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Bundeswehr-Friedenstruppe für die Ukraine

Im Bundestagswahlkampf muss darum gestritten werden, wie Deutschland helfen will, einen sich abzeichnenden Waffenstillstand zu sichern und Putin-Russland vor weiteren Angriffen abzuhalten. Auch um sich selbst zu schützen. Und BSW/AfD und den falschen Pazifisten in der SPD Wind aus den Segeln zu nehmen.

Der nun schon fast drei Jahre dauernde russische Vollkrieg gegen die Ukraine wird in der beginnenden Wahlkampagne eine zentrale Rolle spielen. Denn die Angst vor einer Ausweitung des Kriegs sitzt tief in den deutschen Gemütern und lässt sich politisch leicht ausbeuten – von Putin wie seinen Vasallen bei uns. Die Parteien bringen sich bereits in Stellung: der noch amtierende „Friedenskanzler“ erst mit seinem Telefonat mit dem Kriegsherrn, nun mit seinem Besuch in Kyjiw und der Botschaft: Mit mir gibt es keinen dritten Weltkrieg, sondern weiteres Rumgestochere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Union und Grüne dagegen mit demonstrativem Schulterschluss zur energischen Unterstützung der Ukraine. Wagenknecht und die AfD mit ihrer alten Friedensleier.

Doch um die entscheidende Frage drücken sich alle: Was tun, wenn der Krieg nach oder schon vor der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus eingefroren wird?

Denn darum geht es jetzt offensichtlich, nicht um die Frage, ob Deutschland doch noch Taurus liefert. Scholz wird es nicht tun. Und selbst wenn sich ein neuer Kanzler Merz dazu entschlösse, käme es zu spät und würde wohl nichts mehr ändern. Der ukrainische Präsident Selenskji hat angesichts der bedrohlichen Lage an den verschiedenen Fronten und der bröckelnden Solidarität im Westen, vor allem aber aus Sorge um Trumps unsichere Unterstützung in den vergangenen Tagen und Wochen mehrfach die Botschaft gesendet: Erst ist bereit, die von Russland eroberten Gebiete vorerst aufzugeben, wenn seine Land dafür vom Westen eindeutige Sicherheitsgarantien bekommt, damit Russland nicht nach einer Erholungspause seinen militärischen Raubzug forsetzt.

Ob sich Putin und sein Regime auf eine solche „Lösung“ einlassen, ist fraglich. Zu sehr sehen sie sich im Moment trotz der eigenen schrecklichen Verluste auf der Siegesstraße und den Westen zerstritten und geschwächt. Ernsthafter Verhandlungswille ist bei ihnen daher nicht zu erkennen. Alles wird davon abhängen, was Trump macht. Nur die USA können, wenn überhaupt, Russland an den Verhandlungstisch zwingen und das Überleben der restlichen freien Ukraine garantieren.

Doppelte Drohung an Moskau und Kyjiw

Trumps designierter Ukrainebeauftragter Keith Kellog hat, bei aller Unberechenbarkeit des alten und künftigen US-Präsidenten, signalisiert, wie das Vorgehen aussehen könnte. Mit einer doppelten Drohung: an Russland mit der Lieferung weiterer weitreichender Waffen an die Ukraine, an diese mit dem Entzug der Waffenlieferungen, wenn sie beide Seiten sich nicht bewegen.

Die europäische und die deutsche Politik müssten sich, trotz des Machtsvakuums in Berlin und in Frankreich, den beiden wichtigsten EU-Staaten, nun sehr schnell damit befassen, wie Europa einen möglichen Waffenstillstand absichern will – auch mit eigenen Truppen. Denn die von der Ukraine gewünschte rasche Aufnahme in die Nato (ohne die von Russland besetzten Regionen) ist eine Illusion. Das westliche Bündnis wird keinem geteilten Land militärischen Beistand zusichern, das sich faktisch weiter im Kriegszustand mit einer Atommacht befindet. Obwohl gerade Deutschland dafür Beispiel sein könnte: Die Bundesrepublik wurde 1955 mitten im Kalten Krieg in die Nato aufgenommen, obwohl und gerade weil der östliche Landesteil, die DDR, von Sowjetrussland besetzt war. Mit der Aussicht, auch diesen Teil nach der Wiedervereinigung aufzunehmen. Wie es dann 1990 geschah.

Doch jetzt herrscht kein kalter, sondern heißer Krieg in Europa. Nicht mit einer irgendwie doch kalkulierbaren sowjetischen Führung, sondern mit einem zu Allem entschlossenen Neoimperialisten im Kreml. Deshalb wird sich Trump wie Biden einem Nato-Beitritt der Ukraine widersetzen.

Ziemlich klar dürfte auch sein, dass die USA Moskau zwar weiterhin mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen werden, falls Putin damit nicht nur propagandistisch wedelt, um die Friedensfreunde und Angsthasen gerade in Deutschland zu beeindrucken, sondern er trotz der chinesischen Warnungen ernsthaft daran denken sollte. Etwa, falls sich die militärische Lage doch noch zuungsten Russlands wenden sollte. US-Friedenstruppen, gar unter UN-Blauhelmen, wird Trump jedoch nicht in die Ukraine entsenden. Das müssen die Europäer und andere Länder tun.

Die französische und die britische Regierung sprechen darüber offenbar schon. In Deutschland wird es aber sofort heißen, die Bundeswehr sei dazu gar nicht in der Lage. Was einerseits stimmt, weil sie von den Merkel-Regierungen von Union und SPD in unverantwortlicher Weise abgerüstet wurde und die Ampelregierung trotz der von Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ wenig getan hat, daran etwas zu ändern. Doch der deutschen und europäischen Politik wird, egal wer künftig in Berlin und Paris das Sagen hat, gar nichts anderes übrig bleiben, wenn irgendwann wieder Frieden und Sicherheit in Europa garantiert sein sollen, wie alle Parteien beteuern. Denn Russland wird, zumindest solange Putin dort herrscht, nicht von seinen Expansionsplänen ablassen, selbst wenn es zu einem vorläufigen Ende der Aggression in der Ukraine genötigt würde. Die gescheiterten Minsker Abkommen zeugen davon.

Sterben für die Ukraine

Deshalb ginge es nur, wenn auch Deutschland bereit wäre, militärisch ins Risko zu gehen und die Ukraine nicht nur mit guten Worten, Geld und Waffen zu unterstützen, sondern auch mit eigenen Schutzsoldaten. Das würde aber verlangen, sich – wie es früher mal so schön hieß – ehrlich zu machen. Deutschland müsste dafür, wenn man nur an die Schutzbrigrade für Litauen oder den Afghanistan-Einsatz denkt – sehr, sehr viele Milliarden ausgeben, um die Bundeswehr schnell kriegstauglich zu machen. Dann wäre sehr viel weniger zu verteilen für Sozialleistungen oder Klimaschutz, Schuldenbremse hin oder her. Wer wagt, so etwas im Wahlkampf klar auszusprechen? Selbst Merz wohl nicht.

Und es müsste ebenso klar gesagt werden, dass für die Sicherheit der Ukrainer und Europas womöglich deutsche Soldaten sterben werden. Nicht am fernen Hindukusch. Sondern an eingefrorenen Fronten im Donbass. Oder irgendwann vielleicht zu Verteidigung Polens oder der Baltischen Staaten. Und der eigenen Grenzen.

Ludwig Greven ist freier Journalist und Autor. Er war Politikchef der „Woche“ und politischer Autor bei zeit-online. Er ist mit einer Russin verheiratet. Sie hofft, nach einem Ende der Kämpfe in der Ukraine endlich wieder ihre alte Mutter und ihren Bruder in Russland besuchen zu können.

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