Eine starke Meinung hat mich aus der Bahn geworfen. Ich befinde mich mitten in einer Identitätskrise, weil ich einen Kommentar im Tagesspiegel gelesen habe, der mich umhaut. Dort hat ein Universitätsprofessor zur Gründung einer neuen Partei aufgerufen, rechts von der CDU.
Mit der Tollkühnheit eines Sarrazin fragt er, ob wir nicht neben Antifa und Angela eine neue Rechte brauchen. In Deutschland sei Platz für eine Partei auf der politischen Rechten. Da hebt sich ein bürgerliches Haupt, der Mann ist ein kluger und liberaler Kopf, und wagt es, einen konservativen, wenn nicht reaktionären, wenn nicht faschistischen Vorschlag zu machen? Warum mich das umhaut? Ich bin wirklich empört, finde aber seine Argumente schlüssig. Als Linker geboren, fürchte ich nun, als Rechter zu sterben.
Der Reihe nach. Was sagt der Philosophieprofessor Norbert Bolz, Medienwissenschaftler an der Technischen Universität zu Berlin? Hier seine Argumente. Die CDU ist unter Angela Merkel endgültig zu einer sozialdemokratischen Partei geworden. Die schwarzen Landesfürsten haben ihr den Rücken zugekehrt. Die SPD hat sich modernisiert und dabei die Ewiggestrigen in der Linkspartei zurückgelassen, die die Ressentiments der DDR-Bonzen und Zukurzgekommenen pflegen und den Sozialismus von Vorgestern für das Patentrezept halten.
Der Philosoph Bolz findet nun, rechts von der Union sei Platz geworden für eine neue Rechte. Es schwebt ihm eine parlamentarische Links-Rechts-Achse vor, die so verlaufen soll: Linke-SPD-Grüne-FDP-CDU-Rechte. Wohlgemerkt: Kein Platz für die NPD. Man täte Bolz ohnehin bitteres Unrecht, wollte man ihn als deutschtümelnden Fascho abtun.
Ich lese seine wissenschaftlichen Bücher seit Jahren, zuletzt „Die ungeliebte Freiheit“, und bin von Gedankenreichtum wie Sprachkraft des Mannes begeistert, ein Genie unter einem Geschlecht professoraler Trottel und ein durch und durch demokratischer Geist.
Es kann nur ein Missverständnis sein, ihm jetzt die Idee einer schwarz-braunen Partei zurechnen zu wollen. Man kann aber mutmaßen, dass hier in Wirklichkeit ein Liberaler antritt, der die deutschnationale Tradition der FDP aktivieren will. Das gab es ja mal, allzumal in Berlin, eine rechte FDP.
Heute agiert als führender Freidemokrat ein Staatsschauspieler namens Westerwelle, der über eine 15minütige Kabinettssitzung unter seiner Leitung als Vizekanzler eine einstündige Pressekonferenz gibt: der Vizekanzler als Possengeck eines Schmierentheaters.
Vielleicht ist das Ganze also nur der Versuch, der schwächelnden Guido-Partei einen neue politische Heimat schmackhaft zu machen: rechts von der CDU. Dafür spräche einiges, da es eine FDP links von der CDU ja schon sehr erfolgreich gibt, die Grünen.
Die unsägliche Gründungsmutter der Ökos, Jutta von und zu Dittfurth, nennt ihre grünen Genossen inzwischen FDPler mit Fahrrad.
Das alles verwirrt mich nicht. Mich treibt um, was Professor Bolz als Inhalte der neuen Rechten beschreibt: Die Rechte ist gegen den Paternalismus des vorsorgenden Sozialstaates, für mehr Selbstverantwortung und den unzweideutigen Schutz des Eigentums.
Die Rechte ist für einen fröhlichen Patriotismus und eine christliche Leitkultur. Die Rechte hält am Vorrang der traditionellen Familie und an einem mehrgliedrigen Bildungssystem fest. Die politische Rechte steht für Bürgerlichkeit.
Das spukt nun in meinem Kopf. Und ich variiere das Programm. Ich bin für Bürgerlichkeit, wenn wir damit auch den Citoyen, den Bürgerrechtler, und nicht nur den Bourgeois, den Besitzbürger, meinen. Ich bin Patriot, wenn wir damit die aufgeklärte europäische Identität meines Vaterlandes meinen. Ich bin für den besonderen Schutz der Familie, habe aber natürlich nichts dagegen, wenn auch gleichgeschlechtliche Beziehungen vor den Standesbeamten wollen.
Ich bin für ein differenzierendes Bildungssystem und liebe den Satz von Bolz, nach dem an der Humboldt Universität der Freiheit der Bologna-Prozess gemacht werde (Nur Chuck Norris schafft den Bachelor in Regelstudienzeit). Ja, ich bin nicht mal in der Kirche, aber ich befürworte die christliche Leitkultur. Jedenfalls imponiert mir nicht, wenn Frauen mit islamischen Argumenten dem Sachrecht zugerechnet werden.
Kurzum: Wenn das, was Bolz da vorträgt, rechts ist, dann bin ich rechts. Das kann nicht sein. Mein Entsetzen scheint der hinterhältige Professor geahnt zu haben. Er spricht von einem Sarrazin-Syndrom, nach dem man nicht mehr alles sagen dürfe, was man denke. Er vermutet, jeder gelte als rechts, der den Mut habe, sich seines eigenen Verstandes ohne Anleitung durch Gutmenschen zu bedienen.
Damit zitiert er Kant, den philosophischen Begründer der Aufklärung. Das ist gut so. Und er zitiert den Nazi-Propagandisten Josef Goebbels, von dem der Begriff des Gutmenschen stammt; der „Stürmer“ hat ihn populär gemacht. Eine unglückliche Wortwahl, aber das Antifaschistische Syndrom greift sofort bei mir.
Die Ablehnung einer Entmündigung durch den vorsorgenden Sozialstaat kann nicht so weit gehen, dass moralischer und sozialer Zynismus Platz greift. Die Bewunderung von „Leistungsträgern“ kann nicht so weit gehen, dass man das Solidarprinzip auflöst, das auch eine privatrechtliche Versicherung ausmacht.
Jedwedem Sozialdarwinismus widerspricht das christliche Menschenbild, nach dem der Mensch sich als Ausnahme der Natur versteht. Die grundgesetzliche Sozialbindung des Eigentums ist keine Marginalie der Verfassung. Das thymotische Selbstbewusstsein des Liberalen darf nicht eine Elite-Gesellschaft wollen, in der die Verantwortung für das Ganze nur noch als sozialistische Zwangsvorstellung denunziert wird.
Die englische Rechte Lady Thatcher ist für den so typischen Satz verantwortlich: „There is no such thing as society, all I know is families!“ Das ist vormoderne Klassenherrschaft.
Ja, es gibt keine soziale Gerechtigkeit, aber die Rechtsgleichheit darf auch nicht nur auf dem Papier stehen, sie muss die Chancen wirklich gewähren wollen, von denen sie spricht. Erleichterung ergreift mein Herz, während ich mich gedanklich Schritt für Schritt aus den Fängen des Projektes der neuen Rechten befreie.
Nein, ich werde diesen Weg der Liberalen an den rechten Rand nicht begleiten. Ich bleibe wohl ein Sozialdemokrat, allerdings ein bürgerlicher. Ein konservativer Sozi, das ist für jemanden, der sein politisches Leben im Che-Guevara-T-Shirt als Revolutionär begonnen hat, schon traurig genug.
Und damit kann ich dann eigentlich auch Merkels CDU oder die FDP sozialliberalen Zuschnitts wählen, womit mir schon wieder anders wird. Ich bin politisch ein Allerweltsmensch, ein Durchschnittstrottel, wo ich doch mit dem Konzept von Professor Bolz ein Titan der Rechten hätte werden könnte.
Aber diese Heldenhaftigkeit ist zuletzt der Generation meines Großvaters anempfohlen worden, der begeistert in den Ersten Weltkrieg zog; mein Vater hat es im Zweiten widerwillig und gerade noch davonkommend ausbaden dürfen (und nicht nur er); meinem Sohn soll eine solche Nation deutscher Helden erspart bleiben. Der kometenhaft aufscheinende Glorienschein einer neuen Rechten ist für mich erloschen. Erleichterung.
Ach ja, jetzt fällt mir auch gerade noch das schöne und so passende Churchill-Zitat ein:
„Wer in der Jugend kein Sozialist war hat kein Herz, und wer es im Alter immer noch ist hat kein Hirn.“
Links und rechts, alles ist relativ (mein Gott, wo ist das Phrasenschwein),
In den Sechzigern waren es „Rechte“, die die ersten Gastarbeiter ins Land holten, während „linke“ Gewerkschafter dagegen waren.
Es war die linke Ikone Willy Brand, die 1974 den Radikalenerlaß einführte, und der Sozialdemokrat Schmidt erließ einen Anwerbestopp für Gastarbeiter.
Unter dem „rechten“ Kanzler Kohl verdreifachte sich der Ausländeranteil in Deutschland, während der „linke“ Lafontaine noch vor wenigen Jahren vor Fremdarbeitern warnte, die Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen würden.
Mittlerweile ist man ja trotz SPD-Parteibuch schon ein Rechtsextremist wenn man Statistiken zitiert, daß Ausländer uns mitnichten die Arbeitsplätze wegnehmen sondern lieber unsere Sozialsysteme in Anspruch nehmen.
Natürlich ist es „rechter“ Rassismus wenn man darauf hinweist, daß moslemische Migranten bezüglich ihrer Schulabschlüsse dümmer sind als die autochonte Bevölkerung. Wahrscheinlich ist das ganze Bildungssystem rassistisch, aber wie zum teufel schaffen es die Einwanderer aus Asien besser abzuschneiden als die Eingebohrenen ?
Poor Germany! Immer hinkt es hinter der Entwicklung. Gestern (1813,1870,1933,1939) hinkte eS nur als Schlusslicht der entwickelten Kernnationen Europas – und immer in der irrsinnigen Richtung: Eine ewige national-politische „Love Parade“! Heute is die „rechte“ und die „linke“ Ideologie eine Angele genheit des vergangenen Jahrhunderts. Die Chinesen haben keine „Ideologie“ mehr nach Deng 1978: „Die Farbe der Katze spielt keine Rolle: Hauptsaechlisch sie faengt Maeuse“. Nun hat diese Katze – ohne „Farbe-Ideologie“ jedes Jahr seit 1978 der Wirtschaft eine Steigerung von 10% Maeusen gefangen. Nun 2010 beginnt in China die gerechtere Verteilung der „Kuchens“ (Wen Jibaos Program)- bessere Loehne und mehr Gewicht fuer den nationalen Konsumer. Alles ohne „Parteien“ mit ihren Spektrum von Ideologien. Noch ein Land welche ohne Partei-Ideologie jedes Jahr 7% erstaerkt:Brasilien. Alle Kandidaten fuer die Nationalwahl im Oktober scheinen nur „links“ und selbst der „Hemisphere Leader“ staunt: „There is no difference between the candidates in Brazil!“ In Brasilien und in China ist heute, de-facto, nur die RADIKALE MITTE – am Werk: Man versucht die radikalen Ideen von beiden Seiten – Links und Rechts – fuer den Wirtschaftswachstum mit verbesserten Sozialprogrammen zu vereinen. Aber poor Germany – hinkt noch im Kalten Krieg, mit dem BNR Dienst welche noch die „Linke“ Partei beschnueffelt und in Stasi-Archiven kramt. Die zukuenftige Praesidentin Brasiliens – war „guerrillera“ mit Waffe im Untergrund, und ihre sozialdemokratischer Gegner musste als „Linker“ ins Exil gehen, die anderen Kandidaten WAREN alle einmal Kommunisten (wie Hu Jintao und Wen Jibao)- aber die Ideologie ist heute de-facto eine Angelegenheit des vergangenen Jahrhunderts: 2010 „Its the economy“ – plus „bessere Verteilung der Kuchens“.
@EJ: Nun ja, nobody is perfect, auch Kommunikationsberater nicht.
Wie die neuesten Aussagen von Herrn Kocks zu werten sind, dazu vielleicht ein Auszug aus einem Interview in Spiegel online.
„SPIEGEL ONLINE: Herr Kocks, Sie als PR-Berater sagen: „PR-Berater lügen.“ Damit stehen wir vor dem Problem, dass wir Ihnen eigentlich nichts glauben können, oder?
Klaus Kocks: Das würde ich Ihnen dringend raten. Selbstverständlich müssen Sie als aufgeklärter Mensch immer davon ausgehen, dass ich lüge. Sie müssen sogar befürchten, dass ich die Wahrheit sage, ohne dass Sie es merken.“
Wie wahrhaftig die derzeitigen Aussagen von Herrn Kocks sind, kann ich nur schwer beurteilen. Klingt aber tatsächlich mehr nach Brecht, als nach VW-Vorstandssprecher.
Nun Ja, die einen sezten sich mit 60 wieder auf ein Motorrad – die anderen werden etwas senitmental und evtl. sogar wahrhaftig?
Kocks – ohne Motorrad – ist mir wahrhaft lieber.
Rita E. Groda: Sie machen das einfach gut [,Herr Kocks]!!!
Na, zur Klärung der Frage: ‚Wie setze ich das Mir- ist-es-ernst-Gesicht richtig dosiert ein, wäre ihm vielleicht doch ein Besuch beim Kommunikationberater zu empfehlen. Oder?
@Klaus Kocks: Zu Ihren Ausführungen bei Frau Will soeben, kann man Sie wirklich nur beglückwünschen, oder loben – was meinen Freund 68er wieder nicht freuen wird.
Es mag an unserer ganz speziellen Generationserfahrung liegen, daß wir ein sehr differenziertes Demokratieverständnis haben; die Generation der 20 und 25-Jährigen fehlt dieses Erfolgserlebnis, daß man in einer Demokratie tatsächlich etwas verändern kann.
Absolut zu unterstreichen ist Ihre Einlassung, daß es eine Schande ist, daß in einem derart reichen Land, wie dem unseren, eine Tafel nötig ist. Das ist tatsächlich auch in meinen Augen absolut gegen die Menschenwürde.
Hier gilt es, wie Sie richtig meinten, derart politischen Druck zu machen, daß der Staat mit entsprechenden Steuermitteln ausgestattet wird, daß er seine Aufgabe tatsächlich wahrnehmen kann. Z.B. durch eine Einkommenssteuer, wie vor Schröder, mit wieder 52%, nicht 39!!
Es ist absolut unmöglich, daß eine Tafel betrieben wird von“einer ständischen Almosenbrüderschaft“, will sagen daß Einkommensstarke nach Gutdünken spenden, um sich vor anderen Verpflichtungen freizukaufen, wie anständiger Bezahlung ihrer Mitarbeiter. Die Frage, wie denn die Spendengelder erwirtschaftet wurden, war mehr als gerechtfertigt.
Unsere Generation, bzw. zumindest ich, hat sich einmal geschworen, alles anders zu machen, als die Eltern und Großeltern. Wir wollten niemals wegsehen, mitlaufen usw.
Jetzt im Alter wäre es Zeit dieses Versprechen einzulösen, so lange wir noch können, und unseren Nachkommen nochmals vorzuleben, was Demokratie ist. Und daß sich in einer Demokratie, mit viel gutem Willen und auch entsprechend starkem Druck, doch etwas ändern läßt.
Sie sind da auf dem besten Weg.
Sie machen das einfach gut!!!
Noch ist der Generalstreik weit entfernt. Es läuft aber eindeutig auf ihn zu. Erkennbar möchte “die andere Seite” wissen, wie weit sie gehen kann. Sittlichkeit genügt ihr nicht. Sie möchte funktional verpflichtet werden.“
Albsolut richtige Erkenntnis! Ebenso die primär funktionale Interpretation der Sozialbindung des Eigentums, die ich etwas simpler permanent mit Verantwortung bezeichne.
Was sie beschrieben haben zeigt ein Grundgefühl aller Menschen denen es auch so geht wie ihnen.
Warum fühlen wir so?
Deutschland ist noch nie uneins gewesen wie heute.
Die CDU ist nach links gerutscht um Wählerstimmen zu holen ,arbeitet aber, als wäre sie noch rechts.
(Sie arbeitet nur für die Unternehmer)
Die Grünen haben aufgeholt und die LINKEN.
Ganz rechts von der CDU ist eine Lücke!
Die Mehrheit des Volkes ist in Unsicherheit
wer für sie ein Ohr hat und ihre Probleme versteht.
Die SPD hat das Volk verraten.
Die Grünen+LINKEN haben keine christliche Werte.
Aber sie haben das Volk im Blickwinkel.
Da holen sie ihre Stimmen.
Lassen wir das Feld der CDU und der FDP
wird nur Politik für die Unternehmer gemacht!
Also müßen wir ganz LINKS helfen um dem Volk zu helfen?
In der Politik verändert sich nicht großes!
Sie wird verwaltet.
Die Vorteile bestimmter Menschen!
Gleichzeitíg ruft man nach Bildung und Hilfe.
Diese Hilfe darf nur mit Zustimmung der Unternehmer sein!
Die Unternehmer sind verantwortlich ,dass unser so Land so dasteht wie es dasteht!
Nun ja, Herr Kocks,
auch ich schätze die Sprachkraft eines Herrn Bolz, die Sie – ebenfalls sprachkräftig – hier kommentiert haben. Jedoch möchte ich zu bedenken geben, dass Herrn Bolz‘ Schlussfolgerungen sowie Ihr Kommentar dazu beide von der Voraussetzung ausgehen, dass ein „politisches Spektrum“ in seiner Darstellbarkeit an die Eindimensionalität des Links-Rechts-Schemas gebunden ist. Dem widerspreche ich. Ausdrücklich. Politische Aussagen wie die von Bolz und auch gelegentlich die von Sloterdijk kommen dadurch zustande, dass Geschehnisse und Beobachtungen auf die Linie projiziert werden, mindestens eine Dimension verkürzt. Ein Schatten ist gegenüber dem Schattenwerfer immer n-minus-1-dimensional. Schatten produzieren keine Erkenntnisse.
LG, Nick H.
Lieber Herr Kocks,
sehr schön. Gestatten Sie mir eine kleine Ergänzung: Das, was heute so gerne als „christliches Menschenbild“ bezeichnet wird, umfasst m.E. viel mehr die Werte der Aufklärung, deren Durchsetzung der Kirche seinerzeit abgerungen wurden. Während die Arbeit der Kirchen im sozialen Bereich nicht genug gewürdigt werden kann, sollte man ihre gesellschaftspolitische Wirkung zumindest kritisch sehen.
Beste Grüße
Christian Alkemper
Klaus Kocks: Die grundgesetzliche Sozialbindung des Eigentums ist keine Marginalie der Verfassung.
Richtig. Aber die Sozialpflichtigkeit des Eigentums wurde in unseren westlichen Breiten schon immer primär und wird zunehmend „sittlich“ verstanden (wie die Spendendiskussion der letzten Wochen ein weiteres Mal zeigt). Offenbar muss wieder eine primär funktionale Interpretation der Sozialbindung des Eigentums her: Ohne Gesellschaft gibt es kein Eigentum, weder im Hinblick auf seine Genese noch im Hinblick auf seinen Wert bzw. seine Verwertbarkeit.
Die funktionale Interpretation wurde im Westen, mindestens im westlichen Europa, immer vor allem vor dem Hintergrund der latenten Drohung mit der Großen Gesellschaftlichen Alternative (GGA) im Gedächtnis gehalten. Die GGA ist vor zwei Jahrzehnten schmählich untergegangen …
Die funktionale Interpretation wird sich nun aus eigener Kraft wieder etablieren müssen. Das Modell „Revolution“ dürfte (mit dem „Ende der Geschichte“) gestorben sein, das Modell „Generalstreik“ aber keineswegs. Noch ist der Generalstreik weit entfernt. Es läuft aber eindeutig auf ihn zu. Erkennbar möchte „die andere Seite“ wissen, wie weit sie gehen kann. Sittlichkeit genügt ihr nicht. Sie möchte funktional verpflichtet werden.
@Lieber 68er: Das will was heissen, wenn Sie das sagen.
Ist aber wahr, und das Beste, was ich seit langer Zeit gelesen habe!
Lieber Herr Kocks,
das ist ein sehr schöner Artikel, der auf keinen Fall ignoriert werden sollte.
Mit freundlichem Gruß
Ihr 68er
@Klaus Kocks:Bin ich jetzt erschrocken – genau, wie Sie!
Sie haben in Ihrem wirklich brillanten Stil, wirklch vieles zusammengefaßt, was ich seit Jahren in Portionen von mir gebe. Die Erklärung Kants für Aufklärung, die Befreiung von der selbstgewählten Bevormundung, Rechtsstaatlichlichkeit, die auch faktisch existiert,Unangemessene Heiligsprechung von Leistungsträgern, die das Solidaritätsprinzip aushebeln will.
Jetzt befällt mich die Identitätskrise – könnte ich etwar rechts sein? Niemals!!!!!!!!!!!!!!
Dieser Satz von Ihnen „Nein, ich werde diesen Weg der Liberalen an den rechten Rand nicht begleiten. Ich bleibe wohl ein Sozialdemokrat, allerdings ein bürgerlicher. Ein konservativer Sozi, das ist für jemanden, der sein politisches Leben im Che-Guevara-T-Shirt als Revolutionär begonnen hat, schon traurig genug“, ist Balsam für meine beunruhigte Seele.
Dem könnte ich mich irgendwie anschließen.
Herzliche Grüße
Rita E. Groda