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Kein Abschied aus der Solidargemeinschaft namens Europa!

Europa steht am Abgrund. Vor dem Kontinent, der gerne eine Union sein will, öffnet sich ein politischer Schlund aus Selbstzweifeln und Verzweiflung. Das Griechenland-Desaster hat dieses Loch ins Vertrauen auf die eigene Stärke gerissen. So scheint es zumindest.

In Wirklichkeit hat bereits die durch den Zusammenbruch der Lehman-Bank ins Rollen gebrachte Finanz- und Wirtschaftskrise in aller desillusionierenden Härte ein Handlungsprinzip deutlich gemacht: Ich bin mir selbst der Nächste. Jedes EU-Mitglied versucht(e), der ökonomischen Misere auf eigene Faust etwas entgegenzusetzen. Bloß nicht auf den anderen verlassen! Wer weiß, welchen Blödsinn der treibt? Nationale Interessenspolitik nennt man so etwas. Das mag in dem einen oder anderen Fall durchaus vernünftig sein. Doch das große Ganze bleibt dabei auf der Strecke: Europa als Wertegemeinschaft und Staatenverbund.

Womöglich haben die Skeptiker ja recht und die EU ist kaum mehr als ein bürokratisches Ungetüm, das einen im Alltag mit unsinnigen Verordnungen nervt. Weniger noch: eine von Lobbyisten herbeifantasierte künstliche Einheit, die im Grunde nichts Gescheites zustande bringt, aber dem Zahlmeister Deutschland eine Menge, wenn nicht gar allzu viel, abverlangt, nämlich unser aller Steuergeld.

Für 20 Milliarden soll die Bundesrepublik bürgen, damit die Griechen (hoffentlich) dem Bankrott entgehen. Da kann man doch gleich mit der Bild-Zeitung ausrufen: Tschüs Euros, euch sehen wir nie wieder. Dieser Kontinent mit seinen ausgeprägten Partikularinteressen und – wünschen ist einfach nicht dafür geschaffen, aus ihm die Vereinigten Staaten von Europa zu machen.

Ist es wirklich so schlecht um diese Gemeinschaft bestellt, die Idee von einer wirtschaftlichen und politischen Partnerschaft zwischen 27 Ländern völlig abwegig? Keinesfalls. Denn es wird gerne vergessen – oder auch unterschlagen –, dass Europa guttut, auch uns Deutschen. Wir können dank des Schengenabkommens ohne Passkontrolle mehr als zwei Dutzend Länder bereisen.

Europa ist, das zeigt sich insbesondere in der jetzigen Krise, wirtschaftlich gut aufgestellt. Der Binnenmarkt hat sich als Segen erwiesen. Selbst der jetzt in Verruf geratene Euro als gemeinsame Währung garantiert ein hohes Maß an Stabilität. Und noch etwas darf nicht gering geachtet werden: Wir leben in den friedlichsten Zeiten seit Langem. Europa als blutiges Schlachtfeld ist Vergangenheit. Wer wollte das missen?

Die Alternative wäre die Rückkehr zum Nationalismus, dem per se eine gehörige Portion Aggressivität innewohnt. Doch den haben wir hoffentlich für alle Zeiten überwunden. Das mag naiv klingen. Doch so berechtigt die Wut auf die Pleite-Griechen auch ist, sie sollte nicht dazu verführen, uns aus der Solidargemeinschaft namens Europa zu verabschieden.

Denn wehe, wenn es Deutschland mal treffen sollte und die 26 anderen EU-Mitglieder der Bundesrepublik die kalte Schulter zeigen. Dann taumeln wir dem Abgrund entgegen.

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6 Gedanken zu “Kein Abschied aus der Solidargemeinschaft namens Europa!;”

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    Sivia Berger schrieb: Wenn Portugal, Spanien, Italien und Irland auch noch fallen, dann haben wir in Europa rasch 5 “Griechenländer” auf einmal […] Irgendwie fühlt man sich da als Europäer nicht gerade behaglich!

    Spanien hat gestern eine 5 jährige Anleihe begeben, die meines Wissens mehr als zweifach überzeichnet war.

    Siehe
    http://online.wsj.com/article/.....EFTTopNews

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    „In Europa ist jetzt der Morgen nach dem Karnaval!“ Manha de carnaval… (Das schriebe ich heute als meinen Leserkommentar nach dem Titelartikel von einem brasilianischen Volkswirtschaftler)“Die Europaer waren so hypnotisch konzentriert auf ihren Triumphzug der Ost-Erweiterung, und in ihrer Rolle als Nato-Welt-Polizisten, und dabei haben sie gar nicht bemerkt was alles gekocht wurde in New York, in London, und in den Reichen ihrer europaeischen Zwerge…“—(„Manha de carnaval“ als terapeutische Trostmelodie – damals im Film „Orfeo Negro“ Schwarzer Orpheus, 1959. Siehe Video youtube.)

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    Wenn Portugal, Spanien, Italien und Irland auch noch fallen, dann haben wir in Europa rasch 5 „Griechenländer“ auf einmal, dann ist es nur eine Frage der Zeit bis 6, 7 und 8 folgen, schon kracht es endgültig!
    Irgendwie fühlt man sich da als Europäer nicht gerade behaglich! 🙁

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    Von den „auserhalb“ Europas (ex-USA) gesehen: Man ist sich dort auch einig, Europa hat nur einen „Weg“: zusammen. Und „auserhalb“ Europa (ex-USA) ist man nicht erfreut ueber diesen grossen Rueckschlag: Denn es ist ein grosser Rueckschlag an welchen Europa noch Jahre zu kauen hat. „Auserhalb“ Europas (ex-USA) hatte man auf ein Europa als einen von mehreren unabhaengigen geopolitischen Polen gehofft. Diese Hoffnung ist fuer unsere Zeit vorbei: Europa muss sich jetzt auf seinen Haushaltskram konzentrierten und wird hauptsaechlich nur als Hilfstruppen „ueberall“ mit der neuen Nato-Weltpolizei (nach Nov. 2010 !)in Erscheinung treten. Besonders die „klugen“ Germans wollen dies nicht hoeren: „Ihr seit besetztes Europa und ‚the Leader‘ hat noch immer das letzte Wort – in den Finanzen, in der Geopolitik, in der „culture“… — Fuer die „auserhalb“ Europa (ex-USA) ist die Eurokrise ein wirtschaftliches Negativ und auch ein geostragisches Negativ: Aber ein wertvolles Lehrbeispiel damit sie immer mehr verstehen: Coming and going you always get s…… by the „Leader“!

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    Die europäische Zentralbank liegt weit zurück hinter der US-Federal Reserve Bank. Die letztere hat schon 2.3 Trillionen US-Dollar (europäisch Billionen Dollar ;)) Schrott auf ihre Bücher genommen (http://www.slate.com/id/2252923/). Das entspricht den Staatsschulden von 7 bis 8 Griechenländern ;).

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    Christian Böhme schrieb: Europa steht am Abgrund.

    Och nöö, was soll die Panikmache? Legt man das von der CIA ermittelte Verhältnis von Staatsschulden zu Bruttosozialprodukt zugrunde, dann ist Europa relativ zu Japan und den USA recht gesund (http://en.wikipedia.org/wiki/L.....ublic_debt ).

    Eine Ursache der Krise ist m.E. unqualifizierte Verstärkung von spekulativen Marktübertreibungen durch Sensations-Journalisten, die den Spekulanten in die Hände arbeiten ;).

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