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Randy Newmans Lieder (8): Rednecks

Dieser Song ist neben „Short People“ vielleicht Newmans bekanntester. Aber ist er noch aktuell?

Man könnte ja meinen, dass ein Song aus dem Jahr 1974, der den rassistischen Populismus in den Südstaaten der USA thematisiert, dank der Bürgerrechtsbewegung und der Reformgesetzgebung Lyndon B. Johnsons, nur noch von historischem Interesse ist. Schließlich sind wir derart sensibel geworden gegenüber dem Rassismus, dass dieser Song deshalb nicht mehr im Radio gespielt wird, weil das Wort „nigger“ so oft darin vorkommt. (Und ich wurde von einer Frau, die später im Vorstand eines bedeutenden Medienkonzerns auch für Diversität zuständig war, schon mal kritisiert, weil ich zustimmend Yoko Onos Spruch zitierte: „Woman is the nigger of the world“.) Manche Leute meinen, die „woke Meinungsdiktatur“ sei das eigentliche Problem. Dazu gleich mehr.

Schauen wir uns erstmal aber den Song genauer an. (Den Text findet man unten.) Er verwendet Randy Newmans bekannte Technik, in Zungen zu reden: hier mit der Sprache eines Südstaatlers, eines „Rednecks“. Er erzählt von einer legendären Talkshow, bei der Lester Maddox, der offen rassistische Gouverneur von Georgia, von einem „naseweisen New Yorker Juden“ – in Wirklichkeit war das Dick Cavett, der trotz seiner Freundschaft mit Groucho Marx so jüdisch ist wie Eier mit Speck) – lächerlich gemacht wurde.

Über diese Herabsetzung ärgert sich der Redneck so sehr, dass er diesen Song schreibt, in dem er alle Vorurteile der naseweisen Juden und der verjudeten Progressiven gegen die Südstaatler sarkastisch zusammenfasst:

Ja, wir reden komisch, trinken zu viel, lachen zu laut, sind zu dumm, um es im Norden zu etwas zu bringen, und überhaupt unterdrücken wir die Nigger.  Da sind Ölmänner aus Texas, Bauernlümmel aus Tennessee, Leute mit Hochschulabschluss von der Louisiana State University, dumm rein, dumm raus, da sind Geschäftsleute aus Atlanta mit ihren Krokodillederschuhen, besaufen sich jedes Wochenende beim Grillen, wir sind zu strohdumm, um den Unterschied zwischen unserem Arschloch und einem Erdloch zu begreifen – und wir unterdrücken die Nigger.

Und dann steckt der Redneck es den Progressiven aus dem Norden:

Klar, der Nordstaaten-Nigger ist ein „Neger“, der hat seine Menschenwürde, verstehst du, bloß sind wir hier unten zu dumm zu begreifen, dass der Norden den Nigger befreit hat. Er ist frei, in einen Käfig gesteckt zu werden, in New York, Chicago, Cleveland, Saint Louis, San Francisco, Boston, ja die sammeln die Nigger ein und stecken sie rein und halten sie dort nieder.

Das ist nicht „retro“, wie mir ein lieber Freund aus Rom schrieb, das ist aktuell, weil es die Bigotterie der selbstgerechten Progressiven auf den Punkt bringt, die so hartnäckig zeitlos ist wie das Ressentiment der selbstgerechten Abgehängten. Es ist die Haltung des arrivierten West-Berliner Vorstadtbewohners Alan Posener, der – ich gebe es zu – Aggressionen empfindet, wenn er im Radio irgendjemanden mit sächsischem Akzent hört, der mehr Respekt für ostdeutsche Biografien oder Verständnis für die Probleme des Ostens fordert. Es ist die Haltung des aus Westdeutschland zugewanderten Kreuzberger Neubürgertums, das grün wählt und von „unserem Kiez“ redet, aber dafür sorgt, dass der Hof des im Bauherrenmodell errichteten Mehrfamilienhauses immer abgeschlossen bleibt und dass es in der Grundschule getrennte Klassen für die guten Kinder gibt, die zufällig zu 90 Prozent weiß sind.

Und der trotzige Stolz des „Rednecks“ ist ja auch bekannt; es ist ja kein Zufall, dass die Konföderierten-Fahne nicht nur von 1956 bis 2001 Teil der Fahne des Bundesstaats Georgia war, sondern dass sie trotzig in vielen Kleingärtenanlagen zwischen Elbe und Oder weht.

Übrigens, um eine durch Alice Weidel losgetretene aktuelle Debatte aufzugreifen, war der Rassismus der Rednecks nicht „rechts“. Die Populisten, die Anfang des 20. Jahrhunderts für eine Verbesserung der Situation der kleinen Bauern in den Südstaaten kämpften, die Verstaatlichung der Banken, Eisenbahnen, Energieversorgungsunternehmen und billiges Geld durch die Abkehr vom Goldstandard forderten, waren ebenso Rassisten wie die in den Südstaaten herrschenden Demokraten, die noch in den 1960er Jahren John F. Kennedy die Mehrheit im Kongress sicherten, aber seine Bürgerrechtsgesetzgebung blockierten. Die einzige große Partei, die gegen die Rassentrennung auftrat, waren die Republikaner. Wenn Sahra Wagenknecht also Kritik an der Zuwanderung mit linken Forderungen verbindet, stellt sie sich in eine lange populistische Tradition.

Randy Newman, der in New Orleans aufwuchs, hat diese Bewegung immer fasziniert, vielleicht weil sie, wie Newman selbst, die Selbstgewissheiten derjenigen infrage stellt, für die er singt. Der Song „Rednecks“ findet sich ja auf dem Album „Good Ol’Boys“, einer nur teilweise ironischen Hommage an die Südstaaten. „Kingfish“ vom selben Album paraphrasiert die Wahlkampfpropaganda von Huey Long, dem Gouverneur von Louisiana, Senator und „Karl Marx der Hillbillies“, der in den 1930er Jahren den New Deal von Franklin D. Roosevelt kritisierte, weil er nicht radikal genug sei und eine Vermögenssteuer vorschlug, um die Armut zu bekämpfen – und von den Kommunisten als „Hitler“ denunziert wurde, obwohl er weder antisemitisch noch besonders rassistisch war. Ein weites Feld.

Ich weiß nicht, ob es einen deutschen Sänger gibt, der für die Ossis das tun könnte, was Newman für die Rednecks getan hat. Manfred Maurenbrecher vielleicht, obwohl der ein Wessi ist. Aber Ironie geht in Deutschland schlecht, und ohne Ironie wird das alles nichts.

Last night I saw Lester Maddox on a TV show
With some smart-ass New York Jew
And the Jew laughed at Lester Maddox
And the audience laughed at Lester Maddox too
Well he may be a fool but he’s our fool
If they think they’re better than him they’re wrong
So I went to the park and I took some paper along
And that’s where I made this song

We talk real funny down here
We drink too much and we laugh too loud
We’re too dumb to make it in a Northern town
And we’re keepin‘ the niggers down

We got rednecked oilmen from Texas
And good ol‘ boys from Tennessee
And college men from LSU
Went in dumb, come out dumb too
Hustlin‘ ‚round Atlanta in their alligator shoes
Gettin‘ drunk every weekend at the barbecues
And they’re keepin‘ the niggers down

We are rednecks, we’re rednecks
We don’t know our ass
From a hole in the ground
We’re rednecks, we’re rednecks
And we’re keeping the niggers down

Now your northern nigger‘s a negro
You see he’s got his dignity
Down here we’re too ignorant to realize
That the North has set the niggers free

Yes he’s free to be put in a cage
In Harlem in New York City
And he’s free to be put in a cage
On the South Side of Chicago
And the West Side
And he’s free to be put in a cage
In Hough in Cleveland
And he’s free to be put in a cage
In East St. Louis
And he’s free to be put in a cage
In Fillmore in San Francisco
And he’s free to be put in a cage
In Roxbury in Boston
They’re gatherin‘ ‚em up from miles around
Keepin‘ the niggers down

We’re rednecks, we’re rednecks
We don’t know our ass
From a hole in the ground
We’re rednecks, we’re rednecks
We’re keeping the niggers down

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32 Gedanken zu “Randy Newmans Lieder (8): Rednecks;”

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    Weils nicht mehr unter Ihre Antwort paßt, lieber Alan Posener:

    Die Sorge des ostdeutschen Handwerkers dreht sich nicht um einen Verlust oder Gewinn eines Arbeitsplatzes. Ein Heizungsbauer kann gar nicht so viel arbeiten, wei er abgefragt wird. Von Elektrikern ganz zu schweigen.

    Die Sorge des ostdeutschen Handwerkers dreht sich um die Frage, wieviel Netto vom Brutto übrig bleibt.

    Und ja: AfD-Wähler sind solche.

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    Danke Alan Posener und Roland Ziegler für diese aufschlussreiche Diskussion, in der die unterschiedliche Wahrnehmung, die Bruchlinie der derezeitigen Weltanschauung überdeutlich erscheint. Dem kann ich nur ein paar Beobachtungen hinzufügen. Schade dass dieser Newman-Song hier in Deutschland eher weniger gespielt wurde, ich kann mich kaum erinnern, dass sein Text überhaupt hier wahrgenommen, geschweige denn verstanden wurde.
    Das hier
    „Klar, der Nordstaaten-Nigger ist ein „Neger“, der hat seine Menschenwürde, verstehst du, bloß sind wir hier unten zu dumm zu begreifen, dass der Norden den Nigger befreit hat. Er ist frei, in einen Käfig gesteckt zu werden, in New York, Chicago, Cleveland, Saint Louis, San Francisco, Boston, ja die sammeln die Nigger ein und stecken sie rein und halten sie dort nieder.“
    ..kommt mir so vertraut vor, aber ich habe seit ewigen Zeiten niemanden mehr so müde, desillusioniert und ironisch, aber gleichzeitig so uneitel, milde und lebenserfahren-abgeklärt nach dem Motto räsonnieren gehört: Schwer ist das Leben immer auf irgendeine Art und Weise und entscheidend ist das, was hinten dabei für einen herauskommt. Und diese studierten Schnösel halten sich zwar für was Besseres, wissen aber auch nicht alles..
    Das Lied ist ja von 1974, meine Erinnerung daran ist etwa aus der Zeit und es waren i.d.R. ältere Leute, die bei Diskussionen so redeten. Man erlaubte sich offensichtlich noch, die Dinge mit Hilfe der eigenen geistigen Möglichkeiten und meist nicht geringen Erfahrungen ohne Experten, Ratgeberliteratur und ‚Faktenchecker‘ zu beurteilen. Newman ist auch hier nicht nur ziemlich kompetenter Singer-Songschreiber-Dienstleister sondern auch ein begnadeter Beobachter dessen, was heutige Soziologen und Politikwissenschaftler in kaum noch interpretierbare Statistiken zu fassen versuchen und wo er, Newman, mal eben ein kurzes Lied draus macht und das heute aktueller denn je ist und bleiben wird. Und das nicht wegen Rassendiskriminierung.
    Denn das Stück handelt von den Verlierern, die zwar akzeptieren können, dass sie es sind, deren Stolz es aber nicht zulässt, dass sie sich den Spott und vor allem die Überheblichkeit von anderen Verlierern (den studierten Weltrettern), die keineswegs in der Lage sind es besser zu machen, anziehen.
    Und es geht nicht um Wahrheit, sondern um Realismus, der allerdings kein Meister aus Deutschland ist.
    Das scheint mir unser Problem zu sein (und definitiv nicht das der Rednecks).

    1. avatar

      Lieber KJN, das mit dem Stolz der Verlierer ist eine wichtige Beobachtung. Ich schrieb in meiner Biographie über Franklin D. Roosevelt, dass seine New Deal Maßnahmen ökonomisch bestenfalls fragwürdig waren, dass er aber den Arbeitslosen und Armen ihre Würde zurückgegeben und sie dadurch vor faschistischen Demagogen bewahrt habe.
      Das ist ein Aspekt menschlichen Verhaltens, den weder Friedrich Hayek noch die paternalistische Linke begreifen, den aber die alte SPD in der Kaiserzeit und vielleicht noch in den Anfängen der Bundesrepublik begriff.

      1. avatar

        „Arbeit her“ stand nach 1990 auf den Wahlplakaten der SED/Partei des Demokratischen Sozialismus, PDS.

        Richtig, lieber Alan Posener: Seinen Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen zu wollen, gehört zur Würde eines arbeitsfähigen Menschen.

        Es ist eine der Gründe, warum der Arbeiter, der Handwerker im Osten die AfD wählt: Die heute in LINKE umbenannte Partei hat das „vergessen“.

        Übrigens ist das schwierig mit Ihrer Formulierung von der „Würde zurückgeben“.

        Ich war in der DDR 14 Monate in Untersuchungshaft beim Ministerium für Staatssicherheit. Und jeden Monat verkünden irgendwelche Knalltüten in irgendwelche Beauftragten-Posten, ich hätte darüber meine Würde verloren. Und die müssten mir nun diese „Würde zurückgeben“.

        Weil die gewissermassen von denen verwaltet werde. Ausgerechnet von denen.

        Was für ein Unsinn!

      2. avatar

        Nun, lieber Bodo Walther, wenn Sie mich näher kennen, werden Sie merken, dass ich mich ungern über Worte und Formulierungen streite. Was mit „Würde zurückgeben“ gemeint ist, versteht jeder, der es verstehen will, wer es nicht verstehen will, mag sich darüber echauffieren. Wichtiger finde ich Ihre Unterstellung, Arbeiter und Handwerker in der Ex-DDR würden AfD wählen, weil die Partei ihnen die Arbeitsplätze zu sichern verspricht. Inwiefern würde ein Austritt aus der EU oder der Nato einem Bautischler in Chemnitz oder einem Arbeiter bei Opel in Eisenach den Arbeitsplatz retten? An den Nachbarländern Polen und Tschechien kann man sehen, was hilft: Fleiß, Mobilität, Erfindungsreichtum und konkurrenzfähige Preise. Damit haben sich übrigens auch Ost-Handwerker rund um Berlin in den letzten 20 Jahren eine goldene Nase verdient, und ich sage: gut dem Dinge. Wenn aber auf dem Bau alle Sprachen außer Deutsch gesprochen werden, wenn man keine deutsche Putzfrau bekommt, wenn die Subunternehmer von Amazon Rumänen und Ukrainer sind, die Taxifahrer Türken, wenn die Leute, die mit dem Fahrrad das Essen von Wolt und Lieferando bringen, alle Sikhs sind: Wer ist daran schuld? Die „Systemparteien“? Oder die Leute, die den Arsch nicht hochbekommen und lieber eine Bürgergeldkarriere befolgen? Die sich also freiwillig ihrer Würde begeben, „den Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen zu wollen“? Und die dann AfD wählen, weil sie mit den Asylbewerbern um die staatlichen Almosen konkurrieren?

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        Lieber Alan Posener, mag sein, dass auch Friedrich Hayek den Stolz der warum-auch-immer-Verlierer nicht verstanden hat und er ist auch kein Säulenheiliger für mich. Aber er hatte zumindest von einer Sache Ahnung: Dem Mechanismus der Märkte und Volkswirtschaften. Ob das allein für gute Politik ausreicht, darüber kann man gehaltvoll streiten, aber dass derzeitige Linke (+SPD) mit Ausnahme von Sarah Wagenknecht in für mich absehbarer Zeit nochmal intellektuell in die Lage kommen, etwas substantielles oder auch nur rein semantisch nachvollziehbares zur Diskussion beitzutragen, würde ich, wahrscheinlich, wie Sie auch, bezweifeln. Da müssten diese Herrschaften erstmal deutlich machen (können), welche aktuellen Befindlichkeiten sie gerade unter ‚Rassismus‘, ‚Antisemitismus‘, ‚Antifeminismus‘, ‚Transfeindlichkeit‘, ‚Faschismus‘ (derzeit besonders), ‚Gerechtigkeit‘ usw. subsummiert daben möchten. Und wahrscheinlich auch nochmal ‚ihren‘ Karl Marx lesen (und verstehen).

    2. avatar

      Als ich 1983, vorbestraft wechens „versuchter Republikflucht“, zu meinem Entsetzen in die DDR entlassen wurde und nicht freigekauft wurde …

      Mein Personalausweis eingezogen war. Da hatte ich keinen Umgang mehr mit den Gebildeten und Studierten oder denen, die es werden wollten.

      „Nur noch“ mit Proleten, also einfachen Arbeitern. War nicht schlimm. Wir griffen zur Gitarre, Banjo und Geige und machten gemeinsam Musik. Zu so was ist jeder „Redneck“ fähig.

      Hannah Ahrendt schreibt, dass sie als Jüdin nach 1933 nur noch von den Hausmeistern und Putzfrauen an der Universität Heidelberg gegrüßt wurde.

      Das liege nicht nur daran, dass der Hausmeister oder die Putzfrau keine Furcht vor einem „sozialen Absturz“ hätten. Vielmehr sei der Geist einfacher Menschen viel zu einfach, um all diese rasanten Wendungen der Studierten und Gebildeten nachzuvollziehen.

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      Lieber KJN: Vielleicht geht es nicht um Wahrheit (bei Trump oder der AfD geht es ganz bestimmt nicht darum), aber es sollte wenigstens um Wahrheit gehen. Sonst fallen einem die Tatsachen irgendwann auf die Füße. (Und gerade im Realismus geht es zentral um Wahrheit.)
      Die „Verlierer“ sind eigentlich gar nicht so hart, robust, cool und gegen alle Härten des Lebens gewappnet, wie es scheint, wenn sie andere Menschen bedenkenlos „Nigger“ nennen, auf sie herabschauen, sie herumkommandieren und gleichzeitig auch „denen da oben“ den Stinkefinger zeigen. Wenn auf sie selber herabgeschaut und an ihrer eigenen Würde gekratzt wird, registrieren sie das sehr genau und reagieren äußerst sensibel. Da sist erstaunlich. Und sie haben ja Recht: Die Würde jedes Menschen ist unantastbar, auch die von denen, die dieses Prinzip nicht einsehen wollen (denn von „können“ und dazu zu dumm sein ist gar keine Rede – das kann und tut jedes Kind).

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      Was den Songtext angeht, der ist ja gerade wahrhaftig, da geht es um Wahrheit, sogar in erster Linie: So wie dort geschrieben reden die Rednecks, so sehen sie sich und die anderen. Das Porträt stimmt, es ist wahr. Und auch die Strategie, eine Lüge so oft zu wiederholen, bis sie als Wahrheit erscheint, wird dort abgebildet. „he’s free to be put in a cage“ wird in der Strophe sechsmal wiederholt, wahr ist das aber dennoch nicht. Der von uns beiden sehr geschätzte schwarze Jazztrompeter Miles Davis z.B. ging auf die renommierte Juilliard School in New York; von einem „Cage“ kann da keine Rede sein und in den Südstaaten wäre das völlig undenkbar. Der äußert sich zum Thema Blues übrigens so – gänzlich ohne Ressentiment und Sentimentalität: „Ich komme aus East St. Louis und habe einen reichen Vater, er ist Zahnarzt. Ich spiel aber auch den Blues. Mein Vater hat in seinem ganzen Leben keine Baumwolle gepflückt und ich bin heute früh kein bisschen traurig aufgewacht und hab dann einen Blues gespielt. Da steckt schon ein bisschen mehr dahinter.“

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        Lieber Roland Ziegler, ich vermute Sie möchten mir mir mit Ihren Ausführungen sagen, dass die Rednecks (Rassisten) nicht so jammern sollen, um sich stattdessen wie Miles Davis um Erfolg zu bemühen. Berichtigen Sie mich bitte, wenn ich da etwas falsch verstanden habe.
        Um ‚die‘ (meine) Wahrheit zu sagen: Miles Davis war keineswegs ein begnadeter Trompeter sondern jemand mit der Crème de la Crème als Protegés (allen voran Charlie Parker), war als ziemlich Privilegierter in seiner Blase zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hat nicht allzuviel Zeit mit Nebensächlichkeiten, wie Perfektion an seinem (meistens von ihm etwas gequälten) Instrument oder stilistischen Abgrenzungen verbracht.
        Bewundert habe ich seine innere Freiheit, sich so ziemlich über alle musikalischen Usancen hinwegzusetzen und sich von seinen stets im Gegensatz zu ihm selber virtuosen Mitmusikern inspirieren zu lassen um das alles sofort in einem neuen Blasmusik-Stil zusammenzufassen, mit der man sich beim gepflegten Saufen irgendwie so intellektuell fühlen konnte.
        Gemieden habe ich ihn, bzw. seine Konzerte, weil ich von ihm bei seinem Auftritt nicht den Rücken zugedreht bekommen möchte, weil ich aus seiner Sicht der falschen Rasse angehöre.
        Und erfolglos sind die ‚Rednecks‘ keineswegs. Im Ölgeschäft und in der Landwirtschaft außerhalb der EU verdient man ein vielfaches von dem, was man als Redakteur in einem auch noch so bekannten linken Blatt, sei es als ‚Solidarbeitrag‘ oder als Schmerzensgeld im Intrigen-Haifischbecken ausgezahlt bekommt und da man/frau/div nicht andauernd ddas Wertvollste was man/.. hat, dazu einsetzen muss, um irgendwelche Fettnäpfchen zu vermeiden, ist auch der Geist reicher, auf jedendall aber freier und kann besser gedeihen.
        ‚Rednecks‘ (AfD-Wähler, benennen wir doch den Elefantan im Raum) als irgendwie diffus als sächsisch näselnde geistig minderbemittelt-frustrierte Morlock-Kröten zu phantasieren ist wohl der größte und folgenschwerste Irrtum dem der typische linke Zulangeanderunigewesene derzeit so verfällt. Aber ärgern Sie sich nicht zu sehr über mich – ich spiegele nur die die Art der Zuschreibungen und Selbstgewissheiten, die Linke derzeit in Dauerschleife senden.

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        Lieber KJN, auf die Schnelle (bin grad anderweitig beschäftigt): Sie schrieben: „Denn das Stück handelt von den Verlierern“, darauf hatte ich mich bezogen. Jetzt aber schreiben Sie: „Und erfolglos sind die ‚Rednecks‘ keineswegs. Im Ölgeschäft und in der Landwirtschaft außerhalb der EU verdient man ein vielfaches…“
        Ja genau. Nur damit Sie verstehen, warum ich „Verlierer“ in Anführungsstrichen gesetzt hatte. Weil Sie sie Verlierer genannt, aber inzwischen eingesehen haben, dass es gar keine sind.
        Miles Davis wird von Ihnen unterschätzt (Blasmusik-Stil, gepflegtes Saufen, intellektuell); ich hatte irrtümlich angenommen, wir hätten da eine Gemeinsamkeit.
        Mit dem Rest kann ich nichts anfangen, das liegt irgendwo unsortierbar zwischen wahr und falsch. Wie es bei Meinungen eben so ist.

      3. avatar

        Ihre Meinung mit der Rasse und Miles Davis möchte ich aber nicht so stehen lassen. Miles Davis war einer der ganz wenigen, denen in einer Band die Rasse wurscht war. Und zwar von Anfang an. Bill Evans war entscheidender Akteur bei der Platte Kind of Blue, er hatte große Probleme mit anderen schwarzen Jazzmusikern, aber nicht mit Miles Davis. Es gibt dazu Interviews, die Sie googeln können. Später bestanden die großen Bands von Miles Davis in der Jazzrock. und Fusionphase zum größten Teil aus weißen Musikern (Bitches Brew u. Co.); die kann man alle gar nicht aufzählen.

      4. avatar

        Guten Morgen, nun noch einmal mit etwas mehr Zeit: Nein, KJN, das Beispiel Miles Davis sollte nicht die Rednecks dazu bewegen, mit dem Jammern aufzuhören. Es ging um diese Songzeile: „And he’s free to be put in a cage
        In East St. Louis“. Diese Zeile wird sechsmal wiederholt. Miles Davis zeigt, dass sie falsch ist, nicht nur weil er privilegiert sein, sondern weil er frei sein konnte. Als Musiker, der Generationen geprägt hat, ist er ein Beispiel, was es heißt, frei zu sein. Genau diese Freiheit, die Möglichkeit dazu, wird ihm ja von dem Redneck im Song abgesprochen. Durch den Rassismus der Rednecks besteht in ihrer Umgebung der Südstaaten eine solche Möglichket zur Freiheit nicht. Bzw. bestand – wir reden ja über Mitte der 70er. Miles Davis konnte bereits in den 40ern in den Nordstaaten frei sein und hat seine Freiheit für mich eindrücklich unter Beweis gestellt. Er lebte nicht im „Cage“.
        Aber wir vergessen das Beispiel besser, ich hatte es nur gewählt, weil ich dachte, dass Sie damit was anfangen können. Ich selber kann umgekehrt mit persönlichen Wahrheiten/Weltbild-Betrachtungen/alt. Fakten usw. nichts anfangen (ich interessiere mich für Wahrheit im Singular und ohne Possesivpronomen). Also lassen wirs bei diesem Thema gut sein.

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        Lieber RZ, ich mische mich hier kurz ein. Natürlich bestand ein Unterschied zwischen der offenen Apartheid des Südens und der Situation im Norden. Nicht erst Miles Davis konnte Karriere machen – im Sport, in der Musik, zum Teil im Film (Sidney Poitier etwa) konnten Schwarze vorankommen; es entstand außerdem eine schwarze Mittelschicht in Städten wie New York und Chicago, die zwar größtenteils segregiert lebte, aber einigen Wohlstand genoss und theoretisch alle Bürgerrechte hatte. Und diesen Fortschritt leugnet der Redneck im Song, während er gleichzeitig auf die sehr reale Tatsache hinweist, dass die schwarze Unterschicht in den Nordstaaten in so genannten Ghettos lebte, dass arme Schwarze Schulen hatten, die de facto segregiert waren, in ganz anderem Ausmaß als die Weißen Kriminalität und Drogen ausgesetzt waren, von Polizeigewalt ganz zu reden, und viel häufiger im Knast landeten; dass sie also faktisch doch in einem „Käfig“ lebten und zum Teil noch leben. Daher auch die Wut, die sich in „Black Lives Matter“ entlädt.
        Der Song nutzt diese Anklage des Rednecks – nicht, um den Redneck zu rechtfertigen, sondern um bei den Hörern einen Denkprozess in Gang zu setzen.
        Vielleicht wäre ein weiteres Beispiel die europäische Empörung über Trumps „Grenzwall“, während wir hier Tausende im Mittelmeer ertrinken, in der Sahara verdursten und weitere Tausende in libyschen Gefängnissen verrotten lassen.

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        Lieber RZ, eben das wollte ich aufzeigen: Miles Davis‘ musikalische Karriere taugt überhaupt nicht als Beispiel. Beispiele beweisen keine wahren Aussagen (geht sowieso nicht, denn das Leben ist keine Mathematik). Beispiele können nur dazu dienen, etwas deutlich zu machen. Ich liebe die Musik von Miles Davis, besonders die Zeit mit den Arrangements mit Bill Evans, aber das sind meine Empfindungen und beweist noch weniger etwas, weil sein Erfolg eben auch zufällig dem Bedürfnis der Hörer nach einem gewissen akustischen Ambiente entsprach, sei es im Film ‚Fahrstuhl zum Schafott‘ oder eben auf den in den 60ern als Werbematerial verteilten Schallplatten der Fa. Bols, auf denen mit Davis‘ ‚Barmusik‘ für die Liköre geworben wird. ‚Bitches Brew‘ fand ich interessant – das Stück ‚Miles Runs the Vodoo down’ gefiel mir. Ich mag‘s gern schmissig. Sagt das was? Nein.
        Und ich unterschätze ihn auch nicht, hören Sie sich mal frühe Aufnahmen mit Charlie Parker zusammen an, dann merken Sie vielleicht, was ich meine. Nun gut, ich streite nicht über Geschmack.
        Seine Verachtungs-Attitüde fürs vorwiegend weiße Rock‘n Roll Publikum ist allerdings legendär, nicht nur J.E.Behrendt schrieb darüber und man sieht es auch. Eine Attitüde, die auch Charles Mingus eher individuell psychoanalytisch kultivierte, natürlich auch hier unabhängig von der Zusammenarbeit mit weißen Musikern. Markenzeichen, Narrative. Wie das der Rednecks. Ganz anders übrigens bei dem keineswegs musikalisch weniger bedeutenden Louis Armstrong, ein wirklicher Meister seines Instrumentes übrigens.
        Mit dem Begriff Wahrheit bin ich sowieso vorsichtig, ich unterscheide lieber zwischen Fakten- Datenlage und deren Interpretation, die von jeweils interessierter Seite gerne als ‚Wahrheit‘ verkauft wird. Gerne auch mit Bezugnahme auf ‚Experten‘.
        Bisher haben Sie mir Ihre Geschichten erzählt, und ich habe mit meinen Geschichten dazu geantwortet. Man kann es eben auch anders sehen. Immer.
        „Wahrheit“ werden Sie sowieso nicht finden, im besten Fall plausible, historisch an Fakten orientierte Schlussfolgerungen, wie Alan Posener sie in seiner Antwort an Sie versuchte. Darum kann man sich aufgrund der allgegenwärtigen und aufdringlichen ideologischen Deutungen und Einordnungen nur noch individuell bemühen.
        Was die Rednecks angeht, so gibt es im Rust Belt durchaus Verlierer, aber die sind nicht Verlierer, weil sie Rednecks sind, sondern weil ihre Berufe dort nicht mehr gefragt sind. Die üblichen Zuschreibungen (Abgehängte, ‚Basket of deplorables‘, ‚fly over states’ z.B. von der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton) sind also weder brauchbar noch plausibel, sondern arrogant und dienen nur dem Distinktionswillen (Narzissmus) ihrer Wählerschaft.
        Pauschale Zuschreibungen machen bekanntlich wütend, weil Schicksale leichter ertragen werden, als zusätzliche Demütigungen. Dass gerade die derzeitige Geisteselite, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, Diskriminierung zu bekämpfen und ‚kultursensibel‘ zu sein, das bei Leuten übersieht, die ihnen ideologisch nicht passen, spricht mittlerweile Bände und das nicht nur in den USA. Und das halte ich für eine Fehler mit erheblichen Folgen: White lives matter too. Nämlich die der Weißen, die von Weißen verachtet werden.

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        Ohne Beispiele können die Leute alles Mögliche behaupten (was sie auch tun, ständig). An Beispielen müssen sich ihre Behauptungen bewähren. Insb. logische All-Sätze („Alle Flüchtlinge…“) sind geradezu ein alltäglicher Fluch. Die Juillard School ist noch heute stolz darauf, dass Miles Davis bei ihr Student war (obwohl kaum anwesend hat er sich sehr für europäische klassische Musik interessiert und bedauerte sehr, dass seine Mitmusiker keine Ahnung davon hatten. Außer B). Dieses Beispiel beweist, dass es damals für einen Schwarzen in den 40er Jahren in den Nordstaaten möglich war, eine solche Institution für sich zu nutzen und im übrigen frei zu sein. Bereits der Vater, der Zahnarzt, war relativ frei im Vergleich zu den Südstaaten. Aber ich wiederhole mich mal wieder.
        Egal. Sie lieben also seine Blasmusik. (Sketches of Spain und Kind of Blue höre ich heute immer noch regelmäßig). Mit den Bebop-Stücken und Charlie Parker bin ich aufgewachsen, inzwischen gehen sie mir ein bisschen auf die Nerven. Bitches Brew und die Rock-Fusion-Zeit fand ich nicht so gut, obwohl einige Stücke regelrecht unter Dampf stehen. Aber damit hat er unglaublich viele und später bedeutsame Musiker inspiriert, die ihn alle zeitlebens außerordentlich bewundert haben. Wegen seiner musikalischen (und auch grundsätzlichen) Freiheit, die er im Norden der USA entwickeln konnte. Die also möglich und real war, nicht für alle, aber für einige. Aber ich wiederhole mich.

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        Ansonsten aber kann ich Ihnen hier schon folgen. Dass diese Demütigungen – oder das Gefühl, gedemütigt zu werden – bei den Trump-/ AfD-Wählern eine große Rolle spielen, wird auch von der aktuellen Soziologie (Reckwitz) so gesehen. Mangelnde Wertschätzung; Abstiegsangst. Das wird man nur sehr schlecht bekämpfen können, auch weil viel Projektion mit im Spiel ist. Der Kanzler (Reckwitz-Leser) hat bei der letzten Wahl plakatiert: „Respekt!“ oder so. Gebracht hats nichts. Anbiederndes Schulterklopfen und warme Redewendungen sind nicht die Lösung.
        Und es ist mit der Rassismus-Erfahrung, die die Schwarzen erleiden mussten und zum Teil noch heute erleiden, nicht vergleichbar, das ist nicht „dasselbe, nur umgekehrt“. Die schwarze Tennisspielerin Aretha Gibson musste sich in den 50er Jahren im Auto umziehen, weil sie in die Umkleideräume nicht betreten durfte. Wieder nur ein Beispiel.

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        Diese Demütigungen, lieber RZ – und da wäre ich wieder bei der Notwendigkeit von Beispielen zur Verdeutlichung, die Sie ja auch für notwendig erachten – wären zu beschreiben. Sarah Wagenknecht hat ein ganzes Buch damit vollgeschrieben das ich unabhängig von dem, was ich von ihrer Partei halte, wirklich jedem empfehle der wirklich noch nicht weiß worum es geht. Denn irgendwann wird es argumentativ schwierig, da noch von Einzelfällen zu sprechen, statt von einem relevanten Verhaltensmuster. Das gilt für die Arroganz gegenüber den Bürgern durch Eliten, Wissenschaft und Politik hier derzeit genauso wie für die Rassendiskriminierung in den USA in früheren Jahren. Aber hier von oben herab über eine Opferhierarchie (..anderen geht/ging es schlechter, sind mehr betroffen, anderes ist wichtiger usw.) dürfte derzeit nicht nur angesichts der aktuellen Vorfälle in unserem Land nach hinten losgehen.

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        …Aber hier von oben herab über eine Opferhierarchie (..anderen geht/ging es schlechter, sind mehr betroffen, anderes ist wichtiger usw.) BEFINDEN ZU WOLLEN dürfte derzeit nicht nur angesichts der aktuellen Vorfälle in unserem Land nach hinten losgehen.

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    Zum „Hofproblem“: Das Problem ist demnach nicht, dass die vermeintl. selbstgerechten privaten Bauherren ihren Hof abschließen, sondern umgekehrt: dass die Mieter einer Wohnungsbaugesellschaft dies auch tun wollen bzw. sollten, aber nicht können. Das wäre eine Kritik an den Wohnungsbaugesellschaften, nicht an den Bauherren, die ja richtig handeln, indem sie ihren Hof abschließen. Hier kann ich nirgendwo Bigotterie erkennen.

    Grundschulklassen mit Französisch: Ich glaube, Ihre Kritik an den Grundschulen kann ich im wesentlichen teilen. Die Grundschulen sollten eine gemeinsame Grundlage aller Schüler ausbilden und eher Unterschiede ausbügeln als vertiefen, aber allen etwas beibringen. Was v.a. an der Finanzierung = Einstellung von genügend geeignetem Personal scheitert, aber auch an dem einen oder anderem pädagogischen Konzept, das offenbar zu Apartheid führt (-> Kritik am pädagogischen Konzept).
    Bei den weiterführenden Schulen teile ich die Kritik aber nicht, hier finde ich Gymnasien, die Klassen mit Französisch (oder eben Sport, Musik, Mathe…) betonen u. in den Vordergrund stellen, gut. Bei unseren musikbetonten Gymnasien (jedenfalls dem einen) kann ich sagen, dass hier jede Menge migrantischer Kinder waren, aber vor allem Kinder aus Osteuropa, Russland und einige aus Asien. Dass Kinder aus afrikanischen, türkischen und arabischen Haushalten hier unterrepräsentiert sind, lässt sich durch kein pädagogisches Konzept des Gymnasiums ändern. Hier muss man eben ein bestimmtes Vorwissen oder zumindest Interesse gepaart mit Talentnachweisen mitbringen, was einzig den Zugang beschränkt und auch weiterhin beschränken sollte.

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      Lieber Roland Ziegler, sie missverstehen mich. Weder kritisiere ich die privaten Bauherren noch die Grundschulen noch erst recht die Oberschulen, die auf die Probleme, die eine verstärkte Zuwanderung extrem verschärft, individuelle Antworten finden. Ich kritisiere jene, die sich in Kreuzberg in gated communities einschließen, Apartheid-Klassen und Apartheid-Schulen besuchen, WENN sie gleichzeitig so tun, als würde die verstärkte Zuwanderung die Probleme nicht verschärfen, als seien jene, die unter diesen Problemen nun einmal leiden, weil sie entweder nicht reich oder nicht klug oder nicht ehrgeizig oder nicht energisch genug – kurz Proleten – sind, die Rednecks also, das eigentliche Problem.

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        Wenn sich die Umgebung schnell verändert, passen Äußerungen und praktizierte Lebensweise oft nicht zueinander. Das ist auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Dann versucht man, sich die Dinge schönzureden – besonders das eigene Verhalten. Gut, das wäre Selbstgerechtigkeit, aber wer ist davor gefeit? Ich würde mich fragen, warum man denn unbedingt in Kreuzberg (oder gar Neukölln, auf das die halbe Republik mit wohligem Entsetzen starrt) wohnen und dort die schönsten Wohnungen belegen muss. Am Geld oder einem Mangel an Alternativen kann es nicht liegen.
        Jedenfalls meine ich, dass man die Äußerungen separat beurteilen muss. Unabhängig von der Lebensweise. Man sollte gar nicht erst versuchen, päpstlicher zu sein als der Papst.
        (Irgednwie komme ich mit diesen Kommentarfeldern nicht zurecht, ich muss immer meinen Namen neu eintragen und der neue Kommentar, vom Vor-Kommentar aus gestartet, landet ganz oben.)

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        Lieber Roland Ziegler, was die Wohngegend angeht, so habe ich Vorstadtbewohner wie mich explizit eingeschlossen. Es bleibt dabei (und da hat Sahra Wagenknecht einen Zipfel der Wahrheit erfasst): Man muss es sich leisten können, kein Rassist zu sein.

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        Wenn Sie fragen, was „das eigentliche Problem“ ist: die Asis/Proleten/Rednacks oder die verstärkte Zuwanderung, dann stellen Sie eine falsche Frage, weil sie ein „entweder oder“ suggerieren, das es gar nicht gibt. Beides sind Probleme, es gibt hier kein „eigentliches Problem“. Die Asis/Proleten/Rednacks haben und sind definitiv ein Problem, wenn sie Rassisten sind. Daran ändert auch die größte Selbstgerechtigkeit der Nichtrassisten nichts, z.B. wenn diese Nichtrassisten sich antirassistisch äußern, aber rassistisch verhalten. Völlig unberührt davon ist die Tatsache, dass die verstärkte Zuwanderung ebenfalls ein Problem ist.

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        Also (auch) da muss ich der Frau Wagenknecht sehr deutlich widersprechen. Es gibt sehr arme (ökonomisch arme, aber vergleichsweise geistig reiche) Menschen, die keine Rassisten sind. Also muss man es sich nicht im ökonomischen Sinne leisten können. Man muss nur die Wahrheit erkennen wollen.

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        Das stimmt wohl, liegt aber weniger am Text. Der scheint doch ein ganz gutes Porträt eines Rednecks zu geben? Der die Yankees natürlich als selbstgerecht-verlogen ansieht, klar, so ähnlich sehen das die AfDler ja auch. Ob man aber als „Nigger“ in den Südstaaten oder als „Negroe“ in den Nordstaaten – cage hin oder her – würdevoller lebt, das ist die Frage, bei der Redneck im Vergleich noch eine Umdrehung verlogener und selbstgerechter erscheint als der lediglich inkonsequente Yankee.

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        …womit ich sagen will: Auch ein rassistischer Redneck kann in manchen Punkten recht haben. Nicht alles im Norden ist lupenrein antirassistisch. Auch die Nordstaatler (oder Kreuzberger) lügen sich bei Gelegenheit in die Tasche. Damit erklärt wohl der Redneck, warum er sich nach Belieben rüpelhaft, verletzend und verlogen aufführt: die „anderen“ tun es ja ebenfalls, wenn man genau hinguckt. Aber stimmt nicht, die anderen tun es partiell – man muss schon genau hingucken – , die Rednecks systematisch – da springt es ins Auge und wird sogar affirmiert -, und richtig ist es in keinem Fall.

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    Lieber Herr Posener, bei der Beurteilung der „Selbstgerechten“ bin ich anderer Meinung. Der Hof bleibt abgeschlossen, weil die Kriminalität so hoch ist, dass man befürchten müsste, dass es auf dem Hof und in den Wohnungen zu Straftaten (Drogen, Einbrüche..) kommt. Die Forderung nach einem Antirassismus mündet nicht automatisch in irgendeinen Idealismus, nach dem Motto: Öffnet eure Häuser, schickt eure Kinder auf eine schlechte Schule, damit die Nachbarschaft oder die schlechte Schule besser wird und ihr zu guten Menschen werdet! Eine solche Forderung wäre nicht weniger selbstgerecht, aber idiotisch. Die „guten“ Grundschulklassen sind „zufällig zu 90 % weiß“, wie Sie sagen, nicht weil es den nichtweißen Kindern nicht erlaubt wäre, gute Klassen zu besuchen. So wie es im Rassismus der Fall wäre. Es macht einen großen Unterschied, ob es 90% oder 100% weiße Kinder sind, denn das zeigt, dass auch nichtweiße Kindern grundsätzlich die Möglichkeit haben, eine solche Klasse zu besuchen. Es gibt aber andere Kriterien, die dafür sorgen, dass es im Ergebnis 90 % weiße Kinder sind (z.B. Sprachbeherrschung).
    Meine eigenen Kinder sind auf gute, musikspezialisierte Gymnasien gegangen, weil das unserer Ansicht nach für sie am besten war. Wenn jeder so handeln würde, könnte das dazu führen, dass die „abgehängten“ Schulen und ihre Schüler weiterhin abgehängt bleiben. Das ist mir aber unterm Strich egal. Ist das selbstgerecht? Meinetwegen. Egoismus ist auf jeden Fall dabei. Ein solch (ab-)wertendes Urteil würde mich aber kaltlassen. Nur wenn die Überlegungen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, falsch wären, würde ich ins Nachdenken kommen.

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      Lieber Roland Ziegler, Sie haben Recht mit dem Hof und mit der Schule. Aber: Die Bauherrengemeinschaft kann ihren Hof abschließen. Die Leute, deren Wohnungen von den „gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften“ verwaltet werden, können es nicht, weil die Gesellschaft das eben nicht macht. Und so hängen die Dealer auf dem Hof herum, und das sind keine „Biodeutschen“. Natürlich „müsste“ sich der Ärger primär gegen die Wohnungsbaugesellschaft richten, aber er richtet sich halt auch gegen „die Ausländer“. Und was die Schule angeht: Klar, Sie tun, was für Ihre Kinder am besten ist. Und in Kreuzberg tun das die Eltern auch. Deshalb richten Kreuzberger städtische Grundschulen, um nicht die Kinder der bildungsbürgerlichen Eltern zu verlieren, Klassen mit Französisch als erster Fremdsprache ein. Weil sie wissen, da geht kein Kind mit brauner Hautfarbe hin. Oder sie richten Klassen für jene Kinder ein, die nicht in die städtische Kita gehen, sondern in den privaten Schülerladen. Angeblich „weil die nach der Schule gemeinsam und von der Lehrkraft begleitet dorthin sollen.“ Gleicher Effekt. Und als ich auf einer Gesamtschule unterrichtete, schon vor 30 Jahren also, haben wir auch Französisch- und Latein- und Kunstklassen eingerichtet, mit dem selben Ziel: Apartheid. Natürlich „können“ die „anderen“ Kinder kommen, manche tun es auch, aber der Sinn ist klar. Jeder weiß: das Niveau bei den zugewanderten Kindern ist niedriger, das Niveau ist höher, wenn wir unter uns sind. Deshalb gibt es in Berlin-Kreuzberg 34 Kinder in der 7. Klasse des begehrtesten städtischen Gymnasiums, Eingangsvoraussetzung Notendurchschnitt 1,2: Lieber pädagogisch total unsinnige Klassenfrequenzen als Durchmischung. Ich kann das alles verstehen, ich würde als Vater genauso handeln (meine Tochter ging auf eine evangelische Privatschule), aber es ist bigott, wenn man gleichzeitig für „Multikulti“ schwärmt, entsprechend wählt und diejenigen verachtet, deren Kinder nicht begabt genug sind, es ans musische Gymnasium oder in die Lateinklasse zu schaffen und darum in eine Klasse gehen müssen, wo Deutsch Fremdsprache ist, wo die Lehrkräfte längst jeden akademischen Anspruch aufgegeben haben, und nach Hause kommen in eine Sozialwohnung, wo sie vom Küchenfenster aus sehen können, wie die Sinti-Frau in der Ecke ihre Notdurft verrichtet, der Dealer aus Guinea-Bissao per Handy seine Kunden kontaktiert, die gleich auf dem Hofspielplatz die Spritze setzen, und Ali vom Hinterhaus seinen Müll vor der Tonne auskippt, weil sie seit Tagen voll ist. Das sind, wohlgemerkt, alles eigene Beobachtungen. So, und diese Antwort gilt manchen schon als rassistisch, und auch das wäre bigott: die Probleme sind da, aber so lange man sich ihnen entziehen kann, kann man seine Ideale und sein gutes Gewissen und sein Gesicht vor sich selbst im Spiegel wahren. Wer das nicht kann, wählt aber vielleicht AfD.

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