Von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, hat der Internationale Währungsfonds (IWF) eine politische Bombe gezündet. In einem Bericht an die Direktorin hat die Unabhängige Evaluierungsbehörde des IWF die Politik der IWF-Leitung in der so genannten europäischen Währungskrise scharf kritisiert. In einer Stellungnahme hat die Direktorin, Christine Lagarde, diese Kritik akzeptiert.
Die entscheidende Passage lautet (meine Übersetzung): „Was die Zeit nach der Krise [von 2008, A.P.] betrifft, so stimmt der Bericht der Einschätzung zu, dass die Ratschläge des IWF in großen Teilen richtig waren, insbesondere der Ruf nach fiskalischen Anreizen 2008-9 und die Unterstützung expansiver Geldpolitik in den entwickelten Volkswirtschaften. Die Befürwortung einer fiskalischen Konsolidierung in einigen entwickelten Volkswirtschaften durch die IWF 2010 wird als voreilig eingeschätzt, da sich die dadurch einsetzende Erholung als kurlebig erwiesen hat. Freilich hat diese Einschätzung, wie der Bericht anerkennt, den Vorteil des Rückblicks.“
Und jetzt noch einmal in Alltagsdeutsch:
„Es war richtig, unmittelbar nach der Krise Konjunkturprogramme zu fordern, und es war auch richtig, Geld in die Volkswirtschaft zu pumpen, wie es die Amerikaner und Briten getan haben. Nicht richtig war es, in Europa auf Sparprogramme zu setzen, um die Defizite zu reduzieren, weil dadurch die bereits einsetzende Erholung abgewürgt wurde. Aber nachher ist man immer klüger.“
Richtig. Nachher ist man immer klüger. Aber einige Leute haben beizeiten darauf hingewiesen, dass es absurd war, zuerst die europäischen Regierungen aufzufordern, Geld ins System zu pumpen, Banken zu retten, Abwrackprämien zu zahlen usw., und unmittelbar danach ihnen vorzuwerfen, sie seien überschuldet. Unter diesen Warnern befanden sich auch Leute, die nicht den Anspruch erheben, Ökonomen zu sein. Zum Beispiel ich.
Ende 2011 schrieb ich diesen Artikel für die „Internationale Politik“, die am 1.1.2012 erschien.
Zuerst beschrieb ich die – völlig richtige, nun auch vom IWF als richtig bestätigte – Reaktion der Europäischen Kommission unter Barroso auf die Krise 2008: „Sie forderte ein ‚europäisches Konjunkturprogramm’ gegen die Bankenkrise. 200 Milliarden Euro – mindestens 1,5 Prozent des BIP – sollten sofort die Nachfrage ankurbeln. Weiters sollten die Steuern gesenkt, die Sozialausgaben erhöht, öffentliche Investitionen in Umwelttechnik und Infrastruktur getätigt und private Investoren gefördert werden. Das ging nur auf Pump. Erst nach der Krise sollte das Geld zurückgezahlt werden.“
Doch dann kam die Griechenland-Krise und mit ihr die so genannte Schuldenkrise im Euro-Raum; eine Krise, die im wesentlichen eine Spätfolge der Bankenkrise war:
„Noch steckt Europa in der Krise. Deshalb sind die Staaten klamm. Doch die Banken wollen ihren Rettern kein Geld mehr leihen. Nun sind dieselben europäischen Politiker, die vor der Pleite von Lehman Bro¬thers blind auf die Marktkräfte vertrauten und 2008 alle Keynesianer wurden, zu Konservativen mutiert, die Austerität predigen. (…) Damals Geld ausgeben, heute sparen. Hü und hott.“
Schließlich schrieb ich:
„Die Euro-Zone wird sich wegen dieser Fehlanalyse entweder in die Rezession hineinsparen (Rezept Merkel) oder aus der Rezession hinausinflationieren (Rezept Sarkozy).“
So kam es auch.
Die Eurozone hat sich in die Rezession hineingespart, und nun versucht sie – genauer: versucht EZB-Präsident Draghi – verzweifelt Geld ins System zu fluten, um eine Deflation zu vermeiden.
Wenn auch Angela Merkel als Initiatorin des so genannten „Fiskalpakts“ (gegen den David Cameron zu Recht opponierte, unter dem Wutgeheul der hiesigen Presse) die Hauptverantwortung für die gegenwärtige Misere der Eurozone trägt, so kann sich Christine Lagarde nicht mit einem bloßen „Ups, sorry“ aus der Affäre ziehen. Schließlich war und ist sie als Mitglied der „Troika“ wesentlich mitverantwortlich für die desaströse deflationäre Politik, die den Euroländern verordnet wurde.
Lagarde sollte nun darauf drängen, dass nicht nur die Europäische Zentralbank durch monetäre Anreize, sondern die Regierungen durch die Fiskalpolitik die Rezession in der Eurozone bekämpfen. Dafür muss der IWF auch finanziell gerade stehen.
Ob es aber den Deutschen gefällt oder nicht: Sie werden Hauptmotor und Hauptgeldgeber des Euro-Rettungsprogramms sein müssen. Wolfgang Schäubles „schwarze Null“ ist eine Totgeburt, ebenso wie Merkels Fiskalpakt. Und das hätte man wissen können, auch ohne den „Vorteil des Rückblicks“.
Postskriptum:
Der letzte Satz meiner Glosse lautete: „Von Wachstum aber, dem einzigen wirksamen Mittel gegen Überschuldung, redet keiner mehr. Darin besteht die eigentliche Krise Europas.“ Nun ist Wachstum leicht zu fordern, schwieriger zu fördern. Wenn Thomas Piketty Recht hat, so stellen Wachstumsraten um die zwei Prozent in entwickelten kapitalistischen Gesellschaften die Norm dar. Mittlerweile redet auch „The Economist“ von jener „secular Stagnation“, die der frühere US-Finanzminister Larry Summers im Februar dieses Jahres an die Wand malte.
Wie unter diesen Bedingungen Wachstum überhaupt erzeugt werden kann, ist eine keineswegs triviale Frage. In Europa kann es weder vom Bevölkerungswachstum herkommen (und sollte es auch nicht), noch von der Erweiterung der Massenproduktion von Billiggütern. Neben der Ausweitung des Dienstleistungssektors ist vor allem die wissenschaftlich-technische Innovation gefragt. Und hier kann offensichtlich der Staat eine entscheidende Rolle spielen, wie Mariana Mazzucato in ihrem Buch „Das Kapital des Staates“ darlegt, das ich gerade lese.
Dazu freilich müssen die Staaten die Lizenz bekommen, Geld in die Hand zu nehmen. Der IWF hat Selbstkritik geübt; nun ist Frau Merkel dran.
@ Marseillais
Lieber Marseillais, ich hatte erwartet, dass Sie mir kräftig einen vor den Koffer hauen. Aber Sie beschämen mich.
Nehmen Sie nicht so ernst, was ich sage. Ganz generell. Wie jede Art von Öffentlichkeit ist auch das Blog immer ein bisschen Schauspiel.
(Und, bitte, was meine alkoholische Unterstellung betrifft: Das war keine Tatsachenbehauptung, sondern nur eine metaphorische Umschreibung Ihres Redestils, wenn Sie so wollen, Ihres manchmal losen Mundwerks.)
@ EJ
Sie müssen nicht alles so ernst nehmen.
a) Meine Großmutter war auch keine N.
b) Mein letzter Grey Goose: Sylvester 2013. Ich fahre viel zu gern Auto. Schon mal von Restalkohol gehört?
Bin von Wein bei Feiern auf Vodka umgestiegen. Entweder man verträgt keinen Wein mehr mehr, wenn man älter wird, oder die Weine sind nicht mehr alle in Ordnung. Schreibe nach Feiern nicht im Netz wie ich auch nicht Auto fahre. Wie Sie sehen, rutscht mir trotzdem mal Mist ‚raus.
Lieber Marseillais,
um damit selbst anzufangen, ich habe sie falsch verstanden und möchte mich bei ihnen entschuldigen.
Sie schrieben hier als das erste Malaysia-Airlines-Flugzeug zwischen Indien und Antarktis abstürzte, wir sollten alle suchen gehen. Über die Fakebilder bezüglich MH17, dem über der Ukraine abgestürzten Malaysia-Airlines-Flug, haben sie bestimmt schon etwas gehört. Aber vielleicht noch nicht über wie und wer sie identifiziert hat: https://www.bellingcat.com/news/2014/11/14/russian-state-television-shares-fake-images-of-mh17-being-attacked/ Ziemlich interessant das ganze. Auch die anderen Artikel, und Tutorials, wie man suchen gehen kann.
@ Marseillais: Ihr Claqueur EJ, […] hat sich offenbar erholt.
Und das, werden Sie sich gar nicht vorstellen können, nüchtern. – Prost!
Im Ernst: Sie mögen der Absicht nach irgendwie nur „allgemein“ und (blau) „in’s Blaue“ delirieren wollen. Dass es hier, auf dem Blog, „echte“ Menschen gibt, deren Mütter (Schwestern, Töchter) Sie damit faktisch als „nuttenhaft“ denunzieren, kommt Ihnen – kleines chauvinistisches [Selbstzensur], das Sie sind – nicht in den Sinn?
EJ
Sagt man nicht in Oberbayern :
a Hirndappiger