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Vergleich ist nicht gleich Vergleich

Darf man in Deutschland – oder überhaupt – den Holocaust mit anderen Verbrechen vergleichen? Selbstverständlich. Freilich wird von interessierter Seite so getan, als sei das verboten.

In einer Solidaritätserklärung für den Philosophen Achille Mbembe, dem antisemitische Äußerungen und Handlungen vorgeworfen werden, schreiben prominente Intellektuelle:

„In den Augen seiner Kritikerinnen und Kritiker bestand Mbembes Verfehlung unter anderem darin, politische und ideengeschichtliche Ähnlichkeiten seit der Sklaverei und Kontinuitäten zwischen Kolonialregimen und der NS-Ideologie herauszuarbeiten bzw. auf eine Gemeinsamkeit der NS-Politik mit der südafrikanischen Apartheid aufmerksam zu machen – ohne dabei die Vernichtungspolitik der Nazis mit der Apartheid gleichzusetzen, wie behauptet worden ist.“

Das stimmt nicht, wie ich anderswo ausgeführt habe. Niemand wirft Mbembe vor, Vergleiche angestellt zu haben. Darauf – und auf Mbembe – kommt es hier allerdings nicht an. Sondern auf folgende Passage in der Solidaritätserklärung: „Geschichte als wissenschaftliche Disziplin kommt jedoch ohne analytische Vergleiche nicht aus. (…) Historische Vergleiche, die ja dazu dienen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Ereignissen, Diskursen und Prozessen herauszuarbeiten, sind nötig und legitim.“

Das ist richtig. Und wird von keinem Kritiker Mbembes bestritten. Aber wie gesagt, auf ihn kommt es hier nicht an. Wie es in der Solidaritätserklärung weiter heißt: „Darauf haben im Juli 2019 unter anderem rund 600 Kolleginnen und Kollegen, international anerkannte Historikerinnen, Historiker, Holocaust- und Genozid-Forscherinnen und Forscher, in einem offenen Brief an die Direktorin des US Holocaust Memorial Museum aufmerksam gemacht. Zwischen zulässigen Vergleichen und unzulässigen Gleichsetzungen besteht ein wichtiger und wesentlicher Unterschied.“

Vergleichen heißt nicht gleichsetzen

Richtig. Selbstverständlich ist der Holocaust einerseits „singulär“, andererseits ist er als Genozid offensichtlich mit anderen Genoziden vergleichbar. Ja, der Straftatbestand des Völkermords, den es erst seit dem Zweiten Weltkrieg gibt, wurde zuerst von den polnisch-jüdischen Anwalt Raphael Lemkin formuliert, der schon vor dem Krieg den Völkerbund vergeblich zu überzeugen versuchte, ihn auf den osmanischen Massenmord an den Armeniern anzuwenden. Nun sollte der Begriff die Verbrechen der Nazis an den Juden, den Slawen, den Sinti und Roma und anderen Völkern und Ethnien umfassen. Als Völkermord ist also der Holocaust per Definition nicht singulär. Sondern allenfalls in seiner bestimmten Ausprägung.

Auch Massenmorde, die nicht unbedingt als Völkermord gelten können, wie Stalins Auslöschung der „Kulaken“, die systematische Vernichtung der Intellektuellen durch die Roten Khmer in Kambodscha usw. usf., sind mit dem Holocaust „vergleichbar“. Und das bestreitet niemand.

Es gibt also „zulässige Vergleiche und unzulässige Gleichsetzungen“. Natürlich nicht nur in Bezug auf den Holocaust. Das Massaker im bosnischen Srebrenica an über 3000 muslimischen Männern und Kindern, ausgeführt von christlichen Serben, ist vergleichbar mit dem Genozid an den christlichen Armeniern, ausgeführt von muslimischen Türken und Kurden, aber vom Ausmaß her nicht gleichzusetzen. Laut Wikipedia kamen bei den Massakern und Todesmärschen, die 1915 und 1916 stattfanden, je nach Schätzung zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Armenier zu Tode. Stalins „Holodor“ kann als Völkermord an den Ukrainern bezeichnet werden; seine „Liquidierung der Kulaken“ ist vergleichbar mit Pol Pots Liquidierung der Intellektuellen, die wiederum zumindest inspiriert war von Maos „Kulturrevolution“. Und so weiter.

Aber es ist zugleich intellektuell unterkomplex, nur zwischen „zulässigen Vergleichen und unzulässigen Gleichsetzungen“ zu unterscheiden. Es gibt Vergleiche, die – ohne Gleichsetzung – unzulässige Beziehungen konstruieren.

Deutsche Debatten: Enzensberger und Arendt

So stellte Hans Magnus Enzensberger 1964 in seinem Essayband „Politik und Verbrechen“ eine Beziehung her zwischen Auschwitz – also dem Holocaust – und dem Atomkrieg. Für Enzensberger gehört Mord zur Grundstruktur aller Politik. (Darin ähnelt seine Analyse von 1964 der Analyse von Mbembe in „Necropolitics“ 2003, aber das nur nebenbei.) Im Essay „Reflexionen vor einem Glaskasten“, der Bezug nimmt auf den Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem, schreibt Enzensberger: „Dieses Gerät [die Atombombe, A.P.] aber ist die Gegenwart und die Zukunft von Auschwitz. Wie will den Genozid von gestern verurteilen oder gar ‚bewältigen‘, wer den Genozid von morgen plant und ihn sorgfältig, mit allen wissenschaftlichen und industriellen Mitteln, die uns zu Gebote stehen, vorbereitet?“

Hannah Arendt, auf deren Buch „Eichmann in Jerusalem“ – mit dem irreführenden Untertitel „Ein Bericht über die Banalität des Bösen“ – sich Enzensberger berief, reagierte betroffen auf Enzensbergers Essay. In ihrer Rezension – abgefasst als Brief an Enzensberger – schrieb sie, seine These, Auschwitz habe den Mord als Grundlage aller Politik offengelegt, verlagere die Verantwortung für Auschwitz von den Deutschen auf alle Menschen: „Wenn ein Deutscher das schreibt, ist es bedenklich.“

In der Tat. Bei Vergleichen kommt es auch darauf an, wer den Vergleich zieht, mit welcher Absicht und mit welcher Wirkung. Sicher hätte ein Atomkrieg – damals sprach man wie selbstverständlich vom drohenden „atomaren Holocaust“ – von den Auswirkungen her Auschwitz in den Schatten gestellt. Jedoch besteht erstens ein moralischer Unterschied zwischen der Planung für einen Atomkrieg in der Hoffnung, dass diese Planung den Atomkrieg verhindert, und der Planung und Durchführung eines Völkermords, der ja gelang.

Und zweitens hatte der – damals in Deutschland verbreitete – Vergleich zwischen den „Schreibtischtätern“ im Reichssicherheitshauptamt und im Pentagon – beide nach dieser apologetischen Lesart Exempel der „Banalität des Bösen“ – den ideologischen Zweck oder zumindest den Nutzen, die juristische „Vergangenheitsbewältigung“, die in der Bundesrepublik gerade erst angelaufen war und mit der damals geltenden Verjährung von Mord nach 20 Jahren schon spätestens 1965 zu Ende gewesen wäre, als überflüssig hinzustellen:  „Wie will den Genozid von gestern verurteilen oder gar ‚bewältigen‘, wer den Genozid von morgen plant?“

Das bezog sich auf den Wunsch der Adenauer-Regierung, Atomwaffen zu besitzen oder wenigstens einen „Finger am nuklearen Abzug“ zu haben. Wer nach Atomwaffen strebe, so Enzensberger, könne nicht den moralischen Anspruch erheben, Nazi-Täter zu verurteilen. Enzensberger, damals Marxist, meinte das durchaus kritisch, lieferte aber damit den Tätern selbst und allen Befürwortern eines „Schlussstrichs“ ein potentes Argument.

Deutsche Debatten: Nolte, Irving, Hohmann und das „Tätervolk“

Ähnlich war es fast 20 Jahre später beim so genannten „Historikerstreit“. Zwar ist im Gedächtnis geblieben, dass es dabei um die „Singularität“ des Holocausts gegangen sei, etwa im Verhältnis zu Stalins Massenmorden. Jedoch bestand der Skandal nicht darin, dass der Historiker Ernst Nolte die Verbrechen Stalins und Hitlers, des Kommunismus und des Nationalsozialismus, für kommensurabel hielt, was sie wohl sind. Sondern darin, dass Nolte erstens einen „kausalen Nexus“ zwischen Gulag und Auschwitz herstellte, und dass er zweitens andeutete, Hitler könnte die Juden als Angehörige einer feindlichen kriegführenden Macht betrachtet haben, deren Internierung nach dem Völkerrecht erlaubt sei.

Die zweite These, die zuerst von dem gerichtsnotorischen Holocaustleugner David Irving aufgestellt und von Nolte zitiert wurde, bezieht sich darauf, dass der Präsident der Jewish Agency Chaim Weizmann Anfang September 1939 sagte „die Juden in aller Welt (würden) in diesem Krieg auf der Seite Englands kämpfen.“ Es braucht eigentlich nicht ausgeführt zu werden, dass Hitler lange vor dieser Erklärung Weizmanns die Juden als Todfeinde ausgemacht habe; dass Weizmann gar nicht befugt war, für die Millionen Juden in den Nationen Osteuropas zu sprechen; dass diese vermutlich seine „Kriegserklärung“ nie gehört hatten; dass die internierten, deportierten und vernichteten Juden Bürger und Bürgerinnen ihrer von Deutschland angegriffenen Nationen waren, nicht Angehörige einer fiktiven „kriegführenden Macht“ namens Weltjudentum, dass mithin Irvings These rein apologetischen Charakter hatte: Schuld am Holocaust wären demnach die Juden selber oder zumindest deren Führer wie Chaim Weizmann, später erster Staatspräsident Israels. 

Was nun den „kausalen Nexus“ betrifft, so schrieb Nolte in dem Aufsatz, der den Historikerstreit auslöste: „Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine ‚asiatische‘ Tat vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer ‚asiatischen‘ Tat betrachteten? War nicht der ‚Archipel Gulag‘ ursprünglicher als Auschwitz? War nicht der ‚Klassenmord‘ der Bolschewiki das logische und faktische Prius des ‚Rassenmords‘ der Nationalsozialisten? Sind Hitlers geheimste Handlungen nicht gerade auch dadurch zu erklären, dass er den ‚Rattenkäfig‘ nicht vergessen hatte? Rührte Auschwitz vielleicht in seinen Ursprüngen aus einer Vergangenheit her, die nicht vergehen wollte?“

Behauptungen, die als Fragen eingekleidet sind, auf die man kurz und knapp mit „Nein“ antworten muss. Brendan Simms hat in seiner neuen Hitler-Biographie schlüssig nachgewiesen, dass Hitler von Anfang seiner politischen Karriere an das britische Empire und – etwas später – die USA als jene Angstgegner ansah, gegen die sich das nationalsozialistische Deutschland behaupten müsse. Vor der Sowjetunion, mit der schon die Führung der Weimarer Republik militärisch kooperierte, hatten weder das deutsche Bürgertum noch speziell Adolf Hitler Angst; er sah den Osten vielmehr ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des „Lebensraums“ als potenzielle Kolonie: „Unser Indien“, wie er gelegentlich sagte, oder – eine bessere Analogie – die Entsprechung zum Wilden Westen der USA. Den Slawen drohte nämlich das Schicksal nicht der Inder, sondern der Indianer.

Noltes These – wie Irvings – lief darauf hinaus, „die Juden“ – diesmal in Gestalt der Bolschewiki – als das ursprüngliche Tätervolk hinzustellen; „die Deutschen“ aber als potenzielle Opfer. Der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann brachte das wiederum fast 20 Jahre später auf den Begriff.

Ich will aber die Debatten um Enzensberger, Nolte, Hohmann und andere nicht ausführlich rezensieren; nur darauf hinweisen, dass der Hinweis, man werde noch vergleichen dürfen, zwar richtig, aber nicht annähernd ausreichend ist.

Höherer Blödsinn, niedrige Beweggründe

Wenn etwa Achille Mbembe – nun bin ich doch wieder bei ihm – sagt: „Wenn der Holocaust das Desaster des 20. Jahrhunderts war, so ist Palästina der größte Skandal unserer Zeit“: Ist das ein zulässiger „analytischer Vergleich“? Keine Frage, man darf alles mit allem vergleichen; und Mbembe setzt ja nicht gleich: im einen Fall spricht er von „Desaster“, im anderen von „Skandal“. Aber hat „Palästina“ – was auch immer man unter diesem Schlagwort verstehen mag: das Titelbild zeigt die palästinensische Hauptstadt Ramallah – eine ähnliche Bedeutung für das 21. Jahrhundert wie Auschwitz für das 20.? Gibt es irgendeine moralische Äquivalenz oder auch nur Ähnlichkeit zwischen dem vorsätzlichen Mord an sechs Millionen Zivilisten und den Opfern eines Krieges, bei dem ein Staat – Israel – um sein Überleben kämpfte und kämpft? Freilich, wäre dieser Krieg – wären Israels Handlungen in diesem Krieg – der größte Skandal dieses noch jungen Jahrhunderts, wir könnten uns glücklich schätzen.

Wenn Mbembe „Necropower“ als die Fähigkeit definiert, über Leben und Tod zu bestimmen, wenn er diese Macht in der gesamten europäischen Moderne am Werk sieht, vom Kolonialismus über die Französische Revolution, Marx und Stalin, den Ersten und Zweiten Weltkrieg, den Holocaust, die Apartheid und – aufseiten der Nato – im Kosovo-Krieg, und wenn er zum Schluss kommt: „Die vollkommenste Form der Nekromacht ist die heutige koloniale Besetzung Palästinas“: sind das zulässige „analytische Vergleiche“? Oder wird hier alles mit allem bloß vermengt, um am Ende zu einem absurden Ergebnis zu kommen?

Noch einmal: Es gibt mehr als bloß zulässige Vergleiche und unzulässige Gleichsetzungen. Niemand wird wegen eines zulässigen Vergleichs von seriösen Kritikern attackiert; es geht um Relativierungen und Übertreibungen; um Unterstellungen und Insinuation; um intellektuelle Faulheit und politische Betriebsamkeit. Letzteres auch und gerade bei den Unterzeichner*innen der Solidaritätsresolution für Achille Mbembe.

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64 Gedanken zu “Vergleich ist nicht gleich Vergleich;”

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    Licet jovis

    „Jetzt hat auch Stuttgart seine kleine Kristallnacht erlebt. Und alle, der sensible Herr Kuhn vorneweg, sind ganz baff, wie es dazu kommen konnte. Wo kamen all die Aliens plötzlich her? Jetzt ist das Besondere der Stadt dahin. Stuttgart ist nur noch das Köln des Südens.“

    Immerhin, es war nur eine „kleine Kristallnacht“ die das Besondere von Stuttgart hat verschwinden lassen.. Die Stuttgarter und Kölner – Mann, Frau und Kind – werden also in ein paar Jahren immerhin nicht ins Gas geschickt werden, sondern nur vor die Flinten islamistischer Exekutionskommandos. So haben wir dank Herrn Broder wieder was Vernünftiges aus „Auschwitz“ gelernt, das selbstverständlich immer nur die Anderen instrumentalisieren.

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        Es stellt sich aber schon die Frage, ob Brandstifter von linker Seite (Saskia Esken und diese TAZ-Autorin) genauso engagiert in den Medien als solche benannt werden, wie das bezüglich Tichy, Broder & Co. zu tun üblich geworden ist. Ich meine wenn, die „existenzielle Tristesse“ das nächste mal zu unerträglich wird.

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        Sagen wir es so: Wenn mit „den Medien“ etwa die Welt gemeint ist, dann sicher. Und wie ich höre engagiert sich schon der Innenminister gegen die dumme TAZ-Tussi (sorry, politisch inkorrekt). Also, da läuft schon viel.
        Ob man (apropos Broder) sich einen Gefallen tut, wenn man die Randale von Stuttgart als „kleine Kristallnacht“ bezeichnet, weiß ich nicht. Jedenfalls hilft es nicht gerade in der Auseinandersetzung mit der Holocaustrelativierung. Tut aber manchen Deutschen sehr, sehr gut.

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        APo: ‘Kleinbürgertum und die Pedanterie der Schwaben mit zur Ursache der Krawalle und der Widersetzung gegen die Staatsgewalt, die sich Polizei nennt … Wie man jungen Menschen – insbesondere jungen Männern – ein Gefühl ihres Selbstwerts vermitteln – nein, ermöglichen – kann, sodass sich dieses Bedürfnis anders entlädt als in sinnfreier Randale, das bleibt eine Aufgabe, auf die wir letzten Menschen noch keine Antwort gefunden haben. ‘

        … ‘Nein! Doch! Oh!’ … Kleinbürgertum und die Pedanterie der Schwaben – puuuh … eher ein ideologisch indoktriniertes Selbstwertgefühl, der, insbesondere jungen Männern, von janz weit draußen, tatsächlich glauben lässt, Allah hätte sie berechtigt, sich bei uns zu holen was sie haben wollen: Geld, Häuser, Frauen … Sure 33, Vers 27: ‘Und Allah hat euch zum Erbe gesetzt über ihr Land, ihre Wohnstätten und ihren Besitz, und auch ein Land, das ihr vorher nicht betreten hattet.’ DAHER!

        Und als ob Stuttgart ein ‚Einzelfall‘ wäre, ts, ts, ts … eine Antwort auf Merkels ‚große Transformation‘ und ‚Menschenexperimente‘ habe ich auch; Mohammed go home!

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        Lieber Alan Posener, Sie kennen Henryk Broder persönlich, also viel besser, als ich ihn je kennen könnte, aber ich glaube „kleine Kristallnacht“ ist süffisant formuliert und die Freude einiger oder vieler Deutscher über die Relativierung des Holocaust sozusagen eingepreist bzw. als unabänderliches Regionalmerkmal der hiesigen Bevölkerung akzeptiert. Letzteres vielleicht auch, um den eigenen Seelenfrieden nicht zu gefährden. Dass er das durchgehen lässt, um auch unter den Holocaust-Relativierern Fans zu haben könnte man ihm sicher als persönliche Schwäche oder Eitelkeit vorwerfen, aber ‚rechter Brandstifter‘? Eiferer sind schon recht einfach gestrickt.. Und das gilt auch für die, die sich über die „kleine Kristallnacht“ freuen, also so gar keine Ahnung haben.

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        Habe ich von einem „rechten Brandstifter“ gesprochen, lieber KJN? Nein. Mir ist allerdings völlig egal, ob etwas – wie der unsägliche „taz“-Artikel gegen die Polizei – „süffisant formuliert“ ist, und ob die „Freude einiger oder vieler Deutscher“ – hier über Polizistenbashing, dort über Holocaustrelativierung – „eingepreist“ ist. Dumm und falsch bleibt falsch und dumm. Und damit genug von Henryk, der mein Freund und Meister bleibt. Trotz alledem.

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    Lieber Herr Posener,
    da Sie so freundlich waren, auf meinen Hinweis zu reagieren – ich hatte gar nicht damit gerechnet; der Link war lediglich als ein ergänzender Lektüre-Tipp gedacht gewesen… -, will ich Ihnen eine Erwiderung nicht schuldig bleiben. Es liegt nicht an mir, wenn sie sich als eine Folge von Korrekturen darstellt.
    (1) Wen genau nun Herr Mbembe meint, weiß auch ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen, auch wenn ich es für einigermaßen verstiegen halte zu munkeln, er lasse da etwas „bewusst im Dunkeln“ (und mit den im Folgenden genannten Namen zu suggerieren, er wolle wohl insgeheim seine deutschen Kritiker diffamieren). Wenn von ‚hate messages‘ die Rede ist, denke *ich* nicht an öffentliche Debattenbeiträge in auflagenstarken, überregionalen Tageszeitungen (die man wohl schwerlich als ‚messages‘ bezeichnen würde), sondern schlicht und einfach an persönlich adressierte E-Mails, aus denen einem irgendwelche wüsten Beschimpfungen entgegenschlagen. Man wird befürchten müssen, daß einem so prominenten Gesicht unter den schwarzafrikanischen Intellektuellen rassistische Haß-Mails schon bislang nicht erspart geblieben sind, und es müßte einen nicht verwundern, wenn sich bei der derzeitigen Aufregung um seine Person entsprechend gesonnene Trolle erst recht ermuntert fühlen würden, Mail um Mail zu schicken.
    (2) Was Mbembes zunächst in der Tat feige geleugneten Affinitäten zu BDS angeht, scheint mir Ihr Verdikt ‚eine glatte Lüge‘ doch reichlich apodiktisch. Nach allem, was ich gelesen habe, ist in dieser Hinsicht belegt, daß er (a) eine 2015 veröffentlichte Absichtserklärung (‚A Commitment by South African Scholars to the Rights of Palestinians‘) unterzeichnet hat, die den Boykott israelischer Wissenschaftseinrichtungen vorsieht; daß er (b) ebenfalls 2015 das Vorwort zu einem Sammelband (‚Apartheid Israel: The Politics of an Analogy‘) beigesteuert hat, dessen Tantiemen nach Ausweis des Impressum an eine der BDS-Gründerorganisationen gehen („All royalties from this book will be donated to the Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel (PACBI).“), überdies in seinem Vorwort die Boykottforderung ausdrücklich wiederholt hat („the time has come for global isolation“); daß er außerdem (c) die faktische Ausladung der bereits eingeplanten israelischen Teilnehmer der Konferenz ‚Recognition, Reparation, Reconciliation‘ (Anfang Dezember 2018 an der südafrikanischen Stellenbosch-Universität) erzwungen hat mit dem Hinweis “ that we [Mbembe und Konferenz-Teilnehmerin Sarah Nuttall] would have no option but to withdraw from the conference if a satisfactory agreement was not found between the Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) movement and the Organising Committee“ – wobei zu erwähnen ist, daß es u.a. um Professorin Shifra Sagy von der Ben-Gurion-Universität in Be’er Sheva (BGU) ging und Mbembe bereits 2010 eine Petition unterzeichnet hatte, die dazu auffordert, die wissenschaftliche Kooperation zwischen der Universität Johannesburg und der BGU einzustellen mit der Begründung: „BGU structurally supports and facilitates the Israeli occupation“, nämlich durch die universitäre Ausbildung von Luftwaffe-Piloten und die Zusammenarbeit mit der Waffenindustrie.
    So weit die Fakten. Wie Mbembe sich seither – also seit dem Dezember 2018 – zu BDS verhalten hat – in anderthalb Jahren kann schließlich eine Menge passieren -, ist weit weniger klar. Jürgen Kaube schreibt in der ‚FAZ‘: „Damit konfrontiert, erklärte Mbembe, tatsächlich habe er einst daran geglaubt, der Boykott universitären Austauschs könne „fruchtbar“ sein. Doch nach reiflichem Nachdenken finde er, „dass ein Boykott nicht unterschiedslos erfolgen darf“…“ – Da er im von mir verlinkten Interview im Präsens spricht („I have no relationship whatsoever with BDS“), wird man ihm wohl bis auf Weiteres glauben müssen. Dies weiterhin einfach als „glatte Lüge“ abzutun, ist… eine ’starke Meinung‘, die Sie sich gerade auf diesem Blog natürlich herausnehmen dürfen, die aber jedenfalls nicht dadurch wahrer wird, daß Sie sie besonders kategorisch formulieren.

    Huch! Ich sehe gerade, wie lang der Text schon geworden ist! Es hatten nur wenige Zeilen werden sollen… – Nun, ich hätte zu Ihren anderen Kurzkommentaren noch etwas sagen – „Es kommt immer schlimmer“; in der Tat… – und auch auf jene ‚Klarstellung‘ zu sprechen kommen wollen, die ich en passant in meinem Erstkommentar erwähnt hatte, will Sie aber nicht länger von Wichtigerem abhalten… Vielleicht nur so viel: Sie können es besser!
    In diesem Wissen einen freundlichen Gruß…

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      Lieber Stefan Nottelmann: OK, es handelt sich nicht um eine „glatte“ Lüge. Bei Mbembe ist alles immer gewunden. Wenn aber jemandem ein Verhaltensmuster vorgehalten wird – hier: die Unterstützung von BDS -, dann wäre eine ehrliche Antwort: „Bis vor anderthalb Jahren habe ich sie aktiv unterstützt. Jetzt sehe ich das anders. Und zwar deshalb und deshalb.“ Die Antwort, er habe gar nichts damit zu tun, verbunden mit der Aussage, ein Boykott könne – wenn er nicht „unterschiedslos erfolge“ – sinnvoll sein, ist hingegen, das werden Sie zugeben, bewusst oder unbewusst verunklarend. Findet er nachträglich sein Verhalten in der Causa Sagy richtig oder falsch? Und so weiter. Kommen Sie, Sie sind ja nicht naiv. Um Sie zu zitieren: Sie können es besser.
      Zum Vergleich: Bill Clinton sagte, er habe „gar keine sexuelle Beziehung“ mit Monica Lewinski gehabt, um später – mit Beweisen konfrontiert – zu sagen, er verstehe unter Sex nur Penetration. So wie er behauptete, keine Drogenerfahrungen zu haben, weil er beim Jointrauchen „nicht inhaliert“ habe.

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    Da ich den Vormittag damit verbracht habe, sämtliche Ihrer Beiträge (die weiterführenden Links alle inbegriffen!) zum schwierigen Verhältnis der Postcolonial Studies zu ‚Israel‘ (als einem Zielpunkt antikolonialistischer und anti-imperialistischer Kritik) zu lesen, erlaube ich mir, ein längeres Interview mit Achille Mbembe zu verlinken, das mir (nach zugegeben flüchtiger Lektüre) den Eindruck machte, als spräche da doch jemand aus einer sehr lauteren Gesinnung heraus… Auch das den Holocaust scheinbar relativierende Moment jener Textstellen, die Herrn Mbembe vorgehalten worden sind – von Lorenz Deutsch, Felix Stein, Jürgen Kaube, von Ihnen; mit Grund, wie ich meine -, ist doch sehr eindeutigen und unmißverständlichen Klarstellungen gewichen…
    Der Tonfall ist umständehalber recht apologetisch geraten, was einige Schuldzuweisungen erklärlich, aber darum nicht besser machen mag; ändert nichts daran, daß ich seine Antworten für sehr instruktiv halte…
    https://www.newframe.com/the-conviction-and-conscience-of-achille-mbembe/

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      „I do not take any of this personally, in spite of the hate messages and racist insults I am now being exposed to.“
      Von wem? Meint er Klein, Kaube, Elbe, Posener u.a.? Er lässt das bewusst im Dunkeln.
      „I have no relationship whatsoever with BDS.“
      Das ist eine glatte Lüge.
      „The list is long of those who are frivolously accused of antisemitism and racism throughout the world. Unfortunately, as things go, many more will go through this ordeal. This is what must stop.“
      Aha. Man darf also nicht mehr Antisemitismus Antisemitismus nennen. Das ist in der Tat eine „Klarstellung“.
      Na, und so weiter und so fort. Es kommt immer schlimmer. Deutschland ein „Labor“ für eine „machtvolle Offensive“ gegen Minderheiten: Wer ist diese „Macht“, die Deutschland als „Labor“ verwendet? Na, dieselben Leute, die Palästina als „Labor“ benutzen für Techniken der Trennung und Unterdrückung, die welktweit angewendet werden sollen. Ach, ich bitte sie, lieber Stefan Nottelmann, das ist purer Antisemitismus, und René Aguigah, immerhin Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur, interveniert nicht … ekelhaft.

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    @hans.. ?.. ich denke wir meinen zwei verschiedene Sachen. Ich meine, Nolte ist wohl kein Einzelfall. Leider. Er rechtfertigt seine Feindschaft gegenüber den Juden. Andere ihre Feindschaft gegenüber Israel. Usw. Ich hatte Sie jetzt so verstanden, dass mir Feindschaft gegen Nolte vorwerfen. Nein, habe ich nicht. Da könnte ich mich mit Feindschaft gegen alle möglichen Leute dranhalten. Oder jetzt zuwenig davon vorwerfen. Was denn nun?

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      @KJN

      … Ihnen halte ich nix böses vor. Möglich, dass ich nicht verständlich geschrieben habe. Wir schreiben in der Tat aneinander vorbei. Nolte rechtfertigt Feindschaft gegenüber Menschen die glauben das Volk Gottes – das sind Menschen die an Gott glauben – das Licht der Welt, usw., zu sein. Das ist die Aussage im obigen Zitat aus Noltes Schriften. Faktisch will er Verständnis für Völkermord.

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      @KJN, Nachtrag

      … Nolte rechtfertigt natürlich nix. Niemand kann Feindschaft gegenüber Menschen rechtfertigen. Daher bitte rechtfertigt mit Anführungszeichen – ‚rechtfertigt‘.

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    Eines der großen Probleme des Holocaust ist, daß man die Gaskammern für das wichtigste Kennzeichen hält. M.E. ist das ein Irrtum, wie auch, daß die Juden mehr gelitten hätten als andere. Jedem tut der eigene Schmerz am meisten weh (ein blöder Satz, aber es ist spät und ich bin müde, kein Wunder mit meinen 89 Jahren). Am wichtigsten ist der Urheber. Die Tatsache, daß in der Mitte des 20. Jh.s inmitten Europas, die Regierung eines des fortgeschrittensten Ländern der Erde, sich entschloß, einer Menschengruppe das Menschsein und damit die Lebensberechtigung abzusprechen. Das waren die Juden, von denen man jedes Exemplar, vom Säugling bis zum Greis, wo immer man sie vorfand, ausrotten wollte. Dieser Entschluß war es, das man Zivilisationsbruch nannte. Jedes Exemplar – das war weder bei den „Zigeuner“ der Fall (nichtfahrende konnten in Ruhe leben, wenn sie einen Job hatten) auch nicht bei den Slawen, von denen zwar Millionen ermorden, aushungern wollte, der Rest war für Sklavendasein vorgesehen. Fortgeschrittenstes Land – Mitte 20. Jh. – Europa – Entschluß – diese Kombination war bei keinem anderen Genozid vorhanden, falls ich mich richtig erinnere. Auch aus diesem Grund sollte man mit Vergleiche sehr vorsichtig umgehen. Denn diese Kombination war es, was neu war. Auch, daß mit den Juden zugleich die eine – vermittels Christentum – Wurzel der europäischen Kultur vernichten woll-te.
    lg und gute Nacht
    caruso

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    Nur mal in den Raum gestellt: Es kann sein, dass Mbembe eine sehr gute Arbeit zum Kolonialismus in Afrika gemacht hat, aber an dem Anspruch, etwas Universales zu formulieren, gescheitert ist? Das wäre nun bei Historikern nicht wirklich neu. Ich habe seine Stellungnahme in der taz gelesen und mir scheint (ich relativere, weil ich das Werk nicht kenne), dass er eben genau das versucht:
    https://taz.de/Leben-in-den-Mythen-anderer/!5681758/
    Insofern würde er die (frühere) Neigung europäischer Historiker, alles aus europäischer Sicht zu sehen und europäisch zu erklären, zugunsten einer afrikanischen Sicht, umdrehen.
    Beispiel:
    „Angesichts dieser sehr unterschiedlichen Erfahrungen ging es darum, das Konzept der schwarzen Identität (blackness) zu hinterfragen, es nicht mehr zum grundlegenden Paradigma der Differenz und der Unterscheidung zu erklären, sondern vielmehr zu den Denktraditionen Afrikas und der Diaspora zurückzukehren, die auf Ähnlichkeit, Gleichartigkeit und Öffnung zur weiten Welt beharren. Ich wollte den Charakter der Universalität der Negerkondition in der modernen Welt herausarbeiten.“

    Wenn man einen Hammer hält, sieht man lauter Nägel. Bricht man die Geschichte des Palästinakonfliktes auf die fehlende/unbegrenzte Bewegungsfreiheit der Araber in den besetzten Gebieten herunter, passt es ins Bild. Weitet man das Objektiv oder schwenkt es, dann wieder nicht. Universalismen in der Historie führen gerne zu Banalitäten und damit die allgemeine Gültigkeit haben, müssen auch die beobachteten Geschehnisse banalisiert werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein bestimmtes europäisches Publikum, dass nicht gerade für seine differenzierte Betrachtung bekannt ist, solche Thesen gerne aufgreift. Mbembe selbst sagt ja, dass er sich mit dem Konflikt nicht wirklich auskennt, was natürlich im Gegensatz zu mancher starken These steht, die er zu dem Thema formuliert hat. Zumal es bei einer universalen Theorie ja durchaus spannend wäre zu forschen, ob sie im Detail eben auch zutrifft.

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      Lieber Stevanovic, mit Mbembes These der „Universalität der Negerkondition in der modernen Welt“, die ihrerseits nur eine modische Einschwärzung der Marx’schen Verelendungstheorie ist, also im Kern „weiß“, habe ich mich hier auf SM beschäftigt, als es noch keinen „Fall Mbembe“ gab:

      https://starke-meinungen.de/blog/2019/08/06/bartholomaeus-grill-oder-warum-wir-weder-herrenmenschen-sind-noch-neger-werden/

      Richtig schreiben Sie: „Mbembe selbst sagt ja, dass er sich mit dem Konflikt nicht wirklich auskennt, was natürlich im Gegensatz zu mancher starken These steht, die er zu dem Thema formuliert hat.“
      In der Tat. Und nach meiner Erfahrung steht das Formulieren starker Thesen zum Kampf um Israel fast immer im umgekehrten Verhältnis zur wirklichen Kenntnis der Lage dort. Was wiederum die Frage nach der Motivation für die Formulierung solcher Thesen aufwirft.

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    PS: und es geht nicht darum, Nolte generell zu verteidigen, sondern nur um den Hinweis, dass im „Historikerstreit“ auch sinnentstellende (Ver)kürzungen eine Rolle spielten.

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      Wie gesagt, das Entscheidende ist, dass Weizmanns „Kriegserklärung“ (1.) keine war, dass sie (2.) sicher 99% der Juden nicht bekannt war, dass (3.) auch jene Juden, die sie kannten, sich mehrheitlich nicht daran hielten, und dass (4.) Hitler sie vermutlich weder kannte noch für wichtig hielt; dass sie mithin, „berechtigt“ oder nicht, keine Rechtfertigung auch nur für die Internierung, geschweige denn – was Nolte auch zugibt – für die Tötung der europäischen Juden darstellt: rechtlich sowieso nicht, aber auch nicht psychologisch.
      Kurz zu (3.): Mein Vater war damals in Palästina. Er gehörte zur winzigen Minderheit der Männer im wehrfähigen Alter, die sich zur britischen Armee meldeten. Ob er das wegen des Aufrufs Weizmanns tat, weiß ich nicht; eher wegen des Vormarschs von Erwin Rommel.

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    (An die Redaktion: sorry für den doppelten Kommentar, der erste wurde von der Software leider nur zerstückelt übernommen, da einige meiner Zeichen als Tags interpretiert wurden.)

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    „Es braucht eigentlich nicht ausgeführt zu werden, dass Hitler lange vor dieser Erklärung Weizmanns die Juden als Todfeinde ausgemacht habe“

    Genau das schrieb allerdings mW auch Nolte in seinem Buch „Der europäische Bürgerkrieg“: Hitler habe „ja dem Judentum viel früher den Krieg erklärt“ und Weizmann habe nur zu Wort gebracht was so gut wie jeder Jude auf der Welt ohnehin gedacht hätte. „Diese Kriegserklärung war also eine Antwort, und eine völlig berechtigte Antwort“. (Zitat laut Eckard Jesse auf S. 317 des Buches von Nolte (ich selber habe das Buch z Zt nicht zur Hand).

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      Ja, das schreibt Nolte, aber das ändert nichts daran, dass Weizmann als Chef der Zionistischen Weltorganisation weder befugt war, im Namen aller Juden zu sprechen noch mehr meinte, als dass die Juden moralisch auf der Seite Großbritanniens standen, was aber schon etwa für die sowjetischen Juden nicht stimmte, denn die Sowjetunion war damals (September 1939) Verbündete Deutschlands.
      Noltes „Verständnis“ ist geheuchelt, ein wenig wie das „Verständnis“ mancher Islamfeinde, die sagen: „Ich kann verstehen, dass die Moslems uns alle – oder alle Israelis – umbringen wollen, wenn man sieht, was wir / sie Ihnen angetan haben…“ usw. Tatsächlich aber wollen nur sehr wenige Muslime uns alle umbringen. Auch eine als „Verständnis“ eingekleidete Unterstellung ist eine Unterstellung.

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      Sie verstehen – wie viele – das entscheidende nicht:

      In und mit solchen historischen Bewertungen werden Juden als ein monolithischer Block,- strenger als jede echte Nation – behandelt, bei dem alle Taten eines Einzelnen automatisch und immer dem fiktiven Kollektiv zuzurechnen sind. Einziges Merkmal, das für die Zugehörigkeit zu diesem fiktiven Kollektiv notwendig ist, stellt der jüdische Glaube dar. Alle anderen Zugehörigkeitsmerkmale – Ethnie, Nation, politische Grundeinstellung – spielen nach der Feststellung „Jude“ keine Rolle mehr.

      Und dieses Grund- und Wesensmerkmal des Antisemitismus verweist (nach meiner Lebenserfahrung fehlerfrei) darauf, es mit einem Antisemiten zu tun zu haben. Völli egal, ob sich derjenige dessen überhaupt bewusst ist.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      1. avatar

        Richtig, lieber Thorsten Haupts, mit einer allerdings wesentlichen Einschränkung: das „einzige Merkmal“, von dem Sie reden, ist eben nicht der „jüdische Glaube“, was auch immer der sein soll. Sondern die jüdische Rasse (was auch immer die sein soll). Ich wäre, hätten die Nazis gewonnen, obwohl anglikanisch getauft, „Halbjude“, und als solcher diskriminiert; freilich würde es mich nicht gegeben, weil mein Vater – obwohl ungläubig und unbeschnitten – als „Volljude“ bei einem Sieg Deutschlands getötet worden wäre.
        Mich wundert, dass diese Tatsache, obwohl sie nun wirklich wesentlich ist und in der Schule selbst zu meiner Zeit – in den 1960er Jahren – gelehrt wurde – so wenigen Deutschen klar ist.

      2. avatar

        Berechtigte Korrektur. Ich kenne jenes seltsame Konstrukt „jüdische Rasse“ und hatte auch schon mehrfach die „Ehre“, zum „Juden“ befördert zu werden (war, denke ich, von irgendwelchen rechten Würstchen als Beleidigung gedacht).

        Gruss,
        Thorsten Haupts

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    >>Es braucht eigentlich nicht ausgeführt zu werden, dass Hitler lange vor dieser Erklärung Weizmanns die Juden als Todfeinde ausgemacht habe;<>ja dem Judentum viel früher den Krieg erklärt<< und Weizmann habe nur zu Wort gebracht was so gut wie jeder Jude auf der Welt ohnehin gedacht hätte. "Diese Kriegserklärung war also eine Antwort, und eine völlig berechtigte Antwort". (Zitat laut Eckard Jesse auf S. 317 des Buches von Nolte (ich selber habe das Buch z Zt nicht zur Hand).

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    Artikel 1 und 5 des GG schützen das Recht auf Dummheit. Es existieren deshalb keine unzulässigen Gleichsetzung. Wer behauptet 2+2 ergibt 3, der darf das gerne tun.

    Es existieren aber Schlussfolgerung, die überzeugender sind, als andere. Mbembe implizite Gleichsetzung gehört sicherlich zu denjenigen, die nicht überzeugen.

    Ob antisemitische Motive ihn treiben, da will ich mich aufgrund einer Aussage nicht festlegen.
    Ich habe allerdings Verständnis dafür, dass man Leute, die allzu großen Unsinn reden, als Referenten wieder auslädt.

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    Wieder was gelernt, „kommensurabel“ kannte ich bisher nicht.
    Ein Wort habe ich allerdings vermißt, nämlich „Relativierung“.
    Im § 130 Abs. (3) StGB steht:
    „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“
    Die Rechtsprechung hat mit der ihr eigenen Selbstherrlichkeit am Gesetzgeber vorbei noch den Begriff Relativierung in die Urteilsfindung einfließen lassen.
    Wer Opferzahlen vergleicht und dabei feststellt, daß im KZ Kolyma mehr Menschen ermordet wurden als im KZ Auschwitz, der relativiert und verharmlost damit die NS-Verbrechen. Ähnlich wäre es, wenn man die Todesraten im Nazi-KZ Buchenwald vergleichen würde mit den Todesraten im gleichen KZ nach 1945, dann unter sowjetischer Leitung. Auch das würde die NS-Verbrechen relativieren und damit verharmlosen.
    Es sind schon genügend Leute mit genau dieser Argumentation gemäß § 130 (3) StGB verurteilt worden.
    Vergleichen ist zwar nicht explizit verboten, aber das Ergebnis des Vergleichs ist trotzdem oft strafwürdig. Daher kann man durchaus verkürzt sagen, schon der Vergleich ist verboten.

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      Ich persönlich habe oft genug geschrieben, dass ich die Leugnung des Holocausts in welcher Form auch immer nicht für strafwürdig erachte. Auch hier auf SM: https://starke-meinungen.de/blog/2016/09/15/weg-mit-dem-verbot-der-holocaustleugnung/

      Sie behaupten, dass „genügend Leute“ gemäß § 130 (3) StGB verurteilt wurden, weil sie gesagt hätten, es seien mehr Menschen in diesem oder jenem sowjetischen Lager umgekommen als in diesem oder jenem deutschen Lager. Ich wäre aus Prinzip – siehe oben – gegen eine solche Verurteilung, aber ich glaube Ihnen nicht. Bitte seien Sie so nett und fügen wenigstens einen Beleg bei. Und sagen Sie bitte nicht, das könnten Sie nicht, weil die Verurteilungen von geheimen Gerichten in geheimer Sitzung erfolgten.

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        Lieber Herr Posener,

        mir ist bekannt, daß Sie kein Freund der derzeitigen Gesetzgebung sind, und das ehrt Sie auch.
        Wenn ich hier etwas schreibe, verlasse ich mich im Allgemeinen auf den Inhalt meines Gedächtnises, daher habe ich nicht immer einen schriftlichen Beleg zur Hand, so auch in diesem Fall.
        Was ich gerade greifbar habe ist vom AG Schwerin, Urteil vom 16.08.2012 – 38 Ls 322/11 (Quelle: beck-fachdienst Strafrecht – FD-StrafR 2012, 339014)
        Es behandelt zwar einen anderen Fall von Holocaustleugnung, aber als Beleg wie es an deutschen Gerichten zugeht sind einige Sätze daraus doch sehr aufschlußreich:

        „Der Angeklagte hat den Holocaust als systematische Vernichtung jüdischen Lebens durch das nationalsozialistische Regime geleugnet. Dass er dies nicht ausdrücklich getan hatte, steht der Erfüllung des Straftatbestandes nicht entgegen. Es reicht insoweit aus, wenn durch Auslegung der Äußerung ein eindeutiger Erklärungsinhalt dahingehend ermittelt werden kann, ……. “

        „Obwohl die Gestaltung der Rede dazu Veranlassung gegeben hatte, gestand der Angeklagte an keiner Stelle den Holocaust ausdrücklich zu. Das Schweigen insoweit war beredt. “

        Bei anderen Straftatbeständen werden „Auslegungen“ grundsätzlich gemäß dem alten Rechtsgrundsatz „In dubio pro reo“ zugunsten des Beschuldigten vorgenommen. Und daß ausgerechnet Schweigen etwas beweist ist ja komplettes juristisches Neuland und hätte bei keinem anderen Straftatbestand etwas in einem Urteil zu suchen.

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        Entschuldigen Sie, lieber Gerald Wissler: Bei dem von Ihnen zitierten Fall handelt es sich um das Urteil gegen NPD-Vizechef Udo Pastörs.
        https://taz.de/Gericht-verurteilt-NPD-Bundesvize/!5086290/
        Ich bin zwar selbst im Fall dieses – entschuldigen Sie – Arschlochs eher der Ansicht der Verteidigung, aber das steht nicht zur Debatte. Zur Debatte steht Ihre Behauptung, dass bloße Vergleiche, wie etwa zwischen Auschwitz und Workuta, von bundesdeutschen Gerichten mehrfach bestraft worden seien. Sie können das nicht belegen, vermutlich weil das nicht der Fall ist, und Sie sollten die Größe haben zuzugeben, dass Sie sich geirrt haben.

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        Ich habe ja schon ausgeführt, daß ich mich auf mein Gedächtnis verlasse, und das kann einen nach allen wissenschaftlichen Erkenntnisse ja durchaus täuschen.
        Falls ich also tatsächlich Unsinn verbreitet habe, bitte ich mir das nachzusehen.

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        „Ich persönlich habe oft genug geschrieben, dass ich die Leugnung des Holocausts in welcher Form auch immer nicht für strafwürdig erachte. “

        Die Auffassung haber ich auch einmal vertreten. Ich bin aus zwei Beobachtungen heraus inzwischen anderer Ansicht:

        1) Ich hatte in den späten neunzigern in einem der Vorläufer der heutigen sozialen Medien, dem Usenet, intensive Auseinandersetzungen kit Rechtsextremisten. Auffallend war dabei, mit welcher Penetranz, mit welchen Windungen und mit welchen zikulären Argumenten halbwegs gebildete Rechtsextremisten versuchten, wieder und wieder Zweifel am realen Geschene des Holcausts zu säen.

        2) Aus der Rechtsextremismusforschung weiss man, dass die wirklich intelligenten und gebildeten Rechtsextremisten sehr wohl wissen, dass es den Holocaust gab. Sie müssen dieses Wissen aber leugnen und in Frage stellen, weil auch für einfach gestrickte Menschen der Holocaust DAS grösste existierende Hindernis für einen Wideraufstieg der dem Holocaust zugrunde liegenden Ideologie darstellt.

        Mir reichen diese Beobachtungen, um inzwischen die Strafwürdigkeit der Holocaustleugnung zu befürworten. Abschreckung ist eine wirksame Waffe! Nicht besonders grundsatztreu re Meinungsfreiheit, ich weiss, was mich im konkreten Fall allerdings weniger interessiert.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

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        Ich verstehe, was Sie meinen, lieber Thorsten Haupts. Aber: Ich glaube nicht, dass es Aufgabe des Rechts ist, Menschen von schädlichen Gedanken abzuhalten.

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      „Es sind schon genügend Leute mit genau dieser Argumentation gemäß § 130 (3) StGB verurteilt worden.“

      Alleine deshalb und genau aus diesem Grund? Das ist glatt gelogen. Und jetzt warte ich vergeblich auf die Belege, mit denen diese Verurteilung widerlegt werden könnte. Na?

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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      … HMB schreibt; ‚… Ich werde mich dafür einsetzen, dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird. Das Gesetz war gut gemeint, hat sich aber als kontraproduktiv erwiesen, indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren. … ‚ … der Außenminister der ‚BRD‘, ein Genosse, ist wegen Ausschwitz in die Politik gegangen … no comment.

      … der Menschenrechtsgerichtshof schreibt zum Völkermord; ‚… In einer Demokratie darf der Staat in der Geschichtsschreibung keine objektiven und absoluten Wahrheiten dekretieren und diese mithilfe des Strafrechts durchsetzen: Mit dieser Begründung stufte der Menschenrechtsgerichtshof am Dienstag die in der Schweiz erfolgte Verurteilung eines türkischen Politikers, der die These vom Völkermord an Armeniern im Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg bestritten hatte, als Verstoss gegen die in der Menschenrechtscharta des Europarats verankerte Meinungsfreiheit ein.‘

      … das Landgericht in Mannheim urteilt.

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        Aber, aber, Hans: Wer wird denn ein EUROPÄISCHES Gericht wohlwollend zitieren? SIE doch nicht?

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        … nun, werter APO, ‚wohlwollend‘ ist allein Ihre Projektion. Ich sollte allerdings besser Götz Aly zitieren: ‚Als Historiker halte ich Gesetze, die verbieten, irgendetwas zu leugnen für Quatsch. Genauso wie ich das Gesetz in der Türkei für Unsinn halte, das festschreibt, es habe den Völkermord an den Armeniern nicht gegeben. Gesetze gegen die Holocaust-Leugnung gehen doch ins Leere. Es wird immer einige Verrückte geben, an denen Tatsachen einfach abperlen.‘

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      Zu der Strafbarkeit der Holocaustleugnung muß man etwas differenzierter ins StGB schauen. Es sind nämlich zwei Tatbestände, bei denen man sich mit Holocaustleugnung bzw. Verharmlosung des Nationalsozialismus strafbar machen kann.

      Da ist zunächst einmal § 130 (3) StGB: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“ Entscheidender Passus ist hierbei „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Zu sagen, in Stalins Gulags seien mehr Menschen ermordet worden als in Hitlers KZs, dürfte nur schwer diesen Tatbestand erfüllen, denn dadurch werden die Verbrechen der Nazis nicht automatisch kleiner. Die mathematisch äquivalente Aussage, in den KZs der Nazis seien weniger Menschen ermordet worden als in Stalins Gulags, ist hingegen mit Vorsicht zu genießen; hier macht der Ton die Musik, d.h. es kommt auf den ganzen Zusammenhang der Aussage an.

      Der zweite Tatbestand, der mit der Holocaustleugnung erfüllt sein kann, ist der der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB). Dieser Paragraph ist keine>/em> Erfindung der Nachkriegszeit, sondern Bestandteil des StGB seit 1871. Er ist auch mit der bundesdeutschen Rechtsphilosophie insofern vereinbar, als daß die Würde einer Person nicht mit ihrem Tod endet. Der Gesetzgeber hat aber aus gutem Grund Einschränkungen vorgesehen. Die erste Einschränkung besteht darin, daß dies wie auch bei einer Beleidigung grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt wird (§ 194 (2) StGB) und das Klagerecht den engsten Angehörigen zusteht (§ 77 StGB), in erster Linie den Ehepartnern und Kindern, falls diese verstorben sind, den Eltern, falls diese ebenfalls verstorben sind, den Geschwistern und Enkeln. Die zweite Beschränkung besteht also darin, daß eine Klage nur bis zur Enkelgeneration möglich ist.
      Das Problem beim Nationalsozialismus wie auch bei anderen Gewaltregimen ist allerdings, daß nicht selten ganze Familienverbände ausgelöscht worden sind. Es wäre dazu gekommen, daß die Würde Verstorbener verletzt werden kann, ohne daß es einen Klageberechtigten gibt. Aus diesem Grund wurde § 194 (2) StGB geschaffen, bei dem sich eine Klage durch die Hinterbliebenen erübrigt, wenn „[…] die Tat durch Verbreiten oder öffentliches Zugänglichmachen einer Schrift (§ 11 Abs. 3), in einer Versammlung oder durch eine Darbietung im Rundfunk begangen“ wurde und „der Verstorbene sein Leben als Opfer der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verloren hat und die Verunglimpfung damit zusammenhängt.“
      Solange man die Würde des Individuums als höchstes Rechtsgut ansieht, spricht also einiges dafür, die Regelung in § 194 (2) StGB beizubehalten, solange die Enkelgeneration der KZ-Insassen noch lebt.

      1. avatar

        Ich unterstelle dem Gesetzgeber nicht Leichtfertigkeit. Aber es ist nun einmal so, dass „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“ ein Gummiparagraf ist. Zumal der „öffentliche Friede“ nicht unbedingt und in jedem Fall schützenswert ist.

      2. avatar

        Den gleichen Gummiparagraphen gibt es ja auch bei der „Beleididigung von Bekentnisse, etc…“ (§166 StGB)
        Das hat die seltsame Folge, daß eine friedliche Religon straflos beleidigt werden darf, während eine Religion mit gewalttätigen Anhängern den vollen Schutz des Gesetzes genießt.
        Ich frage mich wirklich, ob so etwas mit Leichtfertigkeit, d.h. eigentlich Dummheit, erklärt werden kann. Aber wenn man so etwas weiter denkt, ist man schnell wieder bei einer Verschwörungstheorie.

      3. avatar

        @Don Geraldo: Können Sie genauere Angaben machen und diese auch bitte belegen, anstatt nur herumzuraunen? Wenn Sie sich einmal die Urteile ansehen, die unter https://dejure.org/dienste/lex/StGB/166/1.html aufgelistet sind, werden Sie erkennen, daß Ihre Aussage in der Allgemeinheit nicht stehengelassen werden kann.

  13. avatar

    Was Mbembe angeht, kann ich nichts sagen, weil ich gar nichts von ihm kenne. Ich habe Necropower gegoogelt und dazu was gelesen. Nach den Schlagwörtern erinnerte es mich an die Phase der Osmanischen Eroberung des Balkans, der Versklavungen und der Knabenlese, als ein Abgesandter des Sultans diese Macht tatsächlich hatte (so wird erzählt, ich bin parteiisch). Oder die Einfälle der Reitervölker, von den Grenzziehungen der jungen Nationalstaaten und der folgenden Entrechtung von Minderheiten ganz zu schweigen. Also, ich konnte (oberflächlich) nichts entdecken, was es im Osten Europas nicht vor dem Kolonialismus schon gegeben hätte. Ich will es nicht Mbembe vorwerfen, ich kenne aber einige Thesen der antiimperialistischen Umgebung und die funktionieren eben nur, wenn die Menschheitsgeschichte 1492 anfängt und ausschließlich Westeuropäer die Protagonisten sind. Die Vergleiche mit Israel sind deswegen schon lächerlich, weil es auch diesen Thesen folgend, einen ganzen Sack voll mit Staaten und Institutionen gibt, auf die diese Thesen anwendbar währen. Mir erscheint der Israel-Vergleich eine Variante der These, der arabisch-jüdische Konflikt in Palästina sei ein Schlüßelkonflikt des Weltgeschehens. Was er nicht ist, außer man will es unbedingt so sehen. Aber da unterstelle ich, ich weiß es nicht.

  14. avatar

    Lieber Herr Posener, grundsätzlich ist jeder Vergleich zulässig in dem Sinne, dass man ihn anstellt. Unzulässig kann der Vergleich sein, wenn er eine Gleichsetzung impliziert. Selbstverständlich war Noltes Vergleich von „Auschwitz“ und „Gulag“ zulässig. Jedoch seine daraus abgeleitete These vom „logischen und faktischen Prius“, der NS-Judenmord als Reaktion auf die Massenmorde in der SU, war schon bei ihrer Veröffentlichung nicht haltbar, und die historische Forschung hat dann Noltes Erklärungsmodell widerlegt. Exemplarisch sei hier auf die Veröffentlichungen von Christopher Browning zur Genesis der Endlösung verwiesen. Problematisch wird es, wenn ich eine explizite oder insinuierte Gleichsetzung von etwas mit etwas zu sachfremden, ideologischen Zwecken instrumentalisiere. Ich denke da an die Rede vom „Bombenholocaust“ oder auch von den „zwei deutschen Diktaturen“. Oder, wie im vorliegenden Fall, die „Dämonisierung“ Israels. Der gesellschaftliche Zugriff auf die historische Forschung geschieht fast immer in der Absicht der Instrumentalisierung, sei es zum Zwecke der Legitimierung oder Delegitimierung gegenwärtigen Handelns, inklusive der möglichen Verkürzung von Forschungsergebnissen oder dem Ausblenden der Nuancen. Was jedoch nicht dazu führen darf, dass Historiker, diesen Zugriff in dieser oder jener Weise erwartend, ihre Forschungsergebnisse unter dem Mantel der „Wissenschaft“ entsprechend „zurichten“. Aber dies gilt ja für jede Wissenschaft.

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      P.S.
      „Brendan Simms hat in seiner neuen Hitler-Biographie schlüssig nachgewiesen, dass Hitler von Anfang seiner politischen Karriere an das britische Empire und – etwas später – die USA als jene Angstgegner ansah, gegen die sich das nationalsozialistische Deutschland behaupten müsse.“
      Das Buch werde ich mir besorgen. Allerdings bin ich bei „bahnbrechenden“ und „umwälzenden“ neuen Forschungserkenntnissen vorsichtig …

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        Habe ich von bahnbrechenden und umwälzenden Erkenntnissen gesprochen? Ich glaube nicht. Vielmehr betone ich in meiner Besprechung, dass diese Ansicht durchaus verbreitet war in den frühen 1960er Jahren.

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        Lieber Herr Posener, Simms‘ „Hitler“ ist ein „Anti-Nolte“ (wobei dieser Autor gar nicht erwähnt, geschweige denn ausweislich der Anmerkubgen und des Literaturverzeichnisses rezipiert wird); gleichwohl ist seine Grundthese nicht überzeugend. Überbetonung der Quellen und Ereignisse, die seine These stützen. Vernachlässigung und Fortlassung jener Aspekte, die seiner Interpretation widersprechen. Ich würde da Ulrich Herbert zustimmen:
        https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/brendan-simms-hitler-traktat-ueber-hitlers-westbesessenheit-16771546.html

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        Dass Simms‘ Hitler-Buch ein „Anti-Nolte“ ist, habe ich in meiner Rezension betont:
        „Erstaunlicherweise erwähnt Simms Nolte mit keinem Wort. Kein Werk Noltes findet sich in der Bibliographie. Und doch nimmt Simms direkt Bezug auf Noltes Buch „Der europäische Bürgerkrieg“, wenn er wiederholt unterstreicht, der Krieg sei für Hitler vor allem „eine Konfrontation von ‚Ariern‘“, nämlich Deutsche gegen „Angelsachsen“, „ein germanischer Bürgerkrieg“.“
        https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/plus206830523/Britischer-Historiker-Drei-neue-Behauptungen-ueber-Hitler-die-stimmen.html
        Ich werde den Herbert lesen, auch wenn ich es schlecht finde, dass schon in der Überschrift steht, das Buch sei ein „Traktat“.

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        Ja, lieber Herr Posener, da haben Sie mich. „Belesenheit schützt vor Neuentdeckungen“ hat mal ein Historoker geschrieben. Im Ton ist Herbert sehr scharf und polemisch. Muss man so nicht schreiben. Jedoch die Substanz seiner Kritik mache ich mir zu eigen.
        Beste Grüße!

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        Lieber Herr Posener, habe Simms‘ „Hitler“ jetzt ausgelesen. Ich fühlte mich beim Lesen erinnert an die Lektüre von Goldhagens „Willing Executioners“. Die Hauptthese wird gebetsmühlenartig wiederholt, jeder Quellenfund, jede Aussage wird auf diese Hauptthese hin zugerichtet. Eine fundierte Auseinandersetzung mit den Interpretationen seiner wissenschaftlichen Vorgänger unterbleibt, was aber bei einer solch radikal anderen Sichtweise meines Erachtens unerlässlich wäre.
        Kurz: Ich bin nicht überzeugt.
        https://www.theguardian.com/books/2019/sep/27/hitler-only-the-world-was-enough-and-hitler-a-life-review

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        Die Stilkritik teile ich. Und man muss einräumen, dass Simms nicht wirklich erklären kann, wie es zum Holocaust kommen konnte. (Da ist Goldhagen hilfreicher.) Dennoch finde ich, dass die Lektüre erhellend ist.

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        Herr, Haupts, da habe Sie recht. Nolte serviert seinen Lesern gerne einmal Überlegungen, wie diese:
        „Wenn das Selbstverständnis [der Juden], das ‘Licht der Völker’, das ‘Volk Gottes’ oder auch eine ‘kräftigere Rasse’ zu sein, richtig oder auch bloß aufrichtig ist, dann ist verbreitete Feindschaft eine unumgängliche Konsequenz, und zwar gerade die Feindschaft der Dumpfen, der einfachen Menschen, der Nicht-Intellektuellen. Wenn dieses Selbstverständnis jedoch nur aufrichtig, aber in der Realität mit banalen Eigenschaften wie Egoismus und Machtwillen verknüpft ist, dann ist auch die Feindschaft nicht ohne Recht, und die unterschiedslose Stigmatisierung des ‘Antisemitismus’ muß als bloßes, wenngleich erstaunlich erfolgreiches Kampfmittel gelten.“ [Ernst Nolte, Streitpunkte, Berlin 1993, S. 396; Hervorh. im Original.]

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        Ja, absolut irre. Und vielen Dank für die Textstelle, lieber Stefan Trute – zeigt sie doch, mit welchen geistigen Verrenkungen an dem postulierten ‚prinzipiellen‘ Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden festgehalten wird. Und ich meine wohl, der Herr Mbembe und viele andere Kritiker des Kolonialismus, Ethnofolklore-Romantiker usw. müssten sich ehrlicherweise fragen, ob sie auch bei ‚bedrohten Völkern‘ glauben, dass diese Bedrohung (durch den westl. Kapitalismus selbstverständlich) auf einen solchen ‚prinzipiellen Unterschied‘ zurückzuführen wäre. Sozusagen als Folge der mangelnden Akzeptanz von ‚diversity‘.

      3. avatar

        @S.T. ./. APo ./. Klaus

        … die angeführten Zitate finden sich mehrfach im Netz. Wenn sie nicht aus dem Kontext gerissen sind, zeugen sie von Unwissenheit, wenn nicht gar von einer wie auch immer eingefärbten Ideologie des Verfassers.

        Selbstverständlich ist der Mensch das Licht der Welt. In der Bergpredigt, Matthäus 5, 13-16 spricht Jesus zu den Menschen; ihr seid das Salz der der Erde, das Licht der Welt.

        Ja wer oder was denn auch sonst?

        Daraus ein ‚Recht der Feindschaft‘ abzuleiten – ist mehr als fragwürdig. Meine ich.

      4. avatar

        … ooops? Korrektur

        @S.T. ./. APo ./. Klaus

        … die angeführten Zitate finden sich mehrfach im Netz. Wenn sie nicht aus dem Kontext gerissen sind, zeugen sie von Unwissenheit, wenn nicht gar von einer wie auch immer eingefärbten Ideologie des Verfassers.

        Selbstverständlich ist der Mensch das Licht der Welt. In der Bergpredigt, Matthäus 5, 13-16 spricht Jesus zu den Menschen; ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt.

        Ja wer oder was denn auch sonst?

        Daraus ein ‚Recht der Feindschaft‘ abzuleiten – ist mehr als fragwürdig. Meine ich.

      5. avatar

        Naja, hans.. „Feindschaft“ finde ich jetzt von Ihnen ein wenig dramatisiert. Vielleicht ein bisschen Unbehagen. Wesentlich interessanter finde ich das als Beispiel, wie sich das Denken, das Argumentieren um per se akzeptierte Postulate organisiert um dann als ernstzunehmende These oder gar als ‚wissenschaftlich beweisbares Faktum‘ verkauft zu werden. Und Sie haben ja recht – Religion würde dem Raubaffen da etwas mehr Halt geben und ihn gleichzeitig demütiger machen. Es täte ihm gut. So als Immunisierung gegen die Zeitgeister.

      6. avatar

        @DBH
        „… die angeführten Zitate finden sich mehrfach im Netz. Wenn sie nicht aus dem Kontext gerissen sind, zeugen sie von Unwissenheit, wenn nicht gar von einer wie auch immer eingefärbten Ideologie des Verfassers.“
        Bei Nolte ist eine zunehmende Radikalisierung seiner Ansichten zu Nazismus, Bolschweismus und Judentum zu beobachten. Schon in „Deutschland und der Kalte Krieg“ von 1974 (glaube ich) widmet er dem Zionismus ein Kapitel, dessen Grundgedanken auf eine Gleichsetzung von NS und Zionismus zielen. Über die angebliche Kriegserklärung Weizmanns hat Herr Posener schon geschrieben. Dieses Argument findet sich auch im „Europäischen Bürgerkrieg“ . Nolte argumentiert grundsätzlich, in seiner ganz eigenen, „wolkigen“ Diktion, dass Hitler ein gewisses „historisches Recht“ nicht abgesprochen werden könne.
        Eine Zusammenfassung seines Denkens bietet er selber in seinem Buch „Rückblick auf mein Leben und Denken“, in dem er das obige Zitat noch einmal explizit aufgreift und verteidigt. Eine -übrigens sehr faire-Dokumentation findet sich auf youtoube: „Ernst Nolte. Ein deutscher Streitfall.“
        Ich erlaube mir mit meinen bescheidenen Kenntnissen das Urteil, dass dieser Mann, der zwei sehr lesenswerte Bücher verfasst hat („Der Faschismus in seiner Epoche“,1963 und „Marxismus und Industrielle Revolution“, 1983) sich seit den 70er Jahren mehr und mehr in seinen Ansichten radikalisiert hat. In seinen Werken nach dem „Historikerstreit“ hat er dabei den Fortgang der historischen Forschung zu seinem Thema nur noch sehr selektiv rezipiert, wenn nicht gar souverän ignoriert.

      7. avatar

        Ich füge hinzu, lieber Stefan Trute, dass Noltes „Europäischer Bürgerkrieg“ zwar in seinem Grundansatz falsch, aber dennoch sehr lesenswert ist.

      8. avatar

        KJN; ‚Naja, hans.. “Feindschaft” finde ich jetzt von Ihnen ein wenig dramatisiert. Vielleicht ein bisschen Unbehagen.‘

        … ooops? … ein bisschen Unbehagen ist zu wenig, Klaus. Ich habe Nolte, aus dem Zitat oben, wiedergegeben; ‚… dann ist auch die Feindschaft nicht ohne Recht …‘

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