Alarmrufe im Berliner Blätterwald. Die Bundeswehr wird zur Berufsarmee. Die Wehrpflicht wird abgeschafft. Die Weimarer Reichswehr kommt wieder.
Dem umtriebigen CSU-Politiker und Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagt man Ambitionen nach, den Reformdrang der Liberalen noch zu überbieten. Die FDP hat ja durchgesetzt, dass der Wehrdienst verkürzt wird und auf ein sechsmonatiges Praktikum schrumpft. Nun soll im Zeichen knapper Kassen aus der rekrutierten Trachtengruppe von „Bürgern in Uniform“ ein professionelles Korps gebildet werden.
Die Sozialromantik einer Parlamentsarmee wird aufgekündigt, und die Organisationsform der Reichswehr kehrt zurück. Kein Staat im Staat, aber Profis an die Front. Der nächste Schritt schwarz-gelben Gestaltens könnte dann die Privatisierung sein, neudeutsch eine Public-Private-Partnership in Fragen der Landesverteidigung. Das gilt ja nicht mehr im Sinne stehender Heere an Oder und Neiße, sondern als Tankwagenbetreuung am Hindukusch und wo sonst, neudeutsch „in- and out-of-area“.
Wie in vielen anderen Bereichen der Security-Unternehmungen auch, übernähme dann ein privates Unternehmen den bedingt abwehrbereiten Verein und machte eine hochmoderne Söldnertruppe draus. Krieg ist viel zu wichtig, als dass man ihn den Zivilisten überlassen könnte. Kampfjets sind zu kompliziert, um sie Führerscheinanfängern zu übergeben. Die US-amerikanische Berufsarmee hat hier sehr gute Erfahrungen mit einer Firma Halliburten oder so gemacht, die zum Beispiel im Irak Schmutzarbeiten macht als „private contractor“.
Ein Modell mit Zukunft. Wir kaufen dann nationale Sicherheit, so wie wir private bei einer Großveranstaltung anheuern oder unsere Büros von einem Reinigungs-Konzern putzen lassen. Schwarze Sheriffs stehen heute schon bei jedem Popkonzert oder Fußballspiel und bieten den Schriftzug „Security“ feil. Deutschlands Bürgersöhne müssten sich nicht mehr die Hände schmutzig machen.
Mit zunehmender Arbeitslosigkeit wäre das Reservoir der Wehrwilligen groß genug. Die bereits bestehenden Formen der Leiharbeit sind ohnehin nah an Söldnertum und Reisläuferei. Man müsste die Verträge nicht mal neu erfinden. Die hoheitlichen Vorwärtsverteidiger hießen dann geringfügig Beschäftigte und belasteten später in noch geringerer Quote die Rentenkasse; etwas Schwund ist ja immer, gerade bei Auslandseinsätzen.
Eine private Armee von Profi-Söldnern, das ist nicht so ungewöhnlich wie es klingt. Schon bei Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, dem „levée en masse“, im 19. Jahrhundert gab es das Recht für betuchte Söhne des Landes, sich den edleren Dingen des Lebens zu widmen und einen sogenannten Einstandsmann oder Einsteher zu entsenden. Und zwar von Staats wegen und mit dessen Treuhänderschaft. Mit dreihundert bis sechshundert Gulden war man dabei, beziehungsweise eben nicht dabei. So kamen die Söhne armer Bauern aus Appenzell oder dem Hunsrück als reislaufende Einsteher zu einer kleinen Rente oder eben ihre Witwen, und das Bürgertum schonte die Familienstände.
Das historische Argument hat größeres Gewicht, weil Tiefgang bis in die Antike. Immer waren es seit dem alten Rom Söldnerheere, die sich verkämpften. Die letzte Truppe dieser Edlen ist die französische Légion d’Étrangère, die für die Verzweifelten und Vertriebenen dieser Erde eine Heimat bietet. Ihr Vaterland, bekennen die Weißkäppis bis heute, sei die Legion. Legio Patria Nostra, das nennt man Corporate Identity in der Unternehmenswelt.
Was gut für General Motors ist, ist gut für das Land, heißt das umgekehrt und andernorts. Was sich über Jahrhunderte bei Zehntausenden von Einstehern bewährt hat, kann jetzt ohne weiteres auch Prinzip für die Hunderttausend der Bundeswehr sein. Man hebt von Staats wegen die Wehrpflicht auf und engagiert eine Einsteher AG und deren Profis.
Dieser Weg hat sich über eine längere Strecke der Menschheitsgeschichte bewährt als der „Innere-Führungs“-Quatsch der Wehrpflicht und das Weimarer Angstsyndrom vor einem Staat im Staate. Kurzum: eine Berufsarmee, die sich als Dienstleister in Sachen Sicherheit als AG privatisieren ließe, wäre keine Grille, sondern der historische Normalfall.
Auch der internationale. Es gibt mit Ausnahme Israels kaum noch Wehrpflicht als Rekrutierungsprinzip auf der Welt. Eine weitere Ungerechtigkeit ließe sich mit der neuen Sicherheits-AG beseitigen. Denn die „allgemeine Wehrpflicht“, die unsere Verfassung erlaubt, ist keine. Sie gilt für Männer und nicht für Frauen. Wäre die Ungleichbehandlung umgekehrt gestrickt, hätten wir schon lange ein schrilles Gleichstellungsgeschrei. Aber wir wollen keine Frauen an den Waffen sehen.
Warum die Wehrpflicht auch Theologiestudenten erlassen wird oder Alimentezahlern und andere Ungereimtheiten mehr, muss nicht erörtert werden, wenn man den gordischen Knoten ohnehin zerschlagen will.
Es steht also die Utopie zur Debatte, das Wachregiment Feliks Dzierzynski als börsennotierte AG aufzusetzen, eine Art Wall-Street-Reichswehr und so der Rüstungsindustrie einen erweiterten Auftragsumfang zuzumuten. Denn da gehört die Rekrutenfrage hin. Wer die Hardware liefert, sollte die Software liefern, einschließlich dessen, was man früher Kanonenfutter genannt hat. Ohnehin ist es doch industrieller Unsinn, hochkomplexe Techniken an Sechsmonatspraktikanten zu üben, von denen nur ein ganz kleiner Teil beim Bund bleibt.
Wer Milliarden in ein Flugzeug steckt, sollte sich den Piloten gleich mitliefern lassen. Wer Milliarden für ein U-Boot ausgibt, sollte die Mannschaft gleich mitleasen. Die Lufthansa übergibt die Cockpits ihrer Flieger doch auch nicht den Praktikantinnen der Flugbegleiter, die dann statt Saft schubsen die Airbusse landen.
Mit der Verkürzung der Wehrpflicht ist der erste Schritt zu ihrer Aussetzung getan, mit der Berufsarmee der zweite zu einer Privatisierung des ganzen Vereins. Man muss dem Wort Söldner nur seinen unangenehmen Klang nehmen. Lassen wir die Rüstungsindustrie mit den Maschinen der Verteidigung auch gleich die Maschinisten liefern! Schlüge Karl-Theodor zu Guttenberg eine privatisierte Berufsarmee als Sicherheits-AG vor, man könnte nur dafür sein und sich mit Aktien eindecken. Und die Rheinmetalls dieser Welt wohl auch.
Unsere hochgezüchtete Wehrtechnik ist viel zu gut, um sie von einer Trachtengruppe der Kurzzeitpraktikanten bedienen zu lassen. Bundeswehr an die Börse! Schwarze Sheriffs an die Front!
Ich bin Berufsoldat und habe geschworen „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit tapfer zu verteidigen,, so wahr mir Gott helfe“….
Ein Mann oder eine Frau der/die das eigene Haus und Hof verteidigt ist mehr wert als 100 Söldner…
Das sollte bei einer Privatisierung nie vergessen werden……
@David Berger: Nein, so einfach ist es leider nicht. Dass etwa nur unter den deutschen Soldaten die Mörder gewesen seien. Kriegsverbrechen gab es an allen Fronten. Von vielen Nationen. Auch den Amerikannern. Und nicht nur in Vietnam. Ein Beispiel( CHENOGNE (Jan 1, 1945)In dem Dorf Chenogne nahm die 11.US Pz-Division ca. 60 deutsche Soldaten gefangen. Führte diese hinter einen kleinen Hügel, außer Sichtweite der gegnerischen Truppen die immer noch die Wälder hinter dem Dorf hielten und metzelte sie mit einem MG nieder. Dies sollte eine Racheakt gewesen sein wegen der Vorfälle bei Malmedy…“ Ein Beispiel von vielen.
Nein, dass Soldaten zu „Mördern“ werden können und oft geworden sind, würde ich nie bestreiten. Doch alle Soldaten als „Mörder qua Beruf“ zu nennen, ist eine giftig-übertriebene Formulierung Tucholskys…“Nie wieder Krieg“ war es, was er aus meiner Sicht sagen wollte. Ja, wer will das nicht.
Das musste ja bei einer solchen Diskussion beinahe kommen wie das “Amen in der Kirche”: Dieser gute alte so herrlich wahr wie unwahre Spruch Tucholskys “Soldaten sind Mörder”. Ich bin allerdings ziemlich sicher, dass Tucholsky – wäre er nicht 1935 bereits gegangen- stattdessen den vollen Nazi-Terror gesehen hätte,
doch anders über Soldaten geredet hätte. Sagen wir nur über jene Soldaten, die seinesgleichen 1945 aus den KZs befreiten. Tucholsky konnte schließlich nicht nur wunderbar formulieren, er war auch nicht dumm.
Berufsarmee ist richtig. Wir wollen keine Amateure, die diesen Job als Überbrückung, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, sehen. Soldat sind leider notwendige Mörder:
„Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.“ – Kurt Tucholsky in der Zeitschrift „Die Weltbühne“ Nr. 31, vom 4. August 1931 unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel
Die gegenwärtig in Afghanistan kämpfende Bundeswehr als eine „Trachtengruppe mit Kurzzeit-Rekruten“ zu bezeichnen, kann nur einem Klaus Kocks einfallen. Insofern Glückwunsch zu einer solchen „starken Meinung“.
Es ist ja auch überaus lustig über diese uniformierten Typen, die da am „Hindukusch unsere Freiheit verteidigen,
von denen viele nur als seelische Wracks aus dem Partisaenkrieg zurück kommen, hier nun an der Heimatfront seine „Witzchen“ zu machen.
Davon abgesehen, die US-Armee, die gegenwärtig als eine der militärisch besten Armeen der Welt gilt, ist seit längerem eine Berufsarmee.
Davon auch abgesehen, dass jeder Bundeswehrangehörige, der an komplizierten Waffensystemen eingesetzt wird, eine entsprechend lange Ausbildungszeit hinter sich hat. Ergo alle noch so luftigen Vergleiche schlicht albern sind.
Im übrigen ist Bonn nicht Weimar und Berlin auch nicht.
All solche Vergleiche hinken wie die gesamte Kock´´sche Argumentation. Aber ach wie „lustig“ ist es doch.
Lieber Kocks,
sehen Sie doch auch einmal die positiven Aspekte dieser Angelegenheit.
Eine solche Trachtengruppe, wie sie der flotte K.T. anstrebt, wird möglicherweise nicht einmal mehr zu sog. Friedenseinsätzen zu gebrauchen sein und nicht mehr sehr erwünscht vom Rest der Nato.
Somit wäre die Gefahr ungleich kleiner geworden, die Wirtschaftsnachschubwege am Hindukusch verteidigen zu müssen.
Das Deutsche Sicherheitsrisiko würde natürlich größer – aber Hand auf Herz, wer in Europa sollte allen Ernstes Deutschland angreifen wollen, bei soviel Globalisierung und Finanzverkettung würde man meistens in diesem Fall Krieg mit sich selbst führen, bzw. eigene Investitionen vernichten.
Auf dem Weg in die Servicegesellschaft ist es nur konsequent, dass, was uns nur interessiert, wenn sich ein untalentierter Bundespräsidentendarsteller verhaspelt, an professionelle Gewaltdienstleister auszulagern. Ein weiterer Vorteil: statt, wie bei der Putzkolonne, auf Mitarbeiter mit Migrationshintergrund zu setzen, könnten wir die Arbeitskräfte gleich vor Ort anheuern und sie dadurch vom Migrieren abhalten. Das wäre pro-aktive Einwanderungspolitik, und böte auch dem ein oder anderen vor der Abrüstung stehenden Bundeswehroffizier eine Colonel Kurtz-mäßige Perspektive: statt Rentner in Koblenz Warlord in Kabul.