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E-Mail-Zensur und die tunesische Revolution

Es dauerte ein paar Stunden, bis ich herausgefunden hatte, warum die Emails sich nicht verschicken ließen. Ich war auf einer internationalen Konferenz in einem internationalen Hotel etwas außerhalb der tunesischen Hauptstadt Tunis. Das Internet funktionierte, ich konnte auch selber Emails empfangen. Doch wegschicken ließ sich nichts. Immer nur Fehlermeldungen.

Ein ägyptischer Konferenzteilnehmer klärte mich auf. Es liege nicht an meinen fehlenden Internetkenntnissen, sondern an der Regierung. Emails nach draußen würden blockiert. Warum, wisse er auch nicht genau. Doch er habe diverse Internet-Accounts über diverse Server – und einer würde dann doch meist funktionieren. Willkommen also in der Diktatur!

Dass es in Tunesien autokratisch zuging, war auch dem unbedarften Besucher nach wenigen Minuten im Land klar. Wo immer man ging oder stand, war ein Porträt des nun geflohenen Präsidenten zu sehen. Im Flughafen, an den Straßenkreuzungen, im Ballsaal des Hotels während der gesamten Konferenz.

Umso aufregender, wenn nun im Internet berichtet wird, dass auch eine Seite namens „Tunileaks“ an dem Umsturz beteiligt gewesen sein soll. Die dortigen Enthüllungen über das Luxusleben der Präsidentenfamilie scheinen die Wut der Bevölkerung weiter angefeuert zu haben. Wie schon im Iran waren die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und Informationsweitergabe hilfreich dabei, Autokratenregime ins Wanken zu bringen.

Wie es nach den derzeitigen Kämpfen nun in Tunesien weiter gehen wird, ist noch offen. Ministerpräsident Ghannouchi war damals auch auf der Konferenz, er hat sie eröffnet. Die Wissenschaftler und Wirtschaftsführer, die ansonsten anwesend waren, machten einen sehr informierten, kosmopolitischen Eindruck. In den langweiligeren Phasen der Konferenz spielte fast jeder mit seinem Smartphone herum.

Beim Sturz des alten Systems waren Informationen und ihre schnelle Weitergabe essentiell. Es wird spannend sein, zu sehen, ob dies auch für den Aufbau eines neuen Systemes gelten wird.

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4 Gedanken zu “E-Mail-Zensur und die tunesische Revolution;”

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    Tunesien ? Nur eine technische Frage fuer Lateinamerika: Wer kommt fuer Tunesien zum naechsten Gipfeltreffen der arabischen und lateinamerikanischen Nationen – in zwei Wochen nach Lima/Peru ? USA-EU/NATO „ist“ nicht mehr der einzige „Pol“ – auch die zwei „anderen“ haben mehr als wirtschaftliche Beziehungen mit der muslimischen und arabischen Welt. Viele Millionen Lateinamerikaner (10 Millionen in Brasilien) sind teilweise arabischer Abstammung der meist christlischen arabischen Imigranten vom Anfang des vorigen Jahrhunderts. (Der neue Vize-Praesident Brasiliens – Temer – ist aktiv in der Beziehung Libanon-Brasilien). Vor zwei Jahren als Evo Morales der Aymara-Indianer in Bolivien das Oel und Gas verstaatlichte, sind sofort Techniker von Algerien ( und Venezuela) eingeflogen damit keine Sabotage entsteht. – In China leben viele Millionen Muslime – nicht nur die Turco-Muslime in Sinchian, sondern ueberall in China die „Hui“ – Chinesen mit Teilabkunft von Arabern und Persern. Die Beijing Regierung unterstuetzt den Bau von Moscheen und islamistischen Institutionen in China, und viele Chinesen fahren zur „Hadj“ nach Mecca. Die deutschen Medien sind noch fossiliert im Kalten Krieg und mit Nabelschnur zur U.S. „News“…

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    Interessant ist auch das Resümee aus einem noch aktuelleren Cable vom Sommer 2009:

    „Finally, we recommend US officials be clear in all meetings with Tunisians: more US cooperation depends on real Tunisian engagement. For too long Tunisia has skated by. A small country, in a tough region, the GOT relies on vague promises of friendship and empty slogans. More can and should be expected of Tunisia. The GOT frequently says it is a US ally and calls for greater US engagement. We should respond clearly: yes, but only if we get genuine help from Tunisia on the challenges that matter to us all. The Tunisian government loves the illusion of engagement. The US government should press for the hard work of real cooperation.“

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    Warum der Jubel? Vielleicht weiss Frau Heckel aus gut unterrichteten Kreisen ja, wie es in Nordafrika weiter gehen soll. Es ist ja interessant wie viele bewaffnete Europäer bei der „Revolution“ anwesend waren. Unter anderem auch Deutsche und Schweden.

    Wenn man sich einmal die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Expertise zur Entwicklung Nordafrikas und Südeuropas durchliest, bekommt man einen ganz anderen Blick auf die nordafrikanischen Staaten. Eine weitere wirtschaftliche Entwicklung dieser Staaten würde einen nicht zu unterschätzenden Machftaktor entstehen lassen, der den westlichen Interessen durchaus in die Quere kommen könnte.

    Wenn dann noch der Präsident Ben Ali keine Lust hat, den Leader in Nordafrika zu machen, wie es die USA gerne hätten und eher auf Wirtschaftssanktionen setzt als auf einen Krieg gegen den Iran (hier stehts bei Wikileaks), wird man in Washington und Langley irgendwann auch mit dem besten CIA-Freund ungeduldig und dann muss eben eine neue Marionette her.

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    Warum der Jubel ? Eines der NATO-angenehmen „stabilisierenden“ Regimes in der muslimischen Welt ist doch keine „Diktatur“ bis sie vom Volk gestuerzt wird! Um ….’s Willen: Dann kommt vielleicht einer welcher die nationale Demokratie verteidigt und das Oel verstaatlicht – wie damals 1953, Mossadeque in Iran! Dann muss die CIA und MI16 wieder schuften einen starken General zur Stabilisierung der „westlichen Interessen“ zu kroenen. Denn ansonsten kommt der lange Kerl mit seinen heiligen Streitern aus Waziristan. – In dem sich jetzt demokratisierenden und befreienden Lateinamerika schmunzelt man ueber diese Erneuerungen in fernen Gefilden vor den Ufern der alten Kolonialherren und heutigen NATO-Weltschuetzern! Buenos dias, amigos!

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