Gewöhnliche Korruption vermutet man in Deutschland eigentlich nicht. Niemand kann sich vorstellen, dass z.B. der Wirtschaftsminister die Hand aufhält, um als Gegenleistung für die Subventionierung einer Firma einen braunen Umschlag mit netten Scheinen zu erhalten. Unserer protestantisch erzogenen Kanzlerin traut niemand zu, auch nur einen Euro zu veruntreuen. In korruptionsanfälligen Branchen wie der Bauindustrie werden die Mitarbeiter der Verwaltung, die Baugenehmigungen erteilt und Bauaufträge vergibt, nach einer gewissen Zeit durch andere Beamte ausgetauscht, damit sich keine korruptionsanfälligen Strukturen verfestigen können. Firmen mit Korruptionserfahrung, wie z.B. Siemens, haben strenge Compliance-Regeln erlassen, um Korruption im Keime zu ersticken. Alle dies trägt Früchte. Deutschland belegte 2015 im Korruptionsindex von „Transparancy International“ von 190 Staaten den guten zehnten Platz. Da kann man wirklich nicht meckern.
Dennoch gibt es Fälle von Vorteilsnahme, die ärgerlich sind, ohne dass sie die Betroffenen zur Einsicht gebracht hätten. Ein solcher Fall ist das geschäftliche Engagement des Ex-Bundeskanzlers Gerhard Schröder beim staatlichen russischen Gaskonzern „Gazprom“. Noch in seiner Amtszeit hatte er zusammen mit Wladimir Putin den Weg frei gemacht für den Bau der Ostseepipeline „Nord Stream“. Kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Amt stieg er zum Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses des Pipeline-Projekts auf. Im Grunde könnte man sagen, dass Schröder durch sein amtliches Handeln die Grundlage für sein späteres lukratives finanzielles Engagement im russischen Staatskonzern gelegt hat. Inzwischen ist er auch in den Vorstand eines weiteren staatlichen Unternehmens in Russland, Rosneft, aufgestiegen. In Deutschland hielt sich der Protest gegen Schröder in Grenzen, obwohl er den Ehrenkodex für ehemalige Regierungsmitglieder, der eine mehrjährige Karenzzeit vor dem Einstieg in die Privatwirtschaft vorsieht, grob verletzt hatte. Für russische Medien ist die Sache klar. Das Wort „Schrederisazia“ ist in politisch interessierten Kreisen zwischen Wladiwostok und Kaliningrad inzwischen ein Synonym für Bestechlichkeit und Korruption westlicher Eliten.
Nun gibt es eine versteckte Form von Vorteilsnahme, der man den Charakter der Korruption auf den ersten Blick gar nicht ansieht. Er spielt sich im nach der chinesischen Volksvertretung zweitgrößten Parlament der Welt ab: im Deutschen Bundestag. Nach der Wahl am 24. September 2017 ist er von 631 auf 709 Abgeordnete angeschwollen, obwohl die Sollgröße 598 Abgeordnete beträgt. Schuld ist das komplizierte System von Überhang- und Ausgleichsmandaten, das zu immer mehr Abgeordneten führen muss, je mehr Parteien in den Bundestag einziehen. Der Bundestagspräsident a. D. Norbert Lammert hat rechtzeitig vor Ende der letzten Legislaturperiode vor einer solchen Aufblähung des Parlaments gewarnt und angemahnt, das Wahlrecht so zu ändern, dass die Zahl der Abgeordneten nicht über Gebühr anwächst. Vergeblich. Obwohl mehrere handhabbare Alternativen auf dem Tisch lagen, konnten sich die Fraktionen nicht auf ein Konzept verständigen. Vor allem die kleineren Parteien befürchteten, dass sie dabei den Kürzeren ziehen würden. Für sie sind die Ausgleichsmandate ein Himmelsgeschenk.
Warum ist ein so aufgeblähtes Parlament ein Fall von Korruption? Abgeordnete werden mehr als ordentlich bezahlt. Die Diäten betragen zur Zeit 9.541,74 Euro im Monat. Dazu kommt eine steuerfreie Kostenpauschale in Höhe von 4.318,38 Euro. Abgeordnete dürfen alle öffentlichen Verkehrsmittel der Republik kostenlos benutzen und erhalten dazu eine Bahncard erster Klasse. In der Krankenversicherung sind sie gestellt wie Beamte. Die Altersversorgung ist üppig. Schon nach wenigen Jahren Mitgliedschaft im Parlament erwerben sie die Anwartschaft auf auskömmliche Ruhegelder, für die Arbeiter und Angestellte Jahrzehnte ein Leben lang arbeiten müssten. Beim Ausscheiden aus dem Bundestag bekommt ein Abgeordneter ein Übergangsgeld. Es beträgt zur Zeit für ein Jahr Zugehörigkeit im Bundestag 9.541,74 €, für 18 Jahre und mehr stehen dem Abgeordneten insgesamt 171.751,32 € zu. Ich kenne keinen Beruf, bei dem das Ausscheiden aus einer Arbeitsstelle so üppig abgefedert wird wie beim Abgeordneten. Dabei stehen den Abgeordneten in der Regel die Türen in die Privatwirtschaft weit offen.
Wenn man diese finanzielle Ausstattung sieht, kann man erahnen, warum es den Parteien so schwer fiel, die Anzahl der Abgeordneten im Parlament zu begrenzen. Je mehr Mandate zur Verfügung stehen, desto mehr Parteimitgliedern kann man damit etwas Gutes tun. Die Mandate dienen dazu, verdiente Mitglieder zu belohnen und störrische Zeitgenossen ruhig zu stellen. Da alle Abgeordneten auch Mitgliedsbeiträge an ihre Partei, der sie ja ihr Mandat verdanken, abführen müssen, fließt viel Geld in die Parteikasse zurück. Dass die Parteien den Vorschlag von Norbert Lammert, die Zahl der Mandate zu begrenzen, abgelehnt haben, war Ausdruck von Egoismus. Wenn Eigennutz auf Kosten der Solidargemeinschaft geht, erfüllt es den Tatbestand der Korruption. Die Presse hat ausgerechnet, dass der neue Bundestag pro Jahr 50 Millionen mehr kostet als der alte. Die Folgekosten in Form von Pensionen und Übergangsgeldern sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Man kann mit Fug und Recht bezweifeln, dass die hohe Zahl der Abgeordneten im neuen XXL-Parlament der Qualität der Parlamentsarbeit förderlich ist. Viele der Abgeordneten werden vier Jahre lang ein tristes Leben als Hinterbänkler führen, die bei den Debatten als Redner nur selten berücksichtigt werden. Die Nachrücker, die auf dem Ticket „Überhangs- und Ausgleichsmandat“ ins Parlament gerutscht sind, sind in ihren Parteien nicht erste Wahl gewesen. Sie landeten auf den Landeslisten ganz hinten. Nur das problematische Wahlrecht hat ihnen einen Platz an der Sonne beschert.
Es wäre leicht gewesen, die Zahl der Abgeordneten zu begrenzen. Dazu hätte man sich nur auf die ursprüngliche Intention des Wahlrechts besinnen müssen. Es geht darum, die besten Repräsentanten des Volkes für das Parlament, das Vertretungsorgan des Volkes, zu finden. Wenn es nur um die mathematisch genaue Abbildung der Stimmungen im Volk ginge, hätten es die Väter und Mütter des Grundgesetzes bei einem reinen Verhältniswahlrecht mit nur einer Stimme bewenden lassen. Die Erststimme für einen Wahlkreiskandidaten sollte jedoch die anonyme Listenwahl modifizieren und die Bestenauslese ermöglichen. Für mich besitzt ein Abgeordneter, der seinen Wahlkreis direkt gewinnt, deshalb eine höhere parlamentarische Legitimation als einer, der nur über die Landesliste ins Parlament einzieht. Die Direktwahl adelt einen Politiker, weil er die Zustimmung der Wähler für sich als Persönlichkeit erhalten hat. Warum sollte man nicht die Partei belohnen, die die meisten Direktkandidaten aufweisen kann? Diese Belohnung könnte darin bestehen, dass man auf Ausgleichsmandate für Parteien ohne Direktmandat ganz verzichtet. Überall in der Gesellschaft gilt das Leistungsprinzip. Im Sport wäre es undenkbar, dem Verlierer Trostpunkte zu geben, damit er durch diesen Gnadenakt mit dem Sieger gleichziehen kann. Der Wettstreit um das Direktmandat ist für viele Politiker ohne Risiko, da sie in der Regel sicher sein können, über das Ausgleichsmandat für ihr Versagen entschädigt zu werden.
Die parlamentarischen Geschäftsführer von fünf Fraktionen (alle bis auf die AfD) haben im Vorfeld der Konstituierung des neuen Bundestages am 24. 10. 2017 verlauten lassen, dass sie eine Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre anstreben. Sie wollen so mit den Bundesländern gleichziehen, wo zumeist die fünfjährige Legislaturperiode gilt. In Bremen haben die Bürger allerdings vor kurzem abgelehnt, die Amtszeit der Parlamentarier von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Als Gegengewicht für die Verstärkung des repräsentativen Elements wollen die Parteien den Bürgern mehr „plebiszitäre Elemente“, also Volksbegehren und Volksentscheide, gewähren. Beides halte ich für keine gute Idee. In Berlin hat es zwei Volksentscheide gegeben, die an der Weisheit des Volkes zweifeln lassen: den Volksentscheid zur Nichtbebauung des Tempelhofer Feldes und den zur Offenhaltung des Flughafens Tegel. Wollen die Parteien allen Ernstes, dass die AfD, die vehement für Volksentscheide eintritt, künftig das Volk darüber entscheiden lässt, wer in Deutschland bleiben darf und wer nicht? Wir sollen nicht ohne Not mit dem Feuer spielen, das in der Weimarer Demokratie schon viel Unheil angerichtet hat.
Nach dem, was ich oben über die versteckte Korruption durch ein aufgeblähtes Parlament geschrieben habe, verbietet sich die Verlängerung der Legislaturperiode strikt. Sie würde den geldwerten Vorteil für Hinterbänkler um ein weiteres Jahr verlängern. Erst wenn die Parteien in einem Gesetz festgeschrieben haben, dass der Deutsche Bundestag nie mehr über die Höchstzahl von 598 Abgeordneten wachsen darf, kann man über eine Verlängerung der Legislaturperiode nachdenken.
Nach dem Krampf der wochenlangen Jamaica-Sondierungen sehnt man sich ohnehin nach dem britischen Wahlrecht. Im Vereinigten Königreich gibt es am Wahltag einen klaren Sieger und die neue Regierung kann schon am Tag danach ihre Arbeit aufnehmen. Und es fehlen die kleinen, übermotiviertne Parteien, die mit ihrem Erpressungspotential das Wahlergebnis auf den Kopf stellen.
… jau, Freunde. So geht Politik!
… Oder so!
„Wollen die Parteien allen Ernstes, dass die AfD, die vehement für Volksentscheide eintritt, künftig das Volk darüber entscheiden lässt, wer in Deutschland bleiben darf und wer nicht? Wir sollen nicht ohne Not mit dem Feuer spielen, das in der Weimarer Demokratie schon viel Unheil angerichtet hat.“
Diese unsinnige Legende hält sich hartnäckig.
Hier ist sehr ausführlich dargestellt, welche Volksabstimmungen in der Weimarer Republik stattfanden, und welche Folge dies hatte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Direkte_Demokratie_in_der_Weimarer_Republik
Die Demokratie von Weimar ist nicht an Volksabstimmungen gescheitert, sondern an unfähigen und unwilligen Parteien.
Selbst die Weimarer Verfassung war so schlecht nicht. Es gab nur niemanden mehr, der sie gegen Hitlers andauernde Verfassungsbrüche verteidigt hätte.
Das Widerstandsrecht im GG ist Folge dieser Ereignisse.
Wenn die staatlichen Institutionen versagen, hat JEDER das Recht, den verfassungsfeindlich agierenden Machthabern Widerstand zu leisten.
Don Geraldo, auch wenn einige Volksabstimmungen in der Weimarer Republik scheiterten, boten sie den radikalen Rändern rechts und links doch ideale Möglichkeiten, das Volk mit ihrer Propaganda zu überziehen. Auch die Wahl des Reichspräsidenten war eine Volkswahl und kein vernünftiger Mensch wird behaupten, dass die Wahl Hindenburgs eine kluge Wahl war. Er hat schließlich 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die heutige Berliner Verfassung hat übrigens aus dem Scheitern der Volksabstimmungen in Weimar die falsche Lehre gezogen und das Quorum von 50 Prozent auf 25 Prozent gesenkt. Das ist der Grund, weshalb in Berlin unsinnige Ideen leicht eine Mehrheit finden können. Für mich ist die repräsentative Demokratie nach wie vor die ideale Form der Demokratie.
Daß Hindenburg der Kandidat fast aller demokratischen Parteien einschließlich der SPD war ist Ihnen vielleicht nicht bekannt.
Er wollte eigentlich aus Altersgründen nicht mehr kandidieren, ließ sich aber überreden, eben weil sonst kein Kandidat in Sicht war der Hitler hätte schlagen können.
Als Antwort auf Don Geraldo,
Ihr Einwand ist mir bekannt. Er spricht aber nicht für die Direktwahl von Führungspersonal einer Demokratie. Hätten in Weimar die Parlamentarier den Präsidenten bestimmen können, hätten sie nicht wie beim Kandidaten Hindenburg einen Erz-Konservativen präsentieren müssen, um einen noch schlimmeren Nationalisten namens Hitler zu verhindern. Dann wäre es wohl ein gemäßigter Konservativer oder gar ein Sozialdemokrat geworden. Dass wir heute einen zwar langweiligen, aber grundsoliden Präsidenten haben, verdanken wir dem indirekten Wahlmodus. Steinmeier wäre wohl vom Volk nicht gewählt worden, weil die Parteien dann sicher „griffigere“ oder auch telegenere Kandidaten aufgestellt hätten, um zu siegen. Volkswahl drängt immer zur Polarisierung. Ich vertraue lieber auf die Weisheit unserer Volksvertreter.
Auch wenn das Wahlmännergremium dazwischengeschaltet ist haben die US seit fast 250 Jahren eine Direktwahl.
Auch wenn dies in den Zeiten des derzeitigen Amtsinhabers komisch klingt, die Anzahl an Totalausfällen war relativ gering, ein Diktator in spe war noch gar nicht darunter.
Und selbst wenn, die anderen staatlichen Institutionen waren und sind stark genug, auch dem unfähigsten Präsidenten entsprechende Grenzen zu setzen.
In Deutschland ist ja der größte Teil der Volksvertreter trotz ihrer Weisheit noch nicht mal fähig oder willens, die jeweilige Regierung effektiv zu kontrollieren.
Stattdessen verstehen sich die meisten als mehrheitsbeschaffendes Hilfsorgan der Regierung.
Die Katastrophen werden in Deutschland seit jeher von den politischen Führern verursacht, und mitnichten vom Volke. Wie wäre wohl eine Volksabstimmung über den Russlandfeldzug ausgegangen? Oder über den Mauerbau, oder über die Abschaffung der DM, oder über das Einschleusen der islamischen Massen über die offenen Grenzen?
Der deutsche Fisch stinkt vom Kopfe, auch wenn er sich jetzt Jamaika-Fisch nennt.
Immer mal mit der Ruhe bitte! Das Volk hat auch keine Weisheit gefrühstückt und ist durch gezielte Kampagnen ebenso beeinflußbar wie es Abgeordnete, die um ihre Wiederwahl kämpfen, durch ähnliche Kampagnen oder durch Lobbyismus auch sind.
Nur ein Beispiel: Nach dem Kollaps des Ostblocks schossen neoliberale Thinktanks aus dem Boden, die eigentlich nur einen Auftrag hatten: den ungeliebten Wohlfahrtsstaat wieder einzudampfen. Und seit es sonntagabendliche Talkshows gibt, geht es ständig wieder um den Themenkomplex „Wir müssen den Gürtel enger schnallen! Wir können uns die teuren Renten nicht mehr leisten! Die Sozialhilfesätze sind zu hoch! Und bla und blubb.“ Nach zwei Jahrzehnten Dauerbeschallung glaubt man solcherlei, insbesondere, wenn Leute mit Professorentiteln diese Thesen vertreten, egal wie falsch sie sind.
Ergebnis: Das Wahlvolk hat die Thesen verinnerlicht und hinterfragt beispielsweise nicht mehr, warum die umlagefinanzierte staatliche Rente systematisch schlechtgeredet wird. Es hinterfragt nicht mehr, ob die Versicherungskonzerne nicht ein deutliches Interesse daran haben, von den 90 Milliarden Euro, die an Arbeitnehmerbeiträgen jedes Jahr in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden, einen Teil abzuknapsen. Und vor allem stellt es nicht mehr die Frage, was an den privaten Versicherungen viel besser ist, wenn die ersten vier Beitragsjahre komplett dafür draufgehen, den Versicherungsmakler und die Vorstände zu entlohnen, ehe überhaupt irgendwelche seiner Beiträge verzinst werden.
Der Nebeneffekt der Langzeitkampagnen: Inzwischen hinterfragt das Wahlvolk an anderer Stelle, ob sich ein Vorhaben rechnet; sinngemäß: „Das Kindergeld wird nicht erhöht, weil es eine Milliarde Mehrausgaben verursacht. Aber warum sollen wir dann eine Milliarde ausgeben für einen Prunkbau in Hamburg / für Olympische Spiele / für das Berliner Stadtschloß?“ und so weiter.
Vielleicht sollten wir auch noch von den vielen Fällen sprechen, in denen Behörden und Institutionen selber Bestandteil von pressure groups werden. Warum sollte eine Umweltamt daran interessiert sein, daß Luft und Flüsse nun als sauber gelten können; warum sollte eine Brandschutzbehörde daran interessiert sein, daß Hoteliers nun vielleicht genug Feuerlöscher angebracht haben und jährlich prüfen lassen; warum sollte eine Steuerbehörde von der Ehrlichkeit der Steuerzahler ausgehen (?) usw. usf. Natürlich geht es da immer auch um Einfluss und Geld und um solche legalen Fehlentwicklungen zu vermeiden, befürfte es bisweilen mehr von so etwas altmodischem, wie Berufsethos in Verbindung mit einem Gefühl für Verhältnismäßigkeit, (um nicht schon wieder von gesundem Menschenverstand zu sprechen).
Ich meine die Schröders, Pofallas usw., also die Eliten bilden nichts anderes ab, als unsere Gesellschaft bzw. die Moderne.
Noch etwas zu den Fällen, die ein ziemliches „Gschmäckle“ haben: Die Causa Schröder ist weder der erste solche Fall noch rückblickend besonders dreist. Da gab es schon andere Kaliber:
– Helmut Kohl führte in seiner ersten vollen Amtszeit (die von seiner Kanzlerwahl bis zu den wenige Monate späteren Neuwahlen zählen da nicht) das Privatfernsehen ein. Einer der wesentlichen Nutznießer der Aktion war Kohls Spezl Leo Kirch. Nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt 16 Jahre später gab es von Kirch ein Dankeschön in Form eines hochdotierten Beratervertrags.
– Otto Schily boxte als Innenminister den biometrischen Ausweis durch und wurde nach seinem Ausscheiden Berater für eine Firma, die genau solche Ausweise produziert.
– Wolfgang Clement pamperte als Ministerpräsident und später als Minister die großen Energiekonzerne und wurde drei Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Amt Aufsichtsratsmitglied bei RWE.
– Daniel Bahr wechselte vom Gesundheitsministerium mit weniger als einem Jahr Abstand in den Vorstand eines Versicherungskonzerns, der maßgeblich von der von ihm eingeführten Pflegezusatzversicherung profitierte.
– Roland Koch drückte als Ministerpräsident den Ausbau des Frankfurter Flughafens durch und wurde von dem Baukonzern Bilfinger, der einer Auftragnehmer dieses Vorhabens war (und 80 Mio. dafür erhielt), in den Vorstand berufen.
Wovon wir aus Platzgründen lieber einmal schweigen wollen, sind die Lobbyisten, die als wissenschaftliche Mitarbeiter getarnt die Gesetzentwürfe der Ministerien begleiten.
Danke, Opa Krempel, für diese Ergänzungen, die sich alle in der Grauzone der Korruption abspielen. Sie ließen sich in Zukunft vermeiden, wenn der Bundestag ein Gesetz verabschieden würde, das eine Karenzzeit von fünf Jahren verbindlich vorschreibt, wenn ein Minister zu einer Firma in der Privatwirtschaft wechseln will, deren Geschäftsfelder mit dem früheren Arbeitsgebiet des Politikers übereinstimmen.
Es sind ja nicht nur Regierungsmitglieder, die nachträglich die Taschen gefüllt bekommen.
Vor Jahren wurde in Frankfurt das alte Finanzamt verkauft, den Zuschlag bekam nicht der Bieter mit dem höchsten Gebot.
Der für den Verkauf zuständige Beamte, „nur“ ein Regierungsdirektor im hessischen Finanzministerium, bat kurz nach dem Verkauf um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.
Er wechselte in die Immobilienwirtschaft, jetzt raten Sie mal in welches Unternehmen ?
In der Kommunalpolitik gibt es ähnliche Beispiele.
@Opa
… aus Platzgründen!
Danke für den Link, hans. Er komplettiert die Liste, die ich oben aufgeführt habe, aber er ist nicht ganz das, was ich meinte. Worauf ich hinauswill, sind – bildlich gesprochen – die ganzen Frösche, die die an den Sumpftrockenlegungsverordnungen mitarbeiten. Aber auch da bietet Lobbypedia eine umfangreiche Sammlung; als Einstieg könnte diese Seite dienen: https://lobbypedia.de/wiki/Lobbyisten_in_Ministerien
Mein Opa hat mir mal eine Geschichte erzählt, ob sie stimmt weiß ich nicht, denn er hatte immer ein paar Promille intus. Auf jeden Fall will er mal im Krieg in Frankreich, das Hauptquartier von Göring besucht haben, und dort war alles voll mit geklautem Kram, eine überquellende Luxusbude. Dann hat er das HQ von Hitler besucht, und dort stand: Ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl, sonst nüscht. Will sagen, Hitler war eine bescheidener Mann, der hats nicht für Geld getan, aber besser macht es das auch nicht.
Hitler hat das Geld nur so gescheffelt: „Mein Kampf“ wurde vom Staat gekauft und massenhaft verteilt, für jede Briefmarke mit seinem Konterfei hat er kassiert usw.
R.W.: ‚Gewöhnliche Korruption vermutet man in Deutschland eigentlich nicht. … Unserer protestantisch erzogenen Kanzlerin traut niemand zu, auch nur einen Euro zu veruntreuen.‘
… wenn Sie die Vorteile durch Korruption der Amts- oder Funktionsträger nur in materieller Hinsicht sehen, wird es wohl so sein. Aaaaber, … da ist die ‚Bauernschläue‘, die die Ziele anderer durchsetzt, solange bis der Krug bricht. Da ist bei ihr die gefühlte Macht – *Wünschel-Macht* – als materieller Ersatz, die ihr, über alles, mehr bedeutet. ‚Der Politikwissenschaftler Harold Dwight Lasswell definierte Korruption als destruktiven Akt der Verletzung des allgemeinen Interesses zu Gunsten eines speziellen Vorteils.‘ Ich denke da an Griechenland. Unter anderem.
Das mit den Wahlen in Großbritannien habe ich auch anders in Erinnerung: von 2010 bis 2015 gab es eine Koalitionsregierung von Conservative Party und Liberal Democrats; das war zwar eine Ausnahme, aber auf das Mehrheitswahlrecht kann man sich eben auch nicht verlassen…
Noch etwas zu der Größe des Parlaments: Die Bundesrepublik hat 61,5 Mio. Wahlberechtigte, d.h. rein rechnerisch einen Abgeordneten je etwa 86700 Wahlberechtigter. Im Vergleich zu den Niederlanden (1:86000) oder Frankreich (1:82300) sollte man sich hierzulande – zumindest anhand der Zahlen – nicht überrepräsentiert fühlen.