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Schmeißt sie raus! Warum die CDU sich jetzt endlich von Angela Merkel trennen muss

Die Raute ist das Markenzeichen der Alt-Kanzlerin Angela Merkel. Grafik: Frank Vollmer, frank-vollmer.de

Geahnt hatten es frühzeitig viele, gesagt haben es zwischenzeitlich einige: Angela Merkel und die CDU, das passt nicht. Mittlerweile ist es nur zu offensichtlich, dass es nie gepasst hat. Das Märchen der Akademikerin aus der DDR, die im Trubel der real existierenden sozialistischen Endzeit erst bei den Reformern des Demokratischen Aufbruchs, dann in der CDU landete und dort als „Kohls Mädchen“ eine steile Karriere hinlegte: Bereits 1991 wurde sie zur Bundesministerin für Frauen und Jugend berufen, ehe sie Ende 1994 das Amt der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit übernahm. Bereits in diesen Zeiten fiel auf, dass ihre Positionen, ihre Richtungen mit der konservativen Volkspartei CDU oft nur wenig gemein hatten.

Aber es war die Zeit nach der Wiedervereinigung – Jahre, in denen viele das Lagerdenken des Kalten Kriegs endlich hinter sich lassen wollten. Man war deshalb eher bereit wegzusehen, wenn jemand nicht ganz in das übliche Schema der Parteien passte. So konnte Merkel, die nach eigenen Angaben (zum Beispiel in ihrer Biografie) überhaupt keine Erfahrung mit dem politischen Geschäft hatte, sich innerhalb weniger Jahre eine beachtliche Machtbasis schaffen.

Von der Generalsekretärin zur Kanzlerin

Ende 1998 gewann sie die Wahl zur Generalsekretärin der CDU – vorgeschlagen hatte sie Wolfgang Schäuble. Nach dem Rücktritt Helmut Kohls infolge der CDU-Spendenaffäre war die Partei geschwächt und orientierungslos. Merkel, damals noch weitgehend unterschätzt, nutzte die Gelegenheit, sich als unbelastete Erneuerin zu präsentieren. Ihr offener Bruch mit ihrem Ziehvater Kohl in einem FAZ-Artikel 1999 verschaffte ihr Ansehen als Reformerin, während etablierte CDU-Größen wie Wolfgang Schäuble durch die Affäre beschädigt wurden. Ihr Nachfolger als Generalsekretär war Ruprecht Polenz – der von einigen als Linksaußen wahrgenommene gebürtige Sachse gab das Amt allerdings bereits nach einem halben Jahr ohne sonderliche Ergebnisse wieder ab.

Auf dieser Position angekommen, konnte sie beginnen, die CDU nach ihren Vorstellungen umzubauen. Der übermächtige Helmut Kohl war zwar bereits aus dem Weg, aber es gab noch einige Widersacher, die für die alte, wirtschaftsliberale und westorientierte CDU standen. Der erste, den Merkel abservierte, war 2002 Friedrich Merz, dem sie den Fraktionsvorsitz abnahm. Der Hesse Roland Koch wurde isoliert, Bayerns Edmund Stoiber wurde immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt und hielt den Burgfrieden aus taktischen Gründen ein. Diese drei Konservativen waren nicht die einzigen, aber wohl die prominentesten Opfer. Merkel vermied dabei direkte Konfrontationen, ließ die Rivalen oft ins Leere laufen und wartete auf den richtigen Moment, um sie auszumanövrieren. Eine bemerkenswerte Strategie und taktische Schlauheit einer Frau, die es auch in ihren Memoiren stets so darstellt, als wäre alles bloßer Zufall gewesen und sie lediglich zur rechten Zeit am rechten Ort.

Im Jahr 2005 dann gelang Angela Merkel ihr bis dahin größter Wurf: Sie gewann die Neuwahlen und wurde zur ersten Bundeskanzlerin Deutschlands ernannt. Möglich geworden waren diese Neuwahlen, weil die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder faktisch handlungsunfähig geworden war und der Kanzler selbst die Vertrauensfrage stellte, in der Erwartung, mit einem guten Wahlergebnis gestärkt aus der Krise hervorzugehen und weiterhin regieren zu können. Das Kalkül ging nicht auf, seine SPD endete als Juniorpartner der Union in einer „Großen Koalition“. Als Bundeskanzlerin mit wechselnden Koalitionspartnern begann Merkel bald mit der Neuverortung der Union. Zusammengefasst sind es vier Säulen, auf denen meine Kritik an ihr fußt:

1. Merkel als Vertreterin einer linken Politik in einer konservativen Partei

Angela Merkel hat schon bald begonnen, die CDU inhaltlich stark nach links zu verschieben. Ihre Politik war oft geprägt von sozialdemokratischen und grünen Ideen, was zu einer Entfremdung des konservativen Flügels der Partei führte. Klassische CDU-Kernthemen wie wirtschaftsliberale Reformen, eine konservative Gesellschaftspolitik und eine restriktive Migrationspolitik wurden unter ihrer Führung weitgehend aufgegeben. Stattdessen gab es eine Annäherung an Positionen der SPD und der Grünen, etwa bei der Energiewende, der Flüchtlingspolitik oder der Gleichstellungspolitik. Diese Positionierungen verteidigt Merkel übrigens ausdrücklich in ihrer Biografie.

2. Aufgabe konservativer Werte und Identität

Merkels Politik war nicht von christdemokratischen Überzeugungen geprägt, sondern von einer pragmatischen, oft opportunistischen Strategie, die sich oft am linken Mainstream orientierte. Die klassische CDU-Klientel – konservative Wähler, Mittelstand, Unternehmer, Landbevölkerung – fühlte sich zunehmend von der Union im Stich gelassen. Themen wie die Abschaffung der Wehrpflicht oder der Atomausstieg 2011 wurden gegen den Willen vieler Parteimitglieder durchgesetzt. Für viele potenzielle Wähler wirkte das beliebig, austauschbar. Heute gilt es als sicher, dass diese Themen falsch entschieden wurden.

3. Die Spaltung der politischen Landschaft durch Merkel

Durch die inhaltliche Entkernung der CDU unter Merkel entstand ein politisches Vakuum, das wesentlich zur Stärkung der AfD beitrug. Wähler, die sich von der CDU nicht mehr vertreten fühlten, wanderten ab, während Merkel gleichzeitig versuchte, grüne und sozialdemokratische Wähler für sich zu gewinnen. Dies führte zu einer massiven Erosion des konservativen Lagers und langfristig zur Schwächung der CDU als Volkspartei.

4. Die Flüchtlingskrise als Wendepunkt

Die Entscheidung Merkels, 2015 die Grenzen für eine unkontrollierte Massenzuwanderung zu öffnen, wurde in der CDU von vielen als Verrat an den Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und nationaler Souveränität empfunden. Sie verstieß gegen das Dublin-Abkommen, schwächte das Vertrauen in staatliche Institutionen und führte so auch zu einer gesellschaftlicher Spaltung. In der Folge erlebte die AfD ihre Wiederbelebung. Lag die Partei noch im Juli 2015, je nach Umfrageinstitut, zwischen drei und vier Prozent der Stimmen, landete man zwei Jahre später bei der Bundestagswahl 2017 bereits bei 12,6 Prozent. Bereits Ende 2015 hatte die Partei in Umfragen die Zehn-Prozent-Grenze überschritten.

Die Wahlergebnisse der Unionsparteien dagegen befanden sich letztlich im freien Fall. Noch 2002 hatte man 38,5 Prozent der Zweitstimmen erhalten, zur Wahl 2021 waren es nur noch 24,1 Prozent – das schlechteste Ergebnis jemals. Einerseits war dieser Wahlausgang sicherlich auch dem schwachen Kandidaten Armin Laschet zuzurechnen, dem es nie gelang, den ebenfalls schwachen Olaf Scholz nachhaltig zu stellen. Den größten Anteil an diesem miesen Ergebnis aber rechneten die Umfragen der Merkel-Verdrossenheit zu.

Merkels Blutgrätsche

In weniger als zwei Wochen wird erneut ein Bundestag gewählt. Für die Union tritt dabei Friedrich Merz an. Der Sauerländer hat seine politische Auszeit, die er sich in der Merkel-Ära verordnet hatte, beendet und positioniert die weit nach links gewanderte CDU wieder deutlich authentischer. Seine Chancen, die Wahl am 23. Februar auch tatsächlich zu gewinnen, stehen dabei gut – die Union steht etwa bei 30 Prozent der Zweitstimmen, die SPD könnte etwa die Hälfte davon erlangen. Das verhältnismäßig gute Ergebnis der Union nach dem Debakel 2021 ist dabei kein Verdienst der Altkanzlerin. Ganz im Gegenteil.

Nach ihrem Rückzug aus der Politik hat sich Merkel nie klar zur CDU bekannt, sondern stattdessen ihre Nähe zu linken und grünen Positionen gezeigt. Ihr Schweigen zu den politischen Entwicklungen der letzten Jahre zeigt, dass sie mit der konservativen Erneuerung der Partei nichts zu tun haben will. Aber Merkel belässt es nicht beim Schweigen – gerade rechtzeitig im November des Vorjahrs brachte sie ihre Memoiren auf den Markt. Darin zeigt sie sich nicht nur unfähig zur Selbstkritik, sie nutzt das Werk auch für weitere Schwächungen der CDU, die sie an vielen Stellen nicht gut aussehen lässt. Zuletzt meldete sich die Altkanzlerin sogar direkt zu Wort, indem sie gegen Friedrich Merz am 30. Januar die Blutgrätsche auspackte und ihn massiv dafür kritisierte, einen eigenen Vorschlag für eine härtere Migrationspolitik in den Bundestag einzubringen. Das ist angesichts ihres bisher großzügigen Schweigens zu vielerei Themen eine offensichtliche Sabotage des CDU-Kandidaten, kurz vor der Wahl. Der Applaus aus der linken bis linksextremen Ecke

Die CDU muss Merkel endlich rauswerfen

Angela Merkel hat damit letztlich bewiesen, was ihr viele Kritiker schon seit langem vorwerfen: Sie ist keine Christdemokratin, der Erfolg der CDU ist ihr egal. Tatsächlich bekennt sie, quasi auf der Zielgeraden, Farbe, und die ist rot oder grün. Wahrscheinlich beides. Sie hat die CDU ideologisch entkernt, ihre Wählerbasis gespalten und langfristig geschwächt. Deshalb muss die CDU Angela Merkel aus der Partei ausschließen, wenn sie sich tatsächlich auf ihren konservativen Markenkern rückbesinnen und die Ära der Kanzlerin aufarbeiten will. Ansonsten bleibt Angela Merkel noch für lange Zeit ein eklatanter Nachteil der Unionsparteien.

 

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Über Till Becker

Langjähriger Journalist mit breiten Interessen. Aufgewachsen in Hildesheim, Zeitsoldat bei der Marine, seit einigen Jahren heimisch in der ostfriesischen Idylle. Lokalredakteur mit Leidenschaft, aufmerksamer Beobachter. Hat eine starke Vorliebe für Musik, die andere als Krach bezeichnen könnten. War Jugend-Fußballtrainer und versteht nicht, warum man einen SUV fahren sollte. Liebt Fischbrötchen!

16 Gedanken zu “Schmeißt sie raus! Warum die CDU sich jetzt endlich von Angela Merkel trennen muss;”

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    Angela Merkel ist eine Pastorentochter, die von Kindesbeinen an mit Vati und Mutti diese rührende Geschichte von Maria und Josef nachgespielt hat. Also diese Geschichte von der schwangeren Frau und ihrem hilflosen Mann, die ein Dach über dem Kopf suchen.

    Und einen Stall finden.

    Und diese Geschichte spielen Pastor Kastners Familie unter einem Dache, dem die Menschen zu entfliehen suchen. 600.000 DDR-Bürger hatten im Sommer 1989 einen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR gestellt. In der Prager Botschaft der Bonner Republik drängten sich Maria und Josef und hatten nur ein Ziel:
    Raus hier.
    Weg.

    Allen diesen schönen Weihnachtsgeschichten zum Trotz.

    Und dann 2015:
    Pastorentochter Angela ist Kanzlerin und jetzt geschieht endlich das jahrzehntelang Herbeigeredete:
    Es klopfen die Flüchtlinge an.

    Ist doch so schwer nicht zu verstehen, die Seelenlage von Pastorentöchtern.

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    Ich stimme Herrn Becker zu, nur rausschmeißen würde ich Sie nicht.

    Funktioniert ja auch nicht, siehe Gerd Schröder.

    Besser so gelassen wie F Merz: habe Ihre Meinung zur Kenntnis genommen.

    Es ist schon eine Unverschämtheit, was Sie sich da gelesen hat, fassungslos!

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    Sehr starker Text. Bravo. In sozialen Netzwerken hat sie bereits Spitznamen, manche nennen es auch „Kampfnamen,“ wie „GröKaZ“ oder die „Abrissbirne Germanys.“ Mich hat immer diese Entpolitisierung der Politik, die sie betrieben hat, beängstigt. Letztendlich hat sie aber nun, wie Sie sagen, Farbe bekannt.

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    Ich möchte an dieser Stelle nur auf das „Peter Prinzip“ verweisen. Ich bin immer noch fassungslos wie häufig Frau Merkel wiedergewählt wurde. Das System, wer nichts tut ist beliebt, funktioniert weit überwiegend. Leider kann man sie nur ignorieren. Hoffentlich holt Herr Merz zur Blutgrätsche aus, wenn er gewählt ist.

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    Wenn Richtungsstreit und Meinungsvielfalt auszuhalten sind, erübrigt sich diese Polemik. In der Union gibt es eben beide Positionen, man denke nur an die Union in SH. Sie hat 40% der Stimmen und kritisiert mehrheitlich Merz.

  6. avatar

    Ja, die CDU ist hier am Scheideweg. Schafft sie sich nicht, sich von Merkels Einfluss zu befreien, dann wird sie sehr viele Stimmen im Land nicht mehr repräsentieren können. Und sich entweder spalten (die Bruchstellen sind ja schon länger da) oder sich wie die SPD marginalisieren. Was ich persönlich (Achtung, Meinung!) sehr bedauern würde, um es gelinde auszudrücken.
    Und ja, wir müssen über den ständig wachsenden Elefanten im Raum sprechen. Und zwar ohne Panik und Angst um Pfründe. Nach dieser Wahl, spätestens aber nach der nächsten.

  7. avatar

    Genau: Rausschmeißen! Und die Unionsminister ihrer Kabinette sowie alle Mittäter gleich mit. Alle Unionsabgeordneten, die für Merkels Politik im Parlament die Hand gehoben haben! So eine schöne stalinistische Säuberung passt gut in die Zeit und wirkt auch integrierend.

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      Klar kann man sich an den Unmengen an Argumenten im Text abarbeiten. Andererseits… so ein richtig schöner Stalinismus-Vorwurf ist dann doch viel lustiger. Und man muss auch weniger denken. In diesem Sinne, alles richtig gemacht 😉

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        Ihre „Unmengen an Argumenten“ konzentrieren sich auf genau eine Person, welche offenbar selbstherrlich in diktatorischer Manier alle von Ihnen kritisierten Entscheidungen getroffen und durchgesetzt hat! Das zeugt von Denkfaulheit. Und da heute ja jeder alles Mögliche fordert, fordern Sie Merkels Rausschmiss aus der CDU. Wie originell! Sie adressieren da Bauchi Bauchi und nicht Kopfi Kopfi!
        „Der Streit um den Atomausstieg in Bayern verschärft sich: Die CSU beharrt auf dem Ausstiegsdatum 2022. Doch darauf will sich die FDP nicht einlassen – Umweltminister Markus Söder drohte zurückzutreten.“ SZ, 06.05.2011

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        Es bleibt dabei, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Geschriebenen findet nicht statt. Ein geschwollener Kamm ist aber kein Argument. Naja, danke für Ihren Kommentar, aber das war es jetzt auch.

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    Das ist Unfug! Man kann nicht jeden rausschmeißen, der die Parteilinie nicht mittragen will! Die CDU ist eine demokratische Partei, da muss Meinungsvielfalt gelten! Solange kein parteischädigendes Verhalten vorliegt, ist ein Rauswurf unhaltbar! Anderer Meinung zu sein, auch in Personalfragen, und das auch zu äußern, ist aber nicht parteischädigend, sondern das ist das Wesen einer Partei, die ja der Meinungsbildung dienen soll. Der Autor mit seinen autoritären Ansichten liegt hier grundfalsch. Eine Partei muss Richtungsstreit und Meibungsvielfakt aushalten!

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      Moin Richard, ich beurteile das Wirken Angela Merkels als massiv parteischädigend. Warum, habe ich aufgeführt. Der letzte Tropfen war für mich ihre Attacke auf Friedrich Merz. Nett ausgedrückt kann sie ihren alten Rivalen nicht stehen sehen. Mit Hang zum Aluhut kann man behaupten, sie mache so aktiv Wahlkampf gegen die CDU.
      Ansonsten hast Du natürlich recht, Richtungsstreit und Meinungsvielfalt sind auszuhalten. Ich meine aber, dass sie diesen Punkt längst überschritten hat und der Union nur noch schadet.

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