avatar

Was ist los in der Antisemitismuskommission des Bundestags?

Mit Beschluss des Bundestags vom 4. November 2008 wurde ein „Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus“ eingerichtet, der Regierung und Parlament regelmäßig über den Antisemitismus und Maßnahmen zu seiner Bekämpfung sowie über die Förderung des jüdischen Lebens in Deutschland berichten soll. Der Expertenkreis konstituierte sich am 9. September 2009 und soll Ende 2011 einen ersten Bericht vorlegen.

http://www.bmi.bund.de/cln_095/DE/Themen/PolitikGesellschaft/PolitBildGesellZusammen/Expertenkreis/expertenkreis.html

Es liegt in der Natur der Sache, dass es über diese Fragen verschiedene Meinungen gibt. Weniger im Grundsätzlichen als vielmehr in der Frage der Gewichtung. Vor allem gehen die Meinungen in der Frage auseinander, ob der sozusagen traditionelle, europäische Antisemitismus rechtsradikaler Gruppen im Zentrum der Arbeit stehen sollte, oder ob der islamistische Antisemitismus und der sich als Antizionismus gerierende linke Antisemitismus eine größere Gefahr darstelle. Die Antwort des gesunden Menschenverstands wäre, so meint man: beide analysieren, beide bekämpfen. Und so sind denn auch sowohl Experten für die eine wie für die andere Spielart des Antisemitismus im Arbeitskreis vertreten.

Nun wird manche Leserin vielleicht einwenden, der Antizionismus sei gar kein Antisemitismus, und Linke seien als Antirassisten von vornherein nicht des Rassen-Antisemitismus verdächtig. Oder meine, dass die Antisemitismuskeule nur eine Waffe der politisch Korrekten sei, um Gegner rechts der politischen Mitte mundtot zu machen. Oder… Genau deshalb hat sich der Expertenkreis vorgenommen, zuerst in geschlossenen Sitzungen eine Klärung der eigenen Terminologie und des eigenen Untersuchungsgegenstands vorzunehmen. Sehr vernünftig.

Freilich gibt es Leute, die an einer solchen Klärung nicht interessiert sind, denen vielmehr daran gelegen ist, das Gremium – oder einzelne Mitglieder – schon vor Aufnahme der Arbeit zu delegitimieren und zu diffamieren. Diesen Leuten geht es darum, aus einem „Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus“ ein Kampfkomitee gegen Islamismus zu machen. Wer sich ihrem Ansinnen widersetzt, hat mit Diffamierung zu rechnen.

Das Problem ist, dass sie Informanten innerhalb des Expertenkreises – oder, wie sie gegenüber Mitgliedern des Expertenkreises prahlen, im federführenden Innenministerium – haben. So werden interne Diskussionen nach außen kolportiert und Mitglieder des Expertenkreises unter Druck gesetzt, ihrerseits Informationen zu liefern, „da wir sowieso alles wissen“. Statt offener Diskussionen gibt es nun im Expertenkreis gegenseitige Vorwürfe, Verdächtigungen und Rücktrittsdrohungen. Die Runde droht zu scheitern, bevor sie überhaupt ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Sieger wären die Antisemiten – ob linke oder rechte, islamische oder christliche. Die Verlierer wären wir alle.

Was ist zu tun?

Erstens: Die Quelle, die Journalisten mit Interna versorgt, im Wissen, dass diese sie im Rahmen einer Kampagne gegen den Expertenkreis veröffentlichen werden, muss gefunden werden. Wer das auch immer sei – ein Mitglied des Expertenkreises oder ein Beamter des Innenministeriums – muss entfernt werden.

Zweitens: Dem Expertenkreis sollte die Ruhe gegönnt werden, die er braucht, um vernünftig zu arbeiten.

Drittens: Die Strippenzieher der Kampagne gegen den Expertenkreis – Henryk M. Broder, Benjamin Weinthal und Levi Salomon – haben selbstverständlich jedes Recht, ihre Agenda zu verfolgen, so schädlich diese auch für den Kampf gegen den Antisemitismus und das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland sein mag. Jedoch haben sie nicht das Recht, sich als unabhängige Journalisten (im Falle Weinthals), unabhängige Experten (im Falle Salomons) oder unabhängige beleidigte Leberwürste (im Falle Broders) auszugeben. Sie sind Partei, und sie sollten das offen bekennen.

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

8 Gedanken zu “Was ist los in der Antisemitismuskommission des Bundestags?;”

  1. avatar

    @A.Bundy.
    Danke, A.Bundy, Sie haben meine These eindeutig bestätigt! Sie sind ja, vermute ich, weder NPD-Midglied noch „Die Linke“ – Mitglied – oder?..

  2. avatar

    @Ahmad
    „Als Nichtjude..“?
    Warum so schüchtern? Angst als Muslim der Juden kritisiert mit der Antisemitismuskeule belegt zu werden? Denn es sind, wie sie ja darlegten in ihrer „Skandalchronik“, nicht die antisemitischer Tendenzen, sondern deren Aufzeigen verwerflich und störend.
    @Kurt Mühlfeld
    „Die Mulime zu den neuen Juden zu machen könnte er sich deshalb sparen.“
    Dafür brauchen „die Muslime“, besser deren Möchtegernvertreter, den Broder nicht, das schaffen die ganz allein.
    @olly rogers
    „Dieser Mann hat sich und seinen Anliegen (…) jedenfalls mehr geschadet als genutzt.“
    Ganz genau, schliesslich ist der Jud als Querulant selbst Schuld, wenn brave Demokraten zum Judenhass getrieben werden.
    Wie gut das es noch so „ehrbare Juden“ (Wortschöpfung des Dormunder „Judenbeauftragten“ i.R. E. Arendt) wie Felicia Langer gibt, eine der wenigen die durch die „Erziehungsanstalt Auschwitz“ auf den rechten „antizionistischen“ Weg gebracht wurde. Wenn das der Führer wüsste!

  3. avatar

    Ich glaube, auch in der jüdischen Community gehen die Meinungen über Broder ziemlich weit auseinander. Dieser Mann hat sich und seinen Anliegen, so er überhaupt welche hat, außer „ich“, jedenfalls mehr geschadet als genutzt.

  4. avatar

    Broder hat das richtige Programm. Er zeigt, dass Juden sind wie du und ich. Die Mulime zu den neuen Juden zu machen könnte er sich deshalb sparen. Aber er ist eben wie viele.

  5. avatar

    Als Nichtjude nehme ich es so wahr, dass Broder es geschafft hat, innerhalb eines Jahres mindestens vier Antisemitismusskandale zu produzieren.

    1. Die Denunziation des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung wegen seiner Untersuchung antisemitischer Stereotype im zeitgenössischen antimuslimischen Rassismus.

    2. Die Diffamierungskampagne gegen die israelische Menschenrechtsaktivistin und Kommunistin Felicia Langer als „Bundesverdienstjüdin“ und des Tübinger OBs Boris Palmer als „Vierteljude“.

    3. Die Spaßkandidatur des Atheisten Broder für den Zentralrat der Juden.

    4. Und nun diese Retourkutsche, weil Kristina Köhler sich mit dem Blödel-Vorschlag nicht durchsetzen konnte, Broder in die Antisemitismuskommission zu berufen.

    Jedes mal gibt es Beifall von Ganzrechts. Und so passt es auch, wenn Broder dem Zentralrat empfiehlt, zur NPD überzuwechseln, die er an anderer Stelle nicht mehr als das Problem in der Antisemitismusbekämüfung sieht.

  6. avatar

    Ich kenne in dieser Sache lediglich den Artikel Weinthals aus der Jerusalem Post. Und der ist, inhaltlich wie formal mehr als merkwürdig. Da man Herrn Weinthal aber kennt und seine ständigen Versuche, irgendwem, der ihm nicht passt, was anzuhängen, hier gerne auch Frau Wetzel, sollte man den nicht zu Ernst nehmen, denke ich. Selbst in der JP rangiert der wohl eher unter „ferner liefen“.

  7. avatar

    …ich hätte Ihrem Artikel zugestimmt wenn Sie auch gesagt hätten, dass einige Mitglieder des Expertenkreises (so wie z. B. Elke Gryglewski) kaum eine glaubwürdige und objektive Meinung liefern können. Mit gleichem Erfolg hätte man auch Felicia Langer zum Expertenkreis einladen können. Dass der Henryk M. Broder da auch eine Fehlbestzung ist (sowie sein Vertrauter Benjamin Weinthal) – hier bin ich voll Ihrer Meinung.
    Ganz allgemein möchte ich noch nur eine Bemerkung machen. Der Antisemitismus beginnt weder rechts noch links, sondern in „bürgerlichem Lager“. Eben hier ist der latente Antisemitismus am meisten verbreitet – in Familien, Schulen, verschiedenen Vereinen u.s.w. Vor allem die Kinder werden dort mit Antisemitismus „infiziert“ und dann finden sie schon ihre rechten bzw. linken Lager. Wenn der Antisemitismus von der Gesellschaft bekämft werden soll, dann muss das eben im „latenten“ Bereich gemacht werden. Bloß wer soll das tun?…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top