Die Philosophie beschäftigt sich mit zwei Klassen von Fragen. Solche, auf die es grundsätzlich eine eindeutige Antwort gibt, die aber nicht von der Philosophie gegeben werden kann. Und solche, auf die es grundsätzlich keine eindeutige Antwort geben kann. Weiterlesen
Month: Juli 2014
BILD Dir Deine Meinung: Kein Judenhass
Man kann froh sein, dass der Springer Verlag vor den Gefahren des Antisemitismus geschützt ist. Das hat auch historische Gründe. Der Gründungsverleger ließ in der Nachkriegszeit seine Berater einen Kanon festlegen, dem sein verlegerisches Imperium unterworfen sein sollte. Und dazu gehörte für ihn, dass die judenfeindlichen Gesinnungen, die in den Vorurteilen der Menschen schlummern, nicht mehr politisch zum Tragen kommen sollten. Gut so.
Allerdings kam der Grundsatz damals aus der Feder eines alten Nazis, der sein Vertrauen genoss, übrigens ebenso wie jüdische Köpfe, die die eigenartige Melange in Axel Cäsars Freundeskreis offenbar zu ertragen wussten. Wie man das wissen kann? Nun, die Formulierung ist verräterisch. Man befürworte, heißt es dort, das Existenzrecht des jüdischen Volkes. Ups, „des Volkes“?
Das Existenzrecht eines Volkes kann nur befürworten, wer auch das Gegenteil denken kann: den Völkermord, die sogenannte Endlösung. Was der umlackierte Nazis sagen wollte, betrifft das Exsitenzrecht des jüdischen Staates, also von Israel. Das ist eine Nachricht, das ist ein Bekenntnis. Die verunglückte Formulierung sagt lediglich Selbstverständliches. Für jedes Volk, jede Religion. Weiterlesen
Die Erbschaftssteuer ist verfassungswidrig
Zurzeit prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die Erbschaftssteuer verfassungswidrig ist. Nein, nicht die Erhebung einer Steuer auf das hinterlassene Vermögen toter Leute überhaupt, sondern die spezifische Ausgestaltung dieser Steuer in Deutschland.
So gehn die Feinde – die Feinde gehn so
Die Nachrichten dieser Tage erinnern mich an das Brecht-Wort: „Der Mensch, die Krone der Schöpfung, das Schwein.“ Ich sehe und höre Dinge aus dem Nahen Osten, aus der Ukraine, die das Menschenbild verändern können. Es vergällt mir ein wenig die Freude darüber, dass wir jetzt Weltmeister sind. Ja, ich gehöre zu den Miesepetern und Moraltussen, die zu anhaltendem Jubel über die Niederlage der anderen nicht so recht geschaffen sind. Als Deutscher sieht man eine halbe Million alkoholisierter Fans unter der Siegessäule nicht ungebrochen. Früher war mehr Lametta bei Massenaufmärschen. Ja, die deutsche Krankheit: Nachdenklichkeit. Weiterlesen
Vom Nutzen der Literatur
Ich nehme an, dass die meisten von uns in der Schule dieses „Gedicht“ des Pastors und Antifaschisten Martin Niemöller gelesen haben:
Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.
Alles Kundschafter des Friedens: Warum Spionage wie Gegenspionage sein müssen
Meine englischen Freunde meinen, wenn sie „Blitz“ sagen, kein Aufleuchten im Gewitter, sondern den Blitzkrieg, den die deutsche Luftwaffe unter Hermann Göring gegen sie geflogen hat. Sie erinnern sich an Bomben über London und Coventry und summen dabei von Vera Lynn „We‘ll meet again“, das sentimentale Lied jener, die im Kampf gegen Hitler ihr Leben lassen sollten. Es waren nicht wenige, und es waren nicht die schlechtesten. Ich frage erst gar nicht, ob sie uns, den Hunnen, die zweimal im letzten Jahrhundert die Welt in einen Krieg gestürzt haben, trauen. Ich frage vorsichtig nach Merkel. Und sie antworten mit der Gegenfrage, ob das die Dame sei, deren Familie freiwillig aus dem Westen in den Osten gezogen sei, die im Kommunismus groß wurde und dann Kohl, den Helden der Wiedervereinigung, aus lauter Dankbarkeit gestürzt habe. Ja, sage ich, eben jene. Man zeigt leicht gequält eine steife Oberlippe. Natürlich trauen sie Merkel nicht. Weiterlesen
Mit der Burka ins Internet
Mir geht Peter Sloterdijks Abgesang auf den Humanismus nicht aus dem Kopf:
http://www.zeit.de/1999/38/199938.sloterdijk3_.xml
Einerseits erscheint er mir aus der Distanz von fünfzehn Jahren aktueller als Bill Joys Apokalypse aus wildgewordenen Robotern, Genen und Mikroorganismen; denn für Sloterdijk ist die zentrale Frage jene des Mediums oder der Medien. Er verweist ausdrücklich, wenn auch ein wenig pompös archaisierend, auf „die aktuellen Vernetzungsrevolutionen“; das, was uns heute in Gestalt von Google und Facebook, Amazon und der NSA beschäftigt, und was Bill Joy – vielleicht, weil er für Sun Microsystems arbeitete und darum betriebsblind war – gar nicht auf dem Schirm hatte.
Die Vierte Gewalt macht vor nichts halt
Das Konzil tagt, der Kongress tanzt. Zur jährlichen Tagung des Journalistenvereinigung namens „Netzwerk Recherche“ reisen die Spitzen der schreibenden Zunft nach Hamburg, wo der NDR auf seinem Kombinatsgelände im Norden der Stadt den professionellen Disputen der notorischen Aufklärer Raum bietet. Man kann hier sehen, wie der nachkriegsbeseelte Geist der englischen Besatzer von einer deutschen BBC in einem Kombinats-Konstrukt untergebracht ist, das Erich Mielke erdacht zu haben scheint. Der über Gebühren zwangsfinanzierte Gigant ziert sich einmal im Jahr mit den investigativen Exoten, weil sie eben jene Idee vertreten, die er tagtäglich mit Füßen tritt. Ein Weißwäscherkongress. Aber das ist, wie Kipling sagt, ein anderes Thema.
Das Netzwerk selbst versteht sich als Vereinigung des Investigativen unter den Journalisten, also der creme de la creme. Weiterlesen
Schirrmacher und Sloterdijk
Die heftige Diskussion um meinen Nicht-Nachruf auf Frank Schirrmacher –
https://starke-meinungen.de/blog/2014/06/17/das-ende-von-etwas/
– zeigt mir, dass es falsch wäre, es bei diesem einen Text zu belassen.
Versuchen wir also, über die Charakterisierung von Schirrmacher als Exponent einer „spielerischen Rechten“ hinaus zu kommen. Lassen wir überhaupt die Frage der Einordnung auf einer ohnehin recht willkürlichen Rechts-Links-Skala beiseite. Zielen wir auf das, was den Publizisten in den letzten fünfzehn Jahren vor allem bewegt hat hat: die Frage des Verhältnisses von Mensch und Technik, von Dr. Frankenstein und seinem Monster. Weiterlesen