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Martin Schulz als Pädagoge

„Mehr Geld für Bildung!“ – keine Forderung  kommt häufiger aus sozialdemokratischem Munde als diese. Sie klingt griffig und plausibel. Wer könnte etwas dagegen haben? Auch Martin Schulz hat die Formulierung  für sich entdeckt. Dabei wirft er mit Milliarden nur so um sich. Bei einer Diskussion vor Lehrern und Schülern am 18. 05. 2017  in Berlin-Neukölln nannte er zuerst eine Zahl zwischen 10 und 12 Milliarden, die er als Kanzler jährlich mehr in die Bildung stecken wolle. Nach kritischen Nachfragen erhöhte er den Einsatz auf 30 Milliarden.

Rechnet  man die teuren Wahlgeschenke, die Schulz schon versprochen hat (5 Milliarden für das Arbeitslosengeld Q, über 10 Milliarden für die „Mindestrente für alle“) hinzu, sprengt das alle Dimensionen, selbst wenn man weiterhin sprudelnde Steuerquellen  über 2018 hinaus unterstellt. Dabei drohen Risiken am Horizont. Sollte die EZB den Leitzins nur um einen Prozentpunkt erhöhen, steigerte dies  die jährliche Zinslast des Bundes um 13 Milliarden Euro. Es rächt sich, dass die Große Koalition in den üppigen Jahren die Staatsschuld nicht  zurückgefahren hat. Die Schuldenbremse verbietet die Kreditaufnahme ab dem Jahr 2020. Spätestens dann werden alle Ausgaben, die nicht durch Einnahmen gedeckt sind, wieder kassiert. Stellt man die horrenden Summen, die Schulz für die Bildung fordert, in diesen  allgemeinen Finanzhorizont, muss man zu dem Schluss kommen, dass es sich überwiegend  um Luftbuchungen handelt.

Eine weitere Forderung von Schulz betrifft das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern. Dies will er aufheben, um die Gelder, die er für die Bildung fordert, gezielt in einzelne Regionen oder Kommunen lenken zu können. Diese Forderung ist problematisch, weil sie die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, die in unserem föderalen System wohl ausgewogen ist, unterhöhlt. Wie im normalen Leben gilt auch im Föderalismus das Prinzip: Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch. Politisch gewendet heißt das, dass der Bund für die Gelder, die er den untergeordneten politischen Ebenen zur Verfügung stellt, auch die sachliche-politische Verantwortung übernehmen will. So ist kaum vorstellbar, dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung Gelder nach Nordrhein-Westfalen lenkt, die dann dort für fragwürdige Schulkonzepte (Stichwort: Gemeinschaftsschule) ausgegeben werden. Umgekehrt wird eine rot-grüne Bundesregierung ungern Finanzhilfen nach Bayern lenken wollen, um dort die Gymnasien im ländlichen Raum oder gar die Privatschulen zu stärken. Die Aufhebung des Kooperationsverbots setzt ein wichtiges Prinzip unserer Demokratie außer Kraft: Die politische Verantwortung für die Verausgabung  finanzieller Mittel muss immer erkennbar sein. Wenn Politiker die  Zuständigkeit für  getroffene Entscheidungen durch Mischfinanzierungen  verschleiern können, erschweren sie es den Bürgern, sie bei den nächsten Wahlen für Misserfolge zur Verantwortung zu ziehen.

Fragwürdig ist auch Schulz´ Forderung, das G 8 – Gymnasium wieder aufzugeben und zu G 9 zurückzukehren. Schulz verkennt eine sinnvolle pädagogische Arbeitsteilung zwischen den beiden schulischen Säulen, die sich in den meisten Ländern inzwischen herausgebildet haben. Die egalitären Schulformen (Gesamt-, Sekundar- und Gemeinschaftsschule) haben mit der neunjährigen Schulzeit bis zum Abitur einen wichtigen Vorteil gegenüber dem Gymnasium, das in acht Jahren zum Abitur führt. Dies hat dazu geführt, dass Schüler, die eigentlich fürs Gymnasium geeignet wären, lieber  eine Sekundarschule besuchen, weil sie es dann langsamer  angehen lassen können. Wenn das Gymnasium, wie Schulz fordert, wieder zu G 9 zurückkehrt, werden diese Schüler wieder ans Gymnasium strömen. Ob Schulz weiß, dass er mit seinem Vorschlag gerade den Schulen schadet, die zu den „Lieblingskindern“ der SPD zählen? Die Bildungsministerinnen von Berlin (Sandra Scheeres) und von Schleswig-Holstein (Britta Ernst), die beide an G 8 festhalten wollen,  könnten es ihm  erklären. Weiß in der SPD die  eine Hand nicht, was die andere tut? Dass Schulz die G 8 – Reform für eine Ausgeburt des Neoliberalismus hält, macht die Sache nicht besser. Er fabuliert von dem Versuch finsterer Kräfte, „die Schulen durchzuökonomisieren“, die Schüler „schnellstmöglich für  die Arbeitswelt zu verwerten“. Die Realität sieht anders aus.  Viele Schüler nutzen das gewonnene Jahr gar nicht, um früher ins Arbeitsleben einzutreten, wie Schulz vermutet. Die meisten machen nach dem Abitur  ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr oder gehen für ein Jahr ins Ausland. Warum sollte man diese Schüler, wenn  sie das Abitur spielend in acht Jahren schaffen, in die Verlängerungsschleife schicken und ihnen dadurch ein für ihre  Persönlichkeitsbildung wichtiges „freies“ Jahr  rauben?

All diese Schulzschen Forderungen für die Schule gehen an dem vorbei, was das eigentliche Problem sozialdemokratischer Schulpolitik ist: Die einseitige Betonung des Gerechtigkeitsgedankens geht zu Lasten der Leistungsfähigkeit der Schule. Für  sozialdemokratische und grüne Bildungspolitiker ist eine Schule dann „sozial gerecht“, wenn Kinder aus der sozialen Unterschicht gemeinsam mit  Akademikerkindern die Schulbank drücken. Die „gerechte“ soziale Mischung der Kinder in der Schulklasse ist für diese Denkschule so wichtig, dass sie die Frage danach, ob diese Mischung auch pädagogisch sinnvoll ist, gar nicht mehr stellt. Diejenigen, die sie stellen, werden gerne als „ewig-gestrig“, „unsozial“ oder als „Selektionsapostel“ stigmatisiert.  Stellt man die Frage nach der „sozial gerechten“ Schule pädagogisch, kommt man zu anderen Prämissen. Für mich ist die Schule „sozial gerecht“, die es allen Kindern, ungeachtet ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft und ihrer intellektuellen Begabung, ermöglicht, ihre ganz eigenen Potentiale optimal zu entfalten und auszuschöpfen. Geht man von dem Ziel eines jeden erfolgreichen   Bildungsprozesses aus, nämlich allen Schülern einen ihren Fähigkeiten gemäßen Schulabschluss zu verschaffen, kommt man schnell zu der Schlussfolgerung, dass die heterogene Schülermischung  keineswegs die optimale Voraussetzung für erfolgreiches Lernen darstellt.  Es kann doch kein Zufall sein, dass bei Leistungsvergleichen (Mittlerer Schulabschluss, VERA 8) die egalitären Schulformen, wie z.B. Gemeinschaftsschulen, Sekundarschulen etc. schlechter abschneiden als die gegliederten Schulformen. Selbst die klassische Gesamtschule bringt bessere Resultate, weil  sie die Schüler in Fachleistungskursen unterrichtet.  Das Prinzip der Begabungsmischung in einer Lerngruppe ist offensichtlich nicht dazu angetan, die Potentiale aller Schüler optimal zur Entfaltung kommen zu lassen.  Ich frage mich immer, was es einem 17-Jährigen nützt, der ohne Abschluss die Schule verlassen hat, wenn er sagen kann, er  habe immerhin in einer sozial gerecht gemischten Lerngruppe gesessen. Wäre es für ihn nicht viel nützlicher gewesen, wenn er so unterrichtet worden wäre, dass er seine Begabungen hätte optimal entfalten können? Das hätte aber unweigerlich zu der Frage geführt, die für die meisten  Lehrkräfte längst entschieden ist: Wäre dem Jungen nicht besser geholfen gewesen, wenn er in einer homogen zusammengesetzten, auf seinen Lernstand ausgerichteten Lerngruppe unterrichtet worden wäre?

Die Kritik am egalitären Bildungsansatz der SPD hat in letzter Zeit gerade im Bildungsbürgertum zugenommen. Viele  Eltern wollen nicht länger akzeptieren, dass die Leistungen der Schüler in dem Maße schlechter werden, wie die SPD ihrem bildungspolitischen Ziel – soziale Gerechtigkeit im Klassenzimmer – näherkommt. Die Abwahl der beiden Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hat  hier eine ihrer Ursachen. Nach den neuesten Zahlen zu den Schulabschlüssen in Deutschland  ist in  diesen beiden Bundesländern die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss höher als  im bundesdeutschen Durchschnitt (5,7 Prozent): in NRW: 6 Prozent, in SH: 7,6 Prozent (Caritas Deutschland: „Bildungschancen 2016“). Die Kompetenzzuschreibung in der Bildungspolitik ist für Rot-Grün ist deshalb  in letzter Zeit  deutlich  zurückgegangen. Martin Schulz täte seiner Partei sicher einen großen Gefallen, wenn er auf die Meinung derer hörte, die fordern, dass der Leistungsgedanke in der Schule nicht länger vernachlässigt werden darf. Was die Schule – vor allem in rot-grün regierten Ländern – braucht, ist nicht mehr Geld, sondern eine bessere Pädagogik.  Wenn alle  Schüler ungeachtet ihrer Herkunft und  Begabung einen Schulabschluss erwerben, wäre der ursozialdemokratischen Forderung „Aufstieg  durch Bildung“ am ehesten Genüge getan.

Wer sagt´s dem ausschließlich  auf soziale Gerechtigkeit gepolten Kandidaten?

 

 

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9 Gedanken zu “Martin Schulz als Pädagoge;”

  1. avatar

    … ooops? Korrektur

    Kathrin Spoerr: ‚Die neue Gefahr ist ein bisschen anders. Sie kommt nicht vom Fortschritt, sondern vom Rückschritt. Sie kommt nicht von innen, sondern von außen und sie ist nicht Nebeneffekt von etwas, sondern Ziel und Selbstzweck. Sie ist besonders dumm, besonders böse und besonders sinnlos – und darum macht diese Gefahr uns auch besonders große Angst.

    Ich hoffe einfach nur, dass ich Glück habe, und auch, dass wir schneller und besser sind als die und dass wir lernen, uns zu wehren – ungefähr so wie die Israelis.‘

    … nein Fr. Spoerr, die ’neue‘ Gefahr ist 1’400 Jahre alt. Sie ist auch nicht vom Himmel gefallen, sie ist von verantwortungsloser Politik in unsere Heimat Deutschland, nach Europa, geholt worden. Namentlich, unter anderem, Angela Merkel, Bundeskanzlerin der ‚BRD‘ oder Wolfgang Schäuble, Finanzminister der ‚BRD‘, die unsere Kinder mit vergewaltigen, mit erschießen, mit in die Luft sprengen – mit ermorden. Zuletzt in Manchester.

    Ich stimme Ihnen zu und bin ganz bei Netanjahu: ‘Wir werden nicht zulassen, dass Israel von einer Welle illegaler Migranten und von Terrorismus überschwemmt wird.’

    Das soll auch für Deutschland und Europa gelten. Sofort.

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    Kathrin Spoerr: ‚Die neue Gefahr ist ein bisschen anders. Sie kommt nicht vom Fortschritt, sondern vom Rückschritt. Sie kommt nicht von innen, sondern von außen und sie ist nicht Nebeneffekt von etwas, sondern Ziel und Selbstzweck. Sie ist besonders dumm, besonders böse und besonders sinnlos – und darum macht diese Gefahr uns auch besonders große Angst.

    Ich hoffe einfach nur, dass ich Glück habe, und auch, dass wir schneller und besser sind als die und dass wir lernen, uns zu wehren – ungefähr so wie die Israelis.‘

    … nein Fr. Spoerr, die ’neue‘ Gefahr ist 1’400 Jahre alt. Sie ist auch nicht vom Himmel gefallen, sie ist von verantwortungsloser Politik in unsere Heimat Deutschland, nach Europa, geholt worden. Namentlich, unter anderem, Angela Merkel, Bundeskanzlerin der ‚BRD‘ oder Wolfgang Schäuble, Finanzminister der ‚BRD‘, die unsere Kinder mit vergewaltigen, mit erschießen, mit in die Luft sprengen – mit ermorden. Zuletzt in Manchester.

    Ich stimme Ihnen zu und bin ganz bei Netanjahu: ‘Wir werden nicht zulassen, dass Israel von einer Welle illegaler Migranten und von Terrorismus überschwemmt wird.’

    Das soll auch für Deutschland und Europa gelten. Sofort.

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    In einem Punkt widerspreche ich: „Die Abwahl der beiden Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hat hier eine ihrer Ursachen.“
    Mag sein, dass die Bildungspolitik in NRW schlecht war, aber in SH war dies sicher kein Grund. G8 an Gymnasien funktioniert dort, in der Gemeinschaftsschule kann G9 gemacht werden (das ist FDP-Politik des früheren Ministers Klug). Es war die dreiste Unverschämten eines Stegner und die unerträgliche und auch noch selbstgefällige Arroganz eines Albig, was zur Abwahl geführt hat. Die CDU in SH ist liberal. Gestärkt wurde die Politik der Kanzlerin. FDP haben diejenigen taktisch gewählt, welche eine Abwahl wollten, aber die CDU dennoch nicht wählen wollten, weil da ja nicht nur der nette Herr Günther ist. Die CDU muss sich von Vorgestrigen befreien bzw. lernen, dass deren Zeit zum Glück vorbei ist.

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    sehr richtig: „All diese Schulzschen Forderungen für die Schule gehen an dem vorbei, was das eigentliche Problem sozialdemokratischer Schulpolitik ist“. Nicht nur sozialdemokratischer, sondern überhaupt einer Politik, die realistisch ist. An Schulz kann man sehen, wie in der EU Bürokraten (a)sozialisiert werden, die meinen, wenn man Geld in ein System Punkt, dann erreicht man etwas. Dieser Mann sollte sich einen neuen Beruf suchen. Er ist eine Katastrophe!

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