekommen haben. Wenn sie das nicht tun, handeln sie unverantwortlich, belügen sie sich selbst und andere auch. Machen Menschen dumm. Das finde ich unverzeihlich. — Dann sollte man auch wissen, das Antisemitismus ist nicht Sache des Verstandes sondern des Gefühls. Womit man es zudeckt, sind Rationalisierungen. Nicht die Ursache, allenfalls verstärker. Wäre es Sache des Verstandes, wäre der Kampf dagegen viel einfacher. Gegen Gefühle, vor allem wenn sie noch dazu nicht bewußt sind, kämpfen auch die Götter vergebens. – Meine „Weisheit“ ist für heute zu Ende.
    lg
    caruso

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