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Wo wird der Austausch der Generationen als öffentlicher Diskurs stattfinden?

Welche Öffentlichkeit braucht eine Gesellschaft, um zu funktionieren? Eine kostenlose oder eine bezahlte?

Auch wenn sich alle darüber streiten: Das ist zwar eine wichtige, aber leider nicht die entscheidende Frage. Die entscheidende Frage ist, ob eine Gesellschaft noch einen allgemein wahrgenommenen Platz zum Diskurs über ihre Werte, ihre Ziele, ihre Vorbilder, ihre Kultur, ihre Interessen und ihre Politik braucht. Die klassischen Printprodukte und das Fernsehen stellen diesen Platz zwar noch für Generation Ü40 zur Verfügung, aber kaum noch für die unter Dreißigjährigen.

Zeitungen und Zeitschriften sind für die älteren bürgerlichen Kreise immer noch maßgeblich, wenn es darum geht, die eigene Position mit oder in Abgrenzung zur journalistischen Arbeit zu schärfen oder zu bestimmen. Für die schlecht Ausgebildeten und materiell schlecht Gestellten gilt das schon lange nicht mehr. Qualitätsmedien sind für die Klugen, aber nicht für die Dummen. Sie sind für die Alten, nicht für die Jungen.

Eine Gesellschaft braucht aber Orte, an denen sich ihre unterschiedlichen Gruppen begegnen, und sei es nur im abstrakten publizistischen Profil. Nur hier werden in einem vor- und nebenpolitischen Raum Positionen formuliert, Interessen abgeglichen. Hier wird Wissen über und gelegentlich auch Verständnis für die Anderen ausgetauscht. Natürlich kann man sagen, dass wir das nicht mehr brauchen.

Man kann argumentieren, dass eine Weltöffentlichkeit der Interessen den Diskurs des realen Gemeinwesens überflüssig macht. Warum aber gibt es dann noch Webseiten auf deutsch, warum soziale Netzwerke, warum die vielen lebhaften Kommentare zur Politik? Weil sie nichts anderes sind als ein moderner Ausdruck für das Bedürfnis einer Gesellschaft nach Austausch. Vielleicht auch für die Ahnung, dass dieser Austausch heute wichtiger ist als je zuvor: Eine Gesellschaft, die auf absehbare Zeit nichts mehr aus dem Zuwachs zu verteilen hat, steht vor einer Zerreißprobe. Zumal die deutsche Gesellschaft, die keine Erfahrung mit solchen Übungen hat. Zumal die deutsche, in der die Interessen der Älteren durch die schiere Zahl immer gewichtiger, die wichtigeren der Jungen durch ihre Unterzahl dagegen die Tendenz haben, an den Rand gedrängt zu werden.

Wie aber sieht der Platz aus, der diese Verbindungen wieder herstellt oder sogar neu schafft? Klar ist, dass er unterschiedliche Gesichter haben muss. Und klar ist auch, dass er nur durch Kooperation zu Stande kommen kann. Die über 40jährigen werden hoffentlich kaum von dem Gefühl ablassen, das sich beim morgendlichen Zeitunglesen einstellt. Die unter 30jährigen werden in der Mehrheit diesem Gefühl vermutlich ihr Leben lang nicht viel abgewinnen können. Trotzdem haben beide Generationen ein Interesse und einen Anspruch darauf, einen angemessenen Ort für ihren Austausch zu finden.

Wer will, dass zwischen Gegenwarts- und Zukunftsinteressen tatsächlich bewusst entschieden wird, muss den Streit darüber so austragen, dass er auch von der jeweils anderen Generation gesehen, gehört und in ihren Diskurs einbezogen werden kann. Diese Bindefunktion kommt längst nicht mehr nur dem klassischen Medienmarkt zu. Sie muss auch von den modernen Medien ernst- und wahrgenommen werden. Es reicht nicht aus, schäbig über vermeintlich überbezahlte Holz-Journalisten zu reden. Genau so wenig sinnvoll ist es, verdruckst über das kostenlose Zitieren von Inhalten zu räsonnieren und doch nur Diebstahl zu meinen.

Wer als Verleger, Medienunternehmer und Journalist seinen gesellschaftlichen Auftrag ernst nimmt, muss sich um die Frage kümmern, ob und wo ein Austausch zwischen den Generationen, zwischen Journalisten und Nutzern stattfinden soll, wo er möglich und wo er überhaupt sinnvoll ist. Er muss den Wert der Unabhängigkeit von Informationen erkennen und (wieder) schätzen lernen.

Daneben ist die Frage, wer wann was bezahlt, zwar für die Verlage und auch für die neuen Medienunternehmer existenziell, aber für die gesamte Gesellschaft ist sie zweitrangig. Die Verlage müssen dafür eine befriedigende Lösung finden. Für die Gesellschaft zählt nur, dass die Öffentlichkeit ihren öffentlichen Platz wieder finden muss, um weiteres Auseinanderdriften gesellschaftlicher Gruppen und Schichten und Isolationstendenzen zu bremsen. Deshalb, und nur deshalb muss das Kriegsbeil begraben werden.

zuerst erschienen in: www.carta.info

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