Nach der in gewalttätigen Demonstration der linksautonomen Szene in Berlin-Friedrichshain vom 9. 7. 2016 gab es unterschiedliche politische Kommentare. Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach von einer „linken Gewaltorgie“, die Berliner Polizei von der „aggressivsten und gewalttätigsten Demonstration der zurückliegenden fünf Jahre“. Die Abgeordnete der Grünen Canan Bayram erlebte die Demonstration dagegen als „relativ friedlich„. Die objektive Bilanz der Demonstration hingegen ist unbestritten: 123 Polizisten wurden verletzt, sechs Autos und drei Bagger angezündet, zahlreiche Fassaden und Fensterscheiben von Geschäften der „gehobenen Klasse“ beschädigt oder zerstört.
Seit Monaten schon liefern sich Linksautonome im Bezirk Friedrichshain Schlachten mit der Polizei. Diese kann nach einer schlimmen Gewaltattacke (ein Kontaktbereichsbeamter war von drei vermummten Tätern auf offener Straße zusammengeschlagen worden) nur noch in Mannschaftsstärke in den Kiez um die Rigaer Straße einrücken. Auf der Internetseite „Indymedia“ haben die Linksradikalen angedroht, für jede Räumung eines besetzten Hauses durch Gewaltaktionen in der ganzen Stadt einen Schaden von zehn Millionen Euro anzurichten. Dass dies keine leere Drohung war, sollte sich schon bald erweisen. Im ganzen Stadtgebiet wurden Autos der Marken Daimler, BWW und Audi angezündet und zahlreiche Bankenfassaden „entglast“. Es gab dann noch eine weitere, besonders perfide Steigerung. In einer nächtlichen Aktion suchten linksautonome Kommandos die Investoren und ihre Familien an ihren Privatadressen im Stadtteil Nikolassee auf, zündeten Autos an und beschmierten die Mauern mit linken Parolen. Im Klartext sollte das heißen: Wir wissen, wo ihr wohnt! Wir können euch jederzeit attackieren, nicht nur in Friedrichshain, sondern auch in euren Privathäusern.
Menschen öffentlich zu brandmarken und zu attackieren weckt unliebsame Erinnerungen an die finstersten Zeiten unserer Geschichte. Die Fanatiker mit den schwarzen Masken sind vielleicht zu jung, um zu wissen, dass ihre Aktion ein berüchtigtes Vorbild hat. Als Joseph Goebbels im Jahre 1926 von Adolf Hitler zum Gauleiter von Berlin ernannt wurde, begann er systematisch, das öffentliche Leben mit radikalen, vor allem gegen die Juden gerichteten Aktionen zu vergiften. Eine Aktion bestand darin, dass die NSDAP die Namen und Adressen reicher jüdischer Bürger Berlins in ihren Parteizeitungen veröffentlichte und ihre Anhänger dazu aufrief, einen „Villen-Spaziergang“ zu machen. So zogen grölende SA-Trupps an den Villen im Grunewald und am Wannsee vorbei und beschmierten die Zäune und Tore mit NS-Parolen. Wartet nur, wir kriegen euch!, sollte das heißen. Nur wenige Jahre später sollten die Drohungen Wirklichkeit werden. Die Juden wurden entrechtet und aus dem öffentlichen Leben verbannt. Am Ende dieses Prozesses stand ihre Vernichtung in Auschwitz.
Es ist beschämend, wie wenig die politische Klasse in Berlin erkannt hat (oder erkennen will), dass hier Leute am Werke sind, denen jedes Mittel recht ist, nicht nur Sachschaden anzurichten, sondern auch Leib und Leben von Menschen – nicht nur von Polizisten – zu gefährden. Wie die Autonomen denken, kann man einem Eintrag entnehmen, den sie nach der Demonstration vom 9. Juli auf der Website „Indymedia“ eingestellt haben: „Es soll angeblich 123 verletzte Schweine geben. Wir hoffen das stimmt, wenn wir das auch stark bezweifeln. Mögen es beim nächsten Mal 234 verletzte Schweine sein!. Wir werden weiterhin aktiv sein um Berlin ins Chaos zu stürzen.“ Eine solche Sprache der Menschenverachtung und Verrohung hat den ehemaligen Innensenator von Berlin Erhardt Körting (SPD) nach ähnlichen Gewaltexzessen im Mai 2009 dazu gebracht, die Linksautonomen als verkappte Nazis zu bezeichnen. Bei einer Sitzung des Parlamentarischen Innenausschusses Anfang Dezember 2009 hatte Körting in Anlehnung an ein Zitat des früheren SPD-Parteivorsitzenden Kurt Schumacher (1895-1952) gesagt, dessen Formulierung “rotlackierte Faschisten“ scheine durchaus “auch auf einen Teil der Linken zuzutreffen“. Heute sieht das die SPD ganz anders. Der Regierende Bürgermeister hat seinen Innensenator öffentlich kritisiert, weil er mit den Autonomen nicht das Gespräch suche. Der ganze linke Flügel der SPD und auch Teile der Grünen sind abgetaucht, um sich nicht gegen die Linksradikalen stellen zu müssen, die ja – so sehen das die Genossen und die Ökos – hehre (gemeinsame) Ziele verfolgen: Kampf gegen die Gentrifizierung, gegen Mietwucher und Mieterverdrängung. Da kann man schon mal in Kauf nehmen, dass die Radikalen übers Ziel hinausschießen. Den Gipfel der Kumpanei mit der Gewalt schossen die Piraten ab, denen freilich das parlamentarische Totenglöckchen geläutet hat. Im Vorfeld der Demonstration schrieben sie an die Demonstranten: „Allen Demoteilnehmern in der Rigaer wünschen wir ein gepflegtes Henkelräumen“.
Ein notwendiger Rückblick: Am 7. April 1977 wird der Generalbundesanwalt Siegfried Buback durch ein Kommando der Roten Armee Fraktion (RAF) ermordet. Kurz darauf erscheint in einer Göttinger Studentenzeitung der mit dem Pseudonym „Mescalero“ gekennzeichnete Text „Buback – Ein Nachruf“. Darin schreibt der anonyme Autor, dass er zwar Morde aus politischen Gründen ablehne, dass er aber trotzdem eine „klammheimliche Freude“ über den Tod Bubacks nicht verhehlen könne. 2001 gab der Deutschlehrer Klaus Hülbrock zu, den Text geschrieben zu haben. Das Wort von der „klammheimlichen Freude“ ging in den deutschen Sprachschatz als Ausdruck einer Haltung ein, die Gewalttaten aus politischer Opportunität ablehnt, aber trotzdem Freude darüber empfindet, wenn sie geschehen. Es ist mit Händen zu greifen, dass es zur Zeit in den Parteien auf der linken Seite des politischen Spektrums in Berlin (SPD, Grüne, Linke, Piraten) eine Anzahl von Menschen gibt, die mit unverhohlener Freude auf die Gewaltexzesse schauen. Da sie dies nicht offen zeigen dürfen, werfen sie sprachliche Nebenkerzen. Mal wird der Innensenator für die Gewaltspirale verantwortlich gemacht, weil er nicht genügend deeskaliere; mal wird von ihm gefordert, einen runden Tisch für Gespräche mit den Radikalen einzurichten. Nie ist davon die Rede, dass die Aktionen der Autonomen schwere Straftaten sind, die mit keiner Ideologie der Welt zu rechtfertigen sind. Ein Bedauern über die verletzten Polizisten haben die Henkel-Kritiker allesamt nicht ausgedrückt. Bemerkenswert ist außerdem, mit welcher Nonchalance linke Politiker über die Vernichtung von Sachwerten in Millionenhöhe hinweggehen. Für Menschen ab einer bestimmten Gehaltsstufe gilt die „soziale Gerechtigkeit“ und der Schutz des Eigentums offensichtlich nicht.
Die historische Erfahrung lehrt uns: Links- und rechtsradikale Gewalttäter können nur so lange ihr schändliches Handwerk treiben, wie es Sympathisanten im bürgerlichen Lager gibt, die sie schützen, ermutigen und ihre Straftaten verharmlosen. Die RAF konnte nur so lange morden, weil es Sympathisanten gab (sogar höchst prominente), die ihnen Wohnungen, Autos, Geld und verbalen Flankenschutz gewährten. In Sachsen konnten die Nazis ihre Brandstiftungen in Flüchtlingsheimen nur deshalb ausführen, weil sie sich einer großen Anhängerschaft unter den „ehrenwerten Bürgern“ der Gemeinden sicher sein konnten.
Die Sympathisanten der Autonomen in den Berliner Linksparteien sollten diese Lehren beherzigen und ihre schützende Hand von den Straftätern nehmen. Das Recht ist nämlich nicht verhandelbar.
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